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Wir haben für Sie die leidenschaftlichsten Romane aus 1001 Nacht zusammengetragen. Tauchen Sie ab in Geschichten um Scheichs, Wüstenprinzen und ihre unstillbare Begierde. DIE FEURIGEN KÜSSE DES WÜSTENPRINZEN Seit Jahren sehnt sie sich nach ihm, und jetzt ist sie mit Scheich Amjad in einem Sandsturm gefangen! Sein Zelt wird zur Oase der Liebe: Nie wird Prinzessin Maram die Stunden der Ekstase vergessen. Nur eine Nacht darf sie sich ihren Gefühlen hingeben - als die Sonne über der unendlichen Einsamkeit aufgeht, wird ihr klar, dass der Wüstenprinz sie nur ausgenutzt hat. Amjad glaubt, dass ihr Vater die kostbaren Juwelen seiner Familie gestohlen hat, die er unbedingt wieder in seinen Besitz bringen will. Dass er dabei Marams Herz bricht, scheint ihm völlig egal zu sein … SO KÜSST NUR EIN WÜSTENPRINZ "Du kennst Murat von Bahania nicht. Er ist schwierig und eigensinnig", warnt Daphne ihre Nichte vor dem attraktiven Prinzen, dem sie selbst einst davongelaufen ist. Aber unvermittelt sieht sie den stolzen Wüstensohn wieder … und befindet sich plötzlich in seinem Harem! HEIßE KÜSSE FÜR DIE WÜSTENROSE Wie ein geheimnisvoller Prinz aus 1001 Nacht sieht er aus! Magisch fühlt Dani sich von dem Fremden angezogen, dem sie in einem Geschäft auf dem Bazar begegnet. Seit ihrer Rückkehr nach Oman hat sie sich zwar geschworen, Männern aus dem Weg zu gehen. Zu schmerzlich war ihre Scheidung. Doch dieser Mann muss eine Ausnahme sein - oder? Nur seinen Vornamen nennt er ihr. Aber sein erster sinnlicher Kuss ist wie ein Quell in der Wüste für Dani, die nicht mehr an die Liebe geglaubt hat. Zu spät erfährt sie, wer der feurige Quasar ist: der erbittertste Feind ihres Vaters … PALAST DER LEIDENSCHAFT Ausgerechnet Scheich Fareed ist Gwens einzige Hoffnung: Nur er kann ihrem geliebten kleinen Ryan helfen. Allerdings muss sie ihn dafür in seine Heimat Jizaan begleiten und zusammen mit ihm in seinem orientalischen Palast wohnen. Ein Wagnis, denn Fareed ist der attraktivste Mann, der Gwen je begegnet ist. Mit jedem Tag wächst die erotische Spannung zwischen ihnen. Doch Gwen darf ihrem leidenschaftlichen Verlangen auf gar keinen Fall nachgeben! Wenn sie Fareed zu nahe kommt, wird er mit Sicherheit ihr wohlgehütetes Geheimnis entdecken. Und dann wäre sie verloren … OASE DER VERSUCHUNG Atemlos erwidert sie seine Küsse, spürt seine Hände auf ihrem Körper und will sich nur noch ihm hingeben - Talia verliert fast den Verstand vor Leidenschaft. Sie sind in der einsamen Oase gestrandet, nachdem der Wüstenprinz sie aus der Hand der Rebellen befreit hat. Und hier erlebt sie einen wahren Sturm der Gefühle! Aber Scheich Hassan hat sie nur gerettet, weil er von ihr alles über einen geplanten Aufstand erfahren will. Leider ahnt Talia: Wenn er sein Ziel erreicht, wird er sie mit gebrochenem Herzen zurücklassen. Dabei träumt sie von einer glücklichen Zukunft mit ihm …
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Seitenzahl: 1017
Olivia Gates, Susan Mallery, Jennifer Lewis
Mein leidenschaftlicher Wüstenprinz
OLIVIA GATES
Die feurigen Küsse des Wüstenprinzen
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2011 by Olivia Gates Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1719 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Sabine Bauer
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format im 06/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86494-161-0
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„Amjad, ich frage dich: Verzeihst du?“
Amjad Aal Shalaan fiel es schwer, den Mann anzusehen, der diese Frage laut und deutlich gestellt hatte: seinen Vater, den König, der in vollem Ornat vor ihm stand. In sein Gesicht, das jetzt einen beherrschten Ausdruck zeigte, hatte sich die Last jahrelanger Verantwortung tief eingegraben. Nur in seinen Augen erkannte man die widerstreitenden Gefühle, die von Bedauern über Schmerz bis zu Wut reichten.
Amjad ließ den Blick zu seinen Brüdern schweifen, die neben dem Vater standen.
Die Dar Al Adl, die prächtige Gerichtshalle des Königreichs Zohayd, war bis auf den letzten Platz mit Stammesvertretern besetzt. Sie alle sahen ihn erwartungsvoll an, während die Säulen und Kuppeln das Echo der kräftigen Stimme des Königs zurückwarfen.
Verzeihen?
Dabei hatte er bereits mehr verziehen, als es jeder andere Mann an seiner Stelle getan hätte.
Er hatte seiner Braut vergeben, dass sie nicht unberührt in die Ehe gegangen war. Gelassen hatte er ihr versichert, dass er von ihr nichts verlangen würde, was er selbst nicht bieten konnte. Wichtig war doch nur, dass sie als seine Frau hinter ihm stand und seine Ziele unterstützte.
Dann hatte er ihr vergeben, dass sie ein Kind von ihrem früheren Geliebten erwartet hatte. Fehler gehörten zum Leben – warum deshalb eine Beziehung opfern?
Betrogen fühlte er sich nicht. Er hatte seine Braut, die er bis dahin nicht gekannt hatte, eine Woche vor der Hochzeit unter mehreren ausgewählt. Oder, besser gesagt: Sie war ihm empfohlen worden. Für ihn als Kronprinzen eines Reiches, in dem Stammesvereinbarungen eine ausschlaggebende Rolle spielten, kamen die eigenen Überlegungen oft erst an zweiter Stelle.
Er hatte sie geheiratet, als seine einzige Frau. Und weil es nicht nur um Staatspolitik gegangen war, sondern um sein Leben, war er entschlossen gewesen, das Beste daraus zu machen. Er hatte in seiner Frau nur das Gute sehen und ihr alles geben wollen.
Und wie hatte sie es ihm gedankt? Mit übelstem Verrat.
„Amjad?“, fragte sein Vater scharf.
Antworten hatte er viele gehabt. Für Sorgen, Appetitlosigkeit, Schmerzen wie Nadelstiche in den Handflächen und Wadenkrämpfe hatte er Überarbeitung, Stress und Erschöpfung verantwortlich gemacht.
Als Bauchschmerzen, nicht endende Halsschmerzen und ein übler Geschmack im Mund hinzugekommen waren, hatte er einen anderen Grund vermutet: Kummer.
Vom Kopf her ließ sich vieles akzeptieren – aber tief im Herzen hatte er sich nicht wirklich mit der Situation abfinden können.
Also hatte die Ehe mit einer Lüge begonnen, um die Ehre seiner Braut und ihrer Familie zu schützen. Nur so würde der Frieden, der durch ihre Heirat besiegelt worden war, auch halten.
Was aber, wenn er das Kind nicht so lieben konnte, wie jedes Kind es verdiente?
Erst als er richtig krank geworden war und er weder Nahrung noch Getränke bei sich behalten konnte, hatte er die königlichen Leibärzte hinzugezogen.
Zuerst waren sie ratlos gewesen. Die Symptome passten zu keinem Krankheitsbild, und die verordneten Medikamente hatten nicht angeschlagen.
Als er schließlich immer apathischer wurde, hatte er sich sogar erleichtert gefühlt. Die Bewusstseinstrübung hatte seinen Schmerz gelindert.
Doch als darauf Schwindel und Benommenheit gefolgt waren, hatte er gewusst, dass ihm etwas Heimtückisches zu schaffen machte. Und da man bei den Untersuchungen nichts gefunden hatte, musste es von außen kommen.
Alles und jeden hatte er verdächtigt – nur nicht sie. Wie sollte er einer Ehefrau misstrauen, die ihn dankbar und zärtlich verwöhnte?
Er betrachtete seine Hände, die kraftlos auf den Knien lagen und die die Zeichen des Verrats trugen: weiße halbmondförmige Einlagerungen in den Fingernägeln und dunkle Flecken auf der Haut.
Nie würde er den Moment vergessen, als er begriffen hatte, wie er vergiftet worden war: mit liebevollen Geschenken! Süßigkeiten, Handtücher, Badesalz, Duftöle und andere Aufmerksamkeiten – alle in Smaragdgrün, seiner Augenfarbe, die sie, wie sie sagte, besonders liebte.
Alle versetzt mit Arsen.
Seine Frau hatte ihn umbringen wollen. Langsam und so gut wie ohne Spuren.
Fast wäre es ihr gelungen. Er hatte es gerade noch seinen Brüdern zuflüstern können, dann war er ins Koma gefallen. So hatten die Ärzte endlich gewusst, wie sie ihn behandeln sollten, und ihm geholfen. Aber die Behandlung war die Hölle gewesen …
Und jetzt stand sein Vater vor ihm und stellte die Frage im Namen der Familie der Giftmörderin, die beinahe Erfolg gehabt hätte.
Verzeihen.
Etwas abseits stand Salmah – und an ihrer Seite ihr Geliebter und Komplize. Beschämt sahen sie ihn an, aber in ihrem Blick lag noch etwas: die Hoffnung, dass er ihnen vergeben würde. Nein, mehr als das: die Gewissheit.
Hatte er nicht schon viel Unverzeihliches entschuldigt?
