Metanoia 2 – Magische Kosmos Geometrie - Andrej Korobeishchikov - E-Book

Metanoia 2 – Magische Kosmos Geometrie E-Book

Andrej Korobeishchikov

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Beschreibung

Brechen Sie auf zu einer mystischen Reise, die zu den Geheimnissen der Altai-Schamanen führt und zu einem Wissen, das jahrhundertelang geheim gehalten wurde. Dieses Buch ist ein wahrer Offenbarungsroman, der die Welt so beschreibt, wie bislang nur die Schamanen sie sehen konnten, die hinter die alltäglichen Umstände blicken … deutlich tiefer als ein gewöhnlicher Mensch. Das, was früher nur Eingeweihten in die Tradition vorbehalten war, steht nun auch Ihnen als Leser endlich zur Verfügung. Tauchen Sie ein in die Seiten eines echten Mysteriums … Unsere Welt wird immer enger, weswegen wir den Weg nach innen einschlagen müssen - auf den Pfaden des Bewusstseins, die tief in die eigene Seele führen.

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Seitenzahl: 225

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Andrej Korobeishchikov

Finde dich inRaum und Zeit

Aus dem Russischen von Jana Heiß

Alle Rechte vorbehalten.

Außer zum Zwecke kurzer Zitate für Buchrezensionen darf kein Teil dieses Buches ohne schriftliche Genehmigung durch den Verlag nachproduziert, als Daten gespeichert oder in irgendeiner Form oder durch irgendein anderes Medium verwendet bzw. in einer anderen Form der Bindung oder mit einem anderen Titelblatt als dem der Erstveröffentlichung in Umlauf gebracht werden. Auch Wiederverkäufern darf es nicht zu anderen Bedingungen als diesen weitergegeben werden.

Copyright der Originalausgabe © by Andrej Korobeishchikov, 2016

Titel der Originalausgabe: »Метаноя. НАЙДИТЕ МЕНЯ. Светлая Волна. КНИГА 2«

Copyright der deutschen Ausgabe © 2021 Verlag »Die Silberschnur« GmbH

ISBN: 978-3-96933-012-8

eISBN: 978-3-96933-979-4

1. Auflage 2021

Übersetzung: Jana Heiß

Umschlaggestaltung & Satz: XPresentation, Güllesheim; unter Verwendung verschiedener

Motive von © diversepixel; www.shutterstock.com und © rawpixel.com/Freepik

Verlag »Die Silberschnur« GmbH · Steinstraße 1 · D-56593 Güllesheim

www.silberschnur.de · E-Mail: [email protected]

Inhalt

Chronik einer Expedition

Ein informativer Insiderroman

Erster Teil:

AKAN – EXO-T – Expedition in die Lichtschatten

Zweiter Teil:

Folge mir nach Hause …

Der Autor drückt seine Dankbarkeit gegenüber all denjenigen aus, die an der Veröffentlichung dieses Buches mitgewirkt haben. Er bedankt sich für das Verständnis, die Hilfe und die freundliche Unterstützung!

www.korobeishchikov.com

Chronikeiner Expedition

EIN INFORMATIVER INSIDERROMAN

“Wenn ein Träumer beginnt, anderen Leuten die Geheimnisse zu erzählen, die sich ihm offenbart haben, bricht die leichte Verbindung zur anderen Realität unter dem Gewicht falscher Worte und fremder Zweifel zusammen: Denn was ist, wenn er doch alles erfunden oder zumindest manches der Schönheit willen zusammengedichtet hat?

– Und tschüss, ihr wunderschönen Visionen.”1

Max Frei

1Zitat frei übersetzt, Anm. d. Übers.

