Meine schönsten Werke - Edgar Allan Poe - E-Book

Meine schönsten Werke E-Book

Edgar Allan Poe

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Beschreibung

Edgar Allan Poe gehört auch heute noch zu den meist gelesenen Autoren überhaupt. Seine Horror- und Kriminalgeschichten gehören zum Besten was Literatur zu bieten hat. Dieser Band umfasst eine Biographie des Autors, über 20 Gedichte, seinen Roman "Arthur Pym", über 50 Erzählungen und seinen Essay "Heureka".

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Meine schönsten Werke

Edgar Allan Poe

Inhalt:

Gedichte

Der Rabe

Lenore

Gebet

Das Kolosseum

An Helene

An Marie Louise Shew

Ulalume

Die Glocken

Annabel Lee

An meine Mutter

Das Geisterschloß

Eroberer Wurm

An Frances S. Osgood

An Eine im Paradies

Das Tal der Unrast

Die Stadt im Meer

Die Schlafende

Schweigen

Ein Traum in einem Traum

Traumland

An Zante

Eulalie

El Dorado

Israfel1

Für Annie

An –

Braut-Ballade

An F –

Die Abenteuer Gordon Pyms

Vorbemerkung

Kapitel I: Ein Vorabenteuer

Kapitel II: Das Versteck

Kapitel III: Der Tolle Hund

Kapitel IV: Die Meuterei

Kapitel V: Der Brief

Kapitel VI: Eine Hoffnung

Kapitel VII: Pläne

Kapitel VIII: Das Gespenst

Kapitel IX: Der Kampf um die Lebensmittel

Kapitel X: Das Geheimnisvolle Schiff

Kapitel XI: Die Flasche Portwein

Kapitel XII: Das kleinste Holz

Kapitel XIII: Endlich!

Kapitel XIV: Auf der ›Jane Guy‹

Kapitel XV: Dem Südpol zu

Kapitel XVI: Neue Menschen

Kapitel XVII: Das Dorf

Kapitel XVIII: Der Erdrutsch

Kapitel XIX: Der Kampf

Kapitel XX: Das Labyrinth

Kapitel XXI: Die Flucht

Kapitel XXII: Der weiße Riese

Nachbemerkungen

Metzengerstein

Der Duc de l'Omelette

Eine Geschichte aus Jerusalem

Bon-Bon

Das Manuskript in der Flasche

Das Stelldichein

Berenice

Morella

Hans Pfaalls Mondfahrt

Schatten

König Pest

Vier Tiere in einem

Maelzels Schachspieler

Schweigen

Ligeia

Der Teufel im Glockenstuhl

Der Untergang des Hauses Usher

William Wilson

Eiros und Charmion

Der Mann der Menge

Der Doppelmord in der Rue Morgue

Hinab in den Maelström

Die Feeninsel

Monos und Una

Eleonora

Das Ovale Porträt

Die Maske des roten Todes

Das Geheimnis der Marie Rogêt

Wassergrube und Pendel

Das schwatzende Herz

Der Goldkäfer

Die schwarze Katze

Die Brille

In den Bergen

Lebendig begraben

Mesmeristische Enthüllungen

Die längliche Kiste

Der Engel des Wunderlichen

Du hast's getan!

Des wohlachtbaren Herrn Thingum Bob

Der entwendete Brief

Die tausendundzweite Erzählung der Scheherazade

Gespräch mit einer Mumie

Die Macht des Wortes

Der Geist des Bösen

Das System des Dr. Teer und Prof. Feder

Die Tatsachen im Falle Waldemar

Die Sphinx

Das Faß Amontillado

Das Gut zu Arnheim

Mellonta Tauta

Hopp-Frosch

Von Kempelen und seine Entdeckung

Landors Landhaus

Heureka

Meine schönsten Werke, E. A. Poe

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849615895

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

Edgar Allan Poe – Biografie und Bibliografie

Amerikan. Schriftsteller, geb. 19. Jan. 1809 in Boston (Massachusetts). gest. 7. Okt. 1849 in Baltimore, verlor seine der Bühne angehörigen Eltern früh und wurde von dem Kaufmann Allan in Richmond (Virginia) adoptiert, der ihn gelegentlich einer Reise in Europa in einem englischen Pensionat in Stoke-Newington unterbrachte. Nach Amerika zurückgekehrt, trat P. in die Universität von Virginia ein und zeichnete sich durch hohe Geistesgaben, aber auch leichtsinniges Schuldenmachen aus. Vom Pflegevater gezwungen, die Anstalt zu verlassen und in ein Kontor einzutreten, ging P. heimlich davon und veröffentlichte in Boston einen kleinen Band Dichtungen: »Tamerlane and other verse« (1827), dem zwei Jahre darauf ein zweiter folgte: »Al Araaf, Tamerlane and minor poems«, die alle noch den Einfluß Moores und Byrons verraten. Da P. eine vorübergehende Neigung zur militärischen Laufbahn zeigte, brachte ihn sein Pflegevater in der Militärakademie von West Point unter, allein P. wurde bald wegen Disziplinarvergehen entlassen und sah sich 1831 abermals gezwungen, sich durch seine Feder ökonomisch unabhängig zu machen. Der erste materielle Erfolg war ein Preis von 100 Dollar für die Erzählung »MS. found in a bottle« (1833). Daraufhin zum Redakteur des »Southern Literary Messenger« in Richmond ernannt, heiratete P. seine Cousine Virginia Clemm und arbeitete mehrere Jahre fleißig als Redakteur und Kritiker für diese und andre Zeitungen. Aber sein ruheloses, unverträgliches Temperament und seine leichtsinnigen Gewohnheiten veranlaßten selbst die ihm aufrichtig wohlwollenden Verleger und Herausgeber immer wieder, ihre Beziehungen zu ihm zu lösen, und er fristete bis zu seinem Tode kümmerlich sein Dasein. Am längsten hielt er es in New York aus, wo seine Gattin 1847 starb. Von seinen Erzählungen, die sich durch geheimnisvolle Probleme, unheimliche Spannung und phantastische Färbung auszeichnen, erschienen: »Tales of the Arabesque and Grotesque« (1840) und »Prose Romances« (1843). Dann folgten: »The Raven and other poems« (1845), Dichtungen von seltsam malerischer und musikalischer Wirkung, in deren Eigenart der französische Symbolismus einen ihm eng verwandten Vorläufer anerkennt, und schließlich »Eureka, a prose poem« (1848). Wegen seines verbitterten, schroffen Wesens bei seinen Zeitgenossen unbeliebt, wurde ihm in Amerika erst geraume Zeit nach seinem Tode der ihm gebührende Platz in der amerikanischen Dichterwelt eingeräumt. Gesamtausgaben seiner Schriften sind die von Griswold (New York 1856; 4 Bde.; Lond. 1875, 4 Bde.), Stoddard (Lond. 1884, 6 Bde.), Stedman und Woodberry (New York 1895, illustriert, 10 Bde.), Jas. A. Harrisons.Virginia Edition' (Philad. 1902) und C. F. Richardsons. Arnheim Edition' (New York 1902).Sowohl seine Prosa als seine Dichtungen sind wiederholt ins Deutsche übertragen worden, zuletzt von Hedda und Artur Möller-Bruck (Mind. 1901–04, 10 Bde.), ausgewählte Gedichte von Lachmann (Berl. 1891), Novellen in Meyers Volksbüchern, Reclams Universal-Bibliothek u. a. Vgl.Mrs. S. Whitman, P. and his critics (New York 1860) sowie die Biographien von Griswold (das. 1850), Gill (das. 1877), Ingram (das. 1880), G. E. Woodberry (Boston 1885) und J. A. Harrison (»Life and letters of E. A. P.«, New York 1903, 2 Bde.); ferner G. Petit, Étude médico-psychologique sur Edgar P. (Par. 1905).

Gedichte

Der Rabe

(The Raven)

Einst in dunkler Mittnachtstunde,

als ich in entschwundner Kunde

Wunderlicher Bücher forschte,

bis mein Geist die Kraft verlor

Und mir's trübe ward im Kopfe,

kam mir's plötzlich vor, als klopfe

Jemand zag ans Tor, als klopfe –

klopfe jemand sacht ans Tor.

Irgendein Besucher, dacht ich,

pocht zur Nachtzeit noch ans Tor –

Weiter nichts. – So kam mir's vor.

Oh, ich weiß, es war in grimmer

Winternacht, gespenstischen Schimmer

Jagte jedes Scheit durchs Zimmer,

eh es kalt zu Asche fror.

Tief ersehnte ich den Morgen,

denn umsonst war's, Trost zu borgen

Aus den Büchern für das Sorgen

um die einzige Lenor,

Um die wunderbar Geliebte –

Engel nannten sie Lenor –,

Die für immer ich verlor.

Die Gardinen rauschten traurig,

und ihr Rascheln klang so schaurig,

Füllte mich mit Schreck und Grausen,

wie ich nie erschrak zuvor.

Um zu stillen Herzens Schlagen,

sein Erzittern und sein Zagen,

Mußt ich murmelnd nochmals sagen:

Ein Besucher klopft ans Tor. –

Ein verspäteter Besucher

klopft um Einlaß noch ans Tor,

Sprach ich meinem Herzen vor.

Alsobald ward meine Seele

stark und folgte dem Befehle.

