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Wie tief ist deine Liebe? Der 14. Band der romantischen Spiegel-Bestseller-Reihe »Lost in Love – die Green Mountain-Serie« von Marie Force Isabella Coleman war nicht auf der Suche nach der Liebe - mit Cabot Lodge hat sie sie trotzdem gefunden. Doch Cabot hält Isabella auf Distanz. Zu groß ist der Schmerz und das Gefühl des Verrats, das er aus seiner ersten Ehe davongetragen hat. Dann gerät Isabella in einen schweren Unfall und Cabot will unbedingt bei ihr sein. Für sie da sein. Kann Isabella seinen Beteuerungen glauben? Fällt Cabot am Ende in seine alten Muster zurück oder könnte es wirklich der Start von etwas Besonderem sein? Ein berührendes Abenteuer für dein Herz: In der Kleinstadt Butler in Vermont findet jeder seine große Liebe. Die ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹: Band 1: Alles, was du suchst Band 2: Kein Tag ohne dich Band 3: Mein Herz gehört dir Band 4: Schenk mir deine Träume Band 5: Sehnsucht nach dir Band 6: Öffne mir dein Herz Band 7: Jede Minute mit dir Band 8: Ein Traum für uns Band 9: Meine Hand in deiner Band 10: Mein Glück mit dir Band 11: Nur Augen für dich Band 12: Jeder Schritt zu dir Band 13: Ganz nah bei dir Band 14: Meine Liebe für dich
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Seitenzahl: 436
Marie Force
Lost in Love
Die Green-Mountain-Serie 14
Isabella Coleman war nicht auf der Suche nach einem Partner, als sie sich auf der Hochzeit ihres Cousins in den gutaussehenden Cabot Lodge verliebt hat. Die beiden haben so viel Spaß zusammen und Izzy ist sich sicher: Cabot wird sich bei ihr melden. Tut er aber nicht. Nach einem weiteren Treffen ist es wieder so. Dann hat Izzy einen Unfall und Cabot weicht nicht von ihrer Seite. Kann Cabot seine Dämonen, die ihn immer wieder auf Distanz gehen lassen, besiegen? Ist das ihre Chance auf ein glückliches Leben und die große Liebe?
Die ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹:
Band 1: Alles, was du suchst
Band 2: Kein Tag ohne dich
Band 3: Mein Herz gehört dir
Band 4: Schenk mir deine Träume
Band 5: Sehnsucht nach dir
Band 6: Öffne mir dein Herz
Band 7: Jede Minute mit dir
Band 8: Ein Traum für uns
Band 9: Meine Hand in deiner
Band 10: Mein Glück mit dir
Band 11: Nur Augen für dich
Band 12: Jeder Schritt zu dir
Band 13: Ganz nah bei dir
Band 14: Meine Liebe für dich
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Als Marie Force Urlaub in Vermont, USA, machte, spürte sie sofort, dass diese wunderschöne, unberührte Landschaft die perfekte Kulisse für unwiderstehlichen Lesestoff bietet. Auf der Suche nach Souvenirs entdeckte sie in einer idyllischen Kleinstadt den Green Mountain Country Store und lernte dessen Besitzer kennen: eine moderne und sympathische Familie, die mit großer Freude heimische Produkte verkauft. Und schon sah Marie Force das Setting für die Romane vor sich. Fehlt nur noch die Liebe … aber die findet sich in Butler, dem fiktiven Städtchen in dieser Serie, zum Glück an jeder Ecke.
Marie Force lebt mit ihrer Familie in Rhode Island, USA, sie ist New-York-Times- sowie SPIEGEL-Bestsellerautorin, und allein in den USA verkauften sich ihre Bücher über 4 Millionen Mal.
Lena Kraus schreibt auf Englisch und übersetzt aus dem Englischen und Norwegischen ins Deutsche. Sitzt sie nicht am Schreibtisch, ist sie oft in ihrem Kajak auf der Nordsee vor der Küste Schottlands zu finden. Sie lebt in Deutschland und Schottland.
»Verbitterung ist wie ein Krebs – sie frisst ihren Wirt auf.Aber Wut ist wie Feuer. Sie reinigt und erneuert.«
Maya Angelou
Was zum Teufel machte Cabot Lodge in ihrer Küche? Selbst zwei Tage, nachdem Izzy Coleman aus dem Krankenhaus entlassen worden war und Cabot sie nach Hause begleitet hatte, um sich dort um sie zu kümmern, hatte sie noch keine befriedigende Antwort auf diese Frage gefunden. War das hier derselbe Mann, der nach ihrem letzten Treffen einfach verschwunden war?
Bis er von ihrem schweren Autounfall gehört hatte.
Vor fast zwei Wochen, am Tag nach dem Unfall, war er in ihr Krankenzimmer gekommen und seitdem nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Er hatte darauf bestanden, dass er derjenige war, der sich zu Hause um sie kümmern würde, und zwar rund um die Uhr. Dadurch blieb es ihr erspart, in eine Rehaklinik zu gehen.
Doch warum tat er das? Es war doch klar, dass er kein Interesse an ihr hatte. Und als erfolgreicher Unternehmer hatte er definitiv mehr als genug zu tun. Trotzdem war er jetzt hier, spülte das Geschirr und wischte die Arbeitsfläche ab, als sei es das Normalste der Welt.
Warum, warum, warum?
Die Frage brannte ihr förmlich auf der Zunge, aber sie konnte sich einfach nicht dazu durchringen, sie auszusprechen. Dabei war das absolut untypisch für sie!
»Deine Mom hat Henry Brownies mitgegeben«, sagte er. »Willst du einen?«
»Einen kleinen. Womöglich passe ich bald nicht mehr durch die Tür bei dem vielen Essen, das meine Familie ständig vorbeibringt.«
»Ich glaube nicht, dass du dir darum Sorgen machen musst. Wenn du Lust auf Brownies hast, solltest du welche essen.« Cabots Lächeln brachte seine braunen Augen zum Funkeln.
Sein Haar war früh silbern geworden, aber für sie wirkte er dadurch nur noch attraktiver. Seit sie ihn bei Wade und Mias Hochzeit zum ersten Mal gesehen hatte, war sie fasziniert von ihm. Es hatte sie – und alle anderen Gäste – damals tief berührt, dass er seine lange vermisste Tochter nach fünfundzwanzig Jahren wiedergefunden hatte.
An diesem Tag hatten seine Gefühle ihn völlig überwältigt, und dafür liebte Izzy ihn umso mehr. Sie hatten einen wunderschönen Tag damit verbracht, zu tanzen und die Hochzeit von zwei Menschen zu feiern, die wirklich das Beste im Leben verdient hatten.
Und dann … nichts.
Wenn sie ehrlich sein sollte – und was ergab es schon für einen Sinn, sich selbst anzulügen –, dann war Izzy wirklich überrascht, dass sie nach der Hochzeit nichts von Cabot gehört hatte. Sie war es nicht gewohnt, dass Männer Interesse an ihr zeigten und dann einfach verschwanden, und Cabot schien auch wirklich nicht der Typ zu sein, der anderen etwas vorspielte.
Immerhin hatten sie den ganzen Tag miteinander verbracht. Sie hatten getanzt und gelacht und sich unterhalten, und da war wirklich eine Verbindung zwischen ihnen gewesen. Mit fünfunddreißig wusste Izzy mittlerweile, dass es eine so tiefe Verbindung zu einem anderen Menschen nicht allzu oft gab und dass sie meistens zu etwas Besonderem führte.
Doch in diesem Fall hatte es lediglich zu Verwirrung geführt – und diese Verwirrung spürte sie auch jetzt noch, wo er in ihrem Zuhause herumwerkelte, als hätte er schon immer dort gewohnt.
Izzy versuchte, das Gedankenkarussell zu stoppen, und verschob ihren gebrochenen Arm auf dem Kissen, auf dem er lag, damit sie es ein bisschen bequemer hatte. Bei der Bewegung schmerzte die OP-Wunde an ihrem Bauch, und sie verzog das Gesicht. Die Schmerzen waren wirklich furchtbar.
