Meine Dramen - Ernst Toller - E-Book

Meine Dramen E-Book

Ernst Toller

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Beschreibung

Tollers expressionistische Dramen gelten heute als das Hauptwerk des Schriftstellers und Revolutionärs. In diesem Band sind enthalten: Feuer aus den Kesseln Hoppla, wir leben! Masse Mensch

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Meine Dramen

Ernst Toller

Inhalt:

Ernst Toller – Biografie und Bibliografie

Feuer aus den Kesseln

Personen

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Sechste Szene

Siebente Szene

Achte Szene

Neunte Szene

Zehnte Szene

Elfte Szene

Zwölfte Szene

Auswahl aus dem dokumentarischen Anhang der Erstausgabe des historischen Schauspiels "Feuer aus den Kesseln"

Hoppla, wir leben!

Personen des Vorspiels

Personen des Stückes

Filmisches Vorspiel

Vorspiel

Filmisches Zwischenspiel

Erster Akt

Erste Szene

Filmisches Zwischenspiel

Zweite Szene

Filmisches Zwischenbild

Zweiter Akt

Erste Szene

Filmisches Zwischenbild

Zweite Szene

Dritter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Vierter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Masse Mensch

Spieler

Erstes Bild

Zweites Bild

Drittes Bild

Viertes Bild

Fünftes Bild

Sechstes Bild

Siebentes Bild

Meine Dramen, Ernst Toller

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849637804

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Ernst Toller – Biografie und Bibliografie

Deutscher Dramatiker, geboren am 1. Dezember 1893 in Szamocin, Polen, verstorben am 22. Mai 1939 in New York durch Selbstmord. Sohn des jüdischen Kaufmanns Max Toller. Beginnt 1914 ein Jura-Studium in Grenoble und lässt sich dann als Freiwilliger zum Dienst im Ersten Weltkrieg rekrutieren. 1917 wird er der Gesundheit wegen aus dem Militärdienst entlassen und setzt sein Studium in München fort. Es folgen Wohnortwechsel nach Heidelberg und Berlin und schließlich nach München. 1918 wird T. Zweiter Vorsitzender des Zentralrats der Bayerischen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte, ein Jahr später Vorsitzender der bayerischen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Im Juli wird er nach der Zerschlagung der Räterepublik wegen Hochverrats festgenommen und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Während dieser Zeit schreibt er seine wichtigsten Werke. Nach der Entlassung 1924 zieht er nach Berlin. 1933 wird er von den Nazis ausgewiesen und wandert über die Schweiz und England in die USA aus.

Wichtige Werke:

Die Wandlung, Drama, 1919Masse Mensch, Drama, 1920Die Maschinenstürmer, Drama, 1922Hinkemann, Tragödie, 1923Der entfesselte Wotan, Komödie, 1923Das Schwalbenbuch, 1924Hoppla, wir leben!, Drama, 1927Justiz. Erlebnisse, 1927Quer Durch, 1930Feuer aus den Kesseln, 1930Die blinde Göttin, 1933Eine Jugend in Deutschland, Autobiographie, Amsterdam 1933Nie wieder Friede, 1934Briefe aus dem Gefängnis, 1935Pastor Hall, 1939

Feuer aus den Kesseln

Historisches Schauspiel in zwölf Szenen.

Der die Pfade bereitet stirbt an der Schwelle, doch es neigt sich vor ihm in Ehrfurcht der Tod

Dem Andenken der Matrosen Köbis und Reichpietsch, erschossen am 5. September 1917

"Feuer aus den Kesseln!" nenne ich ein historisches Schauspiel.

Ich habe Schauplätze verändert (Köbis war Heizer auf "Prinzregent Luitpold", Reichpietsch Matrose auf "Friedrich der Große"), Ereignisse zeitlich verlegt, Personen erfunden, weil ich glaube, daß der Dramatiker das Bild einer Epoche geben, nicht wie der Reporter, jede historische Einzelheit photographieren soll.

Künstlerische Wahrheit muß sich mit der historischen decken, braucht ihr aber nicht in jeder Einzelheit zu gleichen.

Alle wesentlichen Vorgänge sind, wie der Anhang zeigt, dokumentarisch erhärtet.

Der Plan der Handlung entstand im Jahre 1928. Sein Aufriß wurde in der "Welt am Montag" am 5. November 1928 veröffentlicht.

Berlin, April 1930E.T.

Personen

Köbis Reichpietsch Sachse Beckers Weber Fischer Neumann Roddei Plage Martin Friedrichs Holters Merten Sander Bräuner Bieber Linke Dames Reister                                           Heizer und Matrosen von deutschen Kriegsschiffen

Obermaschinistenmaat Purzelmann Andere Matrosen, Heizer, Maate  

Admiral von Scheer Kapitänleutnant Kohler Leutnant zur See Hoffmann Adjutant Andere Offiziere Kriegsgerichtsrat Schuler Vorsitzender des Kriegsgerichts Drei Verteidiger Portier Reichpietsch Frau Reichpietsch Anna Köbis Lucie Wachtmeister Pfarrer Gefängnisaufseher                       

Dittmann Scheidemann Moos Luise Zietz                                     Reichtagsabgeordnete

Sachverständiger Simpf Reichstagsdiener                           

Das Stück spielt vor Skagerrak, in Wilhelmshaven, Rüstersiel, Kiel und Berlin in den Jahren 1917, 1918, 1926

Erste Szene

Sommer 1926. Deutscher Reichstag

Untersuchungsausschuß. An einem Tisch Abgeordnete des Reichstags. (Diese Szene kann vor dem Bühnenvorhang gespielt werden.)

