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Die schönsten Weihnachtsgeschichten von der Insel, erzählt von Saki, Laurie Lee, Martha Gellhorn, Sylvia Townsend Warner, Elizabeth Taylor, Patrick Hamilton und Patrick Leigh Fermor.
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Seitenzahl: 42
Merry Christmas!
Weihnachtsgeschichtenvon der Insel
Aus dem Englischen vonManfred Allié, Miriam Mandelkow,Ann Anders und Bettina Abarbanell
DÖRLEMANN
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten © 2022 Dörlemann Verlag AG, Zürich Umschlaggestaltung: Mike Bierwolf unter Verwendung einer Illustration von Kristyna Henkeova/Shutterstock Satz und eBook-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-03820-909-6www.doerlemann.com
Es heißt (sagte Reginald), nichts ist trauriger als der Sieg, ausgenommen die Niederlage. Wer je die, wie man zu sagen pflegt, Feiertage in Gesellschaft langweiliger Leute zugebracht hat, wird bestätigen, dass auch das Gegenteil zutrifft. Nie werde ich meine weihnachtliche Visite bei den Babwolds vergessen. Mrs Babwold ist so etwas wie eine Verwandte meines Vaters – eine Art Cousine auf der Reservebank –, und das galt als hinreichender Grund dafür, dass ich, nach ungefähr fünf Jahren mannhaften Widerstands, ihre Einladung schließlich nicht mehr abschlagen konnte; aber warum die Kinder der Väter Missetat heimsuchen sollen – nein, in der Schublade finden Sie kein Briefpapier; da bewahre ich alte Speisekarten und Premierenprogramme drin auf.
Mrs Babwold ist von eher ernsthafter Wesensart und nicht für ihr Lächeln bekannt, nicht einmal wenn sie etwas Gehässiges zu ihren Freundinnen sagt oder wenn sie den Einkaufszettel schreibt. Vergnügungen erträgt sie stoisch. Ein indischer Staatselefant bei einem Durbar, das gibt einem eine gute Vorstellung. Ihr Mann gärtnert bei jedem Wetter. Wenn ein Mann bei strömendem Regen in den Garten geht, um Raupen von seinen Rosenstöcken zu lesen, dann liegt für meine Begriffe der Schluss nahe, dass in seinem häuslichen Leben etwas zu wünschen bleibt; und für die Raupen ist es ja bestimmt auch kein Vergnügen.
Natürlich gab es noch andere Gäste. Ein Major Dingsbums war da, der zur Jagd auf irgendwas in Lappland oder sonst einer Gegend in dieser Art gewesen war; ich weiß nicht mehr, was für Tiere es waren – nicht dass ich es nicht oft genug gehört hätte. Es gab sie als kalten Braten zu praktisch jeder Mahlzeit, und er erläuterte uns ausgiebig ihre Maße vom einen zum anderen Ende, als ob er von uns erwartete, dass wir ihnen lange Unterhosen für den Winter strickten. Ich lauschte ihm mit einem Ausdruck verzückter Aufmerksamkeit, von dem ich mir vorstellte, dass er mir gut zu Gesicht stand, und einmal nannte ich ihm dann doch in aller Bescheidenheit die Maße eines Okapis, das ich in den Fens von Lincolnshire geschossen hatte. Der Major lief in einem wunderbar phönizischen Purpur an (ich weiß noch, ich stellte mir damals vor, dass ich mein Badezimmer gern in diesem Ton tapeziert hätte), und ich glaube, in dem Augenblick verspürte er doch beinahe etwas wie Antipathie gegenüber meiner Person. Mrs Babwood setzte ein Eilt-den-Verwundeten-zu-Hilfe-Gesicht auf und fragte ihn, warum er denn seine Jagdreminiszenzen nicht als Buch veröffentliche; das wäre doch hochinteressant. Erst später fiel ihr wieder ein, dass sie zwei dicke Bände zu dem Thema als Gastgeschenk bekommen hatte, mit seinem Porträt und seiner Signatur als Frontispiz und einem Anhang über die Lebensgewohnheiten der arktischen Miesmuschel.
Aber am Abend, da ließen wir alle Mühen und Sorgen des Tages fahren, und das wahre Leben begann. Kartenspiel galt als zu müßige, zu sündhafte Form des Zeitvertreibs, und so spielten die meisten Gäste etwas, das sie Bücherraten nannten. Man ging hinaus auf den Flur – der Inspiration wegen, nehme ich an –, dann kam man wieder herein, einen Schal um den Hals gewickelt, und machte ein blödes Gesicht, und die Leute sollten erraten, dass man Wee MacGreegor war. Ich sträubte mich gegen diesen Unsinn, so lange es irgend ging, doch schließlich, in einem unbedachten Moment der Gutmütigkeit, erklärte ich mich bereit, als Buch zu posieren, warnte aber gleich, dass die Ausführung einige Zeit brauchen würde. Sie warteten an die vierzig Minuten, und ich spielte währenddessen im Anrichteraum Weinglaskegeln mit dem Hausburschen; man spielt es mit Champagnerkorken, müssen Sie wissen, und Sieger ist der, der die meisten Gläser umwirft, ohne dass sie zerbrechen. Ich gewann, mit vier heilen Gläsern von sieben; ich glaube, William ging ein wenig zu zaghaft zu Werke. Im Salon herrschte ein gewisser Unmut, meiner arg späten Rückkehr wegen, und die Stimmung hellte sich auch nicht auf, als ich ihnen nach einer Weile erklärte, das illustrierte Werk sei Am Ende des Ganges gewesen.
»Ich habe Kipling noch nie gemocht«, befand Mrs Babwold, als ihr die Umstände schließlich dämmerten. »Was soll an den Erdwällen der Toskana schon geistreich sein – oder war das von Darwin?«
Natürlich lässt sich bei solchen Spielen eine Menge lernen, aber ich persönlich ziehe doch Bridge vor.