Cabot brachte ihr einen Teller mit Brownies und eine dampfende Tasse von dem Zitronentee, den sie so mochte. Er setzte sich zu ihr aufs Sofa, bewegte sich aber sehr vorsichtig, damit er ihr nicht weh tat.
»Danke.«
»Gerne.«
»War es schön mit Henry?«
»Ja.«
»Ihr seid wirklich so süß zusammen.«
»Er ist mein kleiner Bruder, und er hat sich verliebt, in eine Frau namens Sierra. Doch sie will offenbar nicht, dass er in sie verliebt ist. Jedenfalls noch nicht.«
»Aha, definitiv ein Dilemma. Was hat er vor?«
»Er fährt zurück nach Boston, um das herauszufinden. Ich habe noch nie gesehen, dass er so an einem Mädchen hängt. Oder: an einer Frau, sollte ich wohl besser sagen. Manchmal fällt es mir immer noch schwer zu begreifen, dass er erwachsen ist.«
»Es ist so süß, wie sie alle zu dir kommen, wenn sie einen Rat brauchen.«
»Das war schon immer so.« Sarah, die jüngste der acht Colemans, war zu ihr ins Krankenhaus gekommen, bevor sie wieder zur Northeastern University fuhr. Sie machte dort eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und war schon im vierten Jahr, war sich jetzt aber nicht mehr sicher, ob sie nach wie vor Krankenpflegerin werden wollte. Während der kommenden Wochen wollte Izzy die Situation im Auge behalten.
»Meine Mom hatte sehr viel damit zu tun, sich um uns alle zu kümmern, als mein Dad weg war. Damals war ich die Bezugsperson der Jüngeren, und das bin ich auch jetzt noch, obwohl sie mittlerweile alle erwachsen sind.«
Ally arbeitete viel zu viel und hatte abseits davon kaum ein Leben. Vanessa wusste nicht, was sie mit sich anfangen sollte, jetzt, wo sie ihren Job gekündigt hatte. Jackson tobte sich weiterhin aus, während er als Bartender arbeitete, und hatte es offensichtlich nicht besonders eilig mit dem Erwachsenwerden. Und Henry hatte keine Ahnung, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Trotz der dreistündigen Autofahrt, die sie von ihren Geschwistern in Boston trennte, standen sie und Izzy sich sehr nahe. Izzy hatte es nicht im Geringsten überrascht, dass sie nach ihrem Unfall alle sofort gekommen waren.
»Sie haben wirklich Glück, dich zu haben.«
»Und sie bedeuten mir wirklich viel.« Izzy schaute ihn über ihre Teetasse hinweg an. »Was machst du eigentlich hier?« Die Frage war aus ihrem Mund heraus, bevor sie Zeit hatte, richtig darüber nachzudenken.
Er zog die Augenbrauen hoch. »Ähm, ich glaube, ich sorge dafür, dass du nicht in eine Rehaklinik musst.«
»Ich habe eine Mutter, sieben Geschwister, zehn Cousins und Cousinen, eine Tante und einen Onkel und einen Großvater … Und sie wären alle hergekommen, um sich um mich zu kümmern.«
»Oh, na ja, wenn dir das lieber ist, verstehe ich das natürlich. Ich kann sofort gehen …«
»Cabot! Ich mag es, wenn du hier bist, aber ich verstehe einfach nicht, warum du das alles tust, nachdem du mich nach der Hochzeit oder nach unserem Abendessen in Boston nicht einmal angerufen hast. Ich habe wirklich gedacht, du würdest dich melden, und als du das nicht getan hast … war ich sehr enttäuscht.«
Eigentlich hatte sie schon vor Tagen mit ihm darüber sprechen wollen, aber ständig war irgendjemand aus ihrer Familie da gewesen.
»Das tut mir leid. Ich wollte dich anrufen. Beide Male.« Er lachte kurz auf. »Du hast ja keine Ahnung, wie gerne ich dich angerufen hätte.«
»Und warum hast du es nicht getan?«
Er schaute in seine Tasse mit dem schwarzen Kaffee, den er den ganzen Tag trank. Das war etwas, das sie über ihn herausgefunden hatte, seit sie aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen waren. »Na ja, es ist eben so … Ich bin nicht der Typ für Beziehungen, und du … du hast es verdient, mit jemandem zusammen zu sein, der dir all das geben kann, was du verdient hast. Ich kann das nicht.«
Wenn es überhaupt möglich war, war Izzy jetzt noch verwirrter als vorher. Vor ihrem Unfall hätte sie diese Aussage vielleicht einfach so stehenlassen und gedacht, dass sie eben zu verschieden waren. Die Izzy, die einen schweren Unfall überlebt hatte, ließ nicht so schnell locker. »Aber was soll das heißen?«
Er schwieg so lange, dass sie sich fragte, ob er überhaupt noch etwas sagen würde.
»Ich, äh … Die letzte Beziehung, die ich hatte, war die mit meiner Frau. Mias Mom.«
Mia war mittlerweile siebenundzwanzig Jahre alt. Und ihre Mom hatte Cabot vor fünfundzwanzig Jahren verlassen … »Im Ernst?«
»Ja. Das hat mich wirklich mitgenommen, wie du dir sicher vorstellen kannst.«
»Also seitdem hat es in deinem Leben niemanden mehr gegeben?«
Er schüttelte den Kopf.
»Überhaupt nicht?«
»Ab und zu … du weißt schon. Das ein oder andere Date. One-Night-Stands. Oberflächlich. So, wie ich das wollte.«
»Oh.« Sie hatte keine Ahnung, was sie dazu sagen sollte. Er hatte keine ernsthafte Beziehung gehabt, seit … »Wie alt bist du?« Sie hatte ihm diese Frage noch nie gestellt, aber sie wusste, dass er mindestens ein Jahrzehnt älter war als sie.
»Siebenundvierzig. Mia kam auf die Welt, als ich einundzwanzig war, wahrscheinlich war ich damals viel zu jung, aber ich habe ihre Mutter geliebt, und ich dachte, wir wären glücklich zusammen. Als sie dann gegangen ist und Mia mitgenommen hat … Ich kann gar nicht mit Worten ausdrücken, wie furchtbar das für mich war. Sie hat mir mein Kind weggenommen. Ich war ein junger Vater, aber ich war genauso sehr an ihrer Erziehung beteiligt wie sie. Ich bin jeden Morgen mit ihr aufgestanden, habe ihr die Windeln gewechselt, sie gefüttert und mit ihr gespielt. Ich habe mit ihr lange Spaziergänge im Wald gemacht und Schneemänner für sie gebaut. Ich habe sie von ganzem Herzen geliebt, aber die Ehe hat nicht funktioniert. Meine Frau war sehr unglücklich. Wir haben uns ununterbrochen gestritten, bis sie irgendwann gesagt hat, sie wolle sich scheiden lassen.«
Izzy kannte die Geschichte von Wade und Mia, aber sie von Cabot zu hören, war noch einmal etwas ganz anderes.
»Ich war jung und dumm und bin sofort zu der Kanzlei gegangen, die sich schon seit Jahren um die rechtlichen Angelegenheiten meiner Familie kümmert. Sie haben sie unter Druck gesetzt, und das war falsch. Das sehe ich heute ein, aber damals wollte ich einfach raus aus dieser Ehe und das Sorgerecht für meine Tochter einklagen. Deb konnte sich keinen Rechtsbeistand leisten, also hat sie wohl keinen anderen Ausweg gesehen und ist abgehauen. Ich habe jahrelang nichts mehr von ihr gehört, bis der Anruf kam, dass Mia mich sehen wollte.«
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das für dich gewesen sein muss, als das alles passiert ist.«
»Ich war noch nie in meinem Leben so verzweifelt. Weder davor noch danach. Zuerst dachte ich, sie würden irgendwann zurückkehren. Dass Deb zur Vernunft kommen und das Richtige tun würde. Aber das ist nie passiert. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe ein kleines Vermögen ausgegeben bei dem Versuch, sie zu finden, aber es gab nie auch nur eine einzige Spur.«
»Es tut mir so leid, dass sie dir das angetan hat, Cabot.«
»Danke. Rückblickend sehe ich ein, dass es falsch war, diese Kanzlei zu engagieren. Aber selbst das gab ihr nicht das Recht, sich so zu verhalten.«
»Auf keinen Fall.«
»Willst du wissen, was das Schlimmste daran ist?«
Izzy nickte.