Wenn er auf sein Recht verzichtete, das Strafmaß selbst zu bestimmen, würden mildere gesetzliche Bestimmungen greifen. Bestand er aber darauf, konnte er eine Strafe verhängen, die ihm angemessen erschien. Und nicht nur an den Übeltätern Vergeltung üben, sondern auch an allen, die das Unglück hatten, zu ihrer Familie zu gehören.
Er betrachtete Salmah. Jetzt, da er sich nichts mehr vormachte, war ihm klar, dass die Reue, die sie zur Schau trug, ebenso vorgetäuscht war wie zuvor ihre Liebe und Fürsorglichkeit.
Zweifellos hielt sie ihn für schwach und manipulierbar. Sie hatte ihn benutzt und weggeworfen. Leidtat ihr dabei nur, dass ihr Plan nicht aufgegangen war.
Und plötzlich begriff er, dass sie doch Erfolg gehabt hatte: Er war tot. Tief in seinem Herzen war etwas gestorben …
„Amjad!“
Die Dringlichkeit in der Stimme des Königs holte ihn in die Gegenwart zurück.
Seinem Vater ging sein beklagenswerter Zustand unendlich nahe, und sein heimlicher Zorn auf die Täter war grenzenlos.
Die Brüder hatten Amjad beim Anziehen geholfen und ihn im Rollstuhl hierher gefahren. Alle hatten ihn zutiefst verstört angesehen, denn er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Ein halbes Jahr schleichender Vergiftung hatte verheerenden gesundheitlichen Schaden angerichtet.
Aber sein Vater musste sich in erster Linie für den Frieden einsetzen – auch wenn alles in ihm nach Rache für seinen Erstgeborenen schrie. Die Brüder Hassan, Amir, Haidar und Jalal schäumten ebenfalls insgeheim vor Wut, mussten sich aber genauso zurückhalten.
Als Amjad versuchte, sich im Rollstuhl aufzurichten, und ihm sofort die Arme zitterten, wurde ihm mehr als deutlich, was man ihm angetan hatte. Er hob schwach die Hand, um die Hilfe seiner Brüder und des Vaters zurückzuweisen. In den Gesichtern von ihnen allen spiegelte sich tiefe Trauer, fast als hätten sie ihn tatsächlich verloren …
Was immer noch passieren konnte!
Wenn er überlebte, würde er nie wieder die Augen vor noch so unliebsamen Wahrheiten verschließen. Und nie wieder würde er sich bei seinen Entscheidungen von Gefühlen leiten lassen.
An das Gute im Menschen würde er nie wieder glauben.
Mit letzter Kraft gelang es ihm, sich zu erheben. Er sah die versammelten Menschen an.
„Ich vergebe nicht“, verkündete er mit einer rauen Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war.
In der Stille, die darauf folgte, hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
Offenbar hatten sich alle darauf verlassen, dass er das Gemeinwohl über sein eigenes stellen würde.
Salmah brach in Tränen aus. Ihre Mutter wurde ohnmächtig, und ihr Vater beteuerte stumm und händeringend seine Unschuld.
Amjads Lippen zitterten, als er sich über die Theatralik der Szene bewusst hinwegsetzte. Die Machtgier dieser Menschen hätte ihn fast umgebracht. Er sah sie an. Sie standen nicht hier, weil sie ehrlich bedauerten, was sie getan hatten, sondern um ihre eigenen Interessen zu wahren.
Mit einer weit ausholenden Handbewegung wies er auf sie alle. „Ich verzeihe keinem von euch. Nie werde ich vergessen, was ihr mir angetan habt. Ich rate euch, zu Allah zu beten. Und noch etwas: Versucht das nicht noch einmal. Es wird euch übel bekommen, das verspreche ich euch.“
Acht Jahre später.
Endlich bekam Maram Aal Waaked ihre Chance bei dem verrückten Prinzen.
So jedenfalls nannte man Amjad Aal Shalaan.
Aber für sie gab es nichts Wunderbareres auf der Welt, vielleicht außer Schokoladensoße.
Seit vier Jahren fühlte sie sich zu dem atemberaubend attraktiven Mann mit dem dunklen Teint hingezogen – eine Leidenschaft, die immer stärker geworden war.
Dass er ihr offenbar aus dem Weg ging, vergrößerte ihre Sehnsucht nur. Aber dieses Mal würde es klappen.
Diesmal, in der Wüste, wo Dutzende Männer von königlichem Geblüt aufeinandertreffen würden, konnte er sich ihr nicht entziehen.
Amjad war so wenig greifbar, dass er sich – wie einst der berühmte Entfesselungskünstler Houdini – aus einem Raum mit nur einem, noch dazu sorgfältig bewachten, Ausgang davonstehlen konnte.
So etwas hatte sie bereits erlebt, während geheimer Verhandlungen, bei denen sie ihr Emirat vertreten hatte. Als einige Teilnehmer begonnen hatten, sich zu ereifern, hatte Amjad plötzlich seinen charakteristisch gelangweilten Gesichtsausdruck bekommen – und dann war er verschwunden. Einfach so.
Ihre Freundinnen machten sich darüber lustig, dass sie überhaupt an ihn dachte. Natürlich war er ein attraktiver Mann, bei dessen Anblick die Frauen nur so dahinschmolzen, das konnten sie nicht leugnen. Aber zugleich verlieh ihm das eine fast unheimliche Macht über sie, denn er war nun mal … verrückt.
Doch warum sammelte er dann nicht eine Eroberung nach der anderen?
Dass er kaum eine Frau in seine Nähe ließ, brachte Maram zu dem Schluss, dass er in Wirklichkeit absolut zurechnungsfähig und sogar so etwas wie gnädig sein musste. Es schien, als würde er damit die Damenwelt vor sich selbst schützen.
Ihre Freundinnen dagegen verstanden sein merkwürdiges Verhalten nicht. Sie fanden, er müsste längst über seine Vergangenheit hinweg sein.
Maram hingegen glaubte, dass man eine so entsetzliche Erfahrung nur überwinden konnte, wenn man etwas erlebte, was im selben Maße wunderbar war.
Amjad brauchte jemanden, der sich von seinem skrupellosen Verhalten nicht abschrecken ließ, sondern es als Geradlinigkeit schätzte. Jemanden, den sein Reichtum und seine Macht nicht interessierten. Jemanden, der begriff, wie tief verletzt die Seele dieses aufrechten, heldenhaften Mannes war.
Maram lebte für die Chance zu beweisen, dass sie dieser Jemand war …
Um ihrem hochgesteckten Ziel näherzukommen, musste sie es allerdings erst einmal schaffen, sich längere Zeit mit ihm zu unterhalten.
Bis auf ein Mal hatte er nur immer seine kurzen, bissigen Bemerkungen gemacht – und sie dann stehen lassen, noch bevor sie die Gelegenheit gehabt hatte, etwas zu erwidern.
Doch sie würde dieses wundervolle wilde Tier besänftigen, und wenn es das Letzte war, was sie tat. Allein die verheißungsvolle Vorstellung davon, was dann kommen würde, rechtfertigte alle Blessuren, die ihr ganz sicher nicht erspart bleiben würden …
Bald würde das Rennen in die erste Runde gehen.
Laut ihrem GPS näherte sie sich der Rennbahn, einem acht Kilometer langen Rundkurs auf festem Untergrund, umgeben von Dünen. Amjad selbst hatte diesen Ort inmitten der Wüste für das jährliche Pferderennen ausgewählt. Normalerweise wurde es im Herbst ausgerichtet, aber diesmal war es von Amjad wegen dringender anderweitiger Verpflichtungen vorverlegt worden.
Alle waren entsetzt darüber, dass das Rennen nun im Hochsommer stattfand. Daher hatte Amjad spöttische Briefe verschickt – etwas, was nur er sich erlauben konnte.
Maram hatte den Brief gesehen, den ihr Vater bekommen hatte.
Im Geiste hatte sie Amjads gleichgültig-gefährliche Stimme gehört, während sie die elegante, kraftvolle Schrift betrachtet hatte.
Wollte ihr Vater nicht auf seinen gewohnten Luxus verzichten? Scheute der große kräftige Mann die Entbehrungen der Wüste? Oder die Hitze, obwohl er am Rennen selbst nicht teilnahm?
Offenbar hatte Amjad seine Briefe ganz genau auf die Eigenheiten der Empfänger zugeschnitten. Ihr Vater war eben etwas … anspruchsvoll, er legte Wert auf einen gewissen Komfort. Eigentlich wusste das niemand, denn aus Imagegründen versuchte er, den gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Aber Amjad Aal Shalaan konnte man nichts vormachen. Seine tiefe Menschenkenntnis war einer der Gründe für seinen anhaltenden Erfolg in der internationalen Politik und in der Finanzwelt.
Kein Wunder, dass alle sich seinen Wünschen gefügt hatten. Um drei Uhr nachmittags sollten Teilnehmer und Zuschauer eintreffen.
Inzwischen ging es auf Mittag zu. Maram hatte gerade ihren Vater angerufen, um ihm zu sagen, dass sie wohlbehalten angekommen war. Auch ohne das Gefolge, mit dem sie seiner Ansicht nach hätte reisen sollen.
Sie ging vom Gas, um den unvergleichlichen Anblick auf sich wirken zu lassen.
Nur war es nicht die atemberaubende Schönheit der Wüstenlandschaft unter der weiß glühenden Sonne, die sie in ihren Bann schlug. Nein, er war derjenige, der ihr Herz höher schlagen ließ und ihr den Atem raubte.
Inmitten seiner Männer, die er alle um einen Kopf überragte, stand er vor einem der großen Zelte. Hoch gewachsen, schlank und breitschultrig, strahlte Amjad Aal Shalaan natürliche Autorität aus. Die Sonne, die auf sein schwarzes Haar brannte, störte ihn offenbar nicht. Überhaupt schien ihm nichts etwas anhaben zu können.