Vorwort

Die meisten Leute assoziieren alles, was mit der Welt der Schamanen zu tun hat, mit Trance, Wahnsinn, Ekstase und Chaos. In Wahrheit ist der Kosmos eines Schamanen weitaus geordneter als die Welt eines Stadtmenschen. Ein Schamane beschäftigt sich mit Kraft und dabei kann man sich keine Fehler erlauben. Der gewöhnliche Bürger versucht, die ihn umgebende Welt auf unendlich viele Weisen zu beschreiben. In Wirklichkeit hat er also nur eine vage Vorstellung davon, was tatsächlich um ihn herum geschieht. Der Kosmos des Schamanen ist von heiliger Geometrie durchzogen, die zu einem klaren Verständnis der kosmischen Strukturen führt. Die Welt der Stadtbewohner ist chaotisch, voll von Gedankenformen und undeutlichen Vorstellungen. Der Schamane gleicht eigentlich mehr einem Mathematiker, der sich an den Zeichen und Regeln entlang bewegt und dabei seine Umgebung aufmerksam im Auge behält. Im Gegensatz dazu gleicht der gewöhnliche Bürger eher einem leichtsinnigen Blinden, der sich mit wedelnden Armen vorwärtsbewegt.

“Wie sollen wir leben, wenn in unseren Herzen schonkeine Menschen mehr wohnen?

Die Antwort liegt auf den sieben Hügeln, oh wie sehr willich jetzt das Leben spüren.

Wie sollen wir leben, wenn das Wort ‘glauben’ bereits fürimmer gestorben ist?

Nur wenn du die Tür selbst schließt – kannst du eine neue öffnen.”2

Kukryniksy3, “Vera” (dt.: Glaube)

2Zitat frei übersetzt, Anm. d. Übers.

3Name einer russischen Rockband, Anm. d. Übers.

Wir saßen am knisternden Ofen und wärmten uns mit einem heißen Tee. Danilytsch und ich. Der Jäger und der Schüler. Der Seher zeigte auf den Rhombus, den er auf das Papier gemalt hatte.

“Fünf Schritte der Kraft – das ist der äußere Kreis, über den du deinen Weg beginnst. Wenn du vier der Schritte durchlaufen hast, gelangst du in den inneren Kreis.”

Der Jäger zeigte mit dem Finger auf den Punkt in der Mitte, der mit allen anderen Punkten verbunden war.

“Das ist der fünfte Ring der Kraft – ‘DSHAL’. Der mystischste, geheimnisvollste Ring von allen.”

Er schaute mich aufmerksam an.

“Du weißt, dass in der Welt der Jäger nichts endgültig ist. Jeder beliebige Punkt hat das Potenzial, zu etwas weitaus Größerem zu werden.”

Der Seher zeichnete drei Punkte, die zusammen ein eigenes Symbol bildeten, in die Mitte des Rhombus und zog einen Kreis darum.

“Das ist das DSHAKSIN. Was das ist, musst du selbst herausfinden.”

“Es scheint, dass alles so nah ist und atmet.

Und atmet …

Es scheint, dass ich danach greifen und

überleben kann.

Es scheint, dass alles schon lange vergangen ist,

ich bin ausgebrannt.

Ich bin ausgebrannt …

Es scheint, dass nicht alles scheinen sollte,

aber ich höre …”4

Kukryniksy, “Vera”

4Zitat frei übersetzt, Anm. d. Übers.

Eine afrikanische Geschichte

SCHWARZE SCHATTEN AN EINEM HEISSEN MITTAG

“Um uns herum befindet sich etwas, das viele Leute nicht sehen. Deshalb führen sowohl die Leute als auch all das, was sich vor den Leuten verbirgt, ein ruhiges Leben. Sobald aber ein Mensch auftaucht, der SIE sehen kann …”, der Schamane machte nach dem Wort “SIE” eine kurze Pause, “fangen SIE ebenfalls an, diesen Menschen genau zu beobachten. Wenn dieser Mensch seine Sicht nicht kontrollieren kann, so kann ihm jemand von IHNEN Schaden zufügen.”

“Aber warum wollen SIE mich töten? Weil ich SIE sehen kann?”

Schorchit schüttelte den Kopf.

