Meine Liebe zu Liz - Alf Barari - E-Book

Meine Liebe zu Liz E-Book

Alf Barari

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Beschreibung

Liz B. ist geschieden und lebt mit ihrem 18 jährigen Sohn. Der Vater ist irgendwo in Italien. Das Verhältnis Vater Sohn ist tief verbunden. Bei den häufigen Besuchen bei seinem Sohn kommt es jedoch stets zu gehässigen Auseinandersetzungen zwischen ihm und Liz B. Bei einem Ausflug lernt Liz B. einen Mann kennen. Auf beide springt gleichzeitig ein Funke von außergewöhnlicher Sympathie über. Der Mann tritt in das Leben von Liz B. und ihrem Sohn. Die starke Liebe beider zueinander sowie die Fürsorglichkeit des Mannes glättet so manchen Kummer von Liz: Die Furcht vor einem Wutausbruch des Vaters und die Angst ihren Sohn zu kränken wegen der neuen Bekanntschaft, die Besorgnis um die Ausbildung und Zukunft ihres Sohnes und nicht zuletzt die finanziellen Sorgen. Der Sohn will in Italien studieren. Die weiterlaufende finanzielle Unterstützung durch seinen Vater scheint gewährleistet - bis dann aber dieser bei einer Razzia getötet wird.

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Ein spannender Liebesromanvor der bezaubernden Kulisse Norditaliens und Münchens

Alf Barari

Meine Liebe zu Liz

Roman

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Art von Veröffentlichung bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autors. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, öffentliche Zugänglichmachung, Verbreitung.

www.alf-barari.de

[email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2019 Alf Barari

Lektorat: Barbara Lösel, Nürnberg

Umschlaggestaltung: Karl-Heinz Barth

Herstellung und Verlag:

Tredition ® GmbH,

 

Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN:

978-3-7497-5848-7 (Paperback)

 

978-3-7497-5849-4 (Hardcover)

 

978-3-7497-5850-0 (e-Book)

Inhaltsverzeichnis

Personen in der Geschichte

Die Begegnung am Gardasee

Ausflug zum Iseosee

Heimfahrt mit Unterbrechung

Wieder zu Hause

Alltag in der Redaktion

Vorbereitungen für das Seefest

Mittagspause mit Folgen

Mit Liz auf dem Seefest

Fabian muss es erfahren

Ich lerne Fabian kennen

Ein magischer Abend

Sonntagsglück

Liz erzählt vom Geburtstag

Einkaufslust

Urlaubspläne

Flamenco-Abend

Besuch bei den Eltern

Treffen mit Familie Heger

Kontakt mit Chiara

Wanderung am Tegernsee

Der Urlaub wird beschlossen

Fabrizio rastet aus

Ein klärendes Gespräch

Ninas 18. Geburtstag

Abfahrt in den Urlaub

Überraschende Neuigkeiten

Traumhafte Tage in Riomaggiore

Vor vollendeten Tatsachen

Abschied von Fabian

Das Oktoberfest

Gedanken um Fabian

Weihnachtsferien

Gedankenspiele

Der Ernstfall

Personen in der Geschichte

Maximilian (Max) Haunschild:Freier Journalist, Inhaber einer Presse-Agentur

Elisabeth (Liz) Bergmann:geschiedene Riazzi, Mutter von Fabian

Fabrizio Riazzigeschiedener Mann von Liz, Vater von Fabian

Fabian Riazzi:Sohn von Liz Bergmann und Fabrizio Riazzi

Massimo Riazzi:Bruder von Fabrizio Riazzi, geschieden von Chiara

Chiara Riazzi (lebt in Italien):Schwägerin und Freundin von Liz, geschieden von Massimo Riazzi

Elisabeth (Lilly) Seidl: Sekretärin von Max Haunschild

Christoph (Chris) Heger: Bruder von Nina, Freund von Fabian

Nina Heger: Schwester von Chris, Freundin von Fabian

Albert und Annemarie Heger: Eltern von Nina und Chris

Margot Bergmann: Mutter von Liz

Anni: Zugehfrau bei Max

Maria: Vermieterin in Riomaggiore

Benjamin (Benni) Ziegler: Freier Journalist bei Max Haunschild

Bernd Rieger: Freier Journalist bei Max Haunschild

Willi Heigl: Freier Journalist bei Max Haunschild

Thomas März: Freund von Max Haunschild aus Studienzeit.

Herr Paschke: Chef der Siedlergemeinschaft

Die Begegnung am Gardasee

Sie stand da und blickte in die Ferne – so, als ob sie durch etwas hindurchschaute. Ihr Blick schweifte nicht umher, er hielt still. Kein Gegenstand war zu sehen, den sie betrachtete – offensichtlich war sie in angenehmen Gedanken versunken. Ihr Gesichtsausdruck war entspannt, ja glücklich – verträumt. Wie eine Statue stand sie da, ruhig, ganz in sich gekehrt. Die rechte Hand hatte sie an ihre Wange gelegt und den Ellbogen in die Hand des angewinkelten linken Unterarms gestützt. Worüber sie nachdachte, konnte ich mir gut vorstellen, denn wir befanden uns im Botanischen Garten von André Heller in Gardone Riviera, einem Ort im Südwesten des Gardasees. Und wer den Park kennt, weiß, dass er einen fasziniert, ja verzaubert. Er ist ein Ort für sinnliches Genießen.