»Um meine Tochter zu sehen, musste ich die Anzeige wegen Entführung gegen ihre Mutter fallen lassen.«
»O Gott, ich weiß nicht, ob ich das gekonnt hätte.«
»Wenn du dein Kind unbedingt zurückhaben willst, tust du alles dafür.« Er räusperte sich und schien mit tiefen Gefühlen zu kämpfen. »Als ich Mia zuletzt gesehen hatte, war sie zwei Jahre alt, und plötzlich war da eine erwachsene Frau. Es war komplett surreal.«
»Es ist wirklich, wirklich unfair.«
»Ja, das auch.« Cabot lächelte schwach. »Was Deb mir angetan hat … Sie hat etwas in mir zerbrochen, Izzy. Deshalb hat es auch nie wieder jemand anderen gegeben. Weil ich kaputt bin. Ich habe Schwierigkeiten damit, Leuten zu vertrauen, die nicht zu meiner engsten Familie gehören. Ich erwarte immer das Schlimmste. Ich würde nie wieder Kinder haben wollen, weil ich Angst hätte, dass so etwas noch mal passiert. Welche vernünftige Frau würde sich auf einen Mann wie mich einlassen?«
»Ich würde das tun.« Wieder einmal hatte sie die Worte gesagt, bevor sie auch nur eine Sekunde darüber nachdenken konnte. Sie legte ihre Hand auf seine. »Ich würde mich auf dich einlassen, ohne zu zögern.«
Er drehte seine Hand um, so dass er ihre festhalten konnte. »Du bist eine wunderschöne, liebevolle, attraktive, kluge, talentierte Frau, Izzy. Auf dich wartet etwas Besseres. Ein kaputtes Wrack von einem Mann ist das Letzte, was du brauchst, und genau aus diesem Grund habe ich dich auch nach den zwei magischen Tagen, die wir miteinander verbracht haben, nicht angerufen.«
Magisch. Genau so hatten sich diese Begegnungen auch für sie angefühlt.
»Du bist aber kein kaputtes Wrack von einem Mann, Cabot.«
»Doch.«
»Nein, bist du nicht. Willst du wissen, was ich sehe, wenn ich dich anschaue?«
Er zuckte die Achseln.
»Ich sehe einen Mann, dem etwas Furchtbares passiert ist und der trotz allem noch so viel Liebe in sich trägt. Am Hochzeitstag deiner Tochter hast du das bewiesen. Du hast fast den ganzen Tag geweint, weil du einfach so verdammt glücklich warst. Ich mag dich wirklich, wirklich gerne, und ich möchte mehr Zeit mit dir verbringen.«
»Aber so wie bei der Hochzeit bin ich normalerweise nicht. Meistens bin ich wütend und verbittert und denke darüber nach, wie ich mich an meiner Ex-Frau rächen kann. Nach außen hin ist da vielleicht Licht und Liebe und Verzeihen, aber innerlich sind meine Gedanken wirklich düster.«
»Aber das macht dich doch nur menschlich. Jeder Mensch würde sich so fühlen, wenn er so etwas erlebt hätte.«
»Ich glaube einfach nur, dass es nicht fair wäre, dich oder irgendjemand anderen in mein Leben zu holen. Ich weiß, wie ich wirklich bin. Ich habe nichts zu geben.«
»Und doch bist du hier und liest mir jeden Wunsch von den Augen ab.«
»Das ist doch keine große Sache.«
»Für mich aber schon. Du hast dein ganzes Leben zum Stillstand gebracht, um dich um mich zu kümmern, und ich muss dich das noch mal fragen: Warum? Warum bist du hier, Cabot, wenn du mir nichts zu geben hast?«
»Ich bin hier, weil ich nirgendwo sonst sein konnte, nachdem ich erfahren habe, was mit dir passiert ist.«
»Was bedeutet das?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Willst du wissen, was ich denke?« Izzy lächelte.
»Was denn?«
»Ich denke, du könntest bereit sein, dich wieder auf jemanden einzulassen, sonst würdest du jetzt nicht auf meiner Couch sitzen, mich ins Bad bringen, mir mit diesem bescheuerten Puzzle helfen oder mich abends ins Bett bringen.«
»Wir sind befreundet. So macht man das doch, wenn man befreundet ist.«
Izzy schüttelte den Kopf. »Ich habe viele Freunde – gute, enge Freunde. Ich habe mehr Geschwister, Cousins und Cousinen, als ich auf einmal in meinem Haus unterbringen kann. Aber du bist der Einzige, der darauf bestanden hat, dich bei mir zu Hause um mich zu kümmern.«
»Ich war noch nicht bereit, dich wieder zu verlassen.«
»Was bedeutet das?«
»Nur das, was ich gesagt habe. Ich habe mich so gefreut, dich zu sehen, nachdem ich gehört habe, dass du so schlimm verletzt bist, dass ich noch nicht wieder abreisen wollte.«
»Du warst geschäftlich in New Jersey, als du es erfahren hast.«
»Ja.«
»Ich nehme an, es ging um etwas Wichtiges.«
»Eine Verhandlung, auf die ich zwei Jahre lang hingearbeitet habe.«
»Und trotzdem hast du alles stehen und liegen lassen, bist ins Auto gestiegen und nach Vermont gefahren, um bei mir zu sein. Stimmt das?«
»Ja.« Er schaute sie nicht an. »Genau so war es.«
»Hast du zwei Sekunden innegehalten und dich gefragt, warum es so dringend für dich war, zu mir ins Krankenhaus zu kommen?«
»Habe ich nicht. Ich musste einfach hin.«
Izzy lächelte zufrieden. »Siehst du, jetzt kommen wir der Sache so langsam näher.«
»Widerstand ist der erste Wegzur Wahrheit.«
Lord Byron
Cabot wusste, was er eigentlich sagen sollte. Dass er gekommen war, weil er etwas für sie empfand. Aber das stimmte nicht. Er entwickelte keine Gefühle für Frauen. So funktionierte sein Herz einfach nicht mehr, nachdem, was seine Frau ihm angetan hatte. Aber es hatte definitiv etwas gegeben, das ihn dazu gebracht hatte, ein wichtiges Meeting in New Jersey zu verlassen, damit er, so schnell es ging, in Vermont sein konnte.
Das bedeutete aber nicht, dass er Gefühle für sie hatte. Es bedeutete, dass er sich um sie sorgte.
Nur dass das nicht erklärte, warum er, seit er sie im Juni kennengelernt hatte, ununterbrochen an sie denken musste oder wie sehr er sich gefreut hatte, als sie ihn im Oktober angerufen hatte, um ihn zum Abendessen einzuladen. Es erklärte nicht, wie panisch er gewesen war, als er gehört hatte, dass sie verletzt war, und wie eilig er es damit gehabt hatte, zu ihr zu kommen.
Es war schon so lange her, dass er für eine Frau etwas anderes als Schmerz und Verbitterung empfunden hatte, dass er fast schon vergessen hatte, dass es möglich war, etwas anderes zu empfinden.
»Ich möchte, dass du verstehst«, sagte er zu Izzy, »dass du mir wichtig bist.«
»Das weiß ich. Wieso solltest du sonst hier sein?«
Er hatte so wenig Erfahrung mit Situationen wie dieser, dass es ihn aus der Bahn warf, wie direkt sie war. »Es ist nur so, dass ich zu mehr nicht fähig bin.«
»Blödsinn.«
»Wie bitte?«
»Erzähl mir doch nicht, dass du zu etwas nicht in der Lage bist, wenn ich längst gesehen habe, dass du das doch bist. Du liebst Mia von ganzem Herzen. Du liebst deine Schwester, deine Brüder, deine Nichten und Neffen. Das habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen.«
»Das ist etwas anderes. Sie gehören zur Familie. Natürlich liebe ich sie.«
»Wenn du die Fähigkeit hast, sie zu lieben, dann kannst du auch andere lieben, wenn du es nur willst.«
»Das stimmt nicht. Meiner Familie vertraue ich. Deswegen kann ich sie auch lieben. Ganz ehrlich, ich vertraue niemandem, mit dem ich nicht verwandt bin.«
»Nicht einmal den Menschen, mit denen du geschäftlich zu tun hast?«
»Vor allem ihnen nicht. Ich bereite mich immer darauf vor, dass sie mich irgendwie hintergehen. Ich erwarte das Schlimmste, damit ich nicht enttäuscht werde.«
»So kann man doch nicht leben.«
»Sage ich doch, und deswegen würde ich meine Lebensweise auch nie jemand anderem aufdrängen wollen. Vor allem nicht so einem wundervollen Menschen wie dir.«
Izzy schien darüber nachzudenken, denn sie schwieg einen langen Moment.