“Nein. Die Tatsache, dass du sie sehen kannst, erleichtert ihnen nur die Aufgabe. Töten wollen sie dich ohnehin, unabhängig davon, ob du sie siehst oder nicht.

Es ist nur so, dass wenn du dich ihnen öffnest, sie auch dich sehen können und dadurch wird ihr Durst noch viel größer.”

A. Korobejschtschikow, “SHIN-KAI”

Am Ufer des grenzenlosen mächtigen Ozeans lebte der Stamm derer, die man die Fänger nannte. Es waren einfache, hart arbeitende Leute, die vom Perlenfang lebten. Früh am Morgen begaben sie sich in ihren kleinen, schmalen Booten hinaus aufs große Gewässer. Sie sprachen ein kurzes Gebet, das an den Gott des Ozeans und an ihren irdischen Schutzherrn – den Leoparden Irimi – gerichtet war. Danach banden sie sich einen kleinen Stein ans Bein, wickelten ein zweites Seil um sich selbst und stürzten sich dann in die Tiefen des Wassers. Das Einzige, das sie bei sich hatten, waren Messer mit gekrümmten, scharfen Klingen und einen Korb für den Fang. Die Muscheln waren fest im Boden der Bucht verwachsen, man musste sie vom Schlamm befreien und mit dem Messer vom Stein schneiden. Anschließend wurden sie in den Korb gelegt und in die Boote gebracht. Und so ging es den ganzen Tag lang. In ihren Pausen saßen die Fänger am Ufer. Die tapferen Taucher massierten ihre Hände und Füße und genossen die wärmenden Sonnenstrahlen.

Eines Tages, während die Fänger wieder Pause machten, bemerkten sie am Ufer ein Flimmern in der Luft. Es war, als wäre kurz ein dunkler Schatten aufgetaucht und sogleich wieder in den Sonnenstrahlen verschwunden. Die Fänger griffen nach ihren Messern, obwohl ihnen bewusst war, dass sie gegen den Geist, der sie heimsuchte, mit Stahl nichts ausrichten könnten. Der Schatten kam immer näher. Schon begannen sich Umrisse abzuzeichnen. Es war ein kleiner Zwerg mit garstigen Gesichtszügen. In seinen Augen loderte ein helles Feuer, in das man nicht zu lange hineinblicken durfte.

Der Älteste der Fänger trat nach vorn und verneigte sich vor dem Dschinn.

“Wir begrüßen dich, Geist. Wir haben Essen und Wasser, nimm es als Zeichen unserer Gastfreundschaft.”

Der Zwerg aber brach nur in Gelächter aus. Seine Stimme hatte einen widerwärtigen Klang und wirkte, als ertönte sie aus einem Verlies.

“Ich brauche euer Essen nicht. Ich bin wegen der Perlen hier.”

Er nickte in Richtung des Sacks unter der Überdachung, in dem die auserlesenen weißen Kugeln lagen, die die Taucher auf dem Meeresgrund gesammelt und von ihren Muschelschalen befreit hatten.

Der Fänger breitete seine Arme aus.

“Das ist unser ganzer Fang. Wenn wir ihn dir geben, bleibt unserem Dorf nichts zum Überleben.”

Aber der Dschinn war unerbittlich. Er schillerte kurz bunt auf, verschwand und erschien dann erneut vor den erschrockenen Tauchern.

“Euer Dorf wird von nun an mir gehören. Ihr werdet mir dienen.”

Der Perlentaucher hob stolz seinen Kopf.

“Wir sind freie Schwimmer. Wir dienen niemandem! Irimi ist unser Schutzherr.”

“Eure Schutzherren interessieren mich nicht”, schrie der Dschinn, “von jetzt an gehört ihr mir. Mein Name ist IMU.”

Die Taucher drängten sich um ihre Boote und zitterten vor Angst. Übersetzt bedeutete dieser Name “Dunkelheit” oder “Dämmerung”. Der Dschinn glitt wie eine schwarze Schlange vorwärts und machte sich zum Sprung bereit.