André Heller hatte ihn Ende der 1980er Jahre erworben und nach seiner Vorstellung eines Weltgartens mit Werken internationaler bekannter Künstler gestaltet. Angelegt wurde er bereits vor dem Ersten Weltkrieg von Arthur Hruska, am Hang des Monte Lavino. Der Park beheimatet eine Vielzahl mächtiger Bäume und exotischer Pflanzen aus aller Welt. Im ersten Eindruck mag er einem vielleicht als verwildert erscheinen. Jedoch gewinnt man ein ganz anderes Bild, wenn man erst einmal auf den vielen, sich den Hang hoch und quer windenden Wegen und Pfaden schlendert und dabei die Vielfalt der Flora und die geheimnisvollen, magischen Kunstwerke, die überall zu finden sind, betrachtet und verinnerlicht: Es ist im Grunde ein geordneter Garten. Dass man ab und zu diese Eindrücke noch einmal an einem ruhigen Fleckchen vor seinem inneren Auge betrachten möchte, ist mehr als verständlich.

Genauso musste es ihr jetzt ergangen sein. Ich konnte buchstäblich sehen, wie sie all diese Eindrücke noch einmal auf sich wirken ließ. Schließlich versetzte es mich ebenso in diese Laune, in der sie sich jetzt sichtlich befand.

An diesem Tag waren nicht allzu viele Menschen im Park anzutreffen. Die wenigen verteilten sich in dem über eineinhalb Hektar großen Gelände. Da konnte es vorkommen, dass man eine halbe Stunde lang niemandem begegnete; auch dieser Weg, auf dem wir uns befanden, führte zu keiner der vielförmigen Sehenswürdigkeiten.

Eben in diesem Augenblick kam ich hierher, in dem sie vielleicht allein sein wollte. Vielleicht nahm sie mich auch gar nicht wahr, da sie in diesem Moment mit sich und der Umgebung eins zu sein schien.

Ich spazierte langsam. Der Weg war schattig, hatte aber dann und wann Abschnitte, in denen sich das Sonnenlicht ausbreiten konnte. An so einem sonnigen Fleck sah ich sie also stehen. Ein paar Schritte von ihr entfernt, im Schatten weit ausladender Äste eines Blutpflaumenbaumes, hielt ich inne, um sie nicht zu stören. Aber auch, weil ich sie ein wenig betrachten wollte. Ihr Kopf war nach vorne gerichtet, so konnte ich sie nur im Profil sehen. Die Proportionen von Stirn, Augenpartie, Nase, Mund und Kinn empfand ich als sehr ausgewogen – klassisch. Erstaunlicherweise wirkte sie auf mich wie jemand, den ich glaubte, zu kennen – zu dem ich hingehen und ihn herzlich begrüßen wollte. Ihr elegantes und unbeschwertes Aussehen weckte in mir diesen Wunsch. Ich versuchte, ihr Alter zu schätzen. Sie wirkte jugendlich, oder besser gesagt jung geblieben. Ihr Alter schätzte ich auf knapp vierzig Jahre. Sie trug ein helles T-Shirt – ich konnte bei dem Gegenlicht den Farbton schwer erkennen – dazu trug sie eine dunkelfarbene, eng anliegende Hose. Ihre Figur kam dabei vorteilhaft zur Geltung. Die Körpergröße war von meiner Perspektive aus weder zu groß noch zu klein. Ihre Haare: dunkelblond, schulterlang, mit einer leichten Innenrolle. Eine flotte, adrette Erscheinung – kein „Model-Typ“.

Ich verweilte nur kurz in dieser Warteposition. Dann ging ich auf die Bank zu, die hinter ihr stand. Auch ich wollte meine Eindrücke vom Park, die gesamte Stimmung, noch einmal auf mich wirken lassen. Gerade als ich mich niedersetzte, wandte sie ihren Kopf in meine Richtung. Ihr ohnehin froh gestimmter Gesichtsausdruck veränderte sich in ein freundliches Lächeln. Ich erwiderte das und nickte. Jetzt, als ich ihr ganzes Gesicht sah, empfand ich sie als noch bezaubernder – wie schön sie war! Ich wurde richtiggehend unruhig und hatte das Gefühl, mein Blut floss heftiger als sonst durch meine Adern. – Und da: Ich glaubte, nicht richtig zu sehen – sie kam auf mich zu – mit einer Freude, als würde sie mich kennen. Ich erhob mich kurz mit einem höflichen Lächeln und deutete auf die Bank hin: „Möchten Sie sich setzen?“ Ich war überrascht über mich selbst, über meine unwillkürliche Reaktion.

„Ist es nicht traumhaft hier!“, antwortete sie und setzte sich neben mich – ganz nah, obwohl die Bank Platz für mehrere Personen bot.

Eigentlich bin ich nicht leicht aus der Fassung zu bringen, aber in diesem Augenblick fühlte ich mich etwas überfordert – es dauerte ein paar Sekunden, bis ich den Gesprächsfaden wiederfand.

„Ja, das finde ich auch – doch darf ich mich erst einmal vorstellen: Maximilian Haunschild – aus München.“

„Das ist ja ein Zufall, ich komme auch aus München – und dass wir hier an einem so wundervollen Platz zusammentreffen, ist das nicht noch ein weiterer Zufall? – Ich heiße Liz Bergmann. Mein Taufname ist Elisabeth, aber wer möchte schon mit einem so altmodischen Namen angesprochen werden? Deshalb war ich bereits sehr früh die Liz. Finden Sie nicht auch, dass Liz besser zu mir passt?“, erwiderte sie mit einer verbindlichen Heiterkeit.