Vorsitzender Abgeordneter Moos. Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgendes zu bemerken: Bei unseren Beratungen handelt es sich nicht um die Wiederaufrollung der Gerichtsverfahren, die im Zusammenhang mit den Marinevorgängen 1917 stattgefunden haben. Wir haben nicht die Aufgabe, nachzuprüfen, ob die Urteile juristisch berechtigt waren oder nicht.

Stimme aus der Kulisse. Aber wir!

Vorsitzender. Uns kommt es auf die Feststellung an, ob diese Unruhen aus der deutschen Marine hervorgegangen oder wieweit sie in diese hineingetragen sind. Ich erteile dem Sachverständigen, Herrn Simpf, früher Oberheizer auf "Helgoland", das Wort.

Simpf. Was keine Aufwiegelung zustande gebracht hatte, erreichte dieser unselige Prozeß. Von hier ab war alles Vertrauen dahin. Waren wir denn wirklich nur Kulis und Galeerensträflinge? Dieser Tag ist für die Geschichte der Kriegsgerichte in Deutschland ein schwarzer Tag. Ich habe mir immer gesagt: Wenn es noch Gerechtigkeit auf Erden gibt, muß diesen Leuten, die, soweit ich sie kenne, aus Vaterlandsliebe handelten, ihr Recht werden. Wir genossen die Früchte des Opfers. Das Essen wurde nach dem Prozeß merklich besser. Aber die Offiziere fühlten selbst: der Prozeß hat die Leute erst rebellisch gemacht.

Vorsitzender. Die Zeugen Beckers, Sachse, Weber sind anwesend. Wir beginnen mit der Skagerrakschlacht...

(Dunkel)

Zweite Szene

31. Mai 1916. Schlacht am Skagerrak

Großer Heizraum, durch Panzerwände dreigeteilt. Rechts und links schmale Niedergänge mit steilen Leitertreppen. In jedem Raum Kessel mit großen Feuertüren, Aschfallklappen, Manometer, Wasserstand, Lenzpumpen. An Seitenwänden Sprachrohre mit Pfeifen und Telephonen. Im mittleren Raum: Maschinentelegraph mit Zeiger, der Fahrttempo und Umdrehungszahl anzeigt. Zum Bunkerraum oberhalb des Heizraums führen die Bunkerschütten

Lampen aufleuchten grün, rot, blau

Grün: Durchstoßen! Rot: Aufwerfen! Blau: Aufbrechen! Backbordraum: Sachse, Köbis, Fischer. Mittschiffsraum: Obermaat Purzelmann (auf der Brücke am Sprachrohr des Maschinenraums), Beckers, Weber, Neumann. Steuerbordraum: Roddei, Plage, Martin

Backbordraum

Sachse (summt). "Ingenol, o Ingenol, kauf dir ein Pistol..." Ist da doch wieder Schwindel! In Schlicktau werden die Bengels auf den Straßen singen: "Lieb Vaterland, magst ruhig sein, die Flotte schläft im Hafen ein..."

Köbis. Dicke Luft, Willy, die Herren spielen Kamerad mit uns. Da steckt was hinter.

Fischer. Jungens, es geht los. Ich spür's im großen Zeh. Das ist wie mit Zahnschmerzen: Die spür' ich auch vorher. Verdamm mich, man weiß endlich, wozu man da ist. Haben lange genug gewartet. Zweiundzwanzig Monate blaue Affen gespielt.

Steuerbordraum

Roddei. Das erste Mal war ich auf Urlaub. Und am zweiten Tag kommt das Telegramm: "Sofort einrücken." Ich hin zu Minna, die steht in der Küche, ich sag': "Minna, ich muß fort", sagt sie: "Heinrich, ach nee!", ich sag': "Marsch, Minna, in die Betten", sagt sie: "Wenn die Gnädje kommt", ich sag': "Zukieken ist auch ganz schön..."

Plage. Darum kannst du nicht mehr hinten hoch... Aussehen tust du wie Braunbier mit Spucke!

Martin. Mich können die Weiber am Arsch lecken. Wenn's jeden Tag zu fressen gäbe wie heute, wär' mir lieber. Weißes Brot und Butter   feine Sache!

Mitschiffsraum

Obermaat Purzelmann. Machen Sie vor, Beckers!

Beckers. Purzelmann hat wieder einen hinter die Binde gegossen.

Weber. Einen? Zehn ... Ich denk', zwei Wochen Werftliegezeit und am dritten Tag Essig.

Neumann. Gib mir den Stumpen, Hans.