“Wo war ich, als du mich gesehen hast?”, fragte er den ältesten Schwimmer. Dieser zeigte verwirrt auf die sandige Böschung, die sich einige Meter entfernt befand.

“Dort.”

In einer schnellen Bewegung umhüllte der Zwergengeist den Kopf des Mannes und schlüpfte wie eine schwarze Wolke, die in nassem Sand verschwand, durch seinen Mund, seine Nase, seine Ohren und Augen in ihn hinein. Der Schwimmer fiel zu Boden und erstarrte. Seine Haut verfärbte sich gelblich. Die übrigen Taucher wollten sich dem leblosen Körper nicht nähern, da sie davon ausgingen, dass er tot war. Kurze Zeit später zuckte der “Tote” und öffnete die Augen. Sie spiegelten aber nicht mehr das frühere Leben wider, sie waren so schwarz wie die Tinte, die ein Riesenkrake unter extremem Schock ausstößt. Er erhob sich auf die zittrigen Beine und öffnete weit seinen Mund, als wollte er Essensreste ausspeien. Einen Augenblick später schwebte die schwarze Wolke wieder vor der erschrockenen Gruppe.

“Ich nenne dich Nkemdilim. Du wirst mein Dorf anführen.”

Der Zwergenschatten wandte sich einem anderen Schwimmer zu.

“Und du, wo hast du mich gesehen?”

Der junge Mann war so verängstigt, dass er kein Wort herausbrachte. Er zeigte lediglich mit dem Finger auf die gleiche Stelle, wie der neu erwachte Nkemdilim. Sofort ereilte den jungen Schwimmer sein Schicksal. Pfeilschnell ergriff der Schatten Besitz von ihm. Und so geschah es wieder und wieder. IMU tötete sie einen nach dem anderen, um sie danach wiederzuerwecken und zu seinen Sklaven zu machen. So ging es weiter, bis ein junger Taucher an der Reihe war, der direkt verstanden hatte, worum es hier ging. Er hatte erkannt, dass der Dschinn eine riesige Gier nach Ehrerbietung und Macht verspürte. So senkte er also seinen Kopf, um dem Schatten nicht in die Augen zu sehen, und sagte:

“Ich habe euch schon von weitem gesehen, Meister IMU!”

Der Zwerg war zufrieden.

“Wie heißt du?”

“Godlumtakati.”

“Gut. Dafür werde ich dich belohnen. Geh und nimm dir die größte Perle aus dem Sack. Danach wirst du mich in dein Dorf führen.”

Der Schwimmer verneigte sich und lief zu der Überdachung, unter der der Sack mit den Perlen lag. Während der Taucher so tat, als würde er den Sack durchsuchen, um die größte Belohnung zu finden, beobachtete er den Dschinn aus den Augenwinkeln. Dann machte er ein verwirrtes Gesicht und wandte sich dem in der Luft schwebenden schwarzen Schatten zu.

“Meister IMU, das hier sind nicht alle Perlen. Einen Teil des Fangs haben wir auf dem Meeresgrund zurückgelassen. Sie sind viel größer als diese hier – jede der Perlen dort ist wie ein Stern am Nachthimmel. Wenn der Meister es erlaubt, werde ich hinuntertauchen und den Rest des Fangs hierherbringen.”

Der Zwerg namens “Dämmerung” zeigte sich zufrieden. Großzügig gestattete er dem Taucher, sich in eines der Boote zu setzen und in die Bucht hinauszufahren. Godlumtakati ruderte weit hinaus, füllte dann seine Lungen mit Luft und tauchte ins Wasser. Er hatte den Dschinn belogen und ihn mit seiner Gier geködert. Jetzt war er unter Wasser, tauchte aber nicht zum Grund hinab, wo die schlammigen, scharfkantigen Muscheln funkelten, sondern schwamm weg von diesem verfluchten Ort. Als er wieder auftauchte, lag die Bucht mit den gelbhäutigen und schwarzäugigen Toten in weiter Ferne. Er erreichte das Ufer, bat um die Kraft und Gewandtheit des Leoparden Irimi und rannte so schnell er nur konnte los in Richtung seines Dorfes. Er musste die Frauen und Kinder warnen und ihnen klarmachen, dass sie nicht länger bleiben konnten. Dass sich ein schreckliches Wesen auf ihrem Land befand, das Perlen, Ehrfurcht und Macht liebte und das sich den menschlichen Verstand Untertan machen konnte. So schnell war Godlumtakati in seinem Leben noch nie gerannt. Es schien, als befände sich der Geist des Leoparden, der die Siedlung vor jeglicher Art von Unheil beschützte, tatsächlich in seinem Körper. Hinter den Baumstämmen tauchten bereits die ersten Hütten auf …