„Doch, man könnte ja noch ein ‚i‘ dranhängen“, witzelte ich. „Aber Spaß beiseite: Ich finde, Elisabeth ist ein edler Name. Elisabeth ist die Landespatronin von Hessen und Thüringen. Und bei den Protestanten wird sie sogar als Sinnbild tätiger Nächstenliebe verehrt. Auch die englische Königin heißt so.“ So schmeichelte ich ihrem Namen.

„Mag sein …“, war ihr kurzer Kommentar.

Dann ergänzte ich noch: „Ich kenne auch eine Elisabeth, die bevorzugt ebenso eine Kurzform ihres Namens.“

Nach diesem belanglosen Dialog schwärmten wir übereinstimmend von dem wilden, schönen Garten mit seinen prächtigen Bäumen, dieser üppigen, exotischen Flora und den skurrilen, fantastischen, ja oft gespenstisch wirkenden Kunstinstallationen, die einem versteckt hinter wuchernden Pflanzen oder einfach am Wegesrand begegneten.

Die Bank, auf der wir saßen, stand im hellen Licht, außerhalb des Schattens der gewaltigen Äste, die über dem Weg hingen. Es war ein traumhafter Sommertag, Mitte Juni. Die nur diffusen Sonnenstrahlen konnten wir gut ertragen.

Ich fühlte mich so beschwingt, dass ich an mich halten musste, um ganz Gentleman zu bleiben. Beinahe wollte ich meinen Arm selbstverständlich wie bei einer vertrauten Freundin um ihre Schulter legen.

Es könnte eine Stunde vergangen gewesen sein, als ich dann doch wissen wollte, was Liz Bergmann hierhergeführt hatte und was sie heute noch vorhatte.

„Entschuldigen Sie, dass ich auf die Uhr schaue – haben Sie heute noch etwas auf dem Programm stehen? Sie werden doch nicht noch nach München zurückfahren!?“

„Doch – ach, wie spät ist es denn?“, reagierte sie aufgeschreckt.

„Kurz vor zwei Uhr. Sind Sie nur wegen einem Tag hierhergefahren?“, fragte ich, obwohl mir klar war, dass der Besuch des Gartens nicht allein der Grund ihrer Reise sein konnte.

„Nein, ich bin bereits seit Donnerstag in Italien; ich habe meine Freundin in Cremona besucht“, antwortete Liz freimütig.

„Ah – die Geigenbauerstadt – Stradivari“, fügte ich gleich hinzu. „Ich nehme an, Sie haben dort übernachtet.“

„Eben – daher habe ich keine Unterkunft hier, schon deshalb muss ich los; es sind sicher noch fünf bis sechs Stunden Fahrt“, klärte sie mich auf.

Das klang einleuchtend.

Ich kam mir zwar vor, als würde ich ein Verhör führen, doch meine Neugier war einfach zu groß.

„Ruft die Familie?“, fragte ich.

„Nein – doch, eigentlich schon – mein Sohn – er ist bei meiner Mutter“, erklärte Liz.

„Ist er noch klein?“, wollte ich wissen.

„Nein, er wird demnächst 18. – Jetzt staunen Sie!“ Und sie sah mich dabei an, als würde sie das Erstaunen einfordern.

„Ja, das kann man wohl sagen. Aber dann ist er doch schon ziemlich selbstständig, und die Oma passt doch sicher gut auf“, meinte ich verständnisvoll.

Sie schaute mich forsch an. „Auf sich aufpassen kann er wohl selbst, doch sie versorgt ihn mit Essen.“ Dann war aber Schluss bei Liz: „Ich möchte jetzt nicht weiter darüber reden.“

Ich glaubte, einen veränderten, etwas ernsten Ausdruck in ihrem Gesicht zu erkennen.

„Ich verstehe“, sagte ich ganz automatisch. Verstanden hatte ich allerdings gar nichts. Eine junge Frau (ja, so schien sie wirklich) mit einem 18-jährigen Sohn bei ihrer Mutter – ihr Mann, sein Vater, wurde nicht erwähnt! – Geschieden? Verstorben? Plötzlich verschwand meine Unbefangenheit; mein Gehirn verarbeitete blitzschnell die Gedanken, die mir durch den Kopf schossen. Mein Interesse an ihr stieg, meine Zuneigung wurde eher stärker, oder war es Fürsorge? Dieser Wirrwarr meiner Gedanken war mir neu. Aber weiter wollte ich sie nach ihren familiären Verhältnisse nicht mehr fragen, obwohl meine Neugier groß war. Offensichtlich war es ihr nicht recht, dieses Thema zu vertiefen, und ich wollte sie nicht in einen Konflikt bringen. Auch meinen glückseligen Zustand wollte ich mir nicht verderben.

Wir erhoben uns beide gleichzeitig von der Bank und gingen langsam und schweigend den Weg hangabwärts zum Ausgang, knappe zehn Minuten lang. Liz‘ Blick war mehr auf den Weg gerichtet als auf das, was um uns herum war. Anscheinend beschäftigten sie jetzt Gedanken an unangenehme Erinnerungen.