»Herr«, so sprach ich, »oder Dame,

ach, verzeihen Sie, mein Ohr

Hat Ihr Pochen kaum vernommen,

denn ich war schon schlafbenommen,

Und Sie sind so sanft gekommen –

sanft gekommen an mein Tor;

Wußte kaum den Ton zu deuten ...«

Und ich machte auf das Tor:

Nichts als Dunkel stand davor.

Starr in dieses Dunkel spähend,

stand ich lange, nicht verstehend,

Träume träumend, die kein irdischer

Träumer je gewagt zuvor;

Doch es herrschte ungebrochen

Schweigen, aus dem Dunkel krochen

Keine Zeichen, und gesprochen

ward nur zart das Wort »Lenor«,

Zart von mir gehaucht – wie Echo

flog zurück das Wort »Lenor«.

Nichts als dies vernahm mein Ohr.

Wandte mich zurück ins Zimmer,

und mein Herz erschrak noch schlimmer,

Da ich wieder klopfen hörte,

etwas lauter als zuvor.

»Sollt ich«, sprach ich, »mich nicht irren,

hörte ich's am Fenster klirren;

Oh, ich werde bald entwirren

dieses Rätsels dunklen Flor –

Herz, sei still, ich will entwirren

dieses Rätsels dunklen Flor.

Tanzt ums Haus der Winde Chor?«

Hastig stieß ich auf die Schalter –

flatternd kam herein ein alter,

Stattlich großer, schwarzer Rabe,

wie aus heiliger Zeit hervor,

Machte keinerlei Verbeugung,

nicht die kleinste Dankbezeigung,

Flog mit edelmännischer Neigung

zu dem Pallaskopf empor,

Grade über meiner Türe

auf den Pallaskopf empor –

Saß – und still war's wie zuvor.

Doch das wichtige Gebaren

dieses schwarzen Sonderbaren

Löste meines Geistes Trauer,

und ich schalt ihn mit Humor:

»Alter, schäbig und geschoren,

sprich, was hast du hier verloren?

Niemand hat dich herbeschworen

aus dem Land der Nacht hervor.

Tu mir kund, wie heißt du, Stolzer

aus Plutonischem Land hervor?«

Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

Daß er sprach so klar verständlich –

ich erstaunte drob unendlich,

Kam die Antwort mir auch wenig

sinnvoll und erklärend vor.

Denn noch nie war dies geschehen:

über seiner Türe stehen

Hat wohl keiner noch gesehen

solchen Vogel je zuvor –

Über seiner Stubentüre

auf der Büste je zuvor,

Mit dem Namen »Nie du Tor«.

Doch ich hört in seinem Krächzen

seine ganze Seele ächzen,

War auch kurz sein Wort, und brachte

er auch nichts als dieses vor.

Unbeweglich sah er nieder,

rührte Kopf nicht noch Gefieder,

Und ich murrte, murmelnd wieder:

»Wie ich Freund und Trost verlor,

Werd ich morgen ihn verlieren –

wie ich alles schon verlor.«

Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

Seine schroff gesprochnen Laute

klangen passend, daß mir graute.

»Aber«, sprach ich, »nein, er plappert

nur sein einzig Können vor,

Das er seinem Herrn entlauschte,

dessen Pfad ein Unstern rauschte,

Bis er letzten Mut vertauschte

gegen trüber Lieder Chor –

Bis er trostlos trauerklagte in verstörter Lieder Chor

Mit dem Kehrreim: ›Nie du Tor.‹«

Da der Rabe das bedrückte

Herz zu Lächeln mir berückte,

Rollte ich den Polsterstuhl zu

Büste, Tür und Vogel vor,

Sank in Samtsitz, nachzusinnen,

Traum mit Träumen zu verspinnen

Über solchen Tiers Beginnen:

was es wohl gewollt zuvor –

Was der alte ungestalte

Vogel wohl gewollt zuvor

Mit dem Krächzen: »Nie du Tor.«

Saß, der Seele Brand beschwichtend,

keine Silbe an ihn richtend,

Seine Feueraugen wühlten

mir das Innerste empor.

Saß und kam zu keinem Wissen,

Herz und Hirn schien fortgerissen,

Lehnte meinen Kopf aufs Kissen

lichtbegossen – das Lenor

Pressen sollte – lila Kissen,

das nun nimmermehr Lenor

Pressen sollte wie zuvor!

Dann durchrann, so schien's, die schale

Luft ein Duft aus Weihrauchschale

Edler Engel, deren Schreiten

rings vom Teppich klang empor.

»Narr!« so schrie ich, »Gott bescherte

dir durch Engel das begehrte

Glück Vergessen: das entbehrte

Ruhen, Ruhen vor Lenor!

Trink, o trink das Glück: Vergessen

der verlorenen Lenor!«

Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

»Weiser!« rief ich, »sonder Zweifel

Weiser! – ob nun Tier, ob Teufel –

Ob dich Höllending die Hölle

oder Wetter warf hervor,

Wer dich nun auch trostlos sandte

oder trieb durch leere Lande

Hier in dies der Höll verwandte

Haus – sag, eh ich dich verlor:

Gibt's – o gibt's in Gilead Balsam? –

Sag mir's, eh ich dich verlor!«

Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

»Weiser!« rief ich, »sonder Zweifel

Weiser! – ob nun Tier, ob Teufel –

Schwör's beim Himmel uns zu Häupten –

schwör's beim Gott, den ich erkor –

Schwör's der Seele so voll Grauen:

soll dort fern in Edens Gauen

Ich ein strahlend Mädchen schauen,

die bei Engeln heißt Lenor? –

Sie, die Himmlische, umarmen,

die bei Engeln heißt Lenor?«

Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

»Sei dies Wort dein letztes, Rabe

oder Feind! Zurück zum Grabe!

Fort! zurück in Plutons Nächte!«

schrie ich auf und fuhr empor.

»Laß mein Schweigen ungebrochen!

Deine Lüge, frech gesprochen,

Hat mir weh das Herz durchstochen. –

Fort, von deinem Thron hervor!

Heb dein Wort aus meinem Herzen –

heb dich fort, vom Thron hervor!«

Sprach der Rabe: »Nie du Tor.«

Und der Rabe rührt sich nimmer,

sitzt noch immer, sitzt noch immer

Auf der blassen Pallasbüste,

die er sich zum Thron erkor.

Seine Augen träumen trunken

wie Dämonen traumversunken;

Mir zu Füßen hingesunken

droht sein Schatten tot empor.

Hebt aus Schatten meine Seele

je sich wieder frei empor? –

Nimmermehr – oh, nie du Tor!

Lenore

(Leonore)

Zerschellt die goldne Schale, ach!

Der Geist so fern entflogen!

Schickt Glockenschall der Seele nach,

die fort zum Styx gezogen!

Und Guy de Vere, weinst du nicht mehr?

Jetzt oder nie sei trübe!

Da liegt, sieh her, und liebt nie mehr

Lenore, deine Liebe.

Komm! laß vollziehn mit frommem Wort

des Grabes Heiligung –

Nichts Königlichres stirbt hinfort

als sie, die starb so jung –

Man singe, bete immerfort

für sie, die starb zu jung.

»Wichte! ihr Reichtum war euch lieb,

ihr Stolz war euch verhaßt,

Und da die Zarte fiel und blieb,

das Grab ihr segnen laßt!

Das Ritual und Requiem,

wie frommt's der Heiligung?

Durch euch – durch euch: den bösen Blick?

Durch euch: die Lästerung,

Die diese Unschuld totgehetzt,

die starb – und starb so jung?«

Peccavimus; doch laß Verdruß!

Sing wie am Feiertag

Ein Lied zu Gott, daß keine Qual

die Tote fühlen mag.

Lenore schritt voran, und mit

ihr flog die Hoffnung traut

– Die unbedacht und toll dich macht –

auf die erkorene Braut:

So sanft sie war und wunderbar,

erlag sie dem Geschick –

Das Leben noch im gelben Haar,

doch nicht in ihrem Blick –

Noch immerdar im gelben Haar,

doch Tod in ihrem Blick.

»Hinweg! Leicht wacht mein Herz heut nacht:

Kein Schmerzlied will ich klagen,

Triumph soll meinen Engel sacht

im heiligen Fluge tragen.

Kein Glockenschlag! daß nicht noch zag

die süße Seele werde

Bei solchem Ton, aufgleitend schon

von der verfluchten Erde:

Zu Freunden hin, von Feinden hier,

laßt frei die Tote gehen –

Aus Hölle auf zu hohem Rang

hoch oben in den Höhen –

Aus Gram und Groll auf goldnen Thron

zum Herrn der Himmelshöhen.«

Gebet

(Hymn)

Am Morgen – am Mittag – im Abendlicht

Vernahmst Du, Maria, mein Lobgedicht.

In Lust und Leid – in Wonne und Weh,

Gott-Mutter, auch fernerhin mit mir geh!

Als strahlende Stunden heiter entwichen

Und keine Wolken den Himmel durchstrichen,

Führtest Du gnädig die Seele mir

Hin zu den Deinen, hin zu Dir.

Nun, da Schicksalsstürme schrecken,

Dunkel mein Heute, mein Gestern bedecken,

Laß mein Morgen strahlend scheinen

Im holden Hoffen auf Dich und die Deinen!

Das Kolosseum

(The Coliseum)

Urbild des alten Rom! Reliquienschrein

Für Schaun und hohen Traum, den in die Zeit

Jahrhunderte von Pracht und Macht gestellt!