Prolog

DIE STÄRKSTEN ARME DER WELT

(Moskau, Herbst 2014)

“Auch eine kaputte Uhr zeigt manchmal die richtige Zeit.”5

Milorad Pavi, “Koni svjatogo Marka”(dt.: “Die Pferde des Heiligen Mark”)

Der Junge saß auf der Fensterbank und schaute hinaus auf die regnerische herbstliche Landschaft des Krankenhausparks. Von all dem war ihm wirklich zum Weinen zumute. Die verwelkende Natur draußen vorm Fenster, die trostlose Stimmung im Krankenzimmer, der reglose Körper des Vaters auf dem Bett, der starr unter den Sensoren medizinischer Geräte lag, die dem Jungen nichts sagten. Doch er konnte es sich nicht erlauben zu weinen. Zumindest nicht hier im Krankenhaus. Zu Hause aber würde er sich ein paar Minuten nehmen, um in sein Kissen zu weinen. Heimlich. Damit Mama es nicht mitbekommen würde. Hier aber … Im Fensterglas sah er wieder das Spiegelbild des Krankenbetts mit der hilflosen Gestalt seines Vaters darin. Dabei hatte er sich doch absichtlich zum Fenster gedreht, damit er seinen Vater nicht in diesem Zustand sehen musste. Doch sogar vor dem Hintergrund der gelben Bäume und des grauen Himmels konnte er ihn sehen. Der Junge nahm einen tiefen Atemzug und löste so einen schmerzhaften Knoten in seiner Kehle, während er verstohlen ein paar Tränen über seine Wangen kullern ließ. Es war schrecklich, seinen Vater so zu sehen – er lag in der Ecke des Zimmers wie eine kaputte Puppe ohne Batterien, die ein Riese, der nicht mehr mit ihr spielen wollte, dorthin geworfen hatte. Für den Jungen fühlte es sich an, als wäre das ganze Universum zusammengebrochen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt lag dem Universum das unumstößliche Gesetz zugrunde, dass Papa der Allerstärkste war, dass Papa mit jedem Problem fertig wurde und dass Papa immer da sein würde. Der Junge schloss seine Augen, um die Tränen zu unterdrücken, doch dadurch schienen sie auf verräterische Weise nur noch mehr zu werden. Durch die geschlossenen, tränengefüllten Augenlider konnte er nichts mehr sehen. Aber irgendwo in seinen inneren Weiten spielte sich wieder und wieder derselbe Ausschnitt aus dem Familienkino ab – die deutlichste Erinnerung aus seiner Kindheit: Der kleine Junge spielt mit anderen Kindern im Sandkasten, als ein Auto in den Hof hereinfährt. Alle schauen sogleich zum Auto hin. Es hält vor der Einfahrt und Papa steigt aus. Der Junge schreit vor Freude auf und rennt auf ihn zu, wobei er Sand aufwirbelt, der die anderen Kinder bedeckt. Der Vater beugt sich herab und breitet seine Arme aus – die stärksten Arme der Welt. Der Junge springt vom Boden ab, diese Arme umschließen ihn sanft und zugleich stark und heben ihn hoch. Dem Jungen bleibt die Luft weg, aber er weiß: Diese Arme werden ihn niemals loslassen, weil es die verlässlichsten Arme der Welt sind. Lächelnd blickt sein Papa ihm in die Augen und drückt ihn fest an sich.