Ich wollte wieder an unser vergnügtes Gespräch anknüpfen. „Übrigens, heute beginnt Christos Projekt ‚Floating Piers‘ im Iseosee – haben Sie davon gehört?“, fragte ich sie.

„Oh, ja. Ich wollte sie mir am Schluss der Veranstaltung ansehen, sie sind ja über zwei Wochen zugänglich. Ich denke, am ersten Tag wird es höllisch zugehen. Und außerdem habe ich, wie ich schon sagte, keine Unterkunft, also muss ich fahren.“

Ihr Interesse an den Floating Piers war klar zu hören. Aber dass sie heimfahren musste, war logisch. Wenn ich sie also zum Hierbleiben überreden wollte, musste ich schnell einen Plan finden. So fragte ich ohne Umschweife: „Was halten Sie davon, wenn wir uns morgen gemeinsam das Vergnügen gönnen? Sie könnten zu Hause anrufen und sich erkundigen, ob Ihre Rückkehr einen Tag später in Ordnung wäre? Dann hängen Sie einfach noch einen Tag dran. Und die Unterkunft sollte kein unüberwindliches Problem sein; ich wohne hier im Grand Hotel. Es ist nicht ausgebucht, den Eindruck hatte ich – also könnten wir sicher noch ein Zimmer für Sie bekommen.“

„Sind Sie schon länger hier?“, wollte sie wissen, ohne auf meinen Vorschlag einzugehen.

„Nein, ich bin heute erst angekommen, habe aber bereits eingecheckt.“ Das Zimmer hatte ich zuvor von München aus bestellt.

Sie winkte ab. „Grand Hotel!? Das ist eine Nummer zu groß für mich.“

Die Floating Piers zu besuchen, war sie aber offensichtlich nicht abgeneigt. Zum Thema Unterkunft musste ich also noch etwas anbieten.

„Wenn Sie erlauben, würde ich das übernehmen, und ich lade Sie auch morgen zu Christo ein.“

„Na hören Sie!“, reagierte Liz etwas erschrocken. „Wie kommen Sie dazu, einer Fremden so etwas anzubieten? Sie kennen mich nicht und ich Sie auch nicht! So ein Geschenk macht man einer guten Freundin!“

„Ich weiß, das erscheint ein bisschen anmaßend. Und ich kann Sie gut verstehen, wenn Sie das so empfinden, aber ich bitte Sie, betrachten Sie es nicht als aufdringlich – es wäre mir wirklich eine große Freude.“ So versuchte ich, die Situation zu entspannen. Nachdem keine Antwort kam, bemühte ich mich weiter, ihren Schreck zu mildern.

„Betrachten Sie mein Angebot als Geschenk, als Gegengeschenk – für all diese Glücksgefühle, die Sie in mir ausgelöst haben – da oben, als ich Sie stehen und sinnieren sah, als Sie sich zu mir auf die Bank setzten. Wie fröhlich ich gestimmt war während unserer Unterhaltung! Das waren für mich Geschenke, und dafür möchte ich Ihnen danken, deshalb die Einladung – bitte verstehen Sie es nicht falsch.“

Sie blieb immer noch still, senkte leicht ihren Kopf, doch ihr Gesichtsausdruck wurde wieder freundlich. Schweigend gingen wir weiter bergab. Der Ausgang war in Sichtweite.

Erneut versuchte ich, ein Gespräch zu beginnen: „Wo steht Ihr Auto? Wir können es in die Hotelgarage bringen, da steht auch meines.“

„Ich bin mir immer noch nicht schlüssig“, sagte sie, ohne mich anzusehen.

„Worüber? – Wo ihr Auto steht?“, alberte ich.

„Nein …“, erwiderte sie lachend, „nein – ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll – das, was Sie mir eben erzählt haben, beschäftigt mich.“

„Finden Sie es nicht richtig, wenn man ehrlich seine Gefühle zugibt? Darf ein Mann das nicht?“, forderte ich nochmals eine Antwort.

„Doch, schon, im Gegenteil, ich finde es ebenso rührend wie schön“, bestätigte sie mir. „Auch wenn das jetzt komisch klingen mag, ähnlich habe ich die ganze Zeit gefühlt. Und dazu noch Ihr Angebot – all das hat mich aufgewühlt.“

Nun war ich mir sicher: Es war Liebe, die es ihr schwer machte, vernünftig zu denken. Ich verspürte ihr gegenüber ebenfalls eine große Zuneigung und wollte das auch zum Ausdruck bringen.

„Ich finde, es ist etwas Besonderes, wenn zwei Menschen gleichzeitig so eine tiefe Sympathie füreinander empfinden – man könnte glatt von ‚Liebe auf den ersten Blick‘ sprechen, finden Sie nicht auch?“

Sie antwortete nicht darauf – widersprach auch nicht. So fühlte ich mich bestätigt: Es war Liebe.

Um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, wechselte ich das Thema.

„Ich schlage vor, wir gehen zu Ihrem Auto und fahren es in die Hotelgarage. Dann rufen Sie zu Hause an und erklären, dass Sie erst am Sonntagabend zurückkommen werden. Inzwischen warte ich auf Sie an der Rezeption. Wenn mit Ihrer Familie alles geklärt ist, melde ich Sie an. Anschließend setzen wir uns auf die Seeterrasse und nehmen ein Getränk oder ein Eis oder wonach Ihnen sonst noch ist. Dort, finde ich, ist der bessere Ort zu plaudern als hier am Ausgang.“

Sie schwieg immer noch, doch ihre ablehnende Haltung schien zu bröckeln. Da nahm ich ihre Hand und hakte sie unter meinen rechten Arm.