Kein Wunder, dass man ihn auch den Prächtigen nannte.
Bisher hatte sie ihn immer nur in maßgeschneiderten Anzügen aus feinster Seide gesehen, in denen er schlichtweg umwerfend aussah. Aber der Anblick, den er in seinem weiten weißen Hemd, der engen weißen Hose und den braunen Stiefeln bot, übertraf alles …
Sie parkte das Ungetüm von Geländewagen, das ihr Vater ihr für die Fahrt hierher überlassen hatte, und stieg aus. Sie schlang den Riemen ihrer Tasche um die Schulter und setzte ihren Hut auf, um sich vor der Sonnen zu schützen, wie sie vorgab – in Wirklichkeit sollte er sie daran hindern, auf der Stelle zu ihm zu rennen.
Amjad hatte es anscheinend nicht eilig, sie zu begrüßen. Erst als sie die Autotür zuschlug, sah er in ihre Richtung – mit seinem unverwechselbar nonchalanten Blick, der sie fast verrückt machte.
Seinen smaragdgrünen Augen unter den halb gesenkten Lidern entging keine ihrer Bewegungen.
Während sie auf ihn zuging, betrachtete sie seinen rücksichtslos sinnlichen Mund und den perfekt proportionierten Körper im gleißenden Licht der Sonne, die fast senkrecht stand. Durch die harten Schatten wirkten die meisten Menschen unvorteilhaft, ja fast wie Karikaturen. Nur Amjad nicht. Er erschien dadurch als der Rachegott, der er ja auch tatsächlich war. Und gerade deshalb fühlte sich Maram unwiderstehlich zu ihm hingezogen. Für sie war er das Kostbarste, was die Welt ihr zu bieten hatte.
Als sie beinahe vor ihm stand, sah er sie richtig an. Oder wenigstens fast, denn die für ihn typische Gleichgültigkeit war nicht aus seinem Blick gewichen.
Mit einer Handbewegung grüßte Maram die Umstehenden, dann wandte sie sich ihm zu und sagte lächelnd: „Hier bin ich.“
Was, zum Teufel, wollte sie hier?
Amjad hatte Prinz Aal Waaked eingeladen, aber gekommen war Prinzessin Maram Aal Waaked. Geschmeidig und bedrohlich wie eine Tigerin kam sie auf ihn zu.
Er zwang sich, gelassen zu bleiben, während er insgeheim den Zauber ihrer anmutigen Erscheinung bewunderte.
Ihr beigefarbener Hosenanzug aus fließendem Stoff betonte ihre schöne weibliche Figur mit den langen schlanken Beinen. Die goldbraunen schulterlangen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die Augen in dem ebenmäßigen Gesicht mit dem hellen Teint strahlten wie die Sonne und wirkten unergründlich und geheimnisvoll wie die Wüste.
Ihr gesamtes Auftreten kündete ebenso von Selbstvertrauen wie von Beherrschtheit. Sie verhielt sich wie eine Frau, die wusste, was sie wert war, und ihre Schönheit wie eine Waffe gebrauchte.
Amjad spürte die Luft heiß in seinen Lungen.
Da begriff er. So wie es aussah, gab es gegen das … Männliche im Mann kein Heilmittel.
Und er sprang stark auf diesen Typ Frau an, das war nicht zu leugnen. Kein Zweifel, Maram Aal Waaked stellte eine Gefahr dar – und hier sprach nicht die Paranoia aus ihm, die man ihm nachsagte.
Mit dreißig hatte sie schon zwei Ehemänner gehabt, zumindest offiziell. Einen Prinzen und einen reichen Erben. Der eine älter als ihr Vater, der andere jung wie ein kleiner Bruder. Dabei war es ein offenes Geheimnis, dass die Männer ihr reihenweise zu Füßen lagen.
Und jetzt galt ihre Aufmerksamkeit ihm! Mit ihren glänzenden Augen, die das Sonnenlicht einzufangen schienen, sah sie ihn an.
War er für sie etwas Besonderes? Wohl kaum, denn sie interessierte sich für ihn und seinen Bruder.
Vermutlich würde sie sogar damit zurechtkommen, wenn sie ihr beide nicht widerstehen konnten … Aber so weit würde es nicht kommen, denn er würde sich auf keinen Fall auf sie einlassen.
Eher würde sie den Teufel persönlich bekommen als ihn!
Bei seinem Halbbruder Haidar allerdings sah die Sache anders aus. Er war seit Kindertagen mit Maram befreundet und würde schon deshalb leichter auf sie hereinfallen.
Abgesehen davon würde so ziemlich jeder Mann heftig auf sie reagieren …
Sie trug ihren Namen zu Recht: Maram bedeutete die Angebetete, die Begehrte.
Nur er selbst schaffte es, sich ihrem Zauber zu entziehen – was im Moment wichtiger war denn je.
Wenn er sie schon früher nicht besonders geschätzt hatte, so stand sie inzwischen wegen des Verhaltens ihres Vaters auf der Liste seiner erklärten Feinde.
Yusuf Aal Waaked, der regierende Prinz des Nachbaremirats Ossaylan, steckte hinter dem Diebstahl des Kronschatzes, Pride of Zohayd genannt, und war der Kopf der Verschwörung gegen die Königsfamilie der Aal Shalaans.
Und jetzt stand die Tochter dieses Treulosen vor ihm wie ein Raubtier, das schon vielen Männern gefährlich geworden war, und sah ihn auf ihre durchdringende Art an wie ein potenzielles Opfer …
Er neigte höflich den Kopf und sagte so geringschätzig wie möglich: „Prinzessin Haram.“
Maram blinzelte. Hatte er sie Haram genannt?
Das Funkeln seiner einzigartigen Augen sagte ihr, dass es so war.
Sündig. Verrucht. Unerreichbar.
All diese Bedeutungen hatte das Wort. Und noch mehr.
Und er hatte es laut genug gesagt, dass alle es hörten.
Was glaubte er, wie sie darauf reagieren würde? Nervös? Abwehrend? Schockiert?
Nein. So wie sie Amjad kannte, erwartete er einen Gegenangriff.
Den konnte er haben.
Sie knickste und senkte die Lider. „Prinz Abghad.“
Kurz war in Amjads makellosem Gesicht eine Spur von Erschrockenheit zu erkennen.
Dann griff er sich ans Herz und spielte den Gekränkten. „Und ich dachte, du magst mich.“
„Mehr als das. Und du weißt es.“ Sie lachte ihm zu. „Aber eine Haram verdient einen Abghad.“
„Prinzessin Sünde und Prinz Hass“, sagte er langsam und fast genießerisch.
Für Maram klang seine Stimme nach dunkler Schokolade, als würde er ihr die süßesten Komplimente machen.
„Irgendwie besser als die langweiligen Namen, die unsere Eltern uns gegeben haben.“
Sie nickte. „Klingt nach Fantasyfilm oder Adventure Game!“
„Passt auch besser zu uns. Du bist jetzt das blonde Tabu, und ich bin der böse verabscheuenswürdige Prinz. Das gäbe Verkaufszahlen!“
Sie griff nach ihrem Pferdeschwanz und hielt ihn ihm vor die Nase. „Ich bin nicht blond, meine hohnerfüllte Hoheit.“
„Nicht so wichtig, meine Widrigkeit.“
Sie lachte, als ihr auffiel, wie verdutzt die Umstehenden dreinschauten.
„Wo ist eigentlich Prinz Assef?“, fragte er beiläufig. „Hat wohl die ganze Nacht gespielt und schläft jetzt noch?“
Mit diesem neuen Wortspiel wuchs Marams Belustigung. Auf Arabisch bedeutete das der betrübte Prinz. „Yusuf ist betrübt, dass er nicht kommen kann“, sagte sie folgerichtig.
Sogar die Wüste schien mit angehaltenem Atem auf Amjads Reaktion zu warten.
Als sie endlich wieder den Klang seiner Stimme hörte, spürte Maram, wie ihr ein warmer Schauer den Rücken hinablief. „Heißt das, er kommt gar nicht?“
Seltsam … Wie groß musste seine Verstimmtheit hierüber sein, dass er sie sich anmerken ließ!
„Er hatte vor Kurzem Lungenentzündung und muss sich schonen“, erklärte sie. „Aber ist es nicht ein Glück, dass stattdessen ich gekommen bin?“
Verächtlich verzog er die schönen, vollen Lippen. „Von allen ungebetenen Besuchen ist deiner hier der ärgste.“
Erleichtert stellte sie fest, dass er zu seinem beißenden Sarkasmus zurückgefunden hatte. „Oh, ich liebe es, wenn du versuchst, gemein zu sein.“
„Glaub mir, wenn ich das wirklich versuchen würde, hättest du nichts mehr zu lachen.“
„Da musst du dich aber anstrengen, Prinz Abrad.“
Das bedeutete kalt. Oder gemein. Trotz des Sonnenlichts waren seine Pupillen groß, sodass die Augen dunkel wie Obsidian wirkten. „Was soll witzig daran sein, wenn du dich so unempfindlich gibst, Prinzessin Rokham?“
Maram kämpfte gegen den Wunsch, ihm in die rabenschwarzen Haare zu fassen, ihn an sich zu ziehen und zu küssen.
Natürlich ging das nicht! Sie seufzte leise und sagte: „Vorsicht! Ich bin aus Marmor, und deine Pfeile können nicht in mich eindringen.“
Bei dem Wort eindringen zogen sich seine Pupillen schlagartig zusammen, und die Augen wirkten wieder grün wie sonst.
So hatte sie es nicht gemeint!