»Es ist in keiner Beziehung einfach, Vertrauen aufzubauen. Es braucht Zeit und Aufmerksamkeit von allen Beteiligten. Ich weiß, wie es ist, wenn dieses Vertrauen missbraucht wird. Ich weiß, wie schmerzhaft es sein kann, hintergangen zu werden, auch wenn es lange nicht so schlimm war wie bei dir.«
»Es tut mir leid, dass du das durchmachen musstest.«
»Es war wirklich schlimm. Aber als der erste Schock verflogen war, war es mir sehr wichtig, nicht zuzulassen, dass all das Auswirkungen auf mein zukünftiges Leben hat. Wenn ich das zugelassen hätte, hätte er gewonnen, verstehst du?«
»Allerdings, und Deb hat definitiv gewonnen. Mein ganzes Leben hat sich verändert, nachdem sie mit Mia fortgegangen ist. Es war seitdem nie wieder so wie früher.«
»Du warst noch so jung, Cabot.«
»Sie hat mich kaputtgemacht. Das habe ich nie abgestritten. Stattdessen habe ich es anerkannt und dementsprechend gelebt. Wie um alles in der Welt sollte es fair sein, jemand anderen in mein Leben zu holen, wenn ich genau weiß, wie es in meinem Inneren aussieht?«
»Das verstehe ich.«
»Tut mir leid, dass es so sein muss.«
»Mir auch.«
Er drückte die Hand, die er immer noch festhielt. »Aber ich bin auch wirklich froh, dass wir Gelegenheit haben, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Auch wenn es mir ganz und gar nicht gefällt, dass dazu ein Unfall nötig war.«
»Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du hier bist. Das ist so viel mehr, als eine Freundschaft verlangt.«
»Ich mache das sehr gerne. Wäre es okay für dich, wenn ich Wade und Mia morgen zum Essen einlade.«
»Natürlich. Du sollst dich hier wie zu Hause fühlen.«
»Danke. Es ist so schön, aufzuwachen und zu wissen, dass sie in meiner Nähe ist.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Was sollen wir jetzt mit dem restlichen Abend anstellen? Willst du einen Film schauen oder mit dem bescheuerten Puzzle weitermachen?« Mittlerweile saßen sie seit mehreren Tage an dem fast komplett weißen Puzzle, eine Schneelandschaft mit einer Scheune im Hintergrund und einem Rotkardinal auf einem Baum, eins ihrer bekanntesten Fotos. Langsam, aber sicher begannen sie, das Puzzle zu hassen. .
»Ein Film klingt gut.«
Cabot seufzte erleichtert und machte sich auf die Suche nach etwas, das ihnen beiden gefiel. Es schien, als hätte sie dieses Gespräch überstanden, ohne dass ihre Freundschaft darunter gelitten hätte. Er war nicht dazu in der Lage, eine Beziehung mit einer Frau zu führen, aber wenn es eine Frau gab, für die er diese Regel brechen würde, dann war das Isabella Coleman.
Izzy stimmte es traurig zu sehen, wie erleichtert er war. Er hatte das Gespräch über ihre Beziehung erfolgreich überstanden und scrollte sich nun durch die Seite des Streaming-Anbieters, als gäbe es nichts Wichtigeres, als einen Film zu finden.
»Wie wäre es mit Ghost?«
O je, jetzt auch noch der romantischste Film aller Zeiten. Wie sollte sie den unbeschadet überstehen, nachdem er sie abgewiesen hatte? »Vielleicht etwas weniger Rührseliges.«
»Notting Hill?«
O Mann, hatte sich das Universum gegen sie verschworen? Sie war doch nur ein Mädchen, das neben einem Jungen saß und ihn gebeten hatte, ihr eine Chance zu geben. »Ich wäre eher für was mit mehr Gewehren und Schießereien.«
Er zog die Augenbrauen hoch.
»Was? Ich habe einfach Lust auf Action.« Izzy verzog das Gesicht. Das war vielleicht nicht die beste Wortwahl. »Im Fernsehen, meine ich.«
Seine Lippen bebten, offenbar unterdrückte er ein Lachen. »Verstanden.«
Nicht dass sie in einem Zustand wäre, in dem sie an irgendetwas anderes denken konnte, als einfach nur daran, den Tag zu überstehen.
Das Telefon klingelte, und Cabot sprang auf, um ranzugehen. »Hi, Hannah. Ja, es geht ihr gut. Moment, ich gebe sie dir mal.« Er brachte ihr das schnurlose Telefon. »Deine Mom.«
»Danke.« Izzy setzte sich bequemer hin und verzog das Gesicht, als selbst die winzigsten Bewegungen ihr Schmerzen am ganzen Körper bereiteten. »Hi, Mom.«
»Hallo. Ich wollte nur mal hören, wie du dich fühlst.«
»Alles gut.« Jedenfalls größtenteils, abgesehen von den Gefühlen zu ihrem selbsternannten Krankenpfleger. »Wir haben den Eintopf, den du uns gebracht hast, für das Abendessen aufgewärmt. War wirklich lecker.«
»Das freut mich. Wie läuft es mit Cabot?«
Izzy war sich nicht sicher, was ihre Mom wissen wollte. »Gut.«
»Alle reden die ganze Zeit davon, dass er darauf bestanden hat, sich um dich zu kümmern.«
»Das ist eigentlich keine große Sache.« Was sollte sie auch sonst sagen, er saß schließlich keinen Meter von ihr entfernt.
»Ist es nicht?«
»Nein.«
»Hm, na ja, schade.«
»Hm.«
»Ich komme morgen vorbei, dann können wir darüber reden.«
»Bis dann.«
»Ich hab dich lieb, mein Schatz. Ich weiß, dass ich das nicht so oft sage, wie ich vielleicht sollte, aber dein Unfall hat mich daran erinnert, dass ich das ändern muss.«
Ihre starke, furchtlose Mutter klang, als sei sie den Tränen nahe. Izzy war gerührt. »Ich hab dich auch lieb, Mom. Schlaf gut.«
»Du auch.«
Izzy fragte sich, ob sie nach dem seltsamen Gespräch mit Cabot überhaupt ein Auge zutun würde. Wenn er nur mit ihr befreundet sein wollte, warum hätte er dann sein ganzes Leben hintanstellen sollen, nur um sich um sie zu kümmern? Zu dieser Frage kehrte sie immer wieder zurück. War es da nicht offensichtlich, dass er mehr wollte als Freundschaft?
Sie wünschte, sie hätte in Butler Handyempfang, dann könnte sie ihren Schwestern schreiben und sie um ihre Meinung bitten. Aber so müsste sie aufstehen, um das iPad zu holen, und das würde sie deutlich mehr Energie kosten, als sie nach einem langen Tag, an dem sie sich mit ihren schmerzhaften Verletzungen herumgeschlagen hatte, aufbringen konnte.
Wahrscheinlich würden sie morgen ohnehin vorbeikommen, und dann würde sie hoffentlich Gelegenheit haben, mit ihnen darüber zu sprechen. Mehr als alles andere wünschte sie sich, dass jemand ihr bestätigte, dass sie nicht verrückt geworden war oder zu viel in die Dinge hineindeutete. Auch wenn Cabot etwas anderes behauptete.
