Mein Leben als Suchmaschine - Horst Evers - E-Book

Mein Leben als Suchmaschine E-Book

Horst Evers

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Beschreibung

Wieso? Weshalb? Warum? Wieso gibt es bei einer vollelektronischen Waschmaschine den Programmpunkt «Handwäsche»? Was will uns das Gerät damit sagen? Ist die Rap-Musik vielleicht entstanden, als die Ghettokids zu dick fürs Gitarreumhängen wurden? Gibt es religiöse Gründe, die es verbieten, Fenster zu putzen? Wie googelt man nach einer verlorenen Mütze? Horst Evers stellt die richtigen Fragen. Horst Evers weiß immer die Antwort.

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Horst Evers

Mein Leben als Suchmaschine

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Wieso? Weshalb? Warum? Wieso gibt es bei einer vollelektronischen Waschmaschine den Programmpunkt «Handwäsche»? Was will uns das Gerät damit sagen? Ist die Rap-Musik vielleicht entstanden, als die Ghettokids zu dick fürs Gitarreumhängen wurden? Gibt es religiöse Gründe, die es verbieten, Fenster zu putzen? Wie googelt man nach einer verlorenen Mütze?

Horst Evers stellt die richtigen Fragen. Horst Evers weiß immer die Antwort.

Über Horst Evers

Horst Evers, geboren 1967 in der Nähe von Diepholz in Niedersachsen, studierte Germanistik und Publizistik in Berlin und jobbte als Taxifahrer und Eilzusteller bei der Post. Er erhielt u.a. den Deutschen Kabarettpreis und den Deutschen Kleinkunstpreis. Jeden Sonntag ist er auf radioeins zu hören. Seine Geschichtenbände, zuletzt «Für Eile fehlt mir die Zeit» (2011) und «Wäre ich du, würde ich mich lieben» (2013), wie auch sein Roman «Alles außer irdisch» (2016) sind Bestseller. Horst Evers lebt mit seiner Familie in Berlin.

Inhaltsübersicht

WidmungAuf der Suche nach …Prolog … einem Plan oder irgendwie so wasYouTube und BrotEins … WahrheitMal über den Tellerrand guckenChance als ScheiternMein Recht als StaatsbürgerÄgyptenSchule in AsbestEine kleine Freude machenDas neue Hemd – oder: Natürlich gilt die Broken-Windows-Theorie auch für BerlinWenn es doch überall so viel besser geworden wäre wie in der ZahnmedizinDen Standort Evers fit machenZwei … dem WoherDas BrückengeländerLasst uns Weihnachten durch Kinderaugen sehenVorbeugende WahnvorstellungenLemgoKurz vorm ParadiesHoffnung für alleBergparadeWie mir die katholische Kirche einmal wirklich geholfen hatDrei … dem WarumBursitisRalleJanAuge um AugeTraunsteinNur wer nichts macht …Weihnachtsmärkte im VergleichDer AusdruckVier … WürdeDas Rauchverbot in den Zügen der Deutschen Bundesbahn unter besonderer Berücksichtigung der gelben Raucherzonenrechtecke auf den BahnsteigenInnere Wut und KaisersherzenFebruarDie Erfindung der Rap-MusikIm Strudel der SuchtMeine Eltern wollten nicht, dass ich Cowboy werdeDer PraktikantDie Nase schwitzt mitFünf … dem WohinReligiöse OrientierungIntelligente HaushaltsgeräteWohin mit der Weltklimakatastrophe?Intelligente Straßen23 SäulenIntelligente HosenWas heißt hier Verantwortung?Epilog … LiebeWie Joachim Mirow die Liebe seines Lebens gefunden hatRegister

Für Anni und Erich

Auf der Suche nach …

Prolog… einem Plan oder irgendwie so was

YouTube und Brot

Freitagmorgen. Renne durch die Wohnung und suche meine Mütze. Will nicht ohne die Mütze raus. Es ist viel zu windig. Würde mich erkälten. Aber verdammt, wo ist sie nur? Ah, mit diesem Suchen und Wühlen wird das nix. Setze mich an den Computer und google nach der Mütze.