Da hielt es der Junge nicht mehr aus und fing an zu schluchzen, während er sich zur Krankenliege umdrehte. Kaum hörbar murmelte er:

“Papa, komm zurück!”

Aber sein Vater blieb still, hielt die Augen geschlossen, als würde er schlafen. Der Junge wusste aber, dass es kein Schlaf war. Er wusste, dass sich sein Papa einfach irgendwo verirrt hatte und dass er dringend gerettet werden musste. Er kletterte von der Fensterbank herunter, ging zum Bett und setzte sich neben ihn. Seine kleine Hand tastete nach der großen.

“Papa, ich werde dich niemals verlassen. Wenn es sein muss, werde ich dir bis ans Ende der Welt folgen. Ich werde dich finden und nach Hause bringen. Und dann werden wir wieder zusammen sein.”

Der Junge flüsterte diese Worte wie ein Gebet in der Hoffnung, dass sein Vater sie hören würde. Dass er sie hören und zur Antwort seine kleine Hand drücken würde. Er hatte sogar den Eindruck, dass sich sein Vater ganz leicht bewegte, kaum wahrnehmbar zitterte, so als hätte er die Worte vernommen. Der Sohn erstarrte und wartete hoffnungsvoll auf irgendein Zeichen des reglosen Körpers. Doch nichts passierte.

Plötzlich schien es dem Jungen, als wäre es im Zimmer ganz kurz etwas dunkler geworden. Als hätte jemand eine Sekunde lang mit einer riesigen Hand die Lampe verdeckt. Er spürte eine kühle Welle auf seiner Haut, wie ein Lufthauch vom Fenster. Dann war alles wieder wie zuvor.

Er schaute zurück zu seinem Vater und flüsterte:

“Ich liebe dich so sehr …”

Und als niemand es sehen konnte, presste er die Lippen auf seine Hand.

5Zitat frei übersetzt, Anm. d. Übers.

– METANOIA –

DER HEXER SPIELCHEN MIT HEXEN

(Nigeria, Afrika)

Witalij R.

“Afrika ist schrecklich,

Ja-ja-ja!

Afrika ist gefährlich,

Ja-ja-ja!

Geht nie nach Afrika,

Kinder, niemals!”6

Kornei Tschukowski, “Barmalej”

Der staubige Range Rover, der von der Mittagssonne glühend heiß war, kam wie angewurzelt zum Stehen. Ich öffnete meine Augen und schaute aus dem vom Straßenstaub schmutzigen Fenster. Noch ein Stau. Lagos war überfüllt mit Autos, als hätten sich die Autofahrer aus der ganzen Welt hier eingefunden. Tschiratidso, mein Jeepfahrer und afrikanischer Begleiter, der fließend Russisch sprach, drehte sich zu mir um und lächelte, wobei er zwei weiße Zahnreihen entblößte.

“Schlaf ruhig, Wit, das wird dauern.”

Der Einfachheit halber hatten wir uns darauf geeinigt, uns Wit und Tschir zu nennen. Ich brummelte etwas und wischte mir das schweißnasse Gesicht ab – die Klimaanlage im Auto funktionierte nicht, und statt frischer Luft strömte der Geruch von Benzin, Staub und Asphalt durch die leicht geöffneten Fenster herein.

“Hier könnte man wirklich einschlafen.”

Der Fahrer nickte zustimmend. Obwohl wir schon am frühen Morgen vom Hotel losgefahren waren, befanden wir uns bereits einen halben Tag lang in den Fängen der Staus. Ich holte eine Flasche mit Wasser aus meiner Tasche, öffnete sie und schüttete mir gierig das Wasser in den Hals. Es war zwar schon warm, aber die Trockenheit im Mund war so unerträglich, dass ich auch über das warme Wasser froh war. ‘Wie gut, dass ich daran gedacht habe, Wasser und Snickers aus dem Hotel mitzunehmen’, dachte ich. Was das hiesige Essen betraf, so aß ich nur das Essen im Hotel, das gut bekömmlich war. In Straßenbuden zu essen war höchst riskant. Vom örtlichen Wasser ganz zu schweigen. Man sollte Wasser nur aus Flaschen trinken, und auch nur dann, wenn man sie im Hotel oder in einem großen Einkaufszentrum gekauft hatte.