Es war schon lange her – Jahre –, seit ein Mann sie so ratlos zurückgelassen hatte. Im Allgemeinen wusste sie meistens, woran sie war. Jed, der auf dem College ihr Freund gewesen war, hatte ihr das Herz gebrochen, als er sie mit einer engen Freundin betrogen hatte. Dass zwei Menschen, die ihr so nahestanden, sie so hintergehen konnten, hatte sie tief verletzt. Dennoch war sie nach wie vor dazu in der Lage, anderen zu vertrauen.
Was Cabot passiert war, war so viel größer als das, was ihr Freund und ihre Freundin ihr angetan hatten. Sosehr sie sich auch Mühe gab, den Albtraum, den er durchlebt hatte, zu verstehen, sie würde nie wirklich wissen können, wie es für ihn gewesen sein musste. Ihr geliebter Kater war einmal eine Woche lang verschwunden, noch dazu mitten im Winter. Es war schrecklich, einfach nicht zu wissen, was mit ihm passiert war, und dann war er nach sieben langen Tagen wieder nach Hause gekommen. Er hatte ganz normal ausgesehen und sich offensichtlich darüber gewundert, dass alle sich so freuten, ihn zu sehen.
Sie war damals völlig aufgelöst. Wegen einer Katze.
Wie schrecklich musste es sich dann erst anfühlen, fünfundzwanzig Jahre lang nicht zu wissen, wo das eigene Kind steckte?
Vielleicht stimmte es ja, dass ein Mensch sich von einer solchen Verletzung nie erholen konnte. Sie sollte ihnen beiden einen Gefallen tun und darüber hinwegkommen. Und das hätte sie auch getan, wenn sie nach dem Essen im Oktober nichts mehr von ihm gehört hätte. Aber zu wissen, dass er wichtige Verhandlungen in New Jersey einfach stehen und liegen ließ, ein Auto mietete und nach Vermont fuhr, nur weil er mitbekommen hatte, dass sie verletzt war, machte es ihr unmöglich zu akzeptieren, dass da wirklich nicht mehr als Freundschaft war.
Er hatte gesagt, dass auf seinem Terminplan für die kommenden zwei Wochen nichts anderes stand, als für sie da zu sein. Das gab ihr zwei Wochen, um ihm zu zeigen, was möglich sein könnte, wenn er es nur zuließ. Es würde alles andere als einfach werden, vor allem weil sie sich kaum bewegen konnte, aber es war nicht unmöglich. Wenn es schiefging, würde sie allerdings noch viel enttäuschter sein als jetzt, das war ihr klar.
Aber Izzy spürte genau, dass sie mit Cabot wirklich etwas ganz Besonderes haben könnte, wenn sie ihn nur davon überzeugen könnte, ihr eine Chance zu geben.
Da kam ihr ein weiterer Gedanke. Vielleicht hätte sie ihn für sich behalten sollen, aber wie konnte sie das, wenn sie die Antwort einfach wissen musste?
»Bist du wegen Mia hier?«
»Hm?« Er schaute vom Fernseher zu ihr. »Wie meinst du das?«
»Damit du ihr näher sein kannst. Hast du deswegen angeboten, dich um mich zu kümmern?«
»Was? Nein, das ist nicht der Grund, aus dem ich hier bin.«
»Oh, okay.« Es tat ihr fast leid, dass sie gefragt hatte, aber irgendwie war sie auch froh. »Ich glaube, ich muss ins Bett.« Sie hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, mit ihren verstörenden Gedanken alleine zu sein.
Als sie versuchte aufzustehen, sprang Cabot auf, um ihr zu helfen. »Langsam.«
All ihre Verletzungen schmerzten bei jedem Schritt, den sie machte. »Als hätte ich eine Wahl.«
Als sie endlich im Bett lag, brachte Cabot ihr Schmerzmittel und ein Glas Wasser. Hoffentlich würde sie die Medikamente nicht mehr lange brauchen, aber noch ging es definitiv nicht ohne.
»Kann ich dir sonst noch etwas bringen?«
»Nein, danke.«
»Ruf mich, wenn du in der Nacht etwas brauchst.«
»Mache ich. Danke noch mal, dass du hier bist.«
Er beugte sich über sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Sehr gerne. Schlaf gut.«
Der Geruch nach seinem holzigen Aftershave hing noch lange in der Luft, nachdem er das Zimmer verlassen hatte. Sie wollte so viel mehr als einen Kuss auf die Stirn.
Izzy griff nach dem Telefon auf ihrem Nachttisch und rief bei ihrem Bruder Noah an. Die meisten ihrer Geschwister waren bei ihm untergekommen, als sie nach Izzys Unfall beschlossen hatten, sie zu besuchen.
Vanessa war diejenige, die abhob. »Hey, Iz. Wie geht es dir?«
»Ganz gut, den Umständen entsprechend. Was macht ihr so?«
»Jackson, Noah und Henry spielen Poker. Mit stinkenden Zigarren! Ally, Brianna und ich versuchen, einen Film zu schauen. Gray, Emma und Simone waren zum Abendessen hier, aber sie sind eben wieder gegangen. Sonst ist nicht viel los.«
»Das klingt gut. Ich wünschte, ich wäre bei euch.«
»Ich kann dich abholen, wenn du möchtest.«
»Nein, schon gut. Ich bin schon im Bett, und es hat mich meine gesamte Energie gekostet, ins Schlafzimmer zu gelangen.«
»Aber du fühlst dich doch schon besser, oder?«
Weil sie wusste, dass ihre Schwester das hören musste, sagte Izzy: »Jeden Tag ein gutes Stück besser.«
»Das freut mich. Du hast uns solche Angst eingejagt.«
»Tut mir leid.«
»Wir haben beschlossen, dir zu vergeben.«
»Bring mich nicht zum Lachen.«
»Ups. Geht es dir wirklich gut? Du klingst heute Abend irgendwie traurig.«
»Kannst du kurz reden?«
»Klar.«
»Wo dich sonst niemand hört?«
»Warte, ich gehe nach oben.«
Izzy hörte, wie sie den anderen sagte, sie sollten den Film einfach ohne sie weiterschauen.