„Führen Sie mich“, forderte ich sie galant auf und sah ihr dabei liebevoll in die Augen.

Bereitwillig schritt sie voran, entlang der Via Roma bis in die Via Arturo Hruska. Von hier, wo sie ihr Auto geparkt hatte, waren es nur noch wenige Minuten bis zum Hotel.

In der Hotelhalle ging ich an die Rezeption, um nach einem freien Zimmer zu fragen. Inzwischen erledigte Liz Bergmann das Telefonat. Als Gepäck hatte sie nur einen kleinen Trolley bei sich. Von der Rezeptionsdame bekam ich grünes Licht, es gab also noch ein freies Zimmer.

Nach einigen Minuten kam Liz zur Rezeption. Sie machte einen gelösten Eindruck und hatte wieder ihren freundlichen, verbindlichen Gesichtsausdruck. Ich blickte sie nur fragend an, worauf sie mir mit einem fröhlichen Kopfnicken signalisierte, dass die Verlängerung ihres Aufenthaltes geregelt sei. Ich nahm die Schlüssel von der Rezeption und begleitete sie nach oben in den ersten Stock zu ihrem Zimmer; es war nach Süden gerichtet, direkt zum See, und hatte einen großen Balkon. Die Einrichtung war elegant im klassischen Stil. Ich kannte die Zimmer, meines lag nebenan, und das war kein Zufall, ich hatte es an der Rezeption so arrangiert. Liz wusste das natürlich nicht.

„Ich lasse Sie jetzt alleine und schlage vor, wir treffen uns unten in der Halle, in etwa zwanzig Minuten, ist Ihnen das recht?“

Gerade als ich zu meinem Zimmer gehen wollte, wandte sich Liz zu mir.

„Also – ich bin immer noch berührt von Ihrem Angebot und hin- und hergerissen, ich finde immer noch nicht die richtigen Worte“, sagte sie. Dabei trat sie näher zu mir und schaute mich innig an. Ihre blauen Augen strahlten, ihr Blick war so reizend und lieblich, dass ich beinahe etwas unsicher wurde. Ich konnte doch nicht dastehen wie ein schüchterner Teenager! So trat ich ebenfalls einen Schritt näher auf sie zu. Wie abgesprochen streckten wir beide gleichzeitig unsere Arme aus und umarmten uns. Dabei flüsterte sie leise: „Dankeschön“, und gab mir einen Kuss auf die Wange.

„Also, bis dann …“ Mehr brachte ich momentan nicht heraus, dann ging ich zur Tür meines Zimmers.

Mein Gefühlsleben war ziemlich aufgewühlt, verwirrte Gedanken schossen mir durch den Kopf: Hätte ich sie küssen sollen? Richtig küssen – wie ich es eigentlich längst tun wollte? War es korrekt, zu gehen und sie allein zu lassen mit ihren Fragen, von denen sie sicher eine Menge hatte? Ich beruhigte mich damit, dass der Tag ja noch nicht zu Ende war.

Nachdem ich mich etwas frisch gemacht und das Hemd gewechselt hatte, ging ich nach unten. In der Lounge machte ich es mir in einem Sessel am Fenster bequem. Mein Blick schweifte indes auf den friedlichen See und die im Osten liegenden Berge. Ich wurde ruhig und empfand Glückseligkeit.

Nach wenigen Minuten erschien sie – Liz Bergmann. Charmant und noch bezaubernder. Freundlich lächelnd kam sie auf mich zu, beschwingt, selbstbewusst. Ich erhob mich, ging ihr einen Schritt entgegen, nahm ihre Hand und deutete einen Handkuss an.

„Wunderbar sehen Sie aus, und es freut mich außerordentlich, dass Ihre Verlängerung bis morgen geklappt hat. Kommen Sie, gehen wir nach draußen.“

Sie bedankte sich mit einem strahlenden Lächeln.

Das Hotel liegt direkt am See, es hat mehrere große Terrassen und einen ausgedehnten Swimmingpool. Verschiedenartige mediterrane Sträucher sowie Palmen spenden angenehmen Schatten.

Wir nahmen an einem kleinen runden Tisch auf der Terrasse vor dem Restaurant Platz. Unter der Rundbogen-Markise war es erfrischend kühl, wir hatten einen freien Blick direkt auf den See. Linienschiffe fuhren vorbei; Segler waren keine zu sehen, es war fast windstill. Auf dieser Terrasse waren nur wenige Gäste; weiter vorne jedoch, am Pool und auf der Sonnenterrasse, ging es lebhafter zu. Die Sonne stand bereits schräg im Westen, aber es war noch angenehm warm.

„Für Kaffee ist es wohl zu spät, sonst können Sie nicht schlafen, aber vielleicht darf es ein Aperitif sein? Oder ein Saft?“ Ich reichte Liz die Getränkekarte.