„Es ist ein Jammer, dass deine Taktik auf Männer unwiderstehlich wirkt.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich schäme mich für mein Geschlecht.“
„Jetzt sei kein Flegel, Amjad!“ Sie betrachtete seine edlen hohen Wangenknochen und musste wieder gegen den Impuls ankämpfen, ihn zu berühren.
„Ich bin einer, das weiß doch jeder! Aber keine Sorge, damit habe ich noch niemanden umgebracht. Jedenfalls bisher nicht.“
Maram konnte nicht anders: Sie streckte ihm die Zunge heraus.
Das brachte ihn aus dem Konzept.
Sie nutzte ihren Vorteil. „Auch wenn dir deine Flegelhaftigkeit offenbar Spaß macht: Mir wird es hier allmählich zu heiß.“
Er zuckte die Schulter. „Du stehst nur vier Schritte vor einem voll klimatisierten Raum. Setz einfach einen Fuß vor den anderen.“
Sie zog eine Braue hoch. „Das kannst du aber besser. Versuch es noch mal, diesmal als vollendeter Gastgeber.“
„Was erwartest du? Dass ich dich über die Schwelle trage?“
„Ich bin über dreihundert Kilometer durch die Wüste gefahren – nach einem einstündigen Flug. Da darf ich wohl ein wenig Aufmerksamkeit erwarten.“
„Erstens bin ich bei dieser kleinen Veranstaltung nicht der Gastgeber, nur die Aufsicht. Und zweitens habe ich keine Lust, ungebetene Gäste herumzuführen.“
„Nicht dass dein … Ruf noch unter einer so ritterlichen Geste leidet!“
„Eben.“
Sie lachte. „Also gut. Ich denke, die vier Schritte schaffe ich zur Not auch allein.“
Als sie das Zelt betrat, umfing sie angenehmes Dämmerlicht und eine im Vergleich zur Außentemperatur erschreckende Kälte.
Gebannt hielt sie den Atem an, während sie den hohen Innenraum, der im Beduinenstil reichlich ausgestattet war, auf sich wirken ließ. Das leise Summen des Stromgenerators war kaum zu hören.
Dann wandte sie sich schnell um. Nicht dass Amjad sie allein hatte eintreten lassen.
Erleichtert stellte sie fest, dass er vor dem Zelteingang stand, der nun wieder geschlossen war, und sie aus seinen grünen Augen beobachtete.
Dass sie erbebte, hatte nichts damit zu tun, dass es kühl war.
Plötzlich verspürte sie den Impuls, auf einen bestimmten Punkt von vorhin zurückzukommen. „Übrigens habe ich keine ‚Taktik‘.“
Ohne die Miene zu verziehen, widersprach er. „Doch. Sogar eine sehr einzigartige, die dich gefährlich macht.“
„Durchaus nicht“, erwiderte sie. „Wozu sollte ich eine Taktik brauchen? Dem einen Mann gegenüber, der mich interessiert, würde sie sowieso nicht wirken: Damit meine ich dich.“
Er lächelte über so viel Aufrichtigkeit. „Und die einzige Frau, die mich interessiert … lass mich nachdenken … gibt es nicht! Ich interessiere mich für keine.“
Sie nickte. „Aus gutem Grund.“
„Schön, dass du mich verstehst“, spottete er. „Du glaubst aber nicht, dass ich die Verbrechen einer Frau auf alle anderen projiziere? So weit geht meine sogenannte Paranoia auch wieder nicht.“
Sie trat näher zu ihm – nachdem sie sich vergewissert hatte, dass er nicht zurückweichen konnte. „Natürlich nicht. Dazu bist du zu eindringl…, oder besser gesagt, du denkst viel zu klar, um das Schreckliche, das du erlebt hast, zu verallgemeinern. Übrigens finde ich es nur zu verständlich, wenn sich daraus eine gewisse ablehnende Haltung entwickelt hat.“
Er brauchte gar nicht zurückzuweichen. Der Ausdruck seiner Augen genügte, damit Maram stehen blieb. „Mein Problem ist, dass ich ständig Frauen begegne, durch die sich diese ‚ablehnende Haltung‘ noch verstärkt. Natürlich sind sie keine kaltblütigen Kriminellen – ich glaube, so etwas passiert einem nur ein Mal im Leben –, aber oft eigennützig, gerissen und machtversessen. Das Gegenteil müsste erst einmal bewiesen werden. Du siehst, ich verallgemeinere durchaus.“
„Willst du damit sagen, dass sich außer mir noch andere Frauen in deine Nähe trauen?“
„Manche, denen es um Macht und Reichtum geht, sind so tollkühn. Aber früher oder später siegt auch bei ihnen der Selbstschutz, und sie verschwinden wieder aus meinem Leben.“
„Aber … es gibt von allem eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.“
Er lachte. „Und du hältst dich wohl für diese Ausnahme?“
Sie lächelte ihn unerschütterlich an. Sollte er sich ruhig darüber lustig machen! „Ich bin jedenfalls weder hinter Macht noch Geld her. Ganz im Gegenteil: Davon brauche ich bestimmt nicht noch mehr.“
„Sagt die Frau, die erst einen regierenden Prinzen und dann einen reichen Erben geheiratet hat! Den ersten hast du überlebt, und vom zweiten hast du dich scheiden lassen, nachdem er deinetwegen sein Erbe verloren hat.“
Jetzt verging ihr doch das Lachen. „Gehört das noch zu unserem verbalen Schlagabtausch?“
„Das sind Tatsachen.“
„Dass Onkel Zaid gestorben ist und Brad enterbt wurde … meinetwegen? Das sind für dich Tatsachen? Für mich klingt das verdächtig nach Paranoia …“
Übertrieben reuevoll sagte er: „Oh, ich bitte um Entschuldigung. Natürlich hast du damit nichts zu tun! Die beiden waren dumm genug, dich zu heiraten. Typischer Fall von selber schuld. Der kranke alte Mann hat vergeblich versucht, mit seiner jungen sinnlichen Braut mitzuhalten. Und der junge Mann, fast noch ein Kind, hat ebenso vergebens seine ältere Verführerin beeindrucken wollen.“
Einen Moment blieb Maram der Mund offen stehen. Dann lachte sie auf. „Das ist gut! Denkst du überhaupt nach, bevor du redest? Oder kommen die Worte einfach so aus deinem Mund?“
„Danke, dass du mir einen Ausbruch der Entrüstung ersparst und keine Zeit damit verschwendest zu leugnen.“
„Nur bist du leider meilenweit von der Wahrheit entfernt. Vielleicht solltest du Satiren schreiben? Bei deiner Fantasie! Jedenfalls unterhältst du mich mehr, als dass du mich verletzt.“
„Soll das heißen, ich verliere meine magischen Kräfte? Wie schrecklich! Hast du Arsen dabei?“
Wieder lachte sie. Auch wenn ihr bei dem Wort Arsen einfiel, was er alles durchgemacht hatte, fand sie ihn schlichtweg … geistreich und witzig. „Da muss ich dich leider enttäuschen. Mit Gift habe ich nichts am Hut. Außerdem kann nur verletzen, was ein Körnchen Wahrheit enthält. Da das bei deinen Behauptungen nicht der Fall ist, sind sie im besten Fall unterhaltsam, sonst nichts.“
Plötzlich machte er einen Schritt auf sie zu.
Überrascht wich sie zurück. Damit hatte sie nicht gerechnet.
„Weißt du, was unterhaltsam ist?“, fragte er mit gefährlich leiser Stimme. „Dass du deinen verstorbenen Ehemann Onkel nennst! War er etwa in dieser Richtung veranlagt?“
Mit angehaltenem Atem wartete Maram, ob er noch näher kam.
Leider vergebens …
Sie seufzte. „Er war mein Onkel, wenn auch, wie dir bekannt ist, nicht blutsverwandt. Eigentlich solltest du am besten wissen, dass arrangierte Ehen oft anders sind, als sie erscheinen.“
Seine Augen drückten jetzt so viel Grausamkeit aus, dass ihr heiß wurde. „Keine Ahnung. Ich war nicht der Onkel meiner Frau. Aber eines hast du ihr voraus: Du bist deinen ungeliebten Mann zügig losgeworden.“
Sie richtete sich zu ihren vollen ein Meter fünfundsiebzig auf. „Wenn du sechs Jahre nach der Hochzeit ‚zügig‘ findest, stimmt irgendetwas mit deinem Zeitempfinden nicht.“
Er zuckte die Schultern. „Aih, sehr effektiv war das nicht. Ich war bei meiner Heirat kerngesund – und ein halbes Jahr später fast tot. Aber zu deiner Verteidigung muss man sagen, dass du noch jung warst und viele Kniffe erst noch lernen musstest. Doch du hast gut aufgeholt!“
Den Mann brachte nichts aus der Ruhe. Dachte er zumindest.
Aber sie hatte sich zwei Tage lang vorbereitet.
Mit einem süffisanten Lächeln sagte sie: „Du warst vor deiner Heirat ein naiver Schwächling und hast es jetzt zum Chauvi geschafft. Aber keine Angst. Wenn man den Fachleuten glauben darf, ist dein Zustand nicht unheilbar.“
Auch er lächelte – als wollte er Metall durchbeißen. „Aih, davon habe ich gehört. Wenn ein Mann wieder leichtgläubig werden soll, braucht er dazu eine liebende Frau, die ihn ein Leben lang einsperrt.“
Sie lachte. „Einfach köstlich! So köstlich, dass ich davon Hunger bekomme.“ Sie wartete, bis er finster dreinblickte. Dann nickte sie zufrieden und wandte sich um. „Gibt es hier was zu essen?“
Amjad sah Maram nach – und verstand die Welt nicht mehr.
Hatte sie tatsächlich das letzte Wort gehabt?