»Was ist los?«
»Gar nichts.«
»Äh, was soll das heißen?«
»Cabot.«
»Okay …«
»Ich habe ihn ganz geradeheraus gefragt, was er hier macht.«
»Und?«
Izzy sprach leise, obwohl sie hörte, dass im Wohnzimmer noch der Fernseher lief. »Er hat gesagt, er hilft einer Freundin durch eine schwere Zeit.«
»Einer Freundin.«
»Ja.«
»Autsch.«
»Ja, oder? Ich bin so verwirrt, Ness. Er ist hierhergekommen, hat in New Jersey einfach ein wichtiges Meeting sausen lassen und sich so beeilt, damit er bei mir im Krankenhaus sein konnte. Er hat während der gesamten Zeit kaum mein Krankenzimmer verlassen, und dann hat er darauf bestanden, sich hier bei mir um mich zu kümmern. Aber wenn ich ihn einfach frage, warum er das alles macht, scheint er erstaunt zu sein, dass ich darüber überhaupt nachdenke. Bevor er mich im Krankenhaus besucht hat, bin ich ihm zweimal begegnet.«
»Bei Wades Hochzeit und …?«
»Ich habe ihn zum Abendessen eingeladen, als ich im Oktober in Boston war.«
»Oooohhh. Wirklich? Davon hast du mir nie erzählt.«
»Ich habe dir damals gesagt, dass ich mich mit einem Freund treffe, weil ich keine große Sache daraus machen wollte. Es sollte keine große Sache sein.«
»Ah ja.«
»Und ich schätze, es wird auch keine große Sache werden, trotz aller Indizien, die in letzter Zeit dafür gesprochen haben.«
»Was hat er denn gesagt, als du ihn gefragt hast?«
»Dass er kaputt ist, wegen dem, was seine Exfrau ihm angetan hat.«
»Wie könnte das anders sein?«
»Ich weiß, aber ich hatte irgendwie gehofft, dass er beschlossen hat, sich wieder auf jemanden einzulassen. Auf mich.«
»O Izzy.«
»Er hat gesagt, er ist sich nicht sicher, ob er je wieder jemandem vertrauen kann, der nicht mit ihm verwandt ist.«
»Du bist doch jetzt eine angeheiratete Verwandte.«
»Ich glaube nicht, dass er das gemeint hat.«
»Es tut mir leid, dass du deswegen traurig bist.«
»Ich mag ihn wirklich sehr. Mehr als ich seit sehr langem irgendjemanden gemocht habe. Bei der Hochzeit hatten wir eine Verbindung, die fast schon magisch war. Er hat das selbst auch so beschrieben, und als wir uns im Oktober zum zweiten Mal gesehen haben, war es genauso. Ich war mir beide Male sicher, dass ich von ihm hören würde, aber er hat sich nicht gemeldet. Ich konnte es nicht fassen, als er im Krankenhaus aufgetaucht ist oder als er darauf bestanden hat, sich bei mir zu Hause um mich zu kümmern, und seitdem bin ich einfach nur noch verwirrt.«
»Wie lange will er denn bleiben?«
»Er hat alle Termine für die nächsten zwei Wochen abgesagt. Ein paar wichtige Meetings macht er von hier aus.«
»Das bedeutet also, dass du fast zwei Wochen Zeit hast, um ihm zu zeigen, dass er dir sein Herz anvertrauen kann. Und dass er dich in seinem Leben braucht.«
»Wie soll ich das anstellen, wenn ich so schlimm aussehe und mich kaum bewegen kann?«
»Du zeigst ihm einfach, wie das Leben mit dir zusammen sein würde.«
»Was ist mit der kleinen, unbequemen Tatsache, dass er in Boston wohnt und ich in Vermont?«
»Darum könnt ihr euch kümmern, wenn es so weit ist. Mach dir darüber jetzt noch keine Gedanken. Konzentrier dich lieber auf die kleinen Dinge. Sprich mit ihm. Hör ihm zu, teile dich ihm mit. Du weißt, wie das geht. Es ist noch nicht so lange her, dass du es versucht hast.«
»Fünf Jahre.«
»Heißt das, du hast vergessen, wie es geht?«
»Vielleicht.«
»Nein, das ist wie Fahrradfahren. Du schaffst das schon.«
»Was, wenn ich mir richtig Mühe gebe, und dann klappt es am Ende doch nicht?«
»Dann hast du es wenigstens versucht.«
»Er hat mir quasi schon gesagt, dass ich keine Chance habe.«
»Aber er ist trotzdem noch bei dir zu Hause, oder?«
»Ja.«
»Ich sehe das so wie du, das ist alles ziemlich verwirrend.«
»Geht es noch verwirrender?«
Vanessa lachte. »Mir tut der Mann leid. Die ganze Zeit wusste er nicht, wo seine Tochter ist …«
»Es hat ihn fertiggemacht.«
»Aber stimmt das wirklich? Er hat eine erfolgreiche Firma. Er ist im Stadtrat von Boston. Mittlerweile hat er eine gute Beziehung zu seiner Tochter und seinem Schwiegersohn. Und zu seinen Geschwistern und Nichten und Neffen. Von außen sehe ich wirklich nicht, dass sein Leben komplett zerstört ist. Ich sehe ein Leben, das durch eine furchtbare Situation irreparabel verändert wurde, aber wenn du mich fragst, hat dieser Mann noch sehr viel zu geben.«
»Er sagt, er würde sich niemandem zumuten wollen, vor allem nicht jemandem so Tollen wie mir.«
»Vielleicht musst du ihm nur zeigen, dass du ihn auch ziemlich toll findest. Und es wäre vielleicht keine schlechte Idee, Mia auf deine Seite zu ziehen.«
»Wie meinst du das?«
»Ich meine, dass sie sicher froh darüber wäre, wenn ihr Dad eine glückliche Beziehung führen würde und das Trauma endlich hinter sich lassen könnte.«
»Du hast recht. So habe ich das noch gar nicht gesehen.«
»Du kannst jederzeit gerne auf meine Dienste zurückgreifen.«
Izzy lachte, obwohl es weh tat. »Danke, dass du mir zugehört und mir geholfen hast, die ganze Verwirrung ein bisschen zu ordnen.«
»Sehr gerne! Die Situation ist definitiv verwirrend, aber er ist bei dir zu Hause, und zwar für die nächsten zwei Wochen. Das ist deine Chance, ihm zu zeigen, was möglich ist, Iz!«
»Verstanden.«
»Ich komme dich morgen besuchen.«
»Wie lange bleibst du noch in Butler?«
»Weiß ich noch nicht genau. Ich suche nach einem neuen Job, also muss ich flexibel sein.«
»Was ist mit dem alten passiert?«
»Die Geschichte erzähle ich dir ein anderes Mal. Ruh dich aus und versuch, dir keine Sorgen zu machen. Ich habe ein gutes Gefühl bei euch beiden.«
»Da bin ich froh. Bis morgen.«
»Gute Nacht.«
Es hatte geholfen, mit Vanessa zu reden. Izzy fühlte sich besser, weil ihre Schwester ihr bestätigt hatte, dass sie nicht verrückt war, nur weil sie sich fragte, was da gerade vor sich ging.
Im Wohnzimmer hörte sie Cabot lachen.
Er konnte lachen, er konnte bei der Hochzeit seiner Tochter vor Freude weinen, er konnte einer Freundin in schweren Zeiten beistehen, auch wenn er sie erst zweimal in seinem Leben gesehen hatte.
Er war noch lange nicht so kaputt, wie er dachte.
Und sie hatte noch jede Menge Zeit, ihm das zu beweisen.
»Ich glaube nicht, dass man je zulassen sollte, dass man verbittert ist. Wenn man es nicht schafft, das eigene Herz offen zu halten, dann füllt es sich mit Hass und Bitterkeit, und man ist nie wieder dazu in der Lage, einen anderen Menschen zu lieben.«
Debbie Reynolds
Der nächste Morgen begann mit einem Besuch von Izzys Tante Molly und ihrem Onkel Lincoln Abbott, die Frühstückssandwiches, Butchs berühmte Bratkartoffeln und frischgebackene Blaubeermuffins aus dem Diner mitbrachten.
»Wenn das so weitergeht, wiege ich fünfhundert Kilo, wenn das hier vorbei ist«, sagte Izzy, langte aber munter zu. Es war wirklich lecker.
»Dein Körper braucht Energie, um zu heilen«, sagte Molly.
»Sie hat unfassbar viele Kinder nach unfassbar vielen Verletzungen gesundgepflegt«, sagte Lincoln. »Also hör auf deine Tante.«
»Ich höre ja auf sie – ich esse doch.«
Cabot stand auf und schenkte allen Kaffee nach.
Izzy lächelte ihn an. »Danke.«
»Gerne.«
In seinem rotblau karierten Flanellhemd, der dunkelblauen Fleeceweste und den abgetragenen Jeans sah er wirklich sexy aus.
»Wie lange bleibst du hier, Cabot?«, fragte Linc.
Izzy warf ihrem Onkel einen warnenden Blick zu. Er und ihr Großvater waren dafür bekannt, dass sie ständig Leute miteinander verkuppelten. Abbotts und Colemans hatten dabei Priorität. Sie hoffte, dass die beiden es als Nächstes nicht auf sie abgesehen hatten.
»Ich bin auf jeden Fall noch bis Ende der Woche hier. Vielleicht auch länger, wenn ich das einrichten kann.«
Davon wusste Izzy noch gar nichts.
»Kannst du von zu Hause aus arbeiten?«, fragte Molly.
»Glücklicherweise ja. Ich habe ein tolles Team, das mich im Büro unterstützt, und solange ich mich jeden Tag bei ihnen melde, haben sie alles unter Kontrolle. Das einzige Problem sind meine Pflichten im Stadtrat, aber bisher habe ich erst ein einziges Meeting verpasst. Nächste Woche muss ich vielleicht zurück, um über ein Großprojekt abzustimmen, das der Stadtrat beschließen soll.«
»Erklär mir doch noch mal, was genau deine Firma macht?«, fragte Molly.