„Mein Schlaf wird sicher nicht wegen des Kaffees beeinträchtigt sein, da gibt es andere Gründe. – Ich nehme gerne einen Cappuccino.“ In ihrer Antwort war eine Andeutung zu hören, die mich kurz stocken ließ, doch ich ging nicht weiter darauf ein und fragte: „Und Cantuccini dazu oder Kuchen?“

Die Bedienung war inzwischen bei uns. Ich staunte nicht schlecht, als Liz Bergmann sie in fließendem Italienisch begrüßte und die Bestellung aufgab. Dann unterbrach sie kurz, schaute zu mir und fragte: „Und was nimmst du – oh pardon – was nehmen Sie?“

„Äh – ja – dasselbe …“ Mehr fiel mir vor lauter Aufregung nicht ein. Liz wandte sich wieder der Bedienung zu, um die Bestellung zu ergänzen.

„Entschuldigen Sie, das Du ist mir so herausgerutscht …“

„Nein, nein, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen!“, wehrte ich ab. „Sie sind mir vielmehr zuvorgekommen. Denn mir liegt es längst schon am Herzen, dass wir uns duzen.“

„Also dann, ich bin die Liz, das wissen Sie ja bereits …“

„Ich heiße Maximilian. Doch wer möchte schon mit einem so altmodischen Namen angesprochen werden? Deshalb: Max.“

Daraufhin lachte sie, da sie meine Anspielung gleich durchschaute.

„Max – gefällt mir gut. Ist kurz und erinnert mich an Lausbuben.“

„Hoho! Danke für die Blumen!“

Dann gab sie mir einen Kuss, wieder auf die Wange, wahrscheinlich als Wiedergutmachung für den „Lausbuben“.

So, dachte ich, jetzt aber nicht kneifen und die Gelegenheit beim Schopfe packen.

„Ich denke, nur ein echter Kuss gilt als Besiegelung für das Du.“ Und ohne auf eine Antwort zu warten, küsste ich sie auf den Mund. Sie wehrte sich nicht und drückte ihre Lippen fest auf meine.

„So, das wollen wir aber auch noch begießen.“ Ich stand auf und eilte in das Restaurant zu unserer Bedienung.

„Due bicchieri di champagne per favore“, bat ich die freundliche Signora. Da sie lachte und meine Bestellung mit sprudelndem Italienisch kommentierte, nahm ich an, dass ich sie korrekt ausgesprochen hatte.

Zurück am Tisch strahlte mich Liz an.

„Was war das denn jetzt?“

„Alles hat seine Regeln …“, antwortete ich. Da kam auch schon die Kellnerin mit zwei Gläsern und einer kleinen Flasche Champagner.

„Sie sind …, ach, ich meine natürlich, du bist mir vielleicht einer!“, sagte Liz augenzwinkernd. „Also dann – auf was trinken wir?“

Ich wollte beinahe sagen: „Auf die Liebe“, da fiel mir gerade noch ein, dass es für eine solche Aussage vielleicht noch zu früh war. „Auf uns!“, rief ich stattdessen nicht sehr fantasievoll.

„Ja, und auf den wunderschönen Tag!“, ergänzte Liz.

Wir stießen miteinander an, wie schön klangen die Gläser. Und der spritzige Champagner war ein Genuss! Wie auf Kommando mussten wir beide gleichzeitig lachen. Ich beugte mich zu Liz und gab ihr einen Kuss auf die Wange; sie griff meine rechte Hand und drückte sie, dabei blickte sie mich mit einem glückstrahlenden Gesicht an. Auch mich überkam eine wohlige Stimmung.

Inzwischen hatte uns die Bedienung den Cappuccino und die Cantuccini gebracht.

„Es ist doch beinahe wie ein Traum, so viel Schönes an einem Nachmittag!“, sagte ich begeistert.

„… der nie enden sollte!“, ergänzte Liz lachend und lehnte sich dabei an meine rechte Seite. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern, und so saßen wir eine Zeit lang und schwiegen. Jeder von uns dachte wahrscheinlich das Gleiche: Wie soll das weitergehen? So viel Glück und Freude im Einklang. Beide genossen wir sichtlich diesen momentanen Zustand und wollten gar nicht weiter nachdenken. Zwischendurch nippten wir am Champagner; die Cantuccini schmeckten hervorragend dazu.

Nach einer Weile des stillen Genießens löste ich mich aus der Umarmung und rückte meinen Stuhl so, dass ich Liz ins Gesicht sehen konnte.

„Sag mal …“, begann ich vorsichtig und machte eine kleine Kunstpause, „vorhin, bei der Bedienung, hast du ein beeindruckendes Italienisch gesprochen – hast du einen besonderen Bezug zu Italien?“

„Ja, das kann man sagen …“

Sie war noch nicht fertig mit dem, was sie sagen wollte, das sah ich ihrem Gesichtsausdruck an. Offensichtlich dachte sie nach, wie sie es formulieren sollte, doch am Ende antwortete sie nicht auf meine Frage. Stattdessen wechselte sie das Thema.

„Was machst denn du so, wenn du dir nicht gerade den botanischen Garten von Gardone ansiehst?“ Das fragte sie in einem so netten, raffinierten Ton, dass ich erst kurz überlegen musste, wie sie das wohl meinte.

„Meinst du in meiner Freizeit oder beruflich?“, fragte ich schmunzelnd zurück. Natürlich wollte sie wissen, was ich beruflich mache.