Das Auto setzte sich in Bewegung, nur um nach zehn Metern wieder zum Stehen zu kommen, eingequetscht zwischen all den anderen Fahrzeugen. Da es nichts zu tun gab, begann ich, mich ein wenig umzusehen. Die dichten Autoschlangen ergaben ein zusammenhangloses Bild: Neben dem schicken schwarzen Mercedes standen ein heruntergekommener Kleinbus und einige Semi-Sportwagen von vor dreißig Jahren. Motorräder und Motorroller besetzten den gesamten freien Platz in der Nähe. Direkt vorm Auto lief ein Straßenverkäufer mit einer Thermobox über der Schulter vorbei. Mein Fahrer drehte sich um:

“Wit, willst du ein Bier?”

Ich nickte. Das Bier hier war lecker. Tschir hupte, um den Verkäufer auf sich aufmerksam zu machen. Er lehnte sich aus dem Fenster und gab ihm ein paar zerknitterte Naira. Eine Minute später hielt ich eine feuchte, kalte Flasche “Gulda” in meinen Händen.

Einige Stunden später hatten wir es trotz allem schließlich geschafft, aus der Stadt herauszukommen.

Diese Straße war nicht ganz so stark befahren wie in der Stadt, aber dennoch ziemlich überfüllt. Ich war gerade dabei, einzuschlafen und ein kleines Nickerchen zu machen, um so der Hitze zu entfliehen, als das Auto plötzlich ruckelte und dann an den Straßenrand fuhr.

“Der Reifen. Ich richte das sofort.”

Der Range Rover rollte vom Asphalt und hielt vor einem wackeligen Zaun. Ich lehnte mich aus dem Fenster. Wir befanden uns in irgendeinem kleinen Dorf. Ich öffnete die Tür und folgte Tschir, der seine verspannten Muskeln lockerte, nach draußen. Er beugte sich in den Kofferraum, um Werkzeug und den Ersatzreifen zu holen. Ich sah mich währenddessen um. Unser unvorhergesehener Stopp hatte uns an einen äußerst trostlosen und vermüllten Ort geführt. Die kleinen Häuser glichen Baracken, die vermutlich hastig aus allem, was gerade so zur Hand gewesen war, zusammengebaut worden waren: Pappe, Sperrholz, Bretter, Kunststoff. Als Erstes fiel aber die enorme Menge an Müll rundherum ins Auge. Es gab so viel davon, dass es nicht wirkte, als würde das Dorf im Müll versinken, sondern vielmehr als wären die Hütten irgendwie versehentlich inmitten dieser großen Müllhalde aufgetaucht. Alle Hütten standen auf Stelzen und waren mit langen Brettern verbunden. Kleine Kinder rannten darauf herum, gelegentlich liefen erwachsene Dorfbewohner vorsichtig darüber. Ich machte ein paar Schritte nach vorne. Tschir bemerkte es, lehnte sich aus dem Jeep heraus und rief:

“Wit, bleib, wo du bist. Bleib in der Nähe. Ich bin fast fertig.”

Ich blieb stehen. Man konnte sowieso nicht wirklich irgendwohin gehen. Absolut überall war Müll. Der Geruch von Abfall und geräuchertem Fisch hing schwer in der Luft.