»Ich investiere in Start-ups und schließe dann einen Beratungsvertrag mit ihnen ab. Also wenn wir zum Beispiel in eine neue Restaurantkette investieren, steht ihnen mein Team aus der Buchhaltung, Marketing, Social Media, Eventplanung und Immobilien zur Verfügung. Eine der größten Schwierigkeiten daran, ein neues Unternehmen zu führen, ist es, Dinge wie die Bezahlung der Mitarbeitenden und die Werbung richtig zu handhaben. Wir versuchen, sie dabei zu unterstützen.«
»Ein wirklich cooles Geschäftsmodell«, sagte Linc.
Onkel Linc war der Geschäftsführer des Green Mountain Country Stores, den Izzys Urgroßeltern gegründet hatten. Er hatte in Yale Wirtschaftswissenschaften studiert.
»Wie bist du in diesem Bereich gelandet?«, fragte Molly.
»Irgendwann hat es sich nicht mehr richtig angefühlt, nur zu investieren. Die Unternehmen, in die ich investiert habe, haben mich immer wieder gefragt, wen ich für dies oder jenes empfehlen würde, und irgendwann ist mir klargeworden, dass es profitabel sein könnte, diese Dinge einfach selbst anzubieten.«
»Und ist es das?«
»O ja, sehr. Indem sie uns auf Vertragsbasis bezahlen, sparen diese Firmen es sich, Vollzeitangestellte für diese Bereiche einzustellen. Wir profitieren von den Anteilen.«
»Das ist wirklich interessant, Cabot«, sagte Molly.
»Es hat Spaß gemacht, das Unternehmen zu vergrößern und zu sehen, wie es so viel erfolgreicher werden konnte, als ich mir das je erträumt hätte. Aus einer kleinen Investition hier und da ist so viel mehr geworden. Mittlerweile bieten wir das Consulting sogar Firmen an, in die wir nicht investiert haben.«
Izzy genoss es, ihm zuzuhören. Seine Leidenschaft für sein Unternehmen war ein weiterer Beweis dafür, dass er ganz und gar nicht kaputt war. Sie sollte anfangen, eine Liste zu führen, damit sie ihn irgendwann auch selbst davon überzeugen konnte.
Bevor sie noch länger darüber nachdenken konnte, klingelte das Telefon. Es zeigte eine Nummer an, die sie nicht erkannte. »Da gehe ich besser ran. Ich versuche, den Versicherungskram zu regeln. Wahrscheinlich geht um die medizinischen Sachen, oder um den Jeep – ein Totalschaden.«
»Ja, klar, Liebes.«
»Hallo?«
»Äh, Isabella?«
Sie würde diese Stimme immer sofort erkennen. Ein Teil von ihr hätte am liebsten sofort wieder aufgelegt. Der andere Teil war dafür zu neugierig. »Hallo, Dad.«
Molly verzog das Gesicht, und Izzy verdrehte zur Antwort die Augen.
»Wie geht es dir?«, fragte ihr Vater.
»Besser.«
»Das freut mich. Es tut mir leid, dass ich dich nicht im Krankenhaus besucht habe. Meine Ärztin hat mir davon abgeraten, weil mein Immunsystem unterdrückt wird.«
»Schon okay.«
»Ich habe mich gefragt, ob ich dich zu Hause besuchen könnte.«
»Äh ja, das wäre in Ordnung.«
»Bist du heute da?«
»Den ganzen Tag.«
»Okay. Dann komme ich gegen zwei vorbei, wenn es dir recht ist.«
»Okay. Weißt du, wo ich wohne?«
»Ja. Bis nachher.«
»Okay, tschüs.«
»Tschüs, Schatz.«
Ihr Dad hatte sie Schatz genannt, genau wie er das früher immer getan hatte, bevor er den Verstand verloren und die Familie im Stich gelassen hatte, als sie vierzehn war. Sie hatte ihn seitdem kaum gesehen. Dass er angerufen hatte und sie sogar besuchen wollte, brachte sie völlig aus dem Konzept.
»Ähm, sieht so aus, als würde um zwei mein Dad zu Besuch kommen«, sagte Izzy zu den anderen.
»Du musst ihn nicht treffen, wenn du nicht willst.« Mollys Stimme war ungewöhnlich hart, und Izzy verstand das nur zu gut.
Mike Coleman war vor über zwanzig Jahren abgehauen und hatte Mollys Schwester Hannah und ihre acht gemeinsamen Kinder im Stich gelassen. Er war bei der gesamten Familie nicht besonders beliebt.
»Ist schon okay«, sagte Izzy, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob das stimmte. Immer wenn sie ihren Dad gesehen hatte, machte sie das völlig fertig, und jetzt, wo sie ihre gesamte Energie brauchte, um sich zu erholen und Cabot von sich zu überzeugen, musste sie eigentlich nicht auch noch an ihre schlimme Kindheit erinnert werden.
»Du solltest deiner Mom Bescheid sagen, damit sie nicht vorbeikommt, solange er hier ist«, sagte Molly.
»Mache ich. Er meinte, er hätte mich im Krankenhaus nicht besucht, weil seine Ärztin ihm davon abgeraten hat.« Cabot kannte die ganze Geschichte noch nicht, deswegen fügte sie hinzu: »Er hat vor einem Jahr eine Knochenmarksspende von meinem Bruder Grayson bekommen. Wir hatten jahrelang nichts von ihm gehört, bis er Leukämie bekommen und nach einem Spender gesucht hat.«
»Wow, das war sicher alles andere als einfach für euch«, sagte er.
»Allerdings.«
»Wenn ihr mich fragt, muss man schon ganz schön dreist sein, seine acht Kinder, die man im Stich gelassen hat, um so etwas zu bitten«, sagte Molly.
Linc legte seine Hand auf ihre, was sie ein kleines bisschen zu beruhigen schien.
Izzy beobachtete das, wie sie es immer tat, mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid. Die beiden waren ihrer Meinung nach das perfekte Paar. Und sie wollte das auch. Genau das, was sie hatten. Es war so offensichtlich, wie intuitiv sie einander verstanden. Sie waren der Inbegriff von Liebe, Zuneigung und einer erfüllten Ehe.
Sie hatte keine Erinnerungen daran, dass ihre Eltern miteinander glücklich gewesen waren, es war also sehr wertvoll für sie und ihre Geschwister gewesen, dass Linc und Molly da waren und ihnen zeigten, wie es sein konnte. »Ihr seid so süß zusammen, wie immer.«
»Wir?«, fragte Molly überrascht.
»Richtig süß.«
»Wir sind wirklich süß, Liebling«, sagte Linc und legte die Arme um seine Frau.
Molly wirkte nicht überzeugt. »Alte Leute wie wir sind nicht süß.«
»Doch, seid ihr«, sagte Izzy. »Ihr habt ja keine Ahnung, wie viele zu euch aufschauen. Ihr seid der Goldstandard einer glücklichen Ehe.«
»Wir sind tatsächlich ziemlich glücklich.« Linc grinste zufrieden.
»Das will ich auch«, seufzte Izzy. Sie hatte fast vergessen, dass Cabot da war, aber hey, er konnte ruhig hören, welche Ziele sie im Leben hatte. Eine Beziehung wie die von ihrer Tante und ihrem Onkel stand ziemlich weit oben auf ihrer Liste. Sie wollte jemanden finden, den sie so lieben konnte, wie Molly Lincoln liebte, und sie wollte zurückgeliebt werden. Sie wollte eine Familie und einen Lebenspartner, der sie in allem, was sie tat, unterstützte, genauso wie sie es tun würde.
Eine sehr lange Zeit lang war all das aus ihrem Fokus gerutscht – na ja, abgesehen von der Karriere, die sie während der letzten zehn Jahre mit unaufhaltsamem Ehrgeiz vorangetrieben hatte. Aber jetzt, wo sie fünfunddreißig war und fast bei einem schlimmen Autounfall gestorben wäre, spürte sie, wie ihre Prioritäten sich verschoben. Sie hatte sogar schon einen Mann im Kopf, der die Hauptrolle spielen könnte. Er musste nur noch davon überzeugt werden.