Nun endlich – endlich – nach so vielen Tagen

Von Wandermüdigkeit und gierem Durst

(Von Durst zum Quell des Wissens, den du birgst)

Ein andrer und demütiger kniee ich

In deinem Schatten nun und trinke ein

Dein ragend Düster, deinen Glanz und Ruhm.

Unendlichkeit und Öde! Schwermut, Schweigen!

Uralter Zeit Erinnern – düstere Nacht!

Ich fühl euch jetzt – fühl eure ganze Wucht –

O Zauber, stärker als Judäas König

Voreinst gelehrt im Berg Gethsemane!

O Wunder, machtvoller als der Chaldäer

Jemals verzückt aus stillen Sternen zog!

Hier, wo ein Held einst stürzte, stürzt die Säule.

Hier, wo ein goldner toter Adler glänzte,

Hält mitternächtig Wacht die Fledermaus.

Hier, wo der Damen Roms vergoldet Haar

Im Winde wehte, wogt nun Ried und Distel.

Hier, wo auf goldnem Thron der Herrscher lehnte,

Schlüpft geisterhaft aus ihrem Marmorhaus,

Vom Schein des zwiegehörnten Monds beleuchtet,

Die flinke Echse schweigend über Steine.

Doch halt! Die Mauern – diese Bogengänge,

Hochauf von altem Efeu eingekleidet,

Die schwarzen bröckeligen Säulensockel

Und düstern Schäfte, dunklen Kapitelle,

Zerfallenden und fast verblaßten Friese,

Zersprungnen Kranzgebälke – dieses Wrack –

All diese Steine – ach, die grauen Steine –

Sind sie denn alles, was der Zahn der Zeit

Von all dem Ruhm und ungeheuren Glanz

Für mich und für das Schicksal übrigließ?

»Nicht alles«, geben mir die Echos Antwort,

»Nicht alles, nein! Prophetische Klänge steigen –

Und laute Klänge – ewig von uns auf,

Von allen Trümmern zu den Weisen auf,

Wie Melodie von Memnon steigt zur Sonne.

Wir leiten alle riesenhaften Geister.

In unumschränkter Macht beherrschen wir

Mit unserm Schwung die Herzen aller Großen.

Wir sind nicht leblos – wir erblichnen Steine.

Nicht alle Macht ist hin – nicht aller Ruhm –

Nicht aller Zauber unsres hohen Rufes –

Nicht all das Wunder, das uns rund umfaßt –

Nicht all Geheimnis, das in uns verborgen –

Nicht all Erinnern, das wie ein Gewand

Uns rund umhängt und überall bedeckt,

Und das uns hüllt in mehr als Herrlichkeit.«

An Helene

(To Helen)

Ich sah dich einmal – einmal nur – vor Jahren:

Ich sage nicht wie vielen – doch nicht vielen.

Es war in Julinacht, und aus dem vollen

Kreisrunden Mond, der gleich wie deine Seele

Den steilsten Weg hinauf zum Himmel suchte,

Fiel sanft ein silberseidner Schleier Licht –

Fiel still und schwül und schlummerselig nieder

Auf tausend Rosen, die nach oben schauten

Und die in einem Zaubergarten wuchsen,

Wo Wind auf Zehen nur sich rühren durfte –

Auf Rosen fiel er, die nach oben schauten,

Die ihre Seelen in verzücktem Sterben

Als Duft aushauchten in das Liebe-Licht –

Auf Rosen fiel er, die nach oben schauten,

Die lächelten und starben, wie verzaubert

Von dir und deines Wesens Poesie.

Ich sah dich ganz in Weiß, auf Veilchenbeet;

Auf offne Rosen, die nach oben schauten,

Fiel hell der Mond – und auch auf dein Gesicht,

Das aufwärts schaute – schaute, ach, in Leid.

War das nicht Schicksal, das in dieser Nacht –

War das nicht Schicksal (das auch Leiden heißt),

Das mir vorm Gartentore Halt gebot,

Den Schlummerduft der Rosen einzuatmen?

Kein Schritt: in Schlaf lag die verhaßte Welt;

Nur du und ich – (o Gott, wie schlägt mein Herz,

Da ich zusammen die zwei Worte nenne!) –

Nur wachend du und ich. Ich stand, ich blickte –

Und plötzlich loschen alle Dinge aus.

(Bedenkt es wohl, es war ein Zaubergarten!)

Der Perlenglanz des Monds erlosch, die Beete,

Die moosigen Beete und gewundnen Pfade,

Die frohen Blumen, säftevollen Bäume –

Nichts sah man mehr; und selbst der Duft den Rosen

Erstarb im Arm anbetend stiller Lüfte.

All alles außer dir verschied, verhauchte,

Nichts blieb als du – als weniger denn du:

Als nur das Himmelslicht in deinen Augen –

Als deine Seele nur in deinen Augen.

Ich sah nur sie – sie waren mir die Welt.

Ich sah nur sie – sah stundenlang nur sie –

Sah nichts als sie, bis daß der Mond sich senkte.

Welch wundersame Herzgeschichten sprachen

Aus jenen himmlischen kristallnen Kugeln!

Welch dunkles Weh! Und doch welch hehres Hoffen!

Welch heiter schweigend Meer erhabnen Stolzes!

Welch kühne Ehrbegier! Und doch welch tiefe –

Unfaßbar tiefe Liebe-Fähigkeit!

Doch jetzt, doch endlich sank Diana hin

In westliches Gewitterwolken-Pfühl;

Und du entglittst wie Geist dem Grabesschatten

Der Bäume dort. Nur deine Augen  blieben!

Sie gingen nicht – sie sind nie mehr gegangen!

In jener Nacht mir sorgsam heimwärts leuchtend

Verlaß'nen Pfad, verließen sie mich nie –

Nie mehr (wie all mein Hoffen doch getan).

Sie folgen mir – sie leiten mich durchs Jahr.

Sie sind mir Diener – dennoch ich ihr Sklave.

Ihr Amt ist: zu beleuchten, zu entflammen –

Mein Dienst: beseligt sein durch ihren Glanz,

Gereinigt sein durch ihr elektrisch Feuer,

Geheiligt sein in ihrem Himmelsfeuer.

Sie füllen mir mein Herz mit Schönheit an

(Die Hoffen ist) und sind im Himmel droben

Das Sternenpaar, vor dem ich kniend liege

Im traurig stummen Wachen meiner Nacht;

Indes sogar im Mittagsglanz des Tages

Ist noch sie sehe – holde Zwillingsschwestern,

Venusse, die kein Sonnenlicht verlöscht!

An Marie Louise Shew

(To – –)

Noch unlängst pries der Schreiber dieser Zeilen,

Sich brüstend mit besonderem Verstand,

»Die Schöpferkraft der Worte« und bestritt,

Daß je Gedanken jenseits des Gebiets

Der Menschenzunge Menschenhirn entsprängen;

Und jetzt gesteht er, seinen Stolz verhöhnend:

Zwei Worte sind, zwei seltsam fremde Silben,

Italiens Töne, die von Engeln nur

In Mondlichttraum sich flüstern lassen, »Tau,

Der perlengleich auf Hermons Hügel hängt«,

Aus seines Herzens tiefstem Grund bewegte

Gedanken, die, wie ungedacht, die Seele

Nur von Gedanken sind, weit reicher, wilder

Und göttlich-visionärer, als sie selbst

Der Seraphharfner Israfel (der doch

»Die süßeste der Stimmen hat von allen

Geschöpfen Gottes«) jemals äußern könnte.

Und ich! Ach, meine Zauber sind gebrochen.

Kraftlos entsinkt die Feder meiner Hand.

Ob du auch batest drum, ich kann es nicht,

Mit deinem teuren Namen etwas schreiben.

Ich kann nicht sprechen oder denken, ach,

Nicht fühlen mehr; denn das ist kein Gefühl,

Dies starre Stehen auf der goldnen Schwelle

Weitoffnen Traumtors, da ich regungslos,

Entzückt vom prächtigen Ausblick und durchschauert

So auf dem rechten wie dem linken Weg,

Weithin den ganzen Weg, in Purpurdunst

Bis fern ans Ende sehe – dich allein.

Ulalume

(Ulalume)

Der Himmel war düster umwoben;

Verflammt war der Bäume Zier –

Verdorrt war der Bäume Zier;

Es war Nacht im entlegnen Oktober

Eines Jahrs, das vermodert in mir;

War beim düsteren See von Auber,

In den nebligen Gründen von Weir –

War beim dunstigen Sumpf von Auber,

In dem spukhaften Waldland von Weir.

Durch Zypressenallee, die titanisch,

Bin ich mit meiner Seele gegangen –

Bin hier einst mit Psyche gegangen –

Zur Zeit, da mein Herz war vulkanisch

Wie die schlackigen Ströme, die langen,

Wie die Lavabäche, die langen,

Die rastlos und schweflig den Yaanek

Hinab bis zum Pole gelangen –

Die rollend hinab den Berg Yaanek

Zum nördlichen Pole gelangen.

Unser Wort war von Dunkel umwoben,

Der Gedanke verdorrt und stier –

Das Gedenken verdorrt und stier;

Denn wir wußten nicht, daß es Oktober,

Und der Jahrnacht vergaßen wir –

Der Nacht aller Jahrnächte wir!

Wir vergaßen des Sees von Auber

(Obgleich wir gewandert einst hier),

Des dunstigen Sumpfs von Auber

Und des spukhaften Waldlands von Weir.