Beckers. Der faulste Fetzen in der K. M. ist unser Purzelmann.

Telephonist und aus Sprachrohren. Klar Schiff zum Gefecht! Klar Schiff zum Gefecht!

Obermaat. Klar Schiff zum Gefecht!

Telephonist und aus Sprachrohren. Parole: Friedrich der Große!

Köbis. Da hast es, Willy.

Fischer. Mein großer Zeh ... Endlich!

(Glocke.)

Beckers. Kohlen her!

Sachse (zum Rekruten an der Schütte). Kohlen her! Kohlen her!

Obermaat. Ventilatoren!

(Ventilatoren heulen.)

Sprachrohre. Kurs: Ost-Südost!

Weber. Es geht nach England.

Obermaat. Lenzpumpen anstellen!

(Asche wird ausgepumpt)

Sprachrohre. Maschinen 120 Umdrehung.

Obermaat. Maschinen 120 Umdrehung.

Telephonist. Manometerstand?

Obermaat. Manometerstand?

Weber. Fuftein.

Köbis. Dreizehn.

Roddei. Fuftein.

Obermaat. Fünfzehn Atmosphären!

Telephonist und Sprachrohre. Fünfzehn Atmosphären!

Obermaat. Feuer hochbringen! Durchstoßen!

Telephonist und Sprachrohre. Mittelmaschine stopp!

Obermaat. Mittelmaschine stopp! Aufwerfen!

Telephonist und Sprachrohre. Alle Maschinen große Fahrt voraus! Ventilation 270!

Obermaat. Alle Maschinen große Fahrt voraus!

Telephonist. Manometerstand?

Obermaat. Manometerstand?

Rufe. Fuftein! Fuftein! Fuftein!

Obermaat. Fünfzehn Atmosphären!

(Auf leuchten Lampen.)

Rekrut (an der Schütte). Kohle 'runter!

Roddei. Hol mir Wasser!

Martin. Kaffeepott her!

Obermaat. Durchstoßen! ... Aufbrechen! ... Auswerfen! ...

(Kurze Zeit dunkel, dann wieder hell.)

Telephonist und Sprachrohre. Backbordmaschine große Fahrt voraus. Steuerbordmaschine kleine Fahrt! Alle Maschinen stopp!

Obermaat. Backbordmaschine große Fahrt voraus! Steuerbordmaschine kleine Fahrt! Alle Maschinen stopp! ... Durchstoßen!

Telephonist und Sprachrohre. Alle Maschinen große Fahrt zurück!

Obermaat. Alle Maschinen große Fahrt zurück! ... Aufbrechen!

Weber. Junge, Junge, jetzt geht's los!

Sprachrohre. Kurs: Nord-Nordost!

Obermaat. Aufwerfen! Sachse. Weißt du, wo wir sind?

Sprachrohre. Turm Berta klar? ... Berta klar! Turm Cäsar klar? ... Cäsar klar! ... Turm Dora klar? ... Dora klar! ... Berta Cäsar Dora klar.

Telephonist. Parole: Friedrich der Große.

Köbis. Los, deine Feuer sind nicht hoch.

Sachse. Du hast ein Loch im Feuer.

Beckers. Dein Dampf steht nicht.

Weber. Dein Wasserstand.

Obermaat. Macht nur keine Märde! Los! Dalli!

Beckers. Pedd di man nicht aufn Slips.

Alle. Hummel, Hummel, Hummel, Hummel! ... Weiber her, Weiber her! ...

Sprachrohre. Krengung 5 Grad. Entfernung 190 hundert. Schieber links zwozehn. Backbordseite Linienschiff voraus. 20 Knoten. Salve!

(Klingeln.)

Alle (zählen leise). 21 ... 22 ... 23 ...

(Detonation.)

Weber. Der sitzt, du.

Sprachrohre. Krengung 5 Grad. Entfernung 170 hundert. Schieber links ellef. Salve!

(Klingeln.)

Alle (zählen leise). 21 ... 22 ... 23 ... ¦

Sprachrohre. Krengung 4 Grad. Entfernung 150 hundert. Schieber links ellef. Salve!

(Klingeln.)

Alle (zählen leise). 21 ... 22 ... 23 ...

(Detonation.)

Telephonist. Parole: Friedrich der Große ... Maschinen äußerste Kraft voraus!

Roddei. Klei di am Mors.

Köbis. Pütz mit Wasser her!

Martin. Nix zu fressen.

Im Bunker

Friedrichs. Was die heute für Kohle brauchen.

Holters. 4 Körbe ... 5 Körbe ... 26 Körbe ...

(Körbe an Laufkatze rollen.)

Friedrichs. Außenbunker drei leer ... Innenbunker vier angebrochen. Mach Jan ... Ist der umgekippt! ... Jan ausgefallen ... Ruf mal 'raus, Jan ausgefallen!

Merten. Jan ausgefallen!

Obermaat. Ersatzmann!

Sprachrohr. Krengung 4 Grad. Entfernung 120 hundert. Schieber links drei. Salve!

(Klingeln.)

Alle (zählen leise). 21... 22 ... 23 ...

(Detonation.)