Ja. Und nicht nur das. Sie hatte auch das Gespräch maßgeblich gelenkt und seine Angriffe gekontert. Was ihr offenbar großen Spaß gemacht hatte. Sie hatte gar nicht genug davon bekommen!
Was sollte er davon halten?
Egal. Jetzt zählte nur, dass sie anstelle ihres Vaters hier war. Dadurch gingen seine Pläne nicht auf. Oder doch? Vielleicht reichte eine kleine Änderung …
Er dachte nach. Als er ein Mal unüberlegt gehandelt hatte, hätte es ihn fast das Leben gekostet. Jetzt lag die Zukunft Zohayds in seinen Händen. Ihm blieb keine Wahl.
Wenn er ihren Vater nicht haben konnte, würde er eben Maram entführen.
Amjad überlegte. Eigentlich dürfte es nicht schwer sein, einen Menschen zu entführen, der sich nicht wehrte.
Er sah Maram nach, die eine schlanke und schöne Frau war.
Ursprünglich hatte ihr Vater zugesagt, was bewies, dass er nichts ahnte. Er wusste nicht, dass die Aal Shalaan Brüder längst entdeckt hatten, dass er für den Diebstahl der Kronjuwelen und für die Fälschungen verantwortlich war.
Nach einem alten – in Amjads Augen reichlich albernen – Stammesgesetz brauchten die Aal Shalaans den Schatz, um für ihren Machterhalt zu sorgen. Das Gesetz ging auf eine Überlieferung von König Ezzat, einem Vorfahren Amjads, zurück, dem er so ähnlich war, dass viele aus dem Volk ihn für dessen Reinkarnation hielten.
Ezzat hatte die Stämme unter seiner Führung vereint und damit Zohayd gegründet.
Diese dumme Geschichte bekamen die Leute einfach nicht aus den Köpfen. Dass Zohayd inzwischen zu den wohlhabendsten Nationen der Welt gehörte, änderte daran nichts. Nach wie vor glaubten die Menschen, dass der Schatz die rechtmäßigen Herrscher legitimierte.
Im Rahmen eines großen Festes wurde daher der Pride of Zohayd jedes Jahr dem Volk präsentiert. Nur der Besitz des Schatzes bewies, dass die Herrscherfamilie den Thron immer noch verdiente.
Zweifellos hatten Yusuf Aal Waaked und seine Leute vor, beim diesjährigen Fest die Juwelen als Fälschungen zu entlarven. Dann würde Yusuf die echten vorweisen – und statt ihn als Dieb anzuklagen, würde das Volk ihn als den neuen rechtmäßigen Herrscher feiern.
Wie dumm die Menschen doch sein konnten. Seine eigene Familie eingeschlossen …
Er hatte nicht übel Lust, die ganze Region sich selbst zu überlassen. Dann brauchte er sich keine Gedanken mehr über den Frieden zu machen – den er fast mit seinem Leben bezahlt hatte.
Natürlich gab er sein Bestes. Etwas anderes kam für ihn nicht infrage. Außerdem hatte sein Vater einen Herzinfarkt gehabt und brauchte ihn mehr denn je.
Aber Thronfolger zu sein bedeutete, als Erster von einer stampfenden Herde zu stehen. Außer Angriffen bei Verhandlungen und einem Mordversuch hatte ihm diese Position nichts eingebracht – abgesehen von immer neuen Bestrebungen, ihn zu hintergehen, ihm Verbrechen anzuhängen oder sonst wie zu schaden.
Doch er und seine Brüder waren ihren Weg gegangen, ohne Vorteile aus ihrer Herkunft zu ziehen. Vermutlich würden sie einfach nur Erleichterung verspüren, wenn sie eines Morgens aufwachen und feststellen würden, dass sie keine königliche Familie mehr waren. Und die undankbare Nation würde bald merken, wie es war, von Kriminellen regiert zu werden, denen man nur wegen einiger Klunker die Macht übertragen hatte.
Aber … ganz so einfach lagen die Dinge leider nicht.
Selbst wenn die Leute an der alten Legende festhielten, würden sie Außenstehende auf dem Thron nur schwer akzeptieren. Yusuf herrschte nur über ein winziges Emirat und hatte nicht die nötige Erfahrung, um ein so großes und kompliziertes Staatsgebilde wie Zohayd erfolgreich zu leiten. Vermutlich würde er bald gestürzt werden – womit der Katastrophe Tür und Tor geöffnet wären.
Keiner der Stämme vereinte genug Macht auf sich, um allein zu herrschen. Am Regierungsgeschehen konnten sie nur im Wege einer Demokratie teilhaben. Was das bedeutete, ließ sich mit Blick auf viele Nachbarstaaten leicht beantworten, die in Wahrheit Militärdiktaturen waren.
Nach alldem … ob es ihm gefiel oder nicht: Er musste sich der Aufgabe stellen, den Pride of Zohayd zurückzuholen.
Um dies zu erreichen, hatte er vorgehabt, Yusuf festzuhalten. Aber der alte Fuchs hatte seine Tochter geschickt.
Auch das bewies, dass er nicht mit einer Entdeckung rechnete. Denn Maram, sein einziges Kind, bedeutete Yusuf mehr als alles andere. Nie würde er sie absichtlich in Gefahr bringen.
„Wo ist denn jetzt das Essen?“, fragte Maram und warf ihren Pferdeschwanz wie ein lebhaftes Fohlen herum.
Amjad biss die Zähne zusammen, als er merkte, wie prompt er auf diese Frau ansprach. Er verzog den Mund zu einem Lächeln, von dem er wusste, dass es seine Gedanken verriet. „Das möchtest du wohl gerne wissen, meine neugierige Hoheit?“
Freundlich lächelte sie. Nicht nur, dass an ihr seine Angriffe wirkungslos abprallten, sie schien sie auch noch zu genießen. Wenn er sie wirklich treffen wollte, musste er damit aufhören.
„Offenbar verwahrst du es in luftdichten Behältern. Nicht einmal ein Suchhund würde etwas riechen.“ Wieder blieb sie vor ihm stehen, und er konnte nicht anders, er ließ sich von ihrem unvergleichbar zarten und frischen Duft betören.
Sie. Mit glänzenden Augen sah sie ihn an. „Zur Not gebe ich mich auch mit Kaffee zufrieden. Wenn du mir sagst, wo alles ist, mache ich ihn mir selbst. Ich kann auch dir einen machen, wenn du nicht zu … gemein bist.“
In der Tat, es war unmöglich, sie zu treffen. „Dann bekomme ich nie welchen.“
Sie lachte dieses Lachen, das seinen ganzen Körper warm durchströmte. Fast hätte er unter dem Eindruck aufgestöhnt. Er musste an sich halten, um sie nicht in die Ecke zu drängen und ihr einzuschärfen, sich nicht so verführerisch zu verhalten.
„Also gut, du bekommst welchen. Schwierige Jungen brauchen Unterstützung am dringendsten.“
Ihre gute Laune steckte ihn an!
Diese Maram war auf eine Art gefährlich wie niemand sonst.
Anscheinend glaubte sie, sein nachdenklicher Blick bezöge sich darauf, ob sie ihm wohl Kaffee machen würde oder nicht. In Wirklichkeit hatte er überlegt, ob er für sie etwas zu essen und zu trinken bestellen sollte. Vor der Nervenprobe.
Mit seinem Handy rief er Ameen an und bat ihn, ein paar Erfrischungen zu bringen.
Mittendrin unterbrach er sich und sah Maram an. „Nach welchen deiner Vorfahren schlägst du?“, fragte er. „Trinkst du Kaffee auf arabische oder auf westliche Art?“
Sie blinzelte ihm zu. „Beides.“
Aih. Typisch für sie.
„Warum wählen, wenn du auch beides haben kannst!“ Er beendete seine Anweisung und schaltete das Handy aus.
Kurz darauf wurde ein Tisch mit Käse, Brot, gekühlten Früchten und kalten sowie heißen Getränken gedeckt.
Sein ursprünglicher Plan war gewesen, es Yusuf und seinen Männern an nichts fehlen zu lassen, damit sie sich entspannten und er so Yusuf leichter in seine Gewalt bringen konnte.
Maram ging zum Tisch und blickte fragend erst auf die Kaffeemaschine und dann auf die Kanne mit arabischem Kardamomkaffee.
Amjad wies auf die Maschine.
In wenigen Minuten hatte Maram den Kaffee fertig und brachte ihm eine Tasse davon. Als sie sie ihm gab, leckte sie sich dabei über die Lippen. Es sah aus, als ob sie sich dabei seine Lippen vorstellte.
Insgeheim beglückwünschte er sich, dass seine Hose eng genug anlag, um nichts zu verraten.
„Schwarz und stark“, sagte sie mit weicher Stimme, die ihn streichelte wie Samt. „Wie du … ihn magst.“
„Das weißt du?“ Er aß und trank nur in der Gegenwart von Menschen, denen er absolut vertraute. Aih, was das anging, war er wirklich paranoid. Maram hatte ihn zwar schon essen sehen, aber das mit dem Kaffee konnte sie nicht wissen.
„Aliyah hat es mir gesagt“, beantwortete sie seine unausgesprochene Frage. „Ich habe sie ausführlich über dich ausgefragt.“
„Und sie hat natürlich bereitwillig Auskunft gegeben.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich war schon immer der Meinung, dass in einer Familie einfach zu viel geredet wird. Es würde mich nicht wundern, wenn Aliyah und Laylah Anekdoten über meine Paranoia bei Facebook einstellen.“
Am Funkeln ihrer wunderschönen hellbraunen Augen erkannte er, wie belustigt sie war. „Das nicht, da kann ich dich beruhigen. Aliyah hat sich nur gefreut, dass es überhaupt eine Frau gibt, die mutig genug ist, sich für dich zu interessieren. Sie hat dich mit ihrem Kamal verglichen – obwohl sie dich für einen noch schwierigeren Fall hält – und meint, es sei immerhin möglich, dass auch du eines Tages nicht mehr so unnahbar bist.“
„Unnahbar? Kamal wurde gebrochen. Fast tut er mir leid. Aber eigentlich hat er nur bekommen, was er verdient: meine auskunftsfreudige Halbschwester. Sehr fantasievoll von euch, ihn und mich in eine Schublade zu stecken.“
Mit gespieltem Ernst versuchte sie, ihn zu beruhigen. „Keine Angst, für mich bist du etwas ganz Besonderes.“
Viel hätte nicht gefehlt, und er hätte gelacht.
