Ménage à Trois - Hendrik Blomberg - E-Book

Ménage à Trois E-Book

Hendrik Blomberg

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Beschreibung

Eine sinnliche Dreieck-Liebesgeschichte aus dem hohen Norden nördlich des Polarkreises. Eine gelungene Mischung aus Träumen, Verlangen, Erotik – in einer fast unwirklich wirkenden Landschaft und zugleich eine Hommage an Edgar Allan Poe.

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Hendrik Blomberg Melanie Müller

Ménage à Trois

Ein Traum in einem Traum

Erotische Erzählung

***

Wer am Tag träumt, wird sich vieler Dinge bewusst, die dem entgehen, der nur nachts träumt.

Zitat von E.A. Poe

Tales of Mystery and ImaginationAlan Parsons Projects

Ich selbst hatte noch nie einen Gedanken,den ich nicht in Worte fassen konnte.Sogar mit mehr Klarheit, als ich ihn gedacht habe.

Jedoch gibt es eine ganz besondere Art von Fantasien,von auserlesener Feinheit,

die nicht nur bloße Gedanken sind.Und wie ich herausgefunden habe,

ist es schier unmöglich sie zu erzählen.

Diese Fantasien entstehen in unserem tiefen Innern,

nur sehr selten, einzig in kurzen Augenblicken der Ruhe,

wenn das körperliche und mentale Befinden ausgeglichen ist.

Und nur in solchen unheimlichen Momenten,

wenn sich die Grenzen der realen Welt mit den Worten des Traumes vermischen -

dann fange ich die Fantasie ein.

Denn alles, was wir scheinen oder schaun,ist nur ein Traum in einem Traum.

Orson Welles, 1987

Nächtliche Phantasien

Haben Sie sich auch schon mal gewünscht, etwas zu tun, was Sie noch nie getan haben?

Hatten Sie schon einmal erotische Träume, die den Schlaf mit Leben füllten? Sexuelle Phantasien, die Sie in der Realität nicht aussprechen würden?

Ich hatte solche Träume.

Mein Leben war bisher zwar abwechslungsreich, mit Gesundheit gesegnet und ich bin glücklich mit Hartmut verheiratet, aber dennoch habe ich das Gefühl, etwas fehlt. Mein Leben ist noch nicht rund und dieses«rund» erfüllte mir eines Tages auf einer Reise, Solveig.

Aber von Anfang an. Also, meine Träume kamen immer dann, wenn ich unerfüllt in meine Kissen versank, mich hin und her wälzte und keinen Schlaf fand. Erst in den frühen Morgenstunden fiel Morpheus über mich her und entführte mich in wilde Träume.

Ich liege im Sand, die Wellen schlagen rhythmisch ans Ufer, die Sonne wärmt mich mit ihren goldenen Strahlen, ich höre das Kreischen der Möwen und bin unendlich entspannt. Unerwartet spüre ich warme, weiche Hände auf meinen Füßen. Ich halte die Luft an, wage es nicht zu atmen. Die Hände erkunden sich langsam einen Weg über meine Beine höher und höher bis hin zu meiner Scham. Sehnsuchtsvoll stöhne ich auf, möchte gar nicht wissen, wer die geheimnisvolle Person ist, die solch wonnige Gefühle durch meinen Körper rinnen lässt. Erregung erfüllt mich und ich will mehr. Die Hände streicheln mich weiter über meinen Bauch und meine Brüste. Sie sind so unendlich zärtlich und ich möchte, dass die Zeit stehenbleibt.

Meine Beine habe ich instinktiv gespreizt und jetzt verwöhnt eine zarte Zungenspitze meine Klit. Sie fährt rund um sie herum und umschließt sie mit ihren warmen Lippen, um dann ihr Zungenspiel fortzuführen. Ich bin wie von Sinnen und sehne den Orgasmus herbei. Aber sie beendet ihr Spiel und küsst mich auf den Mund. 'So können nur Frauen küssen,' denke ich und öffne die Augenlider. Große schwarze Augen sehen mich lüstern an, es scheinen Flammen aus ihren Augen zu schlagen und ihr Mund befindet sich verführerisch über mir. Meine Arme umfassen ihren Hals und ich ziehe sie zu mir, küsse sie stürmisch. Sie erwidert meinen Kuss und unsere Zungen umschlingen sich ineinander. Die Zeit bleibt stehen. Wir lieben uns, streicheln unsere Körper und unsere intimste Stelle, berühren sie nicht nur mit den Händen, sondern auch mit unseren Zungen und unseren Lippen. Verlieren uns in der Zeit, sind abgerückt vom hier und jetzt und steuern zielstrebig auf unseren Orgasmus zu. Gemeinsam erleben wir die Höhen unseres wilden Fluges, aus dem wir nur langsam erwachen.