Und nun, da in alternder Nacht

Die Sternuhr gen Morgen sich schob –

Da die Sternuhr gen Morgen sich schob –

Ward am End unsres Pfades entfacht

Ein Schimmern, das Nebel umwob,

Aus dem mit wachsender Pracht

Ein Halbmond sein Doppelhorn hob –

Astartes demantene Pracht

Deutlich ihr Doppelhorn hob.

»Sie ist wärmer«, so sagte ich,

»Als Diana: sie schwärmt durch ein Meer

Von Seufzern – ein Seufzermeer;

Sie sah es: die Träne wich

Von diesen Wangen nicht mehr,

Und vorbei am Löwenbild strich

Als Lenker zum Himmel sie her,

Als Leiter zu Lethe sie her;

Trotz des Löwen getraute sie sich,

Uns zu leuchten so hell und so hehr –

Durch sein Lager hindurch wagte sich

Ihre Liebe, so licht und so hehr.«

Doch Psyche hob warnend die Hand:

»Fürwahr, ich mißtraue dem Schein

Dieses Sterns – seinem bleichen Schein.

O fliehe! o halte nicht stand!

Laß uns fliegen – denn oh! es muß sein!«

Sprach's entsetzt, und es sanken gebannt

Ihre Schwingen in schluchzender Pein –

Ihre Schwingen schleiften gebannt

Die Federn in Staub und Stein –

Voll Kummer in Staub und Stein.

Ich erwiderte: »Traum ist dies Grauen!

Laß uns weiter in Lichtes Pracht –

Laß uns baden in seiner Pracht!

Es läßt mich die Hoffnung erschauen

In kristallener Schönheit heut nacht –

Sieh! es flackert gen Himmel durch Nacht!

Oh! man darf seinem Schimmern vertrauen,

Es führt uns mit weisem Bedacht –

Oh! man muß seinem Schimmern vertrauen,

Es lenkt uns mit treuem Bedacht,

Da es flackert gen Himmel durch Nacht!«

Ich beruhigte Psyche und gab

Ihr Küsse und lockte sie vor –

Aus Bedenken und Dunkel hervor;

Und wir schritten den Baumgang hinab,

Bis am Ende uns anhielt das Tor

Einer Gruft – ein märchenhaft Grab.

»Schwester«, sprach ich, »was schrieb man aufs Grab –

An das Tor von dem Wundertume?«

»Ulalume!« sprach sie; »in dem Grab

Ruht verloren für dich Ulalume!«

Und mein Herz wurde düster umwoben,

Wurde dürr wie der Bäume Zier –

Wurde welk wie der Bäume Zier;

Und ich schrie: »Es war sicher Oktober

In der nämlichen Nacht, da ich hier

Im Vorjahr gewandert – und hier

Eine Last hertrug, fürchterlich mir!

Diese Nacht aller Jahrnächte mir,

Welcher Dämon verführte mich hier?

Gut kenn ich den See jetzt von Auber –

Diese nebligen Gründe von Weir –

Gut kenn ich den Dunstsumpf von Auber –

Dieses spukhafte Waldland von Weir.«

Die Glocken

(The Bells)

I.

Hört der Schlittenglocken Klang –

Silberklang!

Welche Welt von Lustigkeit verheißt ihr heller Sang!

Wie sie klingen, klingen, klingen

In die Nacht voll Schnee und Eis,

Während sprüh die Sterne springen,

Zwinkernd sich zum Reigen schlingen

Im kristallnen Himmelskreis:

Halten Schritt, Schritt, Schritt,

Tanzen Runenrhythmen mit

Zu der kleinen klaren Glocken süßem Singesang,

Zu dem Klang, Klang, Klang, Klang,

Klang, Klang, Klang –

Zu dem Singen und dem Schwingen in dem Klang.

II.

Hört der Hochzeitsglocken Klang –

Goldnen Klang!

Welche Welt von Seligkeit verheißt ihr voller Sang!

Wie ihr Läuten lauter lacht

Durch den Balsamduft der Nacht!

Aus dem holden goldnen Schwall,

Wie altgewohnt,

Fliegen leicht die Töne all

Hin zur Turteltaube, die beim frohen Schall

Schaut zum Mond.

O wie schwillt im Überschwang

Ein Guß von hohem Feierklang so voll die Nacht entlang!

Hochgesang –

Hoffnungssang

Auf der Zukunft heitern Gang!

Freude treibt zu schnellerm Drang

Dieses Ringen und das Schwingen

In dem Klang, Klang, Klang –

In dem Klang, Klang, Klang, Klang,

Klang, Klang, Klang –

Dieses Quellen und das Schwellen in dem Klang.

III.

Hört der Feuerglocken Klang –

Bronznen Klang!

Welch ein Aufruhr stürmt daraus so schreckenvoll und bang!

Wie ihr Schreien Schreck entfacht

In durchbebter Luft der Nacht!

Zu entsetzt, um klar zu sein,

Können sie nur schrein, nur schrein,

Ohne Takt

Rufen sie in lautem Lärmen um Erbarmen an das Feuer,

Zanken in verrücktem Toben mit dem tollen tauben Feuer.

Höher, höher, ungeheuer

Springt verlangend auf das Feuer;

In verzweifeltem Bemühn,

Bis zum Mond emporzusprühn,

Sind die Flammen steilgezackt.

Oh, der Klang, Klang, Klang!

Wie er grauenvoll und bang

Alles schreckt!

Wie er schauert, schallt und braust,

Daß den Lüften bangt und graust,

Wie er aller Orten lähmendes Entsetzen weckt!

Dennoch hört das Ohr sie gut

Durch das Schallen

Und das Hallen:

Ebbe der Gefahr und Flut;

Dennoch nimmt das Ohr es wahr

Durch das Zanken

Und das Schwanken:

Flutet oder ebbt Gefahr –

Durch das Stocken und das Schwellen in dem schnellen Glockenklang,

In dem Klang –

In dem Klang, Klang, Klang, Klang,

Klang, Klang, Klang –

Durch das Härmen und das Lärmen in dem Klang.

IV.

Hört der Eisenglocken Klang –

Eisenklang!

Welche Welt von Trauer trägt ihr monotoner Sang!

In der Grabesruh der Nacht

Wie er uns erschauern macht

Durch das Trauern und das Drohen in dem Ton!

Denn die Klänge, die entrollen

Rostigen Glockenkehlen, tollen

Grollend fort.

Oh, die Wesen, die dort oben

In dem Glockenturme toben –

Einsam dort

Mit den monotonen Glocken –

Die da tollen, tollen, tollen,

Voll verschleiertem Frohlocken

Einen Stein aufs Herz uns rollen –

Leichenfressende Dämonen

Sind's, die in den Glocken wohnen,

All im Sold

Ihres Königs, der da tollt,

Der da rollt, rollt, rollt,

Rollt

Triumph aus Glockenklang!

Und sein Busen schwillt im Drang

Des Triumphs aus Glockenklang.

Johlend tanzt er zu dem Sang:

Haltend Schritt, Schritt, Schritt,

Tanzt er Runenrhythmen mit

Zum Triumph aus Glockenklang,

Glockenklang.

Haltend Schritt, Schritt, Schritt,

Tanzt er Runenrhythmen mit

Zu dem Dröhnen in dem Klang,

In dem Klang, Klang, Klang –

Zu dem Stöhnen in dem Klang.

Haltend Schritt, Schritt, Schritt,

An der Totenglocke Strang

Tanzt er Runenrhythmen mit

Zu dem Tollen in dem Klang,

In dem Klang, Klang, Klang,

Zu dem Rollen in dem Klang,

In dem Klang, Klang, Klang, Klang,

Klang, Klang, Klang –

Zu dem Trauern und dem Schauern in dem Klang.

Annabel Lee

(Annabel Lee)

Ist ein Königreich an des Meeres Strand,

Da war es, da lebte sie –

Lang, lang ist es her – und sie sei euch genannt

Mit dem Namen Annabel Lee.

Und ihr Leben und Denken war ganz gebannt

In Liebe – und mich liebte sie.

In dem Königreich an des Meeres Strand

Ein Kind noch war ich und war sie,

Doch wir liebten mit Liebe, die mehr war denn dies –

Ich und meine Annabel Lee –

Mit Liebe, daß strahlende Seraphim

Begehrten mich und sie.

Und das war der Grund, daß vor Jahren und Jahr

Eine Wolke Winde spie,

Die frostig durchfuhren am Meeresstrand

Meine schöne Annabel Lee;

Und ihre hochedele Sippe kam,

Und ach! man entführte mir sie,

Um sie einzuschließen in Gruft und Grab,

Meine schöne Annabel Lee.

Die Engel, nicht halb so glücklich als wir,

Waren neidisch auf mich und auf sie –

Ja! das war der Grund (und alle im Land

Sie wissen, vergessen es nie),

Daß der Nachtwind so rauh aus der Wolke fuhr

Und mordete Annabel Lee.

Weit stärker doch war unsre Liebe als die

All derer, die älter als wir –

Und mancher, die weiser als wir –

Und die Engel in Höhen vermögen es nie

Und die Teufel in Tiefen nie,

Nie können sie trennen die Seelen von mir

Und der schönen Annabel Lee.

Kein Mondenlicht blinkt, das nicht Träume mir bringt

Von der schönen Annabel Lee,

Jedes Sternlein das steigt, hell die Augen mir zeigt

Meiner schönen Annabel Lee;

Und so jede Nacht lieg zur Seite ich sacht

Meinem Lieb, meinem Leben in bräutlicher Pracht:

Im Grabe da küsse ich sie –

Im Grabe da küsse ich sie.