Er unterdrückte den Impuls gerade noch. „Sehr tröstlich. Bleibt nur zu hoffen, dass Aliyah nicht immer so bereitwillig Einzelheiten von mir erzählt. Schließlich wäre mir das schon einmal fast zum Verhängnis geworden.“
„Ja, und seitdem hasst du die Farbe Grün.“
„Weil ich dabei an Arsen denke? Nein, das war schon immer so. Meine Mutter hat mich immer grün angezogen, weil es so gut zu meinen Augen passte. Nach ihrem Tod wollte ich mit der Farbe nichts mehr zu tun haben. Bis dann meine Frau und Beinahe-Mörderin mich mit grünen Dingen regelrecht überhäuft hat. Da ich ja nicht ahnen konnte, dass mein Leben in Gefahr war, habe ich meine Abneigung heruntergeschluckt – und mit ihr das Gift.“
Maram wirkte betroffen. Aber nur einen Moment. Dann scherzte sie: „Und seitdem hast nie wieder diesen Fehler gemacht, irgendeine Aversion herunterzuschlucken. Stimmt’s?“
Er warf ihr einen seiner vernichtenden Blicke zu, mit dem er, wie sie selbst gesehen hatte, Staatsoberhäupter erstarren lassen konnte. „Aih, seitdem verbeiße ich mich von vornherein in alle, die sich in meine Nähe wagen.“
„Ach, komm schon“, sagte sie und seufzte, als hätte er etwas besonders Zärtliches gesagt. „Und da wir gerade von Beißen reden …“ Sie nahm einen Teller und legte sich Obst darauf. „Übrigens glaube ich nicht, dass Aliyah immer so großzügig mit Informationen über dich umgeht. Aber sie und ich, wir haben beide in den Vereinigten Staaten studiert. Außerdem haben wir beide amerikanische und arabische Vorfahren. Und stammen aus benachbarten Königshäusern. So etwas verbindet.“
„Dein Land ist kein Königreich, sondern nur ein kleines Emirat mit Größenwahnsinn.“
„Wenn mein Vater hören würde, wie du über sein geliebtes Ossaylan redest, würde ihn der Schlag treffen. Aber verglichen mit den anderen Königreichen rundherum stimmt es.“ Sie biss in eine Pflaume.
Das Bild war so eindringlich, dass er unwillkürlich daran dachte, wie es wäre, ihre Bisse auf seinen Lippen zu spüren. Und umgekehrt.
„Erfrischend“, sagte sie, „wie du unliebsame Wahrheiten auf den Punkt bringst. Manchmal kommt es mir vor, als würde mich das Protokoll ersticken.“
„Freut mich, dass ich zu deinem Wohlbefinden beitrage. – Du nennst es nicht dein geliebtes Ossaylan?“
„Als ein Mensch mit zwei nationalen Identitäten finde ich in beiden Staaten manches gut und manches schlecht. Außerdem – wie empfindet man für ein Land, in dem man die glücklichsten und die schlimmsten Momente erlebt hat?“
„Und zum Schlimmsten gehören deine beiden Ehen, oder?“
Er glaubte, in ihrem Lächeln einen Anflug von Traurigkeit zu sehen – obwohl er fast sicher war, dass es nicht sein konnte. „Wenn du versprichst, mir vorurteilsfrei und ohne Unterbrechungen zuzuhören, erzähle ich dir alles, vom Anfang bis zum Ende. Glaub mir, du hast keine Ahnung.“
„Dir glauben? Oder vertrauen? Höchstens einen Steinwurf weit.“
„Das ist weiter, als ich gehofft habe, denn bei deinen Muskeln …“ Mit ihren strahlenden Augen betrachtete sie seine Arme und die Brust, ließ den Blick etwas tiefer und wieder höher gleiten. „… kannst du bestimmt ziemlich weit werfen.“
Er trank einen Schluck Kaffee. Und stellte fest, dass er genau so schmeckte, wie es sein sollte. Als hätte er ihn selbst gemacht.
„Gut?“
Täuschte er sich, oder hatte ihre Stimme erwartungsvoll geklungen? Seit er seine Naivität abgelegt hatte, hatte es niemand geschafft, ihm etwas vorzumachen. Aber obwohl er alles über Maram wusste und sie mit seiner berüchtigten Scharfsichtigkeit betrachtete, konnte er keine Falschheit an ihr entdecken. Wie machte sie das nur?
Für seinen Plan spielte das allerdings keine Rolle.
Sollte er an ihm festhalten? Ja, denn es ging nicht anders.
Einen Augenblick lang hasste er diesen Plan.
Er wies auf die Tasse in seiner Hand. „Jetzt sag nicht, Aliyah hat dir auch genauestens verraten, wie viel Kaffeepulver ich nehme.“
Sie errötete leicht, vom Kinn bis zu ihren hohen Wangenknochen. Freute sie sich etwa, dass sie seinen Geschmack so gut getroffen hatte?
Wohl kaum. Vermutlich konnte sie auf Kommando spontan rot werden.
Obendrein klang ihre Stimme atemlos, als sie antwortete: „Ich habe ihn so gemacht, wie ich ihn mag, und gehofft, dass wir auch das gemeinsam haben.“
Eine unglaubliche Frau. „Willst du damit sagen, dass wir schon vor der sensationellen Entdeckung, dass wir bei Kaffee denselben Geschmack haben, etwas gemeinsam hatten? Abgesehen davon, dass wir auf zwei Beinen gehen?“
Sie lachte auf, verschluckte sich – und sah dabei unglaublich reizend aus. „Ich wusste es! Wenn man dich erst zum Reden kriegt, wird der Schlagabtausch mit dir unvergleichlich witzig. Jetzt haben wir uns richtig aufgewärmt.“
„Wenn dir nach Wärme ist, geh doch einfach nach draußen.“
„Hier drin mit dir ist es schöner. Was für eine unvergleichliche Mischung aus kühler Umgebung und heißem Disput.“
„Schön, dass es dir gefallen hat. Das war es nämlich auch schon. Ich reite jetzt los und überwache den Aufbau der Zuschauer- und Bankettzelte.“
Er wandte sich um und zählte im Stillen. Drei, zwei, eins …
In diesem Moment griff sie nach seinem Arm. „Warte mal.“ In Windeseile öffnete sie ihre Tasche und holte Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor fünfzig heraus, die sie auf Gesicht, Hals und Hände auftrug.
Dann lächelte sie triumphierend. „Jetzt kann ich trotz meiner hellen Haut mit dir mithalten, meine geschätzte Lichtundurchlässigkeit.“
Er seufzte. „Unter einer Bedingung.“
„Alles. Was immer du willst“, sagte sie ohne das geringste Zögern und sah ihn vertrauensvoll an.
Ein seltsames Gefühl beschlich ihn. Warum merkte man ihr nicht an, dass sie nur mitwollte, um weiter Einfluss auf ihn zu nehmen?
Andererseits hatte es einen Vorfall gegeben, wo sie ihr Leben für ihn riskiert hatte. Dass sie sich für andere einsetzte, passte nicht in sein Bild von ihr. Was für ein erstaunlicher Mut!
Dadurch wurde es noch schwieriger, sie einzuschätzen. Und zu verachten.
Er ärgerte sich über sich selbst. „Alles? Und du wirst in der Politik und in der Finanzwelt als erfolgreiche Anwältin geschätzt? Als die Entscheidungen deines Vaters irgendwann etwas … weniger dumm wurden, dachte ich, du steckst dahinter. Da habe ich mich wohl geirrt, sonst würdest du kaum einer Bedingung zustimmen, die du nicht einmal kennst.“
„Ich habe gesagt, was immer du willst“, erklärte sie geduldig – ohne sich die Mühe einer Richtigstellung zu machen. So konnte sich nur ein Mensch verhalten, der sich seiner selbst sehr sicher war. „Ich weiß, dass von dir nichts Schlechtes kommt.“
„Wieso bist du dir da so sicher? Ich bin nicht gerade als Wohltäter der Menschheit bekannt. Oder hast du vielleicht schon einen Sonnenstich?“
Mit ihren gepflegten Händen machte sie eine auffordernde Geste. „Na, los jetzt. Sag deine Bedingung.“
Wieder seufzte er. „Ich will keine Beschwerden hören. Sonst bringe ich dich sofort hierher zurück.“
Sie blinzelte und sah ihn unter ihren dichten Wimpern an. „Alles klar. Bedingung akzeptiert.“
Auf diese Weise machte sie ihm die Entführung wirklich leicht. Und was einfach begann, endete oft in einer Katastrophe. Was das in diesem Fall bedeutete, würde sich zeigen. Er hatte sowieso keine Wahl.
Er sah sie an und nickte, wie um sich selbst Mut zu machen.
Irgendwie hatte Maram erwartet, dass Amjad einen schwarzen Hengst ritt. Oder einen weißen. Aber überrascht und erfreut stellte sie fest, dass sein Lieblingspferd eine wunderschöne hellbraune Stute war. Sie hieß Dahabeyah, die Goldene. Gewissermaßen meine Entsprechung in der Pferdewelt, dachte Maram und hielt ihren Pferdeschwanz zum Farbvergleich neben Dahabeyahs Schweif.