Sprachrohr. König schert aus!

Roddei. Heimatschuß. Gratuliere.

Sprachrohr. Krengung 3 Grad. Entfernung 90 hundert. Schieber rechts zwo.

(Klingeln.)

Alle (zählen leise). 21 ... 22 ... 23 ...

(Detonation.)

Köbis. Deine Feuer sind nicht weiß.

Sprachrohr. Feindliches Linienschiff in Brand geschossen.

Rufe. Hurra!

Sprachrohre. Krengung 3 Grad. Entfernung 70 hundert. Schieber rechts acht. Salve!

(Klingeln.)

Alle (zählen leise). 21 ... 22 ... 23 ...

(Detonation.)

Sprachrohre. Feindliche Kreuzer scheren aus!

Weber. Gib ihm Saures!

Rufe. Hurra! Hurra! Hurra!

(Detonation.)

Sprachrohre. Turm Cäsar ausgefallen.

Fischer. Verdamm mich ...

(Mächtige Detonation. Stichflamme im Steuerbordraum, die für Augenblicke den Raum hell erleuchtet. Dann Dunkel. Stöhnen.)

Köbis. Was war das?

Telephonist und Sprachrohre. Volltreffer... Schornstein achtern.

Beckers. Mensch, wir saufen ab!

Weber. Mach keine Witze.

Beckers. Sieh dir den Purzelmann an.

Neumann. Als ob er sich in die Hosen geschissen hätt'.

Weber. Weiß wie Käse.

Beckers. Und zittern tut er wie ein Sülzkotelett.

Obermaat (am Sprachrohr). Steuerbordheizraum klar?

(Keine Antwort.)

Obermaat. Steuerbordheizraum klar?

(Keine Antwort.)

Obermaat (zum Telephonisten). Steuerbordheizraum eins ausgefallen.

Sprachrohr. Steuerbordheizraum eins klar?

Telephonist. Steuerbordheizraum eins ausgefallen. Drei Mann ausgefallen.

Sprachrohr. Krengung 3 Grad. Entfernung 90 hundert. Schieber rechts zwozehn. Salve!

Alle (zählen leise). 21 ... 22 ... 23 ...

(Detonation.)

Köbis. Schweinerei!... Wo bleiben die Salbenhengste?

Obermaat. Steuerbordheizraum eins braucht Sanitäter.

Sprachrohr. Seydlitz Fühlung mit dem Feind verloren... Krengung 4 Grad. Entfernung 115 hundert. Schieber rechts vierzehn. Salve!

(Klingeln.)

Alle (zählen leise). 21... 22 ... 23...

(Detonation.)

Telephonist. Sanitäter unterwegs. Ablösung unterwegs.

(Klopfen. Riegel werden aufgeschoben. Sanitäter mit Bahren, Ersatzleute, Ingenieur, Erster Offizier Kapitänleutnant Kohler)

Erster Offizier. Tag, Kameraden. (Keiner antwortet.) Brave Leute...

(Tür zum Steuerbordraum wird aufgemacht. Laternen leuchten hinein.   Zwei Heizer verbrannt. Einer stöhnt.)

Roddei. Och ... och ... Wasser, Wasser ...

Erster Offizier. Hier Kamerad, Wasser.

Roddei. Mehr Wasser... Oh ... Laß mein Bein los ... (Schreit.) Laß mein Bein los, verdammter Bengel.

Erster Offizier. Fassen Sie den Mann doch vorsichtiger an, Sanitäter ... Warten Sie, ich helfe ...

Sanitäter. Beide Beine sind futsch.

Roddei. Ich sag': Minna, ich muß fort... sagt sie: Heinrich, ach nee ... sag' ich: Marsch, Minna, in die Betten ... sagt sie ... Ich will nicht sterben!... Ich will nicht sterben!... Weiber will ich!...

(Sanitäter tragen Roddei fort.)

Erster Offizier. Kameraden, der Herr Kapitän dankt euch für tapferes Verhalten. Ruhmreich weht die deutsche Flagge auf den Meeren. Der Sieg ist unser. Ihr habt Seiner Majestät dem Kaiser Ehre gemacht... Ihr bekommt heute Extrazulage ... Tag, Kameraden.

Alle. Tag, Herr Kapitänleutnant.

Beckers. Ein feiner Kerl, der Kohler.

(Erster Offizier und Ingenieur gehen.)

Sprachrohre. Kurs: Nord-Nordwest.

Köbis (zu Reichpietsch, der stehengeblieben ist). Max, wo kommst du her?

Reichpietsch. Läufer Panzerdeck. Mal kleinen Besuch machen.

Obermaat. Heizraum eins klar.

Telephonist. Heizraum eins klar.

Köbis. Was gibt's denn oben?

Reichpietsch. Der Alte ist durchgedreht. Scheer sieht man überhaupt nicht. Sitzt im Panzerturm. Allerhand Verluste. Schlechte Sicht.

(Detonation.)

Reichpietsch. Ich verhol' mich, muß nach oben.

Telephonist und Sprachrohre. Parole: Friedrich der Große ... Manometerstand?