An meine Mutter

(To My Mother)

Weil tief ich fühle, daß in Himmeln dort

Die Engel, wenn sie Liebe-Worte nennen,

Kein heilig-heißer und kein inniger Wort

Als »Mutter« zueinander flüstern können,

Drum gab ich diesen liebsten Namen dir –

Die – mehr denn Mutter mir in meinen Schmerzen –

Der Tod, als er Virginias Geist von hier

Befreit, zum Horte setzte meinem Herzen.

Die eigne Mutter, die schon früh mir starb,

War mir nur Mutter, du hingegen bist

Von ihr die Mutter, die mein Lieben warb;

Und so viel mehr, als meiner Seele ist

Mein Weib denn meiner Seele eignes Leben,

Muß ich auch dir denn eigner Mutter geben.

Das Geisterschloß

(The Haunted Palace)

In der Täler grünstem Tale

Hat, von Engeln einst bewohnt,

Gleich des Himmels Kathedrale

Golddurchstrahlt ein Schloß gethront.

Rings auf Erden diesem Schlosse

Keines glich;

Herrschte dort mit reichem Trosse

Der Gedanke – königlich.

Gelber Fahnen Faltenschlagen

Floß wie Sonnengold im Wind –

Ach, es war in alten Tagen,

Die nun längst vergangen sind! –

Damals kosten süße Lüfte

Lind den Ort,

Zogen als beschwingte Düfte

Von des Schlosses Wällen fort.

Wandrer in dem Tale schauten

Durch der Fenster lichten Glanz

Genien, die zum Sang der Lauten

Schritten in gemeßnem Tanz

Um den Thron, auf dem erhaben,

Marmorschön,

Würdig solcher Weihegaben,

War des Reiches Herr zu sehn.

Perlen- und rubinenglutend

War des stolzen Schlosses Tor,

Ihm entschwebten flutend, flutend

Süße Echos, die im Chor,

Weithin klingend, froh besangen

– Süße Pflicht! –

Ihres Königs hehres Prangen

In der Weisheit Himmelslicht.

Doch Dämonen, schwarze Sorgen,

Stürzten roh des Königs Thron. –

Trauert, Freunde, denn kein Morgen

Wird ein Schloß wie dies umlohn!

Was da blühte, was da glühte

– Herrlichkeit! –

Eine welke Märchenblüte

Ist's aus längst begrabner Zeit.

Und durch glutenrote Fenster

Werden heute Wandrer sehn

Ungeheure Wahngespenster

Grauenhaft im Tanz sich drehn;

Aus dem Tor in wildem Wellen,

Wie ein Meer,

Lachend ekle Geister quellen –

Weh! sie lächeln niemals mehr!

Eroberer Wurm

(The Conqueror Worm)

O schaut, es ist festliche Nacht

Inmitten einsam letzter Tage!

Ein Engelchor, schluchzend, in Flügelpracht

Und Schleierflor sieht zage

Im Schauspielhaus ein Schauspiel an

Von Hoffnung, Angst und Plage,

Derweil das Orchester dann und wann

Musik haucht: Sphärenklage.

Schauspieler, Gottes Ebenbilder,

Murmeln und brummeln dumpf

Und hasten planlos, immer wilder,

Sind Puppen nur und folgen stumpf

Gewaltigen düsteren Dingen,

Die umziehn ohne Form und Rumpf

Und dunkles Weh aus Kondorschwingen

Schlagen voll Triumph.

Dies närrische Drama! – O fürwahr,

Nie wird's vergessen werden,

Nie sein Phantom, verfolgt für immerdar

Von wilder Rotte rasenden Gebärden,

Verfolgt umsonst – zum alten Fleck

Kehrt stets der Kreislauf neu zurück –

Und nie die Tollheit, die Sünde, der Schreck

Und das Grausen: die Seele vom Stück.

Doch sieh, in die mimende Runde

Drängt schleichend ein blutrot Ding

Hervor aus ödem Hintergrunde

Der Bühne – ein blutrot Ding.

Es windet sich! – windet sich in die Bahn

Der Mimen, die Angst schon tötet;

Die Engel schluchzen, da Wurmes Zahn

In Menschenblut sich rötet.

Aus – aus sind die Lichter – alle aus!

Vor jede zuckende Gestalt

Der Vorhang fällt mit Wetterbraus:

Ein Leichentuch finster und kalt.

Die Engel schlagen die Schleier zurück,

Sind erbleicht und entschweben in Sturm,

»Mensch« nennen sich sie das tragische Stück,

Seinen Helden »Eroberer Wurm«.

An Frances S. Osgood

(To F– –s S. O– –s)

Dein Herz sucht Liebe? – So möge es nie

Vom jetzigen Pfade weichen,

Sei, was du bist, und wolle nie

Dem, was du nicht bist, gleichen –

So wird die Welt deinem sanften Sein,

Deiner Anmut ein unendlich

Und freudevolles Preislied weihn,

Und Liebe wird selbstverständlich.

An Eine im Paradies

(To One in Paradise)

Du warst für mich all dieses, Lieb,

Was Seele füllt und Sein,

Warst Inselgrün im Meere, Lieb,

Springbrunn und Altarstein

Voll Frucht- und Blumenwunder, Lieb,

Und all das Blühn war mein!

O Traum, dem Sterben kam!

O Sternenhoffen, dessen Licht

Sturmwolke mir benahm!

Ein Rufen aus der Zukunft spricht:

»Voran! Voran!« – Doch Gram

Um das, was war, nimmt Zuversicht,

Macht müd und flügellahm.

Denn weh! des Lebens warmer Glanz

Erstrahlt für mich nicht mehr!

Die Woge raunt im Brandungstanz

Zum Sand: nie mehr – nie mehr

Wird wundgeschossne Schwinge ganz,

Dürr bleibt der Baum und blätterleer,

Dem jäh ein Blitz zerschlug den Kranz.

Und Tag ist Traum, der zu dir wacht,

Und Nacht ist Traum und leitet

Hin, wo dein dunkles Auge lacht

Und wo dein Fuß hinschreitet,

Der in ätherischen Tänzen sacht –

Auf welchen Strahlen gleitet?

Das Tal der Unrast

(The Valley of Unrest)

Einstmals war ein stilles Tal,

Unbewohnt; mit Schild und Stahl

Zog das Volk in Kriege fort;

Hielten milde Sterne dort

Vom arzurnen Turm zur Nacht

Über all die Blumen Wacht,

Über denen jeden Tag

Rot und faul die Sonne lag.

Jetzt wird jeder Wandrer sehen

Unrast dieses Tal durchwehen,

Nichts ist da, das nicht sich regt,

Luft nur brütet unbewegt

Ob der Zauber-Einsamkeit.

Ach, kein Lüftchen weit und breit

Rührt der Bäume Blätterkleid,

Die da pulsen ohne Frieden

Gleich dem Eismeer der Hebriden.

Ach, kein Lüftchen jagt und bauscht

Das Gewölk, das ruhlos rauscht,

Rastlos rauscht von früh bis spät

Über Myriadenbeet

Blauer Veilchen, sorgenreich,

Myriaden Augen gleich,

Über Lilien, die so weich

Wehend, weinend schaun herab

Auf ein namenloses Grab!

Wehend: aus dem Duft heraus

Kommen Tropfen ewigen Taus.

Weinend: von den zarten Zweigen

Ewig Tränen niedersteigen,

Die gleich Edelsteinen schweigen.

Die Stadt im Meer

(The City in the Sea)

Weh! wunderliche, einsame Stadt,

Drin Tod seinen Thron errichtet hat,

Tief unter des Westens düsterer Glut,

Wo Sünde bei Güte, wo Schlecht bei Gut

In letzter ewiger Ruhe ruht.

An Schlössern, Altären und Türmen hat

(Zerfreßnen Türmen, die nicht beben!)

Nichts Gleiches eine unsrige Stadt.

Von Winden vergessen, die wühlen und heben,

Stehn unterm Himmel die Wasser ringsum,

Schwermütige Wasser, ergeben und stumm.

Kein Strahlen vom Himmel kommt herab

Auf jener Stadt langnächtiges Grab.

Doch steigt ein Licht aus dem Meere herauf,

Strömt schweigend an kühnen Zinnen hinauf,

Hinauf an Türmen bis zum Knauf,

Hinauf an Palästen, an Zitadellen,

An Tempeln hinauf und an Babylonwällen,

Hinauf an vergessenen Laubengängen

Mit eingemeißelten Fruchtgehängen,

Hinauf an manchem Opferstein,

Auf dessen Friesen zu engem Verein

Verflochten Viola, Violen und Wein.

Stehn unterm Himmel die Wasser ringsum,

Schwermütige Wasser, ergeben und stumm.

Die Mauern und Schatten wie Nebelduft –

Es scheint, als hänge alles in Luft.

Vom Turm, der herrschend ragt und droht,

Schaut riesenhaft herab der Tod.

Geöffnete Tempel und Totengrüfte

Gähnen auf leuchtende Meeresschlüfte.

Doch nicht die blitzenden Juwelen

In goldner Götzen Augenhöhlen

Und nicht der reiche Tod verführen

Die starren Wasser, sich zu rühren:

Kein kleinstes Wellchen kommt in Gang

Die gläserne Einöde entlang;

Kein Kräuseln erinnert, daß weniger leer

Von Wind ist irgendein anderes Meer,

Nichts sagt, daß je ein Wehen war

Auf Meeren, die weniger grauenhaft klar.