Zack, da ist sie schon! Der Google-Link leitet mich weiter zu YouTube, und mit ein paar Klicks bin ich bei meinem eigenen Videostream. Seit ich mich immer beim Nachhausekommen filme und dann den kleinen Film sofort bei YouTube ins Netz stelle, spare ich viel Zeit. Zeit, die ich sonst immer fürs Suchen von Mütze, Schal, Schlüssel, Schirm oder Schuhen gebraucht habe. Ich gucke mir einfach am nächsten Morgen bei YouTube meinen Videostream vom Nachhausekommen an, und rumms! kann ich genau sehen, wo ich alles hingeschmissen habe. Was hab ich früher nicht alles ständig gesucht, aber jetzt kann ich genauso einfach, schön und unkompliziert leben wie alle anderen auch.

Dieses YouTube ist super. Kann ich verstehen, dass Google da 1,6 Milliarden Dollar für bezahlt hat. Hätt ich auch gemacht. Aber ich hab den Moment verpasst …

O nein, ich hatte die Mütze beim Nachhausekommen gar nicht auf. Ich muss sie schon in der Kneipe liegen gelassen haben. Aber in welcher?

Ah, so ganz und immer hilft einem die moderne Technik eben doch nicht weiter. Irgendwann stößt sie an ihre Grenzen. Da muss wohl heute Nacht ich alte Suchmaschine selbst nochmal ran und durch alle Kneipen gucken. Termine! Termine!

Aber jetzt muss es irgendwie anders gehen. Setze mir die Camcorder-Tasche auf den Kopf und ziehe los.

Der Bäcker hat sich irgendwie verändert. Stimmt, er heißt plötzlich nicht mehr Lekkerback, sondern Spitzenback. Na, Selbstvertrauen haben sie ja. Scheint sich aber auch auszuzahlen. Immerhin drei Leute sind vor mir in der Schlange. Und auch die Verkäuferin ist nigelnagelneu. Der Mann ganz vorne unterzieht sie gerade einem ersten ernstzunehmenden Test:

– Guten Tag, ich möchte gerne für morgen ein Brot von gestern vorbestellen.

– Sie wollen was?

– Ein Brot von gestern vorbestellen. Für morgen.

– Das geht nicht. Das morgige Brot von gestern ist ja heute schon da. Das kann man nicht mehr vorbestellen.

– Aber morgen kostet das Brot von heute, weil’s von gestern ist, doch nur noch die Hälfte.

– Ja.

– Na und das will ich.

– Aber das geht nicht. Heute gibt es noch kein Brot, das morgen von gestern ist.

– Ja, aber da hinten liegt es doch.

– Was?

– Na, das Brot, das morgen von gestern ist. Da hinten.

– Ja, aber das ist doch von heute.

– Eben, deshalb will ich’s vorbestellen. Dann kostet’s ja nur die Hälfte.

– Ja, ja, aber das geht nicht. Man kann Brot von gestern nicht vorbestellen. Wie stellen Sie sich das denn vor? Wenn das alle machen würden. Wo sollte ich denn das ganze Brot lagern?

Den Platz hab ich hier gar nicht.

– Der Lagerplatz ist das Problem?

– Ja, genau. Ich brauch doch morgen den Platz für das Brot von morgen.

– Na ja, wenn das das ganze Problem ist, bestell ich eben jetzt für morgen ein Brot von gestern, aber nehm’s heute schon mit.

Die Verkäuferin starrt ihn an. Dann starrt sie auf die Schlange, die mittlerweile bis fast auf den Bürgersteig angewachsen ist. Mit leeren Augen packt sie das Brot ein, kassiert den halben Preis und schaut zur nächsten.