Obermaat. 13 Atmosphären.

Telephonist und Sprachrohre. 13 Atmosphären.

Obermaat. Aufbrechen! Aufwerfen!

Telephonist und Sprachrohre. Alle Maschinen stopp! Äußerste Kraft zurück!     Maschinen stopp! Alle Kraft voraus! Schiffe Marschlinie!

Sachse. Jetzt geht's heime!

Sprachrohre. Kurs: Ost-Südost.

Köbis. Und wer hat gewonnen?

Weber. Na, wer denn sonst?

Sprachrohr. Feindliche Flotte geschlagen auf dem Rückweg. Fühlung mit dem Feind verloren. Kurs Heimat.

Alle. Hurra!

Weber. Hast du einen Swarten, Hans?

Beckers. Bloß noch einen, aber der steckt achter de Kusen.

Obermaat. Marsch vorwärts! Feuer hochbringen.

Rufe. Klei di am Mors!

Beckers. Achtung! Stimmung bei den Chargen schlägt um.

Obermaat. Noch sind wir nicht im Puff in Schlicktau.

Beckers. Jetzt kann Purzelmann wieder das Maul aufreißen.

(Dunkel.)

Dritte Szene

Juni 1917. Deutscher Reichstag

Couloir vor Saal 12. Hin und Her von Abgeordneten mit Ledermappen

Stimmen.

"Und da habe ich dem Minister gesagt: ›Exzellenz, wenn Sie auf mich hören würden ...‹"

"Steht ja nicht im Etat, lieber Freund, der Posten ist getarnt unter ..."

"Besprechen wir die Sache im Restaurant. Wenn Sie unsern Antrag unterstützen, würden wir uns dafür einsetzen, daß Ihr Abänderungsantrag zum § 7 ..."

"Gehen Sie mir mit Liebknecht! Der Mann war ein Psychopath sein Leben lang. Wer das nicht schon vor fünf Jahren wußte ..."

"Ich habe einen Vetter in Sofia. Der hat Verwandte in London. Und die haben ihm das über Berner Bekannte geschrieben ..."

"Ich bin genau im Bilde. Aber Bethmann hat ja taube Ohren. Ich habe es Ihnen vorausgesagt ..."

"Könnten Sie mir nicht wieder mal zwei Mandel Eier schicken, Herr Kollege? Meine Frau war ganz entzückt. Der Schinken ist direkt eine Delikatesse ..."

(Reichstagsdiener führt Reichpietsch und Sachse herein.)

Reichstagsdiener. Nein, mitkommen können Sie nicht. Sie müssen hier warten. Die Herren sind bei einer wichtigen Beratung.

(Reichstagsdiener geht in den Saal.)

Sachse. Skagerrakschlacht im Reichstag ... Junge, Junge ...

Reichpietsch. Du, da geht ein General, mach Männchen!

Sachse. Die sehen hier alle nicht aus, als ob sie jeden Tag Steckrüben, Kriegsbrot und Marmelade fressen müßten.

Reichpietsch. Ich möcht' mal wissen, was die Löhnung bekommen pro Tag.

Sachse. Sicher nicht dreiundfufzig deutsche Reichspfennig. Die bekommen Diäten.

Reichpietsch. Sieh mal, der hat das E. K. am weißen Band.

Sachse. Für tapferes Flossenhochheben: Bewilligt, bewilligt, bewilligt!

(Reichstagsdiener kommt mit Abgeordneten Scheidemann.)

Reichstagsdiener. Hier sind die Leute, Herr Abgeordneter.

Scheidemann. Was wünschen Sie?

Reichpietsch. Wir wollen mal mit Ihnen über Verschiedenes sprechen.

Scheidemann. Meine Zeit ist knapp. Wie heißen Sie?

Reichpietsch. Max Reichpietsch.

Sachse. Willy Sachse ... So kann es nicht weitergehen, in der Flotte, Genosse.

Scheidemann. Sie sind in der Sozialdemokratischen Partei?

Sachse. Bis 1914 gewesen.

Scheidemann. Worüber haben Sie sich zu beklagen?

Reichpietsch. Da ist vieles, worüber man reden muß. Beispielsweise die Verpflegung.

Scheidemann. Wollen Sie Ihre Klagen nicht lieber schriftlich formulieren?

Reichpietsch. Ich meine, das ist sehr wichtig. Der Drill ist schlimmer als im Frieden. Die Herren Vorgesetzten ...

Sachse. Nee, Genosse, so geht's nicht weiter, Ihr müßt ein dickes Wort im Reichstag reden. Ihr werdet belogen von oben bis unten. Da heißt es immer: unserer Flotte kann keiner nichts. Wie war es denn mit der "Ariadne" und der "Mainz"? ... Abgesoffen sind sie, weil ihre Geschütze nicht so weit schossen wie die Engländer. Und die "Lützow"? ... Nach der Schlacht bei Skagerrak wurde sie mitgeschleppt, weil sie Volltreffer hatte, dann kam vom Zeppelin die Meldung, englische Zerstörer seien hinterher. Da haben sie die Unsern selber torpediert, obwohl einundzwanzig Kulis im Kasten eingeschlossen saßen. Die einundzwanzig sind elend abgesoffen. Von unsern eignen Leuten in den sogenannten Heldentod expediert. Da soll man Vertrauen haben zur Führung!