Doch, oh – es regt sich leis wie Wind!

Ein Wellen durch das Wasser rinnt –

Als ob die Türme im sachten Sinken

Die Flut verschöben zur Rechten und Linken –

Als ob schon die Spitzen inmitten des blassen

Himmels Lücken zurückgelassen.

Ein roteres Glimmen steigt heran –

Die Stunden halten den Atem an –

Und wenn die Stadt hinab, hinab

Von hinnen sinkt mit unirdischem Stöhnen,

Wird ihr von eintausend Thronen herab

Der Gruß der Hölle tönen.

Die Schlafende

(The Sleeper)

In tiefe Junimitternacht

Der mystische Mond herniederwacht.

Einschläfernde Nebel dunsten leise

Heraus aus seinem goldnen Kreise

Und triefen sanft wie Schlummerlieder

Tropfen um Tropfen sachte nieder

Auf Höhen, schimmernd wie Opal,

Und in das allumfassende Tal.

Auf einem Grab nickt Rosmarin,

Träg lehnt die Lilie drüber hin.

Von leerem Nebel überdacht

Fault die Ruine hinein in Nacht.

Wie Lethe sieh den Weiher ruhn,

Scheint tiefen, tiefen Schlaf zu tun,

Nicht um die Welt erwachte er nun.

Alle Schönheit schläft! – und ach! wo liegt

(Ihr Fenster den Himmeln geöffnet) – wo liegt

Irene, vom Schicksal eingewiegt!

O Schönste! – ach! ich steh' betroffen:

Das Fenster weit dem Nachtwind offen?

Die Lüfte fallen im Mondenschein

Vom Baum herab durchs Gitter ein –

Sie flüchten flüsternd wie Geisterschar

Durch dein Gemach und stoßen gar

Am Bett den bunten Baldachin

So schaurig her, so schaurig hin

Über des Auges geschlossene Glut,

Darunter die schlummernde Seele ruht,

Daß Schatten gleich Gespenstern weben

Und Wand und Boden irr beleben.

O liebe Dame, banget dir?

Warum und was nur träumst du hier?

Gewiß, du kamst von fernstem Meer,

Ein Wunder, in diesen Garten her!

Seltsam deine Blässe! Seltsam dein Kleid!

Die Locken länger als jederzeit!

Seltsam die düstere Feierlichkeit!

Sie schläft! Und wie sie dauernd ruht,

So ruhe sie auch tief! Und gut

Hab Himmel sie in heiliger Hut!

Heiliger sie jetzt und der Raum,

Schwermütiger sie als je ihr Traum.

O Gott! laß nie ihren Schlaf vergehn,

Ihr Auge nie sich öffnen und sehn,

Indes die Gespenster vorüberwehn!

Meine Liebe, sie schläft! Wie dauernd sie ruht,

So ruhe sie auch tief und gut;

Leis krieche um sie die Würmerbrut!

Mög fern im Forst, in Düster und Duft,

Für sie sich auftun eine Gruft –

Eine Gruft, die oft das schwarze Tor

Aufwarf vor bangem Trauerchor,

Triumphierend über den Wappenflor

Der Toten aus ihrem erhabenen Hause –

Eine Gruft, entlegen wie Einsiedlerklause,

Deren Tor ihr einst beim kindlichen Spiel

Für manchen Stein gedient als Ziel –

Ein Grab, aus dessen tönendem Tor

Sie nimmermehr zwingt ein Echo hervor,

Das dröhnend dem Kind in die Ohren rollte,

Als sei es der Tod, der da drinnen grollte.

Schweigen

(Silence)

In Eins verleibt, in engster Innigkeit

Sind Kräfte: doppellebig – so geschweißt

Ein Bild von jener Zwillings-Wesenheit

Aus Stoff und Licht, die Körper ist und Geist.

Da ist ein zweifach Schweigen – Strand und Meer –

Körper und Seele. Einer wohnt am Ort,

Jüngst übergrünt; ein tränenvolles Wort,

Gedenken und Ehrzeichen, ernst und hehr,

Verhüllen alles Graun – er heißt: Nie mehr!

Er ist vereinigt Schweigen; fürcht ihn nicht,

Da ihm zum Bösen alle Macht gebricht.

Doch solltest du begegnen (traurig Los!)

Seinem Gespenst (dem Kobold Namenlos,

Der spukt auf nie vom Mensch betretnen Pfaden

Der Einsamkeit), befiehl dich Gottes Gnaden.

Ein Traum in einem Traum

(A Dream Within a Dream)

Auf die Stirn nimm diesen Kuß!

Und da ich nun scheiden muß,

So bekenne ich zum Schluß

Dies noch: Unrecht habt ihr kaum,

Die ihr meint, ich lebte Traum;

Doch, wenn Hoffnung jäh enflohn

In Tag, in Nacht, in Vision

Oder anderm Sinn und Wort –

Ist sie darum weniger fort?

Schaun und Scheinen ist nur Schaum,

Nichts als Traum in einem Traum!

Mitten in dem Wogenbrand

Steh' ich an gequältem Strand,

Und ich halte in der Hand

Körner von dem goldnen Sand –

Wenig, dennoch ach, sie rinnen

Durch die Finger mir von hinnen –

Weinen muß ich, weinend sinnen!

Ach, kann ich nicht fester fassen,

Um sie nicht hinwegzulassen?

Ach, kann ich nicht eins in Hut

Halten vor der Woge Wut?

Ist all Schaun und Schein nur Schaum –

Nichts als Traum in einem Traum?

Traumland

(Dream-Land)

Auf Pfaden, dunkel, voller Grausen,

Wo nur böse Engel hausen,

Wo ein Dämon, Nacht genannt,

Auf schwarzem Thron die Flügel spannt,

Aus letztem düsterm Thule fand

Ich jüngst erst her in dieses Land –

Aus Zauberreich, so wild und weit,

Fern von Raum, fern von Zeit.

Ewig bodenlose Schlünde,

Klüfte, Schlüfte ohne Gründe,

Unbegrenzte Wassermassen,

Die sich nie in Ufer fassen,

Wälder, die kein Ende nehmen,

Die – titanenhafte Schemen –

Tropfend stehn in Nebeltau,

Endlos wuchtend, endlos grau!

Berge, endlos niederfallend,

Meere, in kein Ufer wallend,

Meere, die urewig fluten,

Himmel, die urewig gluten,

Weiher, die unendlich breiten

Stummer Wasser Einsamkeiten,

Die in Tod und Stille liegen

Und den Schnee der Lilie wiegen.

Bei den Weihern, die da breiten

Stummer Wasser Einsamkeiten,

Die in Tod und Trauer liegen

Und den Schnee der Lilie wiegen;

Bei den Bergen, bei den Flüssen,

Die so ruhlos murmeln müssen;

Bei den Wäldern, bei den Sümpfen,

Wo bei schwarzverfaulten Stümpfen

Molch und Kröte lauernd schleichen;

Bei den Pfuhlen und den Teichen,

Wo gefräßige Dämonen

Gierig bei den Leichen wohnen;

Bei den trüben Sündenquellen,

Die in giftigen Dünsten schwellen –

Trifft der Wandrer voller Bangen

Alles, was schon lang vergangen:

Totenhemden, die sich blähen,

Schemen, die aus Schatten spähen,

Freunde, lang schon aus dem Leben,

Erd – und Himmel übergeben.

Für das Herz voll tausend Wehen

Ist es hier ein friedvoll Gehen –

Für den Geist, den Schatten bannt,

Ist's ein paradiesisch Land!

Doch wer wandert durch dies Grauen,

Wage niemals aufzuschauen,

Nie den schwachen Blick zu heben

In das Weben und das Beben,

Senke das bewimpert Lid,

Daß es kein Geheimnis sieht.

So des Königs Machtbefehle.

Und so darf die trübe Seele

Hier nur im Vorübergehen

Durch getrübte Gläser sehen.

Auf Pfaden, dunkel, voller Grausen,

Wo nur böse Engel hausen,

Wo ein Dämon, Nacht genannt,

Auf schwarzem Thron die Flügel spannt –

Aus jenem letzten Thule fand

Ich jüngst erst heim in dieses Land.

An Zante

(To Zante)

O schöne Insel, die den schönen Namen

Sich von der süßesten der Blumen nimmt,

Ach, daß bei deinem Schaun mich überkamen

All jene Stunden, die einst froh gestimmt!

Wie viele Szenen lang versunkner Wonne!

Wie viel Gedenken an begrabnen Traum –

Ach, an ein Mädchen, das in deiner Sonne

Nie mehr hinschreitet durch den Bradungsschaum!

Nie mehr! Das ist der zaubrisch trübe Klang,

Der alles wandelt! Nie soll dein Gedenken

Mehr meiner Seele eine Freude schenken!

Verflucht erscheint mir nun dein blumiger Hang,

O hyazinthne Insel! purpurn Zante!

»Isol d'oro! Fior di Levante!«

Eulalie

(Eulalie)

Ich weilte allein

In der Welt voll Pein,

Und mein Herz war wie Sumpf so seicht,

Bis die schöne und sanfte Eulalie mir errötend die Hand gereicht –

Bis die blonde und junge Eulalie mir lächelnd die Hand gereicht.

Ach, weniger klar

Die Sternennacht war

Als die Augen der strahlenden Maid!