– Bitte?

– Ich würde gerne für morgen sechs Brötchen von gestern vorbestellen.

Der Blick der Bäckereifachkraft wird noch leerer. Dieses Mal verzichtet sie bereits auf einen Dialog.

Dann bin ich dran. Die Verkäuferin fragt mich, ob ich eine Camcorder-Tasche auf dem Kopfe trage.

Sage:

– Ja, warum?

– Na weil … … ach, egal.

Sie schiebt mir vier Croissants rüber, murmelt:

– Is okay, stimmt so.

Ich glaube, die Verkäuferin wird nicht lange in unserer Bäckerei arbeiten.

Eins… Wahrheit

Mal über den Tellerrand gucken

Dienstagmittag. Stehe an der Bushaltestelle und friere. Habe ein schlechtes Gewissen. Da haben wir schon Klimakatastrophe, ständige Erderwärmung, und ich friere immer noch. Kann man es mir denn überhaupt nicht recht machen? Bin ich denn nie zufrieden? Fühle mich undankbar. Undankbar wie die ganze Menschheit. Der Bus hat Verspätung. Bestimmt schon eine Minute. Unglaublich, wie einen diese Berliner Verkehrsbetriebe schikanieren! Trete mit dem Fuß gegen das Haltestellenhäuschen. Als wenn er davon schneller käme. Obwohl, ich hab kaum gegen das Häuschen getreten, da biegt er auch schon um die Ecke. Beschwere mich beim Einsteigen beim Fahrer. War das denn unbedingt nötig? Musste es denn erst so weit kommen, dass ich gegen das Häuschen trete, bis er endlich mal kommt? Geht denn in dieser Welt alles nur noch mit Gewalt? Der Busfahrer schaut mich an. Dann nickt er schuldbewusst. Ja, es stimmt, er habe die ganze Zeit schon an der Ecke gestanden und nur darauf gewartet, dass ich endlich mal gegen das Häuschen trete. Dann erst sei er losgefahren. Aber er sei letztlich auch nur ein Teil einer großen, allumfassenden Weltverschwörung. Einer Weltverschwörung, welche nur ein einziges Ziel habe, nämlich mir, wann immer es geht, das Leben zur Hölle zu machen. Über die genauen Hintergründe dürfe er leider nichts sagen, aber die Verbindungen dieser Verschwörung gingen bis ganz, ganz nach oben. CIA, Mossad, KGB, die hängen da alle mit drin und sorgen dafür, dass jedes Regal, das ich in die Wand schraube, runterkracht, jeder Joghurt immer genau eine Woche abgelaufen ist, wenn ich ihn zufällig im Kühlschrank wiederfinde, und jede Schachtel Pralinen immer direkt beim Gewicht anschlägt. Mehr noch, die ganzen Spionage-, Kalter-Krieg- und Waffenschiebertätigkeiten dieser Geheimdienste seien letztlich alles nur Tarnmanöver, um von ihrem tatsächlichen und einzigen Ziel abzulenken, nämlich mir, wann immer es geht, den Tag zu versauen …

Ich nicke:

– Hm. Verstehe, dann ergibt ja endlich alles einen Sinn. Bedanke mich beim Busfahrer für seine Offenheit. Er nimmt meine Hand:

– Bitte, verraten Sie niemandem, dass ich Ihnen alles erzählt habe, ich würde sonst richtig Ärger bekommen. Verspreche es ihm. Ich meine, warum auch nicht. Die Wahrheit glaubt einem ja doch keiner.