Scheidemann. Haben Sie eine Seeschlacht mitgemacht?

Reichpietsch. Natürlich. Die Schlacht an der Doggerbank und die Skagerrakschlacht vor einem Jahr ... Wenn's nicht anders wird, helfen wir uns selbst.

Sachse. Dann schneiden wir die Kuttertaljen durch und werfen die Geschützverschlüsse über Bord.

Scheidemann. Sind Sie wahnsinnig?! Schlagen Sie sich solche landesverräterischen Gedanken aus dem Kopf. Wollen Sie den Zaren unterstützen? ... Gewiß, ich begreife Ihre Empörung. Nur kann der einfache Mann nicht immer die taktischen Gründe verstehen ... Ich will Ihre Klagen gründlich prüfen. Wenn ein Korn Wahrheit dran ist, seien Sie versichert, daß ich bei der Etatberatung den Staatssekretär auf den Ernst der Lage hinweisen werde.

Reichpietsch. Liebknecht hatte ganz recht, als er ...

Scheidemann. Liebknecht ist ja nicht ernst zu nehmen. Also: guten Tag und machen Sie keine Dummheiten. Es wird alles geprüft werden ... Gleich, Herr Kollege ... (Geht zu den anderen).

(Hin und Her von Abgeordneten.)

Stimmen.

"Und da habe ich dem Minister gesagt: ›Exzellenz, wenn Sie auf mich hören würden ...‹"

"Steht ja nicht im Etat, lieber Freund, der Posten ist getarnt unter ..."

"Besprechen wir die Sache im Restaurant. Wenn Sie unseren Antrag unterstützen, würden wir uns dafür einsetzen, daß Ihr Abänderungsantrag § 7 ..."

"Gehen Sie mir mit Liebknecht! Der Mann war ein Psychopath sein Leben lang. Wer das nicht schon vor fünf Jahren wußte ..."

Reichpietsch. Jetzt gehen wir zur Opposition. Die helfen uns sicher.

Sachse. Da geht einer, den kenne ich aus der "Illustrierten". (Ihm nach.) Genosse! ...

(Abgeordneter Dittmann dreht sich um. Reichpietsch und Sachse unterhalten sich mit ihm.)

Stimmen.

"Ich habe einen Vetter in Sofia. Der hat Verwandte in London. Und die haben ihm das über Berner Bekannte geschrieben...

"Ich bin genau im Bilde. Aber Bethmann hatte ja taube Ohren ... Ich habe es ihm vorausgesagt ..."

"Können Sie mir nicht mal wieder zwei Mandel Eier schicken, Herr Kollege? Meine Frau war ganz entzückt. Der Schinken ist direkt eine Delikatesse ..."

Dittmann (liest einen Zettel, den ihm Reichpietsch gegeben hat). "Divisionsbefehl: Allen Mannschaften ist das Lesen sozialistischer Zeitungen und Schriften verboten. Gezeichnet Bachmann." ... Dieser Befehl ist ungesetzlich. Ich werde dem Herrn Staatssekretär gehörig aufs Dach steigen. Wurden viele sozialistische Zeitungen an Bord gelesen?

Sachse. Einige sind auf den "Vorwärts" abonniert, die meisten lesen die "Leipziger Volkszeitung".

Reichpietsch. Die schlägt am besten an. Die hat Courage. Die spricht aus, was wir fühlen.

Dittmann. Bist du bei der USP, Genosse?

Reichpietsch. Ich möchte schon lange eintreten, andere auch.

Dittmann. Darüber müßt ihr mit der Genossin Zietz sprechen, sie wird gleich kommen.

Sachse. Was sollen wir tun?

Dittmann. Was ihr tun sollt? Ihr müßt sehr vorsichtig sein.

Reichpietsch. Wenn nur der ganze Schwindel ein Ende nähme!

Dittmann. Wir wollen uns mit den ausländischen Genossen in Stockholm treffen. Wenn die Regierungen kein Friedensprogramm finden können, werden wir es tun. Habt Vertrauen, Genossen. Einerseits müßt ihr aktiv sein, andrerseits müßt ihr daran denken, daß ihr vors Kriegsgericht kommen könnt ... Da ist die Genossin Zietz ... Genossin Zietz, hier stelle ich dir zwei Matrosen vor, die mit der USP sympathisieren. Denk dir, auf den Kriegsschiffen gibt es viele Abonnenten der "Leipziger Volkszeitung".

Luise Zietz. Ihr seid ja Prachtkerls. Da müssen sich die Arbeiter in Wilhelmshaven vor euch schämen. Dort haben wir kaum ein Dutzend.

Reichpietsch. Wir möchten gern ein paar Broschüren mitnehmen an Bord.

Luise Zietz. Bekommt ihr. Bekommt ihr.

(Sachse und Reichpietsch gehen.)