Ich schlage noch atemlos meine Augen auf und merke, dass ich nass bin, im Traum hatte ich einen Wahnsinns Orgasmus. Am liebsten würde ich wieder einschlafen und weiter träumen.

Ja, solche Träume hatte und habe ich, möchte gerne einmal mit einer Frau Sex haben, so, wie ich es in meinen Träumen ersehne. Ich habe noch keine Frau gefunden, mit der ich dieses Spiel ausprobieren möchte, habe auch Hemmungen, dies anzusprechen. Und manchmal spielt auch mein Mann in meinen Träumen eine Rolle und wir sind zu dritt. Eine Menage á trois.

Solveig

Letztes Jahr im Juli hatte alles begonnen. Wir waren abends im Möllerfjord auf Spitzbergen vor Anker gegangen. Es war ein Traum. Unser schneeweißes Kreuzfahrtschiff lag in der Mitte des Fjordes auf Reede, eingerahmt von den dunklen schroffen und spitzen Bergspitzen und den weiß-bläulich schimmernden gewaltigen Gletschern, die bis ins Wasser reichten.

Die Tenderboote fuhren schon einige Zeit zwischen einem provisorischen Landungssteg und dem Schiff hin und her und die Seeleute, Stewards und Köche bauten an Land ein riesiges Buffet auf. Die Sonne verwöhnte uns mit schwach wärmenden Sonnenstrahlen und einem tief blauen Himmel, der wie geschaffen war, die Mitternachtssonne würdig zu feiern.

Mein Mann und ich ließen uns ohne Eile um elf Uhr abends im hellen Licht der Sonne mit den Tendern an Land übersetzen und wir genossen es, nach den letzten zwei Seetagen am Packeis entlang, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Für Mitternacht war ein Champagner Empfang des Kapitäns geplant und an Stelle eines Feuerwerks sollte durch die auf 20 Mann verstärkte Bordkapelle, die nördlichste Aufführung der Feuerwerks-Symphonie von Georg Friedrich Händel dargeboten werden.

Es war der erste warme Tag, 4°. Es sei ein außergewöhnlicher Tag für die Arktis, hatte uns der Kapitän erzählt. Dieser Fjord ist nur drei Monate im Jahr eisfrei und liegt mit seinen 80° nördlicher Breite nur 1000 Kilometer vom Nordpol entfernt.

Eissturmvögel segelten lautlos entlang der Uferlinie, was die Fotografen ermunterte einige Fotos zu schießen. Ein Lagerfeuer brannte knisternd und spendete Wärme, es lud dazu ein, näherzutreten. Es wurden mit Gletschereis gekühlte Getränke gereicht und so nach und nach verbreitete sich eine entspannte, fröhliche Stimmung.

Auf einem sanften Hügel in der Nähe ruhte eine kleine gelbe Schutzhütte, die 1926 vom Norddeutschen Lloyd erbaut wurde. Als mein Mann und ich dort ankam en, es passten nur vier Personen auf einmal hinein, warteten schon etliche Passagiere vor der Türe. Wir sahen uns an und standen geduldig an, bis wir einen Blick in die Hütte erhaschen konnten. Hand in Hand wanderten wir zurück und freuten uns auf das nun fertig aufgebaute kulinarische Erlebnis. Köstlich, mir lieft das Wasser im Mund zusammen und wir ließen uns auf einfachen Holzbänken nieder, nachdem wir uns die Teller mit erlesenen Leckereien gefüllt hatten.

Plötzlich unterbrach der Lärm eines Zodiac Schlauchboot-Motors die Stille. Es hielt auf das Ufer zu und in einer großen Schleife legte das Boot, in dem vier, in schwere rote Polar-Anoraks eingehüllte Personen saßen, am Landungssteg an. Offiziere unseres Schiffes halfen ihnen beim Festmachen und Aussteigen und alsbald waren die vier eine umlagerte Attraktion. Ich zwängte mich nach vorne durch die Menge der Passagiere und erblickte drei Männer mit furchterregenden bärtigen Gesichtern und eine junge Frau, die gerade ihre Kapuze zurückschlug und einen wilden Schwall hellblonder langer Haare zurecht schüttelte.