Chance als Scheitern

Neulich habe ich etwas gemacht, was ich mittlerweile wirklich viel zu selten mache. Ich hab mich mal wieder ganz in Ruhe hingesetzt und ein gutes Buch gelesen. Es war die Gebrauchsanleitung meines Videorecorders. Vielleicht ist es jetzt nicht direkt nachvollziehbar, warum das so erhebend war. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass der Videorecorder ja gerade erst kaputtgegangen ist. Irreparabel kaputt, für immer, weil: So was repariert dir ja heutzutage keiner mehr. War aber trotzdem interessant. Schon erstaunlich, was dieses Gerät alles gekonnt hätte. Mensch, mensch, mensch, was sich das allein alles merken konnte. Schon irgendwo schade, dass ich es nur zum direkten Aufnehmen und Abspielen genutzt habe. Wahrscheinlich hat sich der Videorecorder in der gesamten Zeit hier völlig unterfordert gefühlt. Ist wohl am Ende ziemlich verbittert gewesen, hat still in sich reingeschimpft: «Mann, mann, mann, mann, mann, wie ich dieses ewige Aufnehmen und Abspielen satt habe. Ich könnte bis zu zehn Programmierungen gleichzeitig ausführen, im Monatlich-, Wöchentlich-, Täglich-, Stündlich-Modus, mit Timer, Showview, VPS, was de willst, Weckfunktion, Kindersicherung, sogar Passwörter kann ich mir merken, aber nix, nix, nix, nix, nix … Er benutzt immer nur die fünf oberen Tasten. Oh, diese Flasche! Ich mag bald nicht mehr …»

Ob ihn das wirklich ins Grab gebracht hat? Diese ständige Unterforderung? Weiß noch, wie ich vor Monaten mal versehentlich auf die Einstellungs- und Programmierungstaste auf der Fernbedienung gekommen bin. Hui, da war was los. Wie aufgeregt der war. Was der mir nicht alles vorgeschlagen hat. Und hier noch ’ne Idee, und da noch ’n Menü und «hallo, hallo, hallo, das könnte ich auch noch». Überhaupt nicht mehr zu bremsen war er da. Wusste mir dann nicht anders zu helfen, als den Stecker zu ziehen und ihn erst zwei Tage später, nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, wieder einzustecken. Danach war er einfach nicht mehr derselbe. Vielleicht hat ihm das letztendlich den Lebensmut genommen. Und jetzt ist es ganz vorbei.

Wie viele meiner Geräte wohl noch völlig unterfordert sind? Wahrscheinlich alle. Also bis auf den Eierkocher, denn den benutze ich ja überhaupt nicht. Der weiß gar nicht, wie das ist, mal Strom zu kriegen, eingeschaltet zu werden oder so. Der kennt das nicht anders, der denkt sich nix dabei.

Auf meinem Handy gibt es Menüleisten, auf denen noch nie zuvor ein Mensch gewesen ist. Wenn Außerirdische mal geheime, hochentwickelte, alle Probleme lösende Technologie auf der Erde verstecken wollen, sollten sie dies auf den unteren Menüleisten meines Handys tun. Dort wird nie jemand davon erfahren. Wahrscheinlich haben sie das auch schon längst getan. Im Flur stehen 1a Laufschuhe. Vorletztes Jahr nach dem Berlin-Marathon dachte ich: Das kannst du auch. Hab gleich am nächsten Tag mit dem Training begonnen. Erst mal ein paar Kilometer locker durch den Park. Aber nach 800 Metern hatte ich das Gefühl, die Lungenflügel fliegen mir um die Ohren. Konnte mir nicht erklären, woran das lag. Kam dann zu dem Schluss: Wahrscheinlich die Schuhe, du hattest einfach nicht die richtigen Schuhe. Habe mir dann diese Top-Profi-Laufschuhe gekauft, ergonomisch getestet im Windkanal, in der Wüste, im Gebirge; belastbar bis weit über 100000 Laufkilometer. Heute sind diese Schuhe die wahrscheinlich am meisten unterforderten Gegenstände in meinem Haushalt. Bin immerhin im letzten Jahr mit ihnen mal an die Marathonstrecke, damit sie wenigstens mal anderen beim Laufen zugucken können.