Sie fragte Amjad, ob er die Stute wegen der Ähnlichkeit mit ihr ausgewählt hatte – und wusste im Voraus, dass er das niemals zugeben würde.
Statt einer Antwort schnaubte er abschätzig.
Er zäumte die Stute auf, warf sich eine weite weiße abaya über und legte die traditionelle Kopfbedeckung an.
Dann stieg er elegant und schwungvoll auf das Pferd.
Maram konnte nicht anders, als sich selbst anstelle des Tieres vorzustellen. Schon ehe er sie zu sich hochzog und sie sich hinter ihn setzte, stand ihr Herz in Flammen. Ein eigenes Pferd zu reiten hatte sie abgelehnt, denn sie war nicht in Übung. An Amjads Miene hatte sie erkannt, dass er dachte, sie wollte ihm so nah wie möglich sein – was durchaus auch zutraf.
Während der Viertelstunde, die sie bergauf ritten, genoss sie es, sich an ihn zu schmiegen. Sie spürte seine Wärme und sogar den gleichmäßigen, kraftvollen Herzschlag. Und mit jedem Atemzug sog sie seinen herrlichen Duft förmlich ein.
Als sie ihr Ziel erreicht hatten, fühlte sie sich so sehr mit ihm verschmolzen, dass sie sich kaum noch vorstellen konnte, sich von ihm zu lösen.
Schwungvoll stieg er ab. Und sofort fehlte er ihr.
Nein, beim Absteigen würde er ihr sicher nicht helfen, denn er war ihr ohnehin schon weit entgegengekommen. Außerdem wollte sie nicht, dass er den Ritter spielte. Noch nicht.
Aber die Zeit, wo er darauf brennen würde, würde kommen, und zwar aus einem echten Bedürfnis heraus, dessen war sie sich sicher.
Sie stieg ab und sah ihm in die Augen. Er schaute sie so betrübt an wie nie zuvor. Dieser Einblick in seine Seele, die er normalerweise hinter einer Maske der Geringschätzigkeit und Gleichgültigkeit verbarg, erschreckte sie zutiefst.
Doch noch ehe sie den Dingen auf den Grund gehen konnte, wandte er sich um und trat an den Rand der Düne.
Maram folgte ihm, anfangs noch auf wackligen Beinen. Die weite, wilde, von den Elementen über Jahrtausende geformte Wüstenlandschaft zog sie völlig in ihren Bann. Mächtige Dünen wirkten wie ein riesiges erstarrtes Meer aus feinem Goldstaub.
„Wow“, stieß sie voller Bewunderung hervor. „Auch wenn ich schon lange nichts anderes mehr als Wüste gesehen habe: Hier ist es wunderschön! – Nimmst du mich mal mit auf eine deiner Erkundungsreisen?“
Aus dem Augenwinkel betrachtete er sie. Weil er so viel größer war als sie, neigte er dabei den Kopf etwas zur Seite. „Luxustouren für Touristen mache ich nicht.“
„Du redest mit einem Mädchen, das seine Kindheit in der Wildnis verbracht hat. Und als ich in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt bin, habe ich monatelang aus dem Rucksack gelebt.“
Wieder blickte er sie seltsam bekümmert an. Dann zuckte er die Schultern. „Jetzt sehen wir erst mal, wie du dich auf diesem kleinen Ausflug behauptest – bevor wir an größere Touren denken.“
Vor Freude machte ihr Herz einen Hüpfer.
Er hatte nicht rundheraus abgelehnt!
Im nächsten Moment hörte, nein spürte sie etwas, was ihr vollkommen neu war. Es kam aus dem Nichts und drang in ihr Ohr und ging ihr durch Mark und Bein.
Abrupt wandte sie sich um. Und erstarrte.
Am Horizont kam mit enormer Geschwindigkeit etwas auf sie zu … ein Berg! Eine überdimensionale Flutwelle aus Staub.
Ihnen blieben nur wenige Minuten.
„Ein Sandsturm!“
Entsetzt wandte sich Maram zu Amjad um. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
Er aber blickte gelassen in Richtung Horizont.
Gelassen? Wohl kaum. Wahrscheinlich eher erstarrt.
Sie packte ihn am Arm und zog ihn zum Pferd – wo er Tücher und Brillen aus den Satteltaschen herausnahm.
„Was machst du da?“, rief sie. „Wir müssen zurück! Und zwar schnell!“
Aber Amjad ließ sich nicht beirren. „Nein. Dazu ist es zu spät. Und die anderen warten sowieso nicht auf uns.“
Zu ihrem Entsetzen sah sie, wie in der Ferne die Pferde in ihre Anhänger verladen wurden. Die ersten Geländewagen fuhren schon ab.
„Aber … das dürfen sie nicht!“
„Das müssen sie sogar. Um ihr eigenes Leben zu retten.“ Er holte etwas aus den Satteltaschen, das wie ein Sack aussah, und zog es der nervösen Dahabeyah über das Maul, was sie seltsamerweise geschehen ließ. Eine Decke aus demselben Stoff legte er auf den Pferderücken. „Außerdem wissen meine Leute, dass ich allein klarkomme.“
„Wie willst du denn …“ Sie breitete beide Arme in Richtung der riesigen Staubwolke aus. „… damit fertig werden?“
„Ach … damit.“ Er gab ihr eine Schutzbrille. „Ich habe so etwas schon öfter erlebt. Auf diese Weise entgehen wir beide wenigstens mal unseren Verpflichtungen.“
„Was? Wer hat jetzt hier einen Sonnenstich? Der Sandsturm wirkt alles andere als harmlos.“
Amjad schwang sich auf Dahabeyahs Rücken und grinste. „Das stimmt.“
„Amjad!“ Inzwischen hatte ihre Angst klar die Oberhand gewonnen.
Geschickt wickelte er sich eine Stoffbahn um den Kopf, sodass nur die Augen frei blieben.
Dann streckte er die Hand nach ihr aus – und trotz ihrer Panik zuckte sie zusammen.
„Maram.“
Noch nie hatte er sie beim Namen genannt. Und noch nie hatte seine Stimme so sanft geklungen.
„Vertraust du mir?“, fragte er.
Sie blickte zu ihm auf und sah ihn als das, was er war: ein Ritter der Wüste, stark und selbstbewusst, der sogar den Elementen widerstand.
Allerdings … das Naturereignis, das auf sie zukam, konnte sie leicht beide das Leben kosten. Und doch: Wenn sie irgendjemandem ihr Leben anvertrauen würde, dann ihm. Schließlich war es nicht das erste Mal.
„Natürlich.“
„Dann glaub mir bitte: Ich werde dafür sorgen, dass dir nichts passiert“, sagte er ernst.
Sie nickte und ergriff seine Hand, die sich warm und fest anfühlte. In diesem Moment wurde ihr klar, dass ihr Schicksal besiegelt war.
Nein, nicht erst jetzt, schon früher: als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Und während der schrecklichen Bombengeschichte.
Sie würde ihm folgen, egal was geschah.
Er zog sie zu sich hoch aufs Pferd, nahm ihr den Hut ab, wickelte um ihren Kopf ebenfalls eine Stoffbahn und setzte ihr eine Schutzbrille auf.
„Ich wickle dich mit in meine abaya und halte dich fest. Du brauchst also keine Angst zu haben, dass du herunterfällst, wenn wir schnell reiten“, versicherte er. „Wir reiten die Düne hinunter, aber der haboob wird uns so oder so einholen. Bitte stell dich darauf ein, dass Wind und Sand uns mit gewaltiger Macht treffen werden. Aber du weißt ja: Hunde, die bellen, beißen nicht. Ich bin mir sicher, dass wir diesen Sturm überstehen können. Außerdem habe ich in der Nähe einen Unterschlupf. Dorthin reiten wir und warten dann ab.“
Wieder nickte sie. Seine Uhr hatte GPS. Er sah darauf, bevor sie losritten.
Der Weg führte steil nach unten, und Maram blieb bei jedem Schritt, den das Tier tat, fast das Herz stehen. Zum Glück hielt Amjad sie mit seinen starken Armen fest.
Als sie endlich ebenes Gelände erreichten, ließ er Dahabeyahs Zügel schießen. Die Stute galoppierte atemberaubend schnell.
Trotzdem holte der Sandsturm sie ein.
Für Maram hörte es sich an, als ob ein Monster brüllend das Maul aufsperrte.
Dann wurden sie verschlungen, während das Brüllen zu einem ohrenbetäubenden Heulen anschwoll. Die Welt verschwand in einer Hölle aus gelbem Sand.
Irgendwann glaubte sie, Amjads Stimme zu hören, die … amüsiert klang! Wahrscheinlich war ihr Gehörgang mit Sand verstopft.
Aber sie hatte sich nicht getäuscht. „So ein haboob hat auch Vorteile. Wenigstens brauchst du jetzt deine Sonnencreme nicht mehr.“
Sie drückte sich gegen ihn und entspannte sich etwas. Vielleicht hatten sie ja doch eine Chance, denn im Angesicht des Todes würde Amjad ja wohl kaum solche Scherze machen. Oder etwa doch?
Maram konnte es kaum glauben, aber Amjad machte seine Witze offenbar auch dann noch, wenn er sich in Lebensgefahr befand.
Auf ihrem endlosen, qualvollen Ritt durch Sand und Wind, wo man die heiße, trockene Luft kaum atmen konnte, raunte er ihr immer wieder beißende Kommentare ins Ohr.
Zielscheiben seines Spotts waren ihr Vater, Ossaylan, Zohayd, die ganze Region, Frauen, Männer, Politik, Wirtschaft und überhaupt alles.
Maram allerdings war nicht zum Lachen zumute.