Unser Kapitän hieß sie willkommen und sie erzählten gerade über ihre Schlauchbootfahrt, als ich sie erreicht hatte. Sie kamen von einem Biwaklager am Fuße des hinteren linken Gletschers. Einer von ihnen deutete in die Richtung und erzählte in Englisch, dass sie zu einem Forschungsprojekt der Universität Tromsø gehören und mit insgesamt sechs Wissenschaftlern, vier Männern und zwei Frauen, seit über einen Monat in diesem mit bloßem Auge nicht zu erkennenden Biwak vollkommen abgeschieden von der Zivilisation lebten und ihre Forschungen betrieben.

Sie gehörten zum Tromsø Geophysical Observatory und sie arbeiteten an einem Projekt, das sie als The long-term monitoring of the Earth‘s magnetic field bezeichneten.

Später, als ich mir meinen Teller noch einmal füllte, stand ich neben der blonden Frau am Buffet, von der ich annahm, dass sie eine Wissenschaftlerin war. Sie hatte ebenfalls einen großen Teller in der Hand und musterte unschlüssig das Angebot an schmackhaften Delikatessen.

«Das ist ja unglaublich, total verrückt. Wahnsinn, was es hier alles gibt!», sprach sie mich plötzlich in Deutsch an.

«Oh, Sie sprechen Deutsch?», antwortete ich.

«Ja, ich war ein Jahr an der Uni in München. Euer Schiff kommt aus Deutschland. Ich habe die Flagge gesehen. Snakker du norsk?»

«Norwegisch? Nein, kein Wort. Heißt das snakker? Das ist lustig. Werde ich mir merken.»

«Das ist irrwitzig hier in dieser Wildnis am Ende der Welt ein solches Buffet vorzufinden. Ich kann es immer noch nicht glauben. Verrückt. Wir leben seit einem Monat von Konserven und dann das hier, vor mir! Ich kann es nicht fassen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Splitter gal, crasy, verrückt!»

«Lassen Sie sich ruhig Zeit. Der Kapitän hat Sie eingeladen und das Buffet steht hier bis um zwei Uhr heute Nacht. Wenn ich Ihnen etwas empfehlen darf, da hinten gibt es warmes Essen, zum Beispiel rosarot gebratenes Roastbeef, ganz zart und eine pikante Pfeffersoße.»

«Das ist ja toll. Gebratenes Fleisch habe ich seit Wochen nicht gegessen.»

«Kommen Sie mit, ich zeige es Ihnen.»

«Ich bin Solveig. Kannst ruhig du zu mir sagen, wie alle in Norwegen.»

Ich führte sie zu dem hinteren Teil des Buffets an den Grill. Wir ließen uns die Teller vollpacken und setzten uns auf eine der aufgestellten Bänke.

«Wie heißt du und wo kommst du her?», fragte sie mich.

«Wir sind aus Köln. Ich heiße Ute, bin mit meinem Mann Hartmut an Bord.»

«Hartmut? Wo ist er?»

«Da drüben, beim Bierfass steht er neben dem Offizier. In dem grünen Anorak.»

«Der? Sehr attraktiver Mann!», kam es spontan.

Ich lachte. «Ja, finde ich auch!»

Jetzt lachte sie auch laut und herzlich.

Der Bann war gebrochen und wir unterhielten uns eine Weile ganz zwanglos. Sie erzählte mir von ihrem Biwaklager und dem Leben dort.

«Und ihr seid da mit vier Männern und zwei Frauen?»

«Ja. Imke, meine Kollegin, und Sven mussten zurückbleiben. Wir haben gelost. In unser Schlauchboot passen nur vier Personen, sonst kippt es um – in dem eiskalten Wasser würde ich nicht schwimmen wollen.»

«Hast du denn keine Angst? Hier sind doch so viele kleine Eisschollen. Ich würde in so eine Nussschale nicht einsteigen.»

«Ich mag es auch nicht besonders. Aber wir müssen oft die einzelnen Messstationen besuchen und die Daten ablesen. Über Land geht das nicht, sind viel zu weit auseinander und die Gletscher enden alle im Meer. Außerdem gibt es hier zu viele hungrige Eisbären.»

«Oh je, das wäre was für mich!», rief ich entsetzt aus. «Eisbären? Hier auch?»

«Keine Angst, hier sind zu viele Menschen, da kommen sie nicht hin. Aber Lars hat sein Gewehr mitgenommen. Er nimmt es immer mit.»

«Gewehr? Hier!?»

Sie lachte wieder. «Richtige Männer brauchen immer ein Gewehr, erst recht hier am Eismeer! Außerdem ist es vom Sysselmann in Longyearbyen vorgeschrieben.»