Wenn ich mir demnächst einen neuen Videorecorder kaufen will, wird der Verkäufer sicher sagen: «Das ist Quatsch.» Ich soll mir lieber einen DVD-Recorder kaufen, die können mittlerweile noch mehr. Und mir wird das natürlich einleuchten, denn je mehr technische Möglichkeiten man hat, desto größer ist das Gefühl von Freiheit, von Unabhängigkeit. Aber natürlich nur, solange man diese Möglichkeiten nicht zu nutzen versucht. Wahrscheinlich würde das ja eh alles nicht wirklich funktionieren, und dann hält man sich für zu blöd. Da ist es doch besser, zu denken, man könnte, wenn man nur wollte, aber muss ja nicht. So, wie damals in der Schule, wo ich auch häufig gar nicht erst versucht habe, die Fragen der Lehrer zu beantworten. Dafür dann aber denken konnte: Wenn ich nur wollte, wenn ich mir wirklich Mühe geben würde, wäre ich wahrscheinlich der Allerschlauste hier. Ein gutes Gefühl, allein dieser Glaube hat mir gereicht. Ich hatte eine glückliche Kindheit.

Werd ich mir nun also einen DVD-Recorder kaufen. Was aber wird dann aus den gut 200 Videokassetten werden? Werde sie wohl neben den kaputten Plattenspieler und die rund 500 Schallplatten stellen und dann geduldig warten, bis das alles total die Raritäten sind und damit schweinemäßig wertvoll. Quasi eine weitere Säule meiner Altersvorsorge. Und dann werd ich mal wirklich eine gute Tat vollbringen. Ich werde zur Waschmaschine gehen und einfach mal eines dieser abstrusen Waschprogramme laufen lassen. Pflegeleicht-Feinwäsche-Synthetik-Spezial, mit extra Wasser, schonend schleudernd, bei aktivierter Fuzzy-Logik-Automatik, Energiespartaste, 37 Grad im Bettwäschemodus. Na, die wird Augen machen. Hoffentlich wird der Eierkocher nicht neidisch.

Mein Recht als Staatsbürger

Mein Fahrrad ist gestohlen worden. Aus dem Innenhof. Schon wieder. Schon das dritte Fahrrad, das mir in Berlin gestohlen wurde. Jetzt reicht’s. Polizei gerufen. Der Kontaktbereichsbeamte findet den Diebstahl komisch. Fragt, ob ich sicher bin, dass das Fahrrad gestohlen wurde. Sage, das Fahrrad ist weg, mir persönlich reicht das ja als Beweis. Er sagt, es könnte ja auch sein, dass ein Freund das Fahrrad kurz geliehen hätte oder dass ich das Fahrrad einfach irgendwo vergessen hätte.

Na wunderbar. Hält der mich eigentlich für völlig bescheuert? Sehe ich so doof aus? Das Fahrrad irgendwo stehen gelassen! Wenn der keine Lust hat, den Diebstahl aufzunehmen, soll er es halt sagen. Zumindest dazu stehen, dass er zu faul ist, seine Arbeit zu machen. Seine Arbeit, für die ich ihn doch schließlich mit andrer Leute Steuern bezahle.

Wenn ich mal, ein wenig angetrunken, nachts, über den Bürgersteig staksend, versehentlich die eine oder andere Alarmanlage von parkenden Autos auslöse und dann, auch aus Versehen, dort stehen bleibe und im Takt der hupenden Alarmanlage «Come on, baby, light my fire» singe, dann sind sie sofort da, halten lange Vorträge, kritisieren meinen Gesang, zücken Bußgeldbescheide, pipapo … Das ist ihnen nicht zu mühsam. Aber wehe, man will mal was von ihnen. Dann tun sie so, als wäre man nicht ganz richtig im Kopf, zu doof zum Leben. Es ist doch eine Frechheit, was man sich alles gefallen lassen muss.