Cabot lehnte an der Arbeitsfläche in der Küche und trank seinen Kaffee. Izzy sah ihn an.
Er begegnete ihrem Blick ohne zu blinzeln.
Izzy war sich nicht sicher, was in diesen spannungsgeladenen Sekunden zwischen ihnen passierte, aber es passierte jedenfalls etwas, so viel war sicher.
Ihr Herz schlug schneller, als ihr das klarwurde, und ihr lief ein Schauer den Rücken hinunter. Vor ihm hatte sie keinen anderen Menschen getroffen, mit dem sie sich hätte vorstellen können, den Rest ihres Lebens zu verbringen. Damals, am College, hatte sie kurz geglaubt, die Liebe ihres Lebens gefunden zu haben. Doch dann hatte er sie betrogen – mit ihrer Freundin – und ihr gezeigt, wer er wirklich war. Seitdem hatte sie kurze, unbedeutende Beziehungen mit Männern gehabt, unter anderem mit einem in New York, mit dem sie sich traf, wenn sie in der Stadt war, einem in Boston und einem in Stowe.
Aber keiner von ihnen war besonders interessant, jedenfalls nicht interessant genug für mehr.
Mit Cabot war das anders. Es hatte sie wirklich beeindruckt, wie süß er an Mias Hochzeit gewesen war und wie emotional er darauf reagiert hatte, dass seine Tochter, die er ein Vierteljahrhundert vermisst hatte, heiratete. Er hatte den ganzen Tag keinen Hehl aus seinen Gefühlen gemacht und dabei den Anlass gebührend gefeiert. Wen würde so ein gutaussehender, erfolgreicher, wortgewandter und liebevoller Mann wie er nicht interessieren?
Trotz allem, was er am Vorabend gesagt hatte, fand Izzy, dass seine Taten lauter sprachen als all seine Worte. Er war gekommen, und er war bei ihr geblieben, um sie zu unterstützen. Das bedeutete etwas, und niemand konnte sie vom Gegenteil überzeugen, nicht einmal er selbst.
»Irgendwann wirst du deinen Lincoln auch finden«, sagte Molly mit einem vielsagenden Blick, der Izzy zeigen sollte, dass sie verstand, dass es zwischen ihr und Cabot offene Fragen gab.
Izzys Familie wusste genauso wenig wie sie, was es bedeutete, dass er hier bei ihr war. Wahrscheinlich redeten sie ununterbrochen darüber.
»Oh, ganz bestimmt«, sagte Izzy und schaute von Cabot weg. »Ich habe keinen Zweifel daran.«
»Ich auch nicht«, sagte Molly. »Jeder Mann könnte sich glücklich schätzen, mit der unglaublichen Isabella Coleman zusammen zu sein.«
»Absolut«, stimmte Lincoln zu.
»Und ihr seid ja auch kein bisschen voreingenommen, richtig?«, fragte Izzy grinsend.
»Kein bisschen«, entgegnete Lincoln. »Wir sagen nur, wie es ist. Oh, dabei fällt mir ein: Ich habe dir die Salbe aus dem Country Store mitgebracht, die so gut bei Prellungen hilft.« Er sprang auf, um eine der beiden Taschen zu holen, die sie mitgebracht hatten, und kramte zwei Dosen hervor.
»Danke. Die kann ich gut gebrauchen. Ich bin eine einzige große Prellung.«
»Cameron schwört, dass die Creme zaubern kann.«
»Das hoffe ich. Mir tut immer noch alles weh.«
»Es ist schon so viel besser als noch vor einer Woche, Liebes«, sagte Molly. »Du wirst sehen, bald bist du wieder auf den Beinen.«
Izzy freute sich darauf, aber sie hatte auch Angst davor. Wenn sie wieder ganz gesund war, gab es für Cabot keinen Grund mehr, zu bleiben.
Molly und Linc verabschiedeten sich wenig später, versprachen aber, bald wieder zu Besuch zu kommen.
»Ich gehe mal duschen«, sagte Izzy zu Cabot.
»Brauchst du Hilfe mit dem Gips?« Sie hatten ein ausgeklügeltes System aus Tüten und Klebeband entwickelt, dass dafür sorgte, dass ihr Gips nicht nass wurde.
Sie hätte ihn gerne gebeten, mit ins Bad zu kommen, aber sie wollte damit warten, bis die blauen Flecken verblasst waren. »Ich schaffe das schon, sobald es mir gelungen ist, von diesem Sessel aufzustehen.«
»Da kann ich dir helfen«, sagte er und hielt ihr seinen Arm hin.
Sie hielt sich daran fest und ließ zu, dass er die meiste Arbeit machte und sie hochzog.
Der Schmerz sorgte dafür, dass ihr die Luft wegblieb und die Knie weich wurden.
Cabot legte ihr den Arm um die Taille. »Ich halte dich.«
Izzy lehnte sich an ihn, warm und solide und genau richtig groß. Er legte sein Kinn auf ihren Kopf. Sie wollte die Arme um ihn schlingen und sich für immer an ihm festhalten. Also schlang sie die Arme um ihn.
Eine Sekunde lang erstarrte er, dann spürte sie, dass er sich entspannte.
Das war auch schon alles, was es war – eine Umarmung –, aber Izzy genoss jede Sekunde davon. Er roch nach der perfekten Kombination aus Zitrus und Gewürzen, Stärke und Weichspüler. Wundervoll.
»Äh, Iz?«
»Ja, Cabot?«
»Ich dachte, du wolltest duschen?«
»Ja, schon, aber das hier ist auch ziemlich schön.«
Er stieß ein kurzes Lachen aus, das sie zum Schmunzeln brachte.
»Kann ich dich was fragen?«
»Klar.« Er klang nervös.
»Das hier fühlt sich doch gut an, oder? Dass wir einander so festhalten?«
»Ja.«
»Ich fand es auch sehr schön, wie du mich gehalten hast, als wir auf der Hochzeit miteinander getanzt haben.«
»Ich habe gerne mit dir getanzt.«
»Ich auch. Ich rede auch gerne mit dir, und ich mag es, wenn du mir von deiner Arbeit erzählst und von deinem Leben in Boston und von deiner Familie und wie sehr du deine Tochter liebst. Ich mag das alles.«
»Izzy …«
»Ich habe dir gestern Abend gut zugehört, und ich verstehe, warum du dich so fühlst. Nach dem, was dir angetan wurde, wären die meisten Menschen wütend und verbittert. Aber du bist so viel mehr als das. Manchmal ist etwas so groß und so überwältigend, dass man alles andere übersieht. Und dabei kenne ich diese Seite noch nicht einmal an dir. Ich würde gar nicht wissen, dass es sie gibt, wenn du es mir nicht gesagt hättest.«
Sie hielt ihn noch eine ganze Minute lang fest, dann ließ sie ihn widerwillig los und schleppte sich langsam zum Badezimmer, um zu duschen.
»Wenn die Welt auch voller Leiden ist,so wird dieses doch immer wieder überwunden.«
Helen Keller
Noch lange, nachdem Izzy gegangen war, stand Cabot wie angewurzelt in der Küche. Das, was sie gesagt hatte, hatte ihn aus der Bahn geworfen. Du bist viel mehr als das …
Er war sich nicht sicher, ob das stimmte. Die Wut war so ein großer Teil von ihm, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte, wer er vorher gewesen war. Als er herausgefunden hatte, dass Deb mit Mia abgehauen war, hatte ihn die Angst gepackt. Deb konnte unberechenbar sein. Früher hatte er das einmal attraktiv gefunden. Während aus Tagen Wochen, Monate und dann Jahre wurden, in denen er rein gar nichts von den beiden hörte, wurde die Angst immer größer. Er wusste nicht einmal, ob seine Tochter überhaupt noch lebte.
Es war die Hölle gewesen. Nach etwa einem Jahr, als ihm klarwurde, dass Deb ihm Mia genommen hatte, um ihn zu bestrafen, war zu der Angst Wut hinzugekommen. Sie hatte genau gewusst, dass er das bessere Elternteil war. Und trotzdem hatte sie ihm sein Kind weggenommen.
Manche Leute dachten vielleicht, er sollte das Ganze