«Sysselmann? Wer ist denn das?»

«Das ist der Gouverneur hier und Longyearbyen ist die Hauptstadt von Svalbart. Ich weiß, die Deutschen sagen immer Spitzbergen, aber der richtige Name ist Svalbart.»

Sie gab mir einen kleinen Stups in die Seite: «Die Männer hier und eure Offiziere werden schon aufpassen. Mmh, das Roastbeef ist super. Ich hole mir noch eins, bevor es die Eisbären stehlen.» Lachend setzte sie sich in Bewegung.

Ängstlich schaute ich um mich. An Eisbären hatte ich zuletzt gedacht. Da erst entdeckte ich zwei Offiziere mit Gewehren - sie waren mir vorher nicht aufgefallen - die am Rande unseres Festes standen und aufpassten.

Ich beobachtete die junge Wissenschaftlerin, wie sie sich an das Buffet anstellt. Humor hat sie ja, dachte ich, und mutig ist sie auch. So eine junge Frau und dann hier oben in der Wildnis. Ihre Bewegungen, zwar verdeckt unter dem dicken Anorak, waren grazil. Ich bewunderte sie. Sie hatte so viel Mut. Monatelang alleine, von der Welt abgeschieden zu leben, dazu gehört sehr viel Mut.

Mit einem vollen Teller kam sie wieder zurück und setzte sich mit einem eleganten Schwung neben mich.

«Wie klappt das denn so mit dem Zusammenleben mit den Männern?»

«Absolut problemlos», antwortete sie kauend, «Imke und ich haben ein Zelt für uns und langweilig ist uns auch nicht.»

«Einen Monat in einem Zelt leben? Ist das nicht hart?»

Solveig hatte die Frage wohl falsch verstanden, vielleicht hatte ich mich auch unglücklich ausgedrückt.

«Nein, hart ist es überhaupt nicht. Wir haben in Aluminiumfolie eingeschweißte Latexmatratzen, das Neueste auf dem Markt. Sind superleicht und wunderbar weich. Und dann haben Imke und ich einen großen Doppelschlafsack, da wird es uns immer warm», und sie blickte mich grinsend an.

«Einen Doppelschlafsack?», fragte ich mit unschuldiger Miene.

Solveig sah mich einen Moment schweigend an, verzog ihr Gesicht zu einem breiten, hintergründigen Grinsen: «Hast du noch nie mit einer Frau im Doppelschlafsack geschlafen?»

Dabei startete sie ein so helles lautes Lachen, dass alle in der Nähe stehenden und sitzenden Passagiere ihre Köpfe zu uns drehten.

Diese herzerfrischende Offenheit und dieses Lachen hatten es mir angetan. Ich fühlte mich zu ihr hingezogen und lachte mit. Sie ist so unglaublich natürlich, so herzerfrischend und so schön. Ihre blitzenden blauen Augen strahlen mit der Sonne um die Wette. Ich ertappe mich beim Träumen. Ich würde sie gerne näher kennenlernen.

Mein Mann, durch das Lachen auf uns aufmerksam geworden, steuerte in unsere Richtung, in der einen Hand sein Bier und in der anderen seinen Teller. Bei uns angekommen, stellte ich vor: «Das ist Solveig.»

«Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Hartmut.»

Mein Mann stellte sein Geschirr ab, reichte ihr seine Hand und schüttelte sie. Solveig griff kräftig zu. «Ich freue mich auch, Sie kennenzulernen. Mit Ihrer Frau habe ich mich schon angefreundet. Sie hat mich zu dem sagenhaften Roastbeef verführt.»

Hartmut hatte kaum Platz genommen, als er Solveig auch schon mit Fragen bombardierte, die sie geduldig beantwortet. Sie erzählte von ihren wissenschaftlichen Untersuchungen und den ganzen technischen Geräten, die sie in ihrem Biwak benutzten, den Doppelschlafsack erwähnte sie dabei nicht.

«Vor zwei Wochen war ich schon einmal mit Sven und Nils hier. Schau!» Sie zeigte mit dem Finger in eine Richtung. «Ganz dahinten, oben auf dem Berg, steht eine Messeinheit von uns. Wir waren auch in der Schutzhütte. Gemütlich. Ich erzählte meinen Kollegen, dass ich in München gehört hatte, dass diese Hütte Fünf-Sterne-Lloyd Hotel genannt wird. Sie haben sich totgelacht. Und das Beste war, dass sie sogar neue Konserven vorgefunden haben, die ein italienisches Kreuzfahrtschiff da gelassen hatte. Wir haben sie alle mitgenommen. Vielleicht gibt es ja heute neue.»