Das alles würde ich ihm gerne sagen. Aber ich sage es nicht, weil ich eben so blöd nun doch auch wieder nicht bin. Weil ich weiß, das würde unser Verhältnis nur belasten. Dann tut er gar nichts mehr für mich. Im Gegenteil, wahrscheinlich gäbe es Scherereien. Also halte ich meinen Mund und lasse mich von ihm demütigen, weil ich eben schlau bin, und auch, weil mir just in diesem Moment einfällt, dass ich das Fahrrad tatsächlich vor dem Supermarkt vergessen habe. Stimmt, ich hatte es dort abgeschlossen, es dann aber während des Einkaufs völlig vergessen und bin eben wie immer ganz normal zu Fuß nach Hause gegangen.

Will jetzt aber den Fall mit dieser Randinformation nicht unnötig verkomplizieren. Das geht ja den Polizisten letzten Endes auch gar nichts an. Also meine eigene Doofheit. Eigene Doofheit ist ja wohl immer noch Privatsache. Wär ja noch schöner. Wenn ich schon meine Zeit wegen eigener Doofheit verschwende, muss ich ja nicht auch noch die Zeit des Polizisten verschwenden. Also, zumindest muss er nichts davon wissen.

Lasse ihn in Ruhe alles aufnehmen: Rahmennummer, zipp und zapp, und so haben wir beide doch schon mal das Gefühl, an diesem Tag so richtig was erledigt zu haben.

Ägypten

Dienstagmorgen, 6.13 Uhr. Das Telefon klingelt. Ich schrecke auf und versuche, mich so freundlich, wie ich um diese Zeit nur eben kann, zu melden:

– Bäärrrhh?

– Hallo, Horst, hier ist Peter. Ich wollt nur mal fragen, was machst du eigentlich Weihnachten?

Ich lege auf. Peter ist ein Arsch.

Anrufe dieser Art bekam ich im letzten Jahr ständig von Peter. Seit er wusste, er würde über Weihnachten nach Ägypten fliegen, verbrachte er seine Vormittage damit, alle seine Freunde anzurufen, um zu fragen, was sie denn wohl Weihnachten eigentlich machen würden.

Als er dann endlich weg war, hat er mich die Tage vor Weihnachten jeden Tag zweimal angerufen und auf den Beantworter gesprochen, wie toll alles in Ägypten ist und wie gut es ihm geht. Das war hart. An Heiligabend hab ich ihn dann aber mittags doch mal zurückgerufen, durchs Handy kann man ihn ja jederzeit überall auf der Welt erreichen. Allerdings meldete sich auf der anderen Seite eine mir völlig unbekannte Stimme in einer Sprache, die ich als «vermutlich ägyptisch» einordnete. Ich wählte die Nummer nochmal, diesmal ganz sorgfältig, aber es meldete sich wieder dieselbe Stimme des vermutlich neuen Besitzers von Peters Handy. Offensichtlich hatte Peter jetzt doch ein Problem in Ägypten. Ich rief bei seiner Telefongesellschaft an, um sein Gerät abzumelden, und war anständig verblüfft, wie einfach das ging. Nummer, Kundenname und eine kurze Beschreibung der Umstände reichten, und das Taschentelefon war abgemeldet. Erstaunlich. Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, die Handynummern von verschiedenen Maklern, Brokern und sonstigen Angehörigen zwiespältiger Berufsgruppen herauszufinden und deren Handys abzumelden. Das hat ziemlichen Spaß gemacht. Es kann so einfach sein, sich mal einen schönen Nachmittag zu machen.

Schule in Asbest

Prolog:

Ein befreundeter Lehrer erzählte mir folgende kleine, Mut machende Geschichte. Obwohl ich ihm versprechen musste, weder seinen noch den Namen der Schule zu verraten, möchte ich die Geschichte wegen ihres aufmunternden Charakters und der wirklich schönen Moral doch nicht unterschlagen.