Und nimmer ist Hauch

Vom zartesten Rauch,

Dem Mond seinen Sternenglanz leiht,

So schön wie der Locke Eulalies bescheidene Lieblichkeit –

So schön wie der Locke Eulalies gleichgültige Lieblichkeit.

Nun Zweifel – nun Pein

Kehr nimmermehr ein,

Denn Seufzer um Seufzer strebt

Ihre Seele mir zu,

Und all Tag in Ruh

Astarte am Himmel schwebt,

Indessen zu ihr lieb Eulalie ihr mütterlich Auge hebt –

Indessen zu ihr jung Eulalie ihr Veilchenauge hebt.

El Dorado

(Eldorado)

Ein Ritter, hehr

Von Art und Ehr',

Durch Sonnenschein zog und Schatten.

Er ritt gar lang

Durchs Land und sang

Und suchte El Dorado.

Doch wurde alt

Die Reckengestalt,

Ihm sank ins Herz ein Schatten,

Denn nirgends er fand

Ein Fleckchen Land,

Das aussah wie El Dorado.

Und als er gar

Entkräftet war,

Da traf er Pilger Schatten –

Den sprach er an:

»Schatten, wo kann

Es liegen: El Dorado?«

»Reit immerzu

Über Mondberge du

Hinab ins Tal des Schattens,

Reit fort und fort« –

War Schattens Wort –

»Dort findest du El Dorado.«

Israfel1

(Israfel)

Ein Geist wohnt in den Höhn,

»Dessen Herz einer Laute gleicht«;

Wie Israfel so schön

Singt keiner in den Höhn;

Die Sterne, die sich kreisend drehn,

Verstummen im Vorübergehn,

Wenn der Klang sie erreicht.

Und wenn im Weltgetriebe

Der wechselnde Mond

Am höchsten thront,

Erglüht er von Liebe;

Und horchend verharren der rote Blitz

Und die sieben Plejaden stockenden Schritts

Auf ihrem Himmelssitz.

Und sie sagen (der sternige Rat

Und alle Lauscher in seinem Geleite),

Daß Israfel sein Feuer

Verdanke jener Leier,

Die seine Stimme weihte –

Dem bebenden lebenden Draht

Jener ungewöhnlichen Saite.

Doch die Höhn, wo der Engel wohnt,

Wo hohe Gedanken, Pflicht und Zoll,

Wo, erwachsene Gottheit, die Liebe thront,

Wo die Huri blickt, sind nah und fern

Von all der Schönheit voll,

Die wir schätzen an einem Stern.

Drum gehst du recht in deinem Drang,

O Israfel, du weiser Barde!

Verachtend glutenlosen Sang

Gab dir der Ruhm den höchsten Rang,

Dein ist der Lorbeer, bester Barde!

Heiter lebe und lang!

Und die Verzückungen drüben,

Sie passen zu deinem feurigen Reigen,

Deinem Gram, deiner Lust, deinem Haß, deinem Lieben,

Sind ganz deiner Inbrunst zu eigen –

Wohl mögen die Sterne schweigen!

Ja, der Himmel ist dein! Doch dieser Welt

Ist Süß und Sauer gemein;

Unsre Blumen können nur – Blumen sein;

Der Schatten deiner Wonne fällt

Auf uns als Sonnenschein.

O wär ich schnell,

Wo Israfel

Gewohnt, und er wär ich –

Er säng wohl nicht so flammend hell

Ein sterblich Lied; doch ich,

Ich säng aus solcher Leier Quell

Ein Lied, dem keines glich!

Fußnoten

1 Und der Engel Israfel, dessen Herz eine Laute ist und der die süßeste Stimme hat von allen Gotteskreaturen. – Koran.

Für Annie

(For Annie)

Gottlob! die Gefahr

Ist nun endlich vorbei,

Von schleppender Krankheit

Ward endlich ich frei –

Ward sieghaft vom Fieber,

Dem »Leben«, nun frei.

Ich weiß es, ich kann

Keine Taten mehr tun,

Keinen Muskel mehr regen,

Nur langgestreckt ruhn –

Was tut es! Jetzt fühl' ich

Mich besser im Ruhn.

Und ich liege so friedlich,

Errettet von Not,

Daß wer an mein Bett tritt,

Vermeint, ich sei tot –

Erschrickt bei dem Anblick

Und meint, ich sei tot.

Das Ächzen und Krächzen,

Die seufzende Plag'

Ist nun endlich vorbei

Mit dem schrecklichen Schlag,

Mit des Herzens entsetzlichem

Schrecklichem Schlag!

Das Übel – der Ekel –

Die ruhlose Not –

Hörte auf mit dem Fieber,

Das im Hirn mir geloht –

Mit dem Fieber, dem »Leben«,

Das wahnvoll geloht.

Und von allen Foltern

Ich jener genas,

Die am schrecklichsten quälte,

Am furchtbarsten fraß:

Des Durstes nach Liebe,

Nach Lieb ohne Maß –

Nun trank ich ein Wasser,

An dem ich genas.

Ein Wasser, das flutet

Mit schläferndem Klang,

Das nah unterm Boden

Sich gräbt seinen Gang –

Wenig Fuß in dem Grunde

Sich gräbt seinen Gang.

Und ach, daß doch nimmer

Die Dummheit es spricht,

Daß enge mein Bette,

Ohne Luft, ohne Licht –

Denn in anderen Betten

Da ruht es sich nicht,

Und zum Schlafen bedarfst du

Solch Bett ohne Licht.

Die gemarterte Seele,

Hier ruht sie sich aus,

Vergißt, und vermißt nicht

Den duftenden Strauß

Von Myrten, von Freude –

Den Rotrosenstrauß.

Denn drunten da ruht sie

In heiligerm Hauch,

In süßestem Duften

Von Rosmarinstrauch –

In Blauveilchenduften

Und Rosmarinhauch –

In Trauer und Treue

Von Rosmarinstrauch.

Und da liegt sie nun heiter

In Träume gebannt

Von Treue und Schönheit

Von Annie, gebannt

In Träume von Annie,

Von Locken umspannt.

Sie küßte mich innig,

So zärtlich bewußt,

Dann fiel ich in Schlummer

Dort an ihrer Brust –

In traumtiefen Schlummer

An himmlischer Brust.

Als das Licht dann erloschen,

Da deckt' sie mich warm,

Und sie bat zu den Engeln,

Mich zu hüten vor Harm –

Zu der Herrin der Engel,

Mich zu schirmen vor Harm.

Und ich liege so friedlich,

Errettet von Not

(Denn ich weiß ihre Liebe),

Daß ihr meint, ich sei tot –

Und ich ruh' so gelassen,

Errettet von Not

(Ihre Liebe im Busen),

Daß ihr meint, ich sei tot –

Nur schaudernd mich anschaut

Und denkt, ich sei tot.

Doch mein Herz das strahlt heller,

Als am Himmelsthron sprüht

Der Sterne Gewimmel,

Da von Annie es glüht –

In der Liebe von Annie

Erstrahlet und glüht,

Im Gedanken an Annies

Lichtaugen erglüht.

An –

(To – –)

Ich sorge nicht, daß mein Erdenlos

Wenig von Erde trägt,

Daß Haß in Minute erbarmungslos

Jahre der Liebe schlägt.

Ich klage nicht, daß mehr an Glück

Der Einsame hat denn ich –

Doch daß Du sorgst um mein Geschick –

Um diesen Wandrer – mich!

Braut-Ballade

(Bridal Ballad)

Der Ring an meiner Hand,

Der Kranz aufs Haar gesetzt –

Mein ist nun Prunk und Tand

Und wunderbar Gewand,

Und ich bin glücklich jetzt.

Und mein Herr, er liebt mich sehr;

Doch sein Schwur hat mich entsetzt –

Sein Wort klang dumpf und schwer

Wie Grabgeläute her

Und klang, als spräche er,

Der kämpfend fiel im Heer –

Und der wohl glücklich jetzt.

Doch er beruhigte mich

Mit sanftem Kuß zuletzt,

Indes ein Träumen mich

Zum Kirchhof trug und ich

D'Elormie, dem Toten, mich

Vermählte innerlich.

»O ich bin glücklich jetzt!«

Und so war das Wort gesprochen

Und der Schwur, der Pflichten setzt;

Und sei auch die Treu' gebrochen,

Und sei auch mein Herz gebrochen –

Der Ring, er hat gesprochen,

Er zeigt mich glücklich jetzt.

Wollt' Gott, ich könnte lassen

Den Traum, der so mich hetzt!

Meine Seele kann's nicht fassen,

Ich muß in Reu erblassen,

Daß der Tote, so verlassen,

Nicht glücklich sein mag jetzt.

An F –

(To F – –)

Geliebte! mitten in der Qual,

Die meinen Erdenpfad umdrängt

(Ach, trüber Pfad, den nicht einmal

Einsam erhellt einer Rose Strahl),

Meine Seel' an einem Troste hängt:

An Traum von dir – der allemal

Mir Frieden bringt aus Edens Tal.

So ist das Deingedenken mir

Wie fern verwunschnes Inselland

Inmitten aufgewühlter Gier

Des Ozeans: ein Meer-Revier

In Sturm – indes doch unverwandt

Ein heitrer Himmel blauste Zier

Grad über jenes Eiland spannt.