Alles, was sie in dieser Lage schaffte, war, sich aufrecht auf dem Pferd zu halten, um ihr Vorankommen nicht zusätzlich zu erschweren. Immer wenn Amjad auf sein beleuchtetes GPS sah, richtete sie sich wieder auf.
Aber sie schienen ihrem Ziel nicht näher zu kommen.
Die erste Hälfte des Rittes hatte sie ganz gut überstanden. Das folgende Viertel hatte seinen Tribut gefordert, und das letzte Viertel war kaum noch auszuhalten. Dabei wusste sie nicht einmal, ob diese Einteilung stimmte oder ob sie in Wirklichkeit noch einen viel längeren Weg vor sich hatten.
Konnte sie nicht einfach in Ohnmacht fallen? Amjad würde sie weiterhin gut festhalten, auch ohne ihr Zutun. Wie auf einer langweiligen Autoreise hatte er ihr gesagt, sie könne ruhig eine Weile schlafen. Vielleicht wäre es wirklich das Beste …
Maram schreckte hoch.
Mit schmerzenden Augen blickte sie in ein gelbes Nichts.
Dann fiel ihr alles wieder ein. Das hier war kein Albtraum. Sie war mit Amjad in einem Sandsturm. Ob sie das Bewusstsein verloren hatte oder nur eingeschlafen war, wusste sie nicht.
Amjad kämpfte sich durch den gnadenlosen haboob und hielt sie dabei mühelos fest, als wäre sie federleicht. Bis es irgendwann über von Sand verwehte Stufen nach oben ging, die zur Veranda eines Gebäudes führten. Es konnte eingeschossig sein, vielleicht sah man aber auch nur den obersten Teil eines Schlosses. Die Sichtweite betrug nur wenige Meter.
Aber egal, sie hatten es geschafft. Wie er versprochen hatte.
Wie damals vor langer Zeit trug er sie über die Schwelle und brachte sie damit in Sicherheit. Mit dem Fuß schloss er die Tür hinter ihnen. Hier drin war es angenehm kühl und dunkel.
Während er Maram mit einem Arm weiter festhielt, nahm er die Brille ab. Sie hinterließ Abdrücke in seinem Gesicht; er sah abgekämpft aus. Aber als er hastig die Stoffbahn von ihrem Kopf entfernte, blickte sie in seine unheimlich grünen Augen, mit denen er sie besorgt und – täuschte sie sich? – schuldbewusst ansah.
Aber warum? Schließlich hatte er sie doch gerettet!
Einen Moment ließ sie diesen ungewöhnlichen Ausdruck auf sich wirken. Dann streckte sie sich, damit Leben in ihre Muskulatur zurückkehrte, und nahm die Schutzgläser ab, die sich regelrecht am Kopf festgesaugt hatten.
Endlich bekam sie mühelos Luft. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder richtig scharf sah.
Inzwischen trug Amjad schon seine übliche gleichgültige Miene zur Schau. Er zog seine Mundwinkel nach oben, wie nur er es tat, und sagte mit rauer Stimme: „Willkommen in meinem Unterschlupf.“
Sie löste den Blick nicht von ihm, während er sie durch den Korridor trug. Sie hatte das Gefühl, in das Versteck eines Zauberers zu kommen. Und für sie traf das auch zu.
Sie betraten einen großen, rechteckigen Raum mit Wänden aus Lehmziegeln und handgewebten Teppichen auf dem Steinboden. Dieselben kräftigen Farben wie die Teppiche hatten auch die vielen verschieden großen Kissen, die auf einem langen, gemütlichen Sofa lagen. Davor stand ein niedriger Eichentisch.
Wie Maram jetzt sah, schlossen sich links und rechts des Korridors zwei weitere Bereiche an, sodass der gesamte Raum eigentlich u-förmig war. In einem der Räume befand sich ein Kamin, der aus Natursteinen gemauert war und vor dem Kissen lagen. Hier stand ein niedriger runder Tisch aus Palmholz namens tableyah – mit einem eleganten silberfarbenen Notebook darauf, das die Einrichtung noch ursprünglicher wirken ließ.
Der andere Raum wurde von der Küche eingenommen, zu der ein Herd aus Ziegelsteinen gehörte. Eine moderne Kochplatte aus unpoliertem Stein und eine Spüle befanden sich in einer Kücheninsel.
Geradeaus gelangte man aus dem Wohnraum in einen weiteren Korridor, der, soviel Maram sah, zu zwei weiteren, nur mit Steinwänden abgeteilten Räumen führte.
Im Wohnzimmer gab es vier bogenförmige Fenster, die zum Glück so stabil gebaut waren, dass sie dem Sandsturm standhielten, der mächtig dagegen anbrauste.
Alles wirkte unberührt und sauber. Obwohl Maram sich vor allem darüber freute, in Sicherheit zu sein, fiel ihr doch auf, wie schön das Haus war.
Es bestand überwiegend aus natürlichen Baustoffen, wie man sie in Zohayd fand, und wirkte dadurch unaufdringlich und ehrlich. Sie kam sich vor, als sei sie in einer der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht gelandet, in der Shahrazad – oder Scheherazade, wie sie auch genannt wurde – ihren Mann, König Shahrayar, der als verrückt bezeichnet worden war, besänftigt hatte. Dabei hatte sie das Ende jeder Geschichte bis zur nächsten Nacht offen gelassen, um die Spannung zu erhalten.
Kein Wunder, dass sich Amjad gerade dieses Haus als Rückzugsort gebaut hatte: Es hatte dieselbe raue Ausstrahlung, denselben natürlichen Machtanspruch wie er selbst.
Marams Träumereien fanden ein jähes Ende, als Amjad sie wieder auf ihre eigenen Füße stellte. Sie schwankte. Am liebsten hätte sie sich wieder an ihn geschmiegt.
„Du hast mir nicht gesagt, dass auch Zeitreisen in deiner unerschöpflichen Macht stehen“, sagte sie lächelnd.
„Keine Sorge, das Haus sieht nur primitiv aus. In Wirklichkeit verfügt es über alle modernen Annehmlichkeiten.“
„Es ist nicht primitiv, sondern … authentisch.“
„Authentisch ist ein beschönigendes Wort für altmodisch.“
„Du glaubst doch nicht, dass ich je etwas beschönigen würde, oder?“
Er überlegte. „Jetzt, wo du es sagst … eigentlich nicht.“
„Na also. Jedenfalls gefällt mir das Haus wirklich gut. Und nicht nur, weil wir eine Ewigkeit im Nichts gefangen waren.“
„Jedenfalls wissen wir jetzt, wie lange die Ewigkeit dauert“, spottete er. „Nämlich genau vier Stunden.“
Überrascht sah sie ihn an. „Mir ist es vorgekommen wie vier Tage.“
Er nahm seine abaya ab und warf sie auf eines der Kissen. Sein weites Hemd klebte am Körper, so sehr hatte er sich angestrengt.
Maram dagegen fühlte sich völlig ausgetrocknet. Nicht ein Schweißtröpfchen hatte die Hölle aus Hitze und Sand überstanden.
Aber bei seinem Anblick spürte sie, wie Leben in sie zurückkehrte.
Er ging in die Küche, und kurz darauf sprang ein Generator an, dann eine Pumpe. Als Amjad den Hahn öffnete, floss tatsächlich Wasser heraus.
Er füllte ein Glas und reichte es ihr.
Begierig griff sie danach.
„Ich habe es überprüfen lassen“, sagte er, während sie schon das Glas in einem Zug leerte. „Außerdem läuft es durch mehrere Filter.“
Dann trank er selbst ein Glas. „Wir sind sechzig Kilometer vom Ausgangspunkt entfernt. Normalerweise hätten wir das schneller schaffen können, aber unter den gegebenen Umständen sind vier Stunden ziemlich gut. Tut mir leid, wenn ich deine königliche Mürrischkeit nicht zufriedenstellen konnte.“
Sie lächelte und trank ein weiteres Glas. „Ich beschwere mich doch gar nicht, meine königliche Bissigkeit.“
„Wieso eigentlich nicht? Wegschicken kann ich dich ja nicht.“
„Stimmt.“ Sie lachte und sah fasziniert zu, wie er trank. Wie es wohl wäre, von ihm geküsst zu werden? Oder wie sich seine Haut anfühlte? Nichts wünschte sie mehr, als das herauszufinden. „Jedenfalls hättest du zwischen deinen bissigen Kommentaren ruhig mal einen Hinweis einstreuen können, wie weit es noch ist.“
„Und wenn ich vier Stunden gesagt, es aber fünf oder sechs gedauert hätte? Dann hättest du nur Angst bekommen.“
„Nicht wenn du mir erklärt hättest, dass alles in Ordnung ist.“
„Und das hättest du mir geglaubt?“
„Absolut.“
Mit dieser Versicherung erreichte Maram das Unmögliche: Amjad blieb eine Erwiderung schuldig.
Offenbar konnte er noch nicht glauben, dass sie ihm bedingungslos vertraute. Aber er würde schon noch sehen.
Sie wusste, dass er hinter der Maske aus Gleichgültigkeit und Ablehnung, die er oft zur Schau trug, ein wertvoller Mensch war. Sie vertraute ihm. Ja, mehr als das, sie glaubte an ihn.
Um ihn dazu zu bringen, ihr Wortgefecht fortzusetzen, sagte sie: „Wenn dir das Haus mal nicht mehr gefällt, kannst du es ja mir verkaufen.“
Er schwieg einen langen Moment; dann sagte er, ohne auf ihren Vorschlag einzugehen: „Du kannst dich ja kaum aufrecht halten, und ich habe keine Lust, dich schon wieder zu tragen. Ruh dich doch ein wenig aus, und ich kümmere mich um alles. Am besten gehst du erst mal in die Jetdusche.“