Reichpietsch (im Gehen). Die sind anders gebaut. Die werden uns helfen. Hast es gehört, gleich hat er uns mit "Du" und "Genosse" angeredet.

(Hin und Her von Abgeordneten.)

Stimmen.

"Und da habe ich dem Minister gesagt: ›Exzellenz, wenn Sie auf mich hören würden ...‹"

"Steht ja nicht im Etat, lieber Freund, der Posten ist getarnt unter ..."

"Besprechen wir die Sache im Restaurant. Wenn Sie unseren Antrag unterstützen, würden wir uns dafür einsetzen, daß ihr Abänderungsantrag zum § 7 ..."

"Gehen Sie mir mit Liebknecht. Der Mann war ein Psychopath sein Leben lang. Wer das nicht schon vor fünf Jahren wußte ..."

"Ich habe einen Vetter in Sofia. Der hat Verwandte in London. Und die haben ihm das über Berner Bekannte geschrieben ..."

"Ich bin genau im Bilde. Aber Bethmann hatte ja taube Ohren ... Ich habe es ihm vorausgesagt ..."

"Können Sie mir nicht mal wieder zwei Mandel Eier schicken, Herr Kollege? Meine Frau war ganz entzückt. Der Schinken ist direkt eine Delikatesse ..."

(Dunkel.)

Vierte Szene

Juli 1917. In Wilhelmshaven

Deckraum in der Kasematte. An die Decke hochgehängt Backen (Tische) und Bänke. Seitlich oben in der konvexgewölbten Decke eine Luke, etwa zwei Quadratmeter groß, zu der eine steile Treppe hinaufführt. Man sieht durch die Luke den Himmel und einen Teil des Masts. An der Hinterwand ein ovales Schott, das mit Verreibern verriegelt wird. Aus dem Heizraum rennt Köbis, geschwärzt und verschmutzt

Gesang. "Ja dieser Feldzug, der ist kein Schnellzug, wisch dir die Tränen ab mit Sandpapier." "Marmelade, Marmelade, ist der schönste Fraß im Staate."

Beckers. Alwin, hau hin, gleich ist Musterung!

Köbis. Ach was, Schiet! Ich hab' Zeit.

Obermaat (kommt und pfeift). Antreten zur Musterung!

(Heizer treten an.)

Gemurmel. Hummel, Hummel, Hummel ...

Obermaat (zu Köbis, der als letzter kommt). Auf diese Weise werden Sie Ihr Mützenband auch nicht wiederbekommen ... Stillgestanden! Richt euch! Augen gerade aus! Abzählen! ...

Heizer. Eins ... zwei... drei... vier ... fünf ... sechs ... sieben ... acht... neun ... zehn ... elf... zwölf...

Obermaat. Rührt euch!

Sachse. Purzelmann spitzt auf E.K. Erster...

(Leutnant zur See, Hoffmann, tritt ein.)

Obermaat. Stillgestanden! Zwote Wache, zwote Backschaft zur Reinlichkeitsmusterung angetreten!

Hoffmann. Danke.

Obermaat. Rührt euch!

Hoffmann. Erstes Glied, einen Schritt vortreten! (Zwischen den Gliedern.) Bück dich ... Zeig deine Zehen ... Höher das Bein... Du Schwein, hast du dich gewaschen?

Beckers. Ja.

Hoffmann. Nee. Noch mal waschen! Dritte Garnitur blau antreten. (Zu einem andern.) Zeig deine Pfoten ... (Zu Köbis.) Heb den Arm! ... Mensch, da kann man ja Rüben 'reinsäen. Hast du dich gewaschen? ...

Köbis. Nee. Ich hab' keine K.A.-Seife mehr. Neue bekomm' ich nicht.

Hoffmann. Dann wasch dich mit Sand. (Gemurmel.) Wer spricht da?

Köbis. Die Rationen sind verkürzt worden. Früher konnte man Seife verbrauchen, soviel man wollte und ...

Hoffmann. Na und? ...

Köbis. Man braucht ja keine Seife zum Spaß. Wenn man sich nicht mal seinen Dreck vom Leibe waschen darf als Stoker ... Man ist ja kein Schwein.

Hoffmann. Ihr müßt eben auskommen. Seife ist lebenswichtig für unser Vaterland. Deutschland ist von einer Welt von Feinden umgeben. Wer in so schwerer Zeit Seife veraast, der zeigt damit, daß er sein Vaterland nicht liebt.

(Reichpietsch kommt gelaufen, erschrickt, will zurück.)

Hoffmann. Was willst du?

Reichpietsch. Wollte mal einen Kameraden besuchen.

Hoffmann. Ich werde dir was besuchen. Marsch übern Topp!

(Reichpietsch klettert den Mast hoch.)

Hoffmann. Schlampige Kerls, Obermaat. Ich will euch mal lüften. Militärischer Dienst.

Obermaat. Zu Befehl! ... Rührt euch! Stillgestanden! Rührt euch! ... Stillgestanden! ... Kniee beugt! ... Tiefer! ... Bauch einziehen! ... Wackeln Sie nicht! ... Auf ... Stillgestanden ... Hinlegen ... Auf ... Hinlegen ... Auf ... Hinlegen ... Auf ...