Die Abenteuer Gordon Pyms

(Narrative of Arthur Gordon Pym)

Vorbemerkung

Als ich vor einigen Monaten – nach seltsamen Abenteuern in der Südsee und in anderen Zonen – in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, geriet ich in Richmond zufällig in eine Gesellschaft von Herren, welche sich für die Gegenden, die ich durchschifft hatte, lebhaft interessierten und mich inständigst baten, ja, es für meine Pflicht erklärten, die Erzählung meiner Abenteuer dem Publikum zugänglich zu machen. Doch ich hatte mehrere Gründe, dies nicht sogleich zu tun, von denen einige ganz privater Natur waren und nur mich allein betrafen; die größten Bedenken erregte mir jedoch der Umstand, daß ich, der ich während des größeren Teiles der Reise kein Tagebuch geführt hatte, nicht imstande gewesen wäre, aus dem Gedächtnis eine genaue und zusammenhängende Reisebeschreibung zu liefern, die so wahrscheinlich klänge, wie es im Interesse der Wahrheit zu wünschen war, und die Vermutung nicht aufkommen ließe, eine starke Phantasie habe dem Erzähler manche Dinge wohl in zu grellem Lichte gezeigt. Ein anderer Grund war der, daß die Begebenheiten, welche ich zu erzählen hatte, wirklich zu wunderbarer Natur waren, und ich, da ich mich nur auf das Zeugnis eines einzigen Mannes, der noch dazu ein ungebildeter Indianer war, stützen konnte, bloß bei meiner Familie und ein paar Freunden, die seit meiner Jugend meinen realen Sinn kannten, Glauben zu finden hoffen durfte, – daß das Publikum im allgemeinen jedoch meine Erzählung für eine ziemlich unverschämte Erfindung halten würde. Dazu kam noch ein gewisses Mißtrauen, das ich in meine schriftstellerische Fähigkeit setzen mußte, und, wie gesagt, eine Menge privater Gründe, die mich abhielten, der Aufforderung einer Veröffentlichung nachzukommen.

Unter den Herren, die das größte Interesse an meinen Erzählungen, besonders an dem Teil derselben hatten, der sich auf den Antarktischen Ozean bezieht, befand sich auch Herr E.A. Poe, der frühere Herausgeber des ›Southern Literary Messenger‹, einer Monatsschrift des Herrn Thomas W. White in Richmond. Er riet mir besonders dringend, möglichst bald einen genauen Bericht meiner Erlebnisse herauszugeben und dem gesunden Menschenverstand des Publikums zu vertrauen; werde das Buch auch ungeschickt geschrieben, so könne es dadurch doch nicht verlieren, die Ungeschicklichkeit werde im Gegenteil eher behilflich sein, mir Glauben zu verschaffen.

Da ich mich jedoch trotz all seiner Vorstellungen noch immer nicht zu einer Herausgabe entschließen konnte, bat er mich, den ersten Teil meiner Abenteuer in eigener Fassung in dem ›Messenger‹ als Erfindung herausgeben zu dürfen. Ich willigte ein und stellte nur die Bedingung, daß mein Name unerwähnt bleibe. Zwei Teile der angeblich erfundenen Erzählung erschienen denn auch im Januar und Februar 1837 im ›Messenger‹ und zwar, um die Vorspiegelung, es handele sich um Erfindungen, vollständig zu machen, unter dem Namen des Herrn E.A. Poe.

Die Art und Weise, in der man nun diese beiden Teile aufgenommen, bestimmte mich schließlich doch, an eine regelrechte Beschreibung und Herausgabe der Abenteuer zu gehen. Denn ich hatte gemerkt, daß das große Publikum – trotz des Anscheins des Erfundenen, den Herr E.A. Poe den im ›Messenger‹ erschienenen Bruchteilen, ohne auch nur eine einzige Tatsache zu entstellen oder zu übertreiben, gegeben hatte, – doch nicht geneigt war, die ganze Sache für eine Fabel zu halten. Herr E.A. Poe erhielt z.B. mehrere Briefe, deren Schreiber offenbar vom Gegenteil überzeugt waren. Ich schloß daraus, daß die Tatsachen, die ich mitzuteilen hatte, der Art seien, daß man sie um ihrer selbst willen glauben könne, und daß ich nicht Gefahr laufe, durch die allgemeine Ungläubigkeit geärgert zu werden.

Nachdem ich diese Vorbemerkungen gemacht habe, bleibt mir nur übrig, noch einmal zu erwähnen, daß, wie gesagt, nicht alles, was folgt, meiner Feder entstammt, daß jedoch Herr E.A. Poe, der die ersten Seiten der Abenteuer geschrieben,.auch nicht eine Tatsache verändert oder entstellt hat. Selbst für die Leser, welche den ›Messenger‹ nicht gelesen haben, ist es unnötig, das Kapitel zu bestimmen, an dem meine Erzählung beginnt, ein jeder wird den Unterschied im Stil leicht bemerken.

New York, im Juli 1838.

G. Pym.

Kapitel I: Ein Vorabenteuer

Ich heiße Gordon Pym. Mein Vater war ein ehrenwerter Mann und betrieb zu Nantucket, wo ich geboren wurde, einen Handel in Schiffseinrichtungsgegenständen. Mein Großvater mütterlicherseits war Advokat und hatte einen großen Klientenkreis. Außerdem spekulierte er erfolgreich und erwarb sich ein ziemlich beträchtliches Vermögen. Er war mir, glaube ich, mehr als irgend jemand anderem auf der Welt zugetan, und ich durfte erwarten, bei seinem Tode den größten Teil seiner Güter zu erben. Als ich sechs Jahre alt war, schickte er mich in die Schule des alten Herrn Ricketts, eines Herrn, der nur einen Arm und ziemlich exzentrische Manieren hatte und jedem, der einmal New Bedford besucht hat, wohlbekannt ist. Ich blieb bis zum siebzehnten Jahre unter seiner Obhut und besuchte dann die Akademie des Herrn E. Ronald. Hier wurde ich mit dem Sohne des Herrn Barnard bekannt, eines Seekapitäns, der im Auftrage der Firma Vredenburgh fuhr; Herr Barnard ist ebenfalls in New Bedford gut bekannt und hat viele Verwandte in Edgarton. Sein Sohn hieß August und war fast zwei Jahre älter als ich. Er war einmal mit seinem Vater auf der Walfischjagd gewesen und konnte mir nicht genug von seinen Seeabenteuern erzählen. Ich brachte manchmal ganze Tage, ja, ganze Nächte bei ihm zu. Wir schliefen in demselben Bett und schlössen oft bis zum Tagesanbruch kein Auge, weil er kein Ende finden konnte, mir die Eingeborenen von Tinian und anderen Inseln, die er besucht, zu schildern. Ich begann mich nach und nach für seine Erzählungen zu interessieren, bis ich dann schließlich nichts lebhafter wünschte, als Seemann zu werden. Ich kaufte mir für fünfundsiebenzig Dollar ein kleines Segelboot, den ›Ariel‹, ein Halbverdeck, das ohne Überlastung wohl zehn Personen fassen konnte. Mit diesem Boot nun machten wir die tollsten Streiche von der Welt, und wenn ich mich jetzt an dieselben erinnere, wundere ich mich nur, daß ich noch am Leben bin.

Ich möchte eines dieser Abenteuer meiner längeren und wichtigeren Erzählung als Einleitung voranschicken. Herr Barnard gab eines Abends eine Gesellschaft, an deren Schluß August und ich nicht wenig bezecht waren, so daß ich, wie meistens in solchen Fällen, vorzog, die Nacht bei ihm zu bleiben, statt nach Hause zu gehen. Er begab sich ziemlich ruhig zu Bett, und auch ich war nach Verlauf einer halben Stunde gerade dabei, sanft einzudämmern, als er plötzlich wieder vom Bett aufstand und mit einem schrecklichen Fluche schwor, daß kein Gordon Pym in der ganzen Christenheit ihn bewegen könne, zu schlafen, wenn eine so glorreiche Brise aus Südwest wehe. Ich erstaunte höchlichst, denn ich konnte mir gar nicht erklären, was er eigentlich wolle, und glaubte, der reichliche Wein- und Liqueurgenuß habe ihn so außer sich gebracht. Er sprach jedoch plötzlich ganz ruhig weiter: Ich hielte ihn wohl für betrunken, jedoch sei er nie in seinem Leben nüchterner gewesen. Er sei es aber leid, in einer so wundervollen Nacht wie ein Hund schlafend zu liegen, er werde jetzt aufstehen, sich anziehen und auf dem Boote ›Spaß machen‹. Ich weiß nicht, welcher böse Geist plötzlich Besitz von mir ergriff: kaum waren die Worte seinem Munde entflohen, so war auch ich der Meinung, daß seine wahnwitzige Idee der köstlichste und vernünftigste Vorschlag von der Welt sei. Es war fast stürmisch draußen und das Wetter sehr kalt, denn wir befanden uns gegen Ende Oktober.

Ich sprang jedoch dessenungeachtet in einer Art von Extase aus dem Bette, schrie, daß ich ebenso tapfer sei wie er und ebensowenig geneigt, wie ein Hund die Nacht durchzuschlafen, und ebenso wie jeder August Barnard in Nantucket, zu jedem Ulk auf einem Boote bereit.

Mit Windesschnelle fuhren wir in unsere Kleider und eilten hinaus. Der ›Ariel‹ lag auf der alten, verfallenen Werft von Pankey & Co. August sprang hinein und schöpfte ihn aus, denn er war fast halb voll Wasser. Als dies getan war, richteten wir die Segel und steuerten kühn in die See hinaus.