„Ich bin freier Journalist und habe eine Presseagentur“, erklärte ich. „Für mich arbeiten weitere freie Journalisten als Berichterstatter und als Fotografen. Die Reportagen, Berichte und Bilder werden bearbeitet, dann an Zeitungen, Zeitschriften und Magazine verkauft, sogar an eine deutschsprachige Zeitung in den USA, die Amerika Woche. Und manchmal auch an Rundfunk- und Fernsehsender. Zudem schreibe ich eine Kolumne in einer Münchener Wochenend-Zeitung und verfasse auch selbst Publikationen. Meine Agentur hat auch noch eine Website mit vielen aktuellen Informationen über Ereignisse, Reisen, Hotels und Veranstaltungen; regional, national und international.“

„Wow, das ist aber spannend! Und da hast du noch Zeit, dir freie Tage zu gönnen?“ Liz schien beeindruckt.

„Tja, ich kann manchmal das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden; zum Beispiel wird mein Italienbesuch in irgendeiner Form als Beitrag in einer Zeitschrift erscheinen; ich werde vom Botanischen Garten berichten und von den ‚Floating Piers‘ …“

„… und von uns“, flocht Liz ein.

„Nein, sicher nicht, Privates hat nichts in der Presse zu suchen“, winkte ich ab.

„Und du managst das alles alleine, die Informationen deiner Journalisten, die Ausgaben an die Verlage, die Pflege der Website und so weiter?“, fragte Liz interessiert.

„Nein, nicht alleine. Da habe ich ‚meine Elisabeth‘.“

„Was heißt ‚deine Elisabeth‘?“ Nun war Liz neugierig geworden.

„Ich erzählte dir doch oben im Park, dass ich eine Elisabeth kenne, das ist meine Sekretärin, meine rechte Hand, die sich Lilly nennt. Sie studierte ebenso Journalismus und managt mein Büro mit all den freien Journalisten, mit denen ich zusammenarbeite, und mit den Redaktionen der Verlage. Außerdem aktualisiert sie unsere Website mit den neuesten und wichtigsten Informationen.“

„Aha, deshalb hast du so ein tolles Loblied auf die Elisabeth gehalten!“ Liz war sichtlich zufrieden mit meiner Antwort.

„Ich gebe zu, das war nicht allein wegen des Namens“, fügte ich hinzu, „das war hauptsächlich ihretwegen. Ja, sie ist wirklich eine Spitzenkraft, und ich könnte mir so manche freie Zeit nicht leisten, wenn ich sie nicht hätte.“

„Und deine Frau, kann die dir nicht helfen?“ Diese Frage von Liz war zu erwarten.

„Aahh, jetzt hast du aber sehr raffiniert gefragt – nein, ich bin nicht verheiratet.“ Nun wollte ich natürlich auch Näheres zu ihrem Italienbezug erfahren. „Halte mich bitte nicht für aufdringlich, Liz, aber jetzt würde ich gerne wissen, was dich mit Italien verbindet – du sprichst perfekt die Sprache, du hast eine italienische Freundin …“

„… und ich war mit einem Italiener verheiratet“, ergänzte sie.

Damit hatte ich nicht gerechnet, im Moment war ich ein wenig baff. Jetzt war ich richtig neugierig, was sie mir weiter erzählen würde. Drängen wollte ich sie jedoch nicht.

„Du bist geschieden? Und dein Sohn …“

„… ist Italiener. Chiara, meine Freundin in Cremona, ist beziehungsweise war meine Schwägerin, die Frau des Bruders meines Mannes, meines geschiedenen Mannes“, erklärte mir Liz.

„Also jetzt bin ich ein wenig verwirrt. Dein Familienname ist doch Bergmann, wenn ich mich recht erinnere?“ Mein Interesse steigerte sich.

„Das stimmt, es ist mein Mädchenname, den ich wieder angenommen habe. Verheiratet hieß ich Riazzi“, erläuterte Liz.

Ich lenkte ein: „Wenn es dir unangenehm ist, brauchst du nicht weiterzuerzählen …“

„Ist schon gut. Mir liegt es sehr am Herzen, mit jemandem Vertrauten darüber zu reden, und wir waren ja bereits mehrmals nahe bei diesem Thema“, beruhigte mich Liz.

„Ich kann mir vorstellen, dass man eine Ehe, auch nachdem die Scheidung vollzogen ist, nicht einfach vergessen kann, zumal ja dein Sohn ein bleibender Teil davon ist.“ Damit wollte ich mein Verständnis zum Ausdruck bringen.

Liz erzählte weiter: „Die Scheidung ist fünf Jahre her, aber wenn ich an den Zustand der letzten Ehejahre denke, versetzt mich das immer noch in eine traurige Stimmung.“

„Trotzdem bist du ein lebensfroher Mensch geblieben“, sagte ich anerkennend.

„Wir hatten wunderschöne, glückliche Jahre. Ich war erst 21 und noch in der Ausbildung, als ich schwanger wurde. Wir heirateten dann auch.“ Um ihren Mund war ein glückliches Lächeln zu erkennen, doch hielt sie ihren Blick gesenkt und wirkte nachdenklich. „Die ersten Jahre waren wir verliebt und lebten nach dem Motto ‚Füreinander‘ – daraus wurde im Verlauf der Jahre dann eher ein ‚Miteinander‘, und die letzten Jahre unserer Ehe schließlich waren ein ‚Gegeneinander‘ …“

„… und schließlich ein ‚Auseinander‘ …“, ergänzte ich.