Reichpietsch (schmutzig, mit durchgerissenen Händen). Matrose Reichpietsch übern Topp geentert.

Hoffmann. Wegtreten. Leute sollen antreten. (Treten an.) Gestern haben verschiedene Leute um mehr Brot gebeten. Das gibt es nicht. Dann müssen sie eben hungern. Sollte einer von ihnen dabei zugrunde gehen, bin ich gern bereit, ihn mit allen Kriegsehren beerdigen zu lassen. (Obermaat lacht.) Lachen Sie nicht, Obermaat, das ist mein Ernst. Eure Angehörigen haben noch weniger zu essen. Eure Kameraden in Flandern wären froh, wenn sie solch Essen bekämen wie ihr ... Tja, da wurde mir gemeldet, ihr hättet alle gestern das Mittagessen stehenlassen. Das sieht verdammt nach Meuterei aus. (Gemurmel.) Will jemand was dazu bemerken?

Köbis. Im Stockfisch waren Würmer drin. Das ganze Schiff hat gestunken.

Hoffmann. Natürlich, Herr Köbis. Sie möchten wohl Enten und Gänse essen? ... Red nicht solchen Quatsch! Ich habe das Essen selbst gekostet, und der Herr Stabsarzt hat gesagt, das Essen sei tadellos gewesen. Die Kartoffeln waren süß, weil sie ein bißchen angefroren waren. Ich habe öfter ein Auge zugedrückt, aber die Wirtschaft an Bord muß aufhören bei den Stokers. Besonders die alten Leute warne ich. Deren Winkel sitzen verdammt lose. Unser Kommandant macht sich gar nichts daraus, einen alten Herrn mit sechsjähriger Dienstzeit als gemeinen Mann heimzuschicken. Ihr seid außer Rand und Band, weil ihr nichts zu tun habt. Kerls, wir wollen uns nichts weismachen: Ihr wart gestern alle besoffen, und ich muß euch den Alkohol austreiben ... Obermaat, lesen Sie die Kriegsartikel vor.

Obermaat. Artikel 1. Eingedenk seines hohen Berufs, Thron und Vaterland zu schützen, muß der Soldat eifrig bemüht sein, seine Pflichten zu erfüllen.

Artikel 2. Die unverbrüchliche Wahrung der im Fahneneid gelobten Treue ist die erste Pflicht des Soldaten.

Artikel 3. Jeder rechtschaffene, unverzagte und ehrliebende Soldat darf der Anerkennung und des Wohlwollens seiner Vorgesetzten versichert sein.

Artikel 4. Dem Soldaten steht nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen der Weg selbst zu den höchsten Stellen offen.

Artikel 5. Dagegen trifft denjenigen Soldaten, der seine Pflicht verletzt, die verdiente Strafe. Geringere Vergehen werden disziplinarisch bestraft, bei schweren tritt gerichtliche Bestrafung ein. Die Strafen, auf welche gerichtlich erkannt werden kann, sind Arrest, Festungshaft, Gefängnis, Zuchthaus und in den schwersten Fällen Todesstrafe. Ist der Kriegszustand erklärt, so werden die Strafen verschärft ...

Hoffmann. Genug ... Meldungen und Gesuche.

Obermaat. Heizer Beckers zwei Tage Urlaub überschritten.

Hoffmann. Urlaub überschritten ... Im Kriege. Das ist Kriegsverrat! Was haben Sie zu Ihrer Entschuldigung anzuführen?

Beckers. Ich bekam ein Telegramm, mein Vater ist gestorben, und wie ich zu Hause bin, höre ich, mein Vater ist im Hafen ertrunken, seine Leiche fischten sie erst am zweiten Tage heraus. Drei Tage Urlaub hatte ich nur, und da dachte ich mir, bis zur Beerdigung ...

Hoffmann. Sie haben nicht zu denken. Und wenn Vater und Mutter sterben. Vierzehn Tage strengen Arrest ... Weiter.

Weber. Ich möchte Herrn Leutnant um ein Paar neue Hosen bitten.

Hoffmann. Neue Hosen? ... Du spinnst wohl! Laß dir die alten flicken.

Heizrekrut Holters. Ich möchte Herrn Leutnant um Landurlaub bitten.

Hoffmann. Landurlaub? ... Der Hafer sticht dich, ja? Aber hol dir keinen Tripper. Bewilligt.

Obermaat. Nachtzeichen bis zehn Uhr.

(Draußen Pfiff.)

Maat (an der Tür vorbeigehend). Backen und Banken. Backen und Banken.

Hoffmann. Lassen Sie wegtreten.

Obermaat. Stillgestanden! (Offizier geht.) Wegtreten!

(Tische und Bänke werden heruntergeklappt. Einer mit Schüsseln zur Kombüse. Ein anderer teilt Messer und Gabeln aus.)

Beckers. Schnösel! ... Der ganze Kerl ist keine zwanzig Jahre alt.

Sachse. Ich möchte den mal sehen, wenn der Engländer Zunder gibt.