«Solveig ist aus Tromsø!», erklärte ich Hartmut - und zu Solveig gewandt: «Wir fahren auch noch nach Tromsø. In vier Tagen sind wir dort. Erst zum Nordkap, dann Hammerfest und dann Tromsø.»

Solveig schaute mich verdutzt an. «Ihr kommt nach Tromsø? Könnt ihr Post für mich mitnehmen?» Sie griff in die Innentasche ihres weiten Anoraks und holte einen ganzen Stoß zusammengebundener Briefe heraus. «Ich hatte mir gedacht, ich könne jemand von dem Schiff fragen meine Post mitzunehmen und einzuwerfen. Das wäre ja toll, wenn du sie mitnehmen könntest. Sind alles Briefe für meine Mama.»

«Ja, natürlich machen wir das», antwortete ich spontan.

«Leben Sie sonst in Tromsø?», warf mein Mann ein.

«Ja, ich studiere an der Universität Tromsø Geologie. Schwerpunkt Erdmagnetfeld. Das interessiert mich ungemein.»

«Erdmagnetfeld? Ist das nicht immer am Nordpol?»

Die Studentin lachte: «Nein, so ist das gar nicht. Viel komplizierter. Erstmal ist der magnetische Nordpol nicht am Nordpol, sondern viel weiter südlich in Kanada und das Interessanteste ist, er wandert. Und das verfolgen wir.»

Das war für mich neu: «Er wandert?»

«Ja, jedes Jahr etwas - und es kann sein, dass er mit dem Südpol tauscht.»

«Wie das? Er tauscht mit dem Südpol? Das kann ich mir aber nicht vorstellen.»

«Es ist aber so. Etwa alle 150 Millionen Jahre wechseln der Süd- und Nordpol und das hat große Auswirkungen auf das Klima und für die Menschheit.»

«Na, ja», meinte mein Mann süffisant, «Da haben Sie noch jede Menge Zeit, das herauszufinden.»

Wir lachten herzlich. Aber Solveig ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie erklärte meinem Mann im Einzelnen, wie sie das Magnetfeld messen und auf was sie alles achten mussten. Man spürte, dass sie sich sehr engagiert mit dieser Forschungsaufgabe befasste.

Schließlich sagte sie: «Nächstes Jahr möchte ich an einer Expedition zum Südpol teilnehmen. Die Universität München in Deutschland sucht Wissenschaftler für die Magnetfeldforschung. Ich habe mich vor zwei Monaten schon beworben. Es wäre toll, wenn bei meiner Heimkehr nach Tromsø schon Post eingetroffen wäre. Hoffentlich laden sie mich zu einem Vorstellungsgespräch ein.»

«Dann kommst du uns besuchen!», warf ich ein, «du bist recht herzlich eingeladen und kannst gerne ein paar Tage bei uns in Köln bleiben.»

«Ja, gerne. Wenn das möglich ist. Köln kenne ich nicht.»

«Ja, komm zu uns. Wir haben ein großes Gästezimmer und wir freuen uns immer über Besuch. Hartmut, hast du eine Visitenkarte bei dir?»

«Ich? Eine Visitenkarte? Hier am Nordpol? Du musst doch welche haben. In deiner Tasche.»

«Wenn Männer nicht eine Frau hätten!» Ich kramte in dem Bordcase und fand auch eine.

«Solveig, ruf mich an, wenn du nach Deutschland kommst. Wir würden uns wirklich freuen.»

Sie strahlte über das ganze Gesicht und sah mich freudig an. Ich dachte: Es wäre wirklich sehr schön, wenn sie käme, diese faszinierende schöne Frau mit dem zauberhaften Lachen und den langen Beinen.

Sie schaute auf die Visitenkarte: «Anabel Fashion AG. Hartmut Groth, CEO? Sind Sie das?», und sah meinen Mann fragend an.

«Ja, das ist unsere Firma.»

«Ist das Mode?»

«Ja. Hartmut betreibt eine Modekette. Wir haben mehrere Geschäfte in Deutschland, unter anderem auch in München.»

«Oh, wie interessant. Wenn ich das Vorstellungsgespräch in München habe, komme ich bestimmt auf dem Rückweg bei euch vorbei.»

Ihre spontane Zusage erfreute mich. «Hartmut, holst du uns bitte zwei Glas Champagner?»