„Ja – aber das ist fünf Jahre her.“ In Liz‘ Gesicht spiegelten sich alle Gefühlszustände von Freud und Leid wider.

„Ich sehe, dass es dir immer noch sehr nahe geht, wenn du davon sprichst“, stellte ich fest.

„Ich könnte dir noch mehr über den Verlauf unserer Ehe und der Zeit danach sagen, dann würdest du vielleicht verstehen, dass die Scheidung zwar fünf Jahre her ist, vieles aber noch nicht vorbei ist.“

„Liz – bitte – beenden wir das Gespräch jetzt, vielleicht ergibt sich ein anderes Mal die Gelegenheit, weiterzureden. Ich möchte dich jetzt wieder in deiner heiteren Laune sehen. Hätte ich geahnt, wie dich diese Erinnerungen in emotionale Aufruhr bringen, niemals hätte ich dieses Thema angeschnitten.“

Wir wurden beide still, und ich sah, wie Liz‘ Gedanken noch weiterarbeiteten. Sie lehnte sich wieder an meine rechte Seite, und ich legte meinen Arm um ihre Schultern.

Es war inzwischen früher Abend. Der Champagner war leer, die Cantuccini waren aufgegessen und den Cappuccino hatten wir ausgetrunken. Die Sonne stand nun schräg im Westen, dadurch schien sie seitlich zu uns. Die Temperatur war immer noch angenehm warm. Ich schlug vor, noch ein paar Schritte auf der Strandpromenade zu schlendern; Liz lächelte mich wieder mit ihrem gewohnten Strahlen an und nickte einverstanden mit dem Kopf. Ich huschte noch schnell ins Restaurant, um die Rechnung zu begleichen.

Dann gingen wir gemütlich die Promenade entlang, Liz hakte sich an meinem rechten Arm ein, wir tauschten liebevolle Blicke. Am Ende der Promenade drehten wir um und gingen den gleichen Weg zurück. Er war gesäumt von blühenden Bougainvilleas, Strelitzien, Mönchspfeffer, Blauregen und ich weiß nicht, mit welchen Sträuchern noch. Beim Rückweg hatten wir die Sonne hinter uns und so erschienen die Büsche in goldenem Licht.

An der Rezeption angekommen, verlangten wir unsere Schlüssel (Liz in perfektem Italienisch) und gingen nach oben. Vor Liz‘ Zimmertür verabredeten wir uns dann für halb acht. „Ich werde dich hier abholen – einverstanden?“, schlug ich vor.

Sie nickte mit einem „Mhm“ und gab mir ein Küsschen auf den Mund.

„Bis später!“, sagte ich und ging nach nebenan zu meiner Tür.

Als Liz sah, wie ich das Zimmer neben ihr aufsperrte, war sie sichtlich erstaunt, fasste sich aber rasch. „Ei, ei, so ein Zufall!“ Dabei lachte sie und trat in ihr Zimmer.

Um uns frisch zu machen und umzuziehen, hatten wir ausreichend Zeit. Bis zur verabredeten Zeit war es noch etwa eine Stunde. Ich ging unter die Dusche, rasierte mich und schlüpfte in den hoteleigenen flauschigen Bademantel. Dann ging ich auf den Balkon, um mir den See und die Umgebung von oben anzusehen. Ein Tischchen mit zwei Stühlen stand da. Ich machte es mir auf einem bequem und genoss die Aussicht. Die schräge Sonne verlieh der Landschaft eine goldene, wunderschöne Beleuchtung, der dunkelblaue See lag ruhig da.

Wie ich so diese Abendstimmung betrachtete und genoss, verselbstständigten sich meine Gedanken und waren wieder bei Liz. Es beschäftigte mich, was sie über ihre Ehe erzählte – das heißt, eigentlich mehr, was sie nicht erzählte. Es war so eine Traurigkeit, ja Ängstlichkeit an ihr, als sie darüber sprach – ich konnte mir nicht erklären, was sie immer noch so bewegte. Sicherlich, eine Trennung ist schmerzlich, aber dass man nach fünf Jahren immer noch so betroffen sein konnte, wie sie es war, wunderte mich. Da musste noch etwas sein, was sie noch nicht verarbeitet hatte. Mir fiel ihr Satz „Vieles aber ist noch nicht vorbei“ wieder ein. Also musste jetzt immer noch etwas vorfallen. Ich konnte mir nicht vorstellen, worunter sie gegenwärtig noch litt. Sie hatte doch so eine Fröhlichkeit, so eine Leichtigkeit an sich! Ich wusste nicht, sollte ich sie bedauern oder bewundern. Fest stand für mich: Ich werde dieses Thema nicht noch einmal anschneiden.

Ich beendete mein Grübeln, ging ins Zimmer und zog mich an: Hose, kurzärmeliges Hemd, dünner Pullover, Slipper. Die Tür schnappte hinter mir ins Schloss, dann klopfte ich an Liz‘ Tür.

„Jaha, bin schon da!“, rief sie und gleich ging die Tür auf, und sie kam heraus, strahlend und elegant.

„Guten Abend – zauberhaft siehst du aus.“

„Guten Abend – danke schön“, erwiderte sie mit einem charmanten Lächeln.

Sie trug ein schwarzes Cocktail-Trägerkleid, glockig und knielang geschnitten, mit einer dezenten Pailletten-Applikation.