“Wahnsinn”, murmelte ich, als ich angewidert die Umgebung betrachtete. Ein kleiner nigerianischer Junge zog meine Aufmerksamkeit auf sich, er saß auf einer der Holzplatten ganz in meiner Nähe. Er war noch sehr klein, höchstens zwei Jahre alt. Einen so kleinen Jungen würde man in Russland wohl kaum so einfach allein auf der Straße lassen. Der Junge sah schrecklich aus: Er hatte unglaublich dünne Beinchen und Ärmchen, sein schmutziger Kopf baumelte auf dem dünnen Hals von einer Seite zur anderen, weiter unten ragte ein unnatürlich großer Bauch hervor. Er war offensichtlich krank und hatte höchstwahrscheinlich schon lange nichts mehr gegessen. Unsere Blicke trafen sich und ich erstarrte. Seine Augen spiegelten ein tief sitzendes Grauen und drückten eine solche Hoffnungslosigkeit aus, wie sie vermutlich nur bei zu Tode Verurteilten zu sehen ist. Kinder können nicht so schauen! Ein paar Augenblicke lang stockte mir der Atem. Aus meinem Inneren stiegen eine solche Schwermut und ein durchdringendes Mitleid auf, dass mir regelrecht schwarz vor Augen wurde. Augenblicklich musste ich an meinen Sohn denken, als er in diesem Alter gewesen war, und mir wurde ganz schlecht. Für eine Sekunde stellte ich mir vor, wie er irgendwo so dasaß, von allen verlassen, krank, verschreckt und hungrig. Ich biss die Zähne zusammen und spürte einen Schmerz in meinen Wangenknochen. In diesem Moment tauchte eine Schar von Kindern auf der Holzplatte auf, die im Vergleich zu dem kleinen Unglücklichen schon ein bisschen besser aussahen. Eine von ihnen, ein Mädchen von etwa fünf Jahren, rannte auf den kleinen Jungen zu, blickte mich an und versetzte ihm dann lachend einen Tritt mit dem Fuß. Der Kleine flog einen Meter hoch in die Luft und landete direkt in einem Müllhaufen. Ich schrie die Kinder an. Diese rannten ein paar Meter zurück und schauten mich dann neugierig an. Als Tschir meinen Schrei hörte, rannte er hinter dem Auto hervor. Der Kleine versuchte noch nicht einmal aufzustehen. Er hatte anscheinend keine Kraft dafür. Ich rannte auf ihn zu und ignorierte Tschiratidsos Warnrufe. Verschiedene intensive Gefühle verschmolzen in meinem Bewusstsein zu einer Einheit: Ich verspürte Mitleid mit diesem kleinen Wesen, Fassungslosigkeit über die unverhohlene Aggression und Gleichgültigkeit der Kinder, die selbst nicht viel älter waren als der Junge, und eine Art unmenschliche Wut, von der ich überhaupt nicht sagen konnte, gegen wen sie gerichtet war.

“Wit, geh nicht zu ihm!”, brüllte Tschir und fuchtelte beunruhigt mit den Armen. Aber ich hörte ihn schon nicht mehr. Der Kleine lag vor mir auf dem schmutzigen Boden, ich nahm nichts mehr wahr außer seinem dünnen, ausgezehrten kleinen Körper. Ich ging zu ihm hin und kniete mich vor ihn. Er lag ganz ruhig da und schaute mich nur an. In seinem Blick lag nach wie vor eine zähe Angst, gleichzeitig war darin aber auch eine völlige Hingabe an die Umstände zu erkennen. Ich schaute ihn genau an, ignorierte den Ekel und ließ meine Hände unter seinen Körper gleiten, hob ihn vom Boden und drückte ihn an mich. Hinter mir kam Tschir angerannt und packte mich am Ärmel.

“Wit, leg ihn wieder hin. Das geht uns nichts an. Die Leute hier haben ihre eigenen Regeln. Er ist sowieso verdammt.”

Ich sah meinen Begleiter überrascht an.

“Tschir, hast du etwa den Verstand verloren? Das ist ein kleines Kind! Es muss ins Krankenhaus!”

In den unruhigen Augen des Fahrers stand ebenfalls Angst geschrieben.

“Im Krankenhaus wird man ihn nicht aufnehmen, Wit. Er ist verdammt. Lass es sein. Lass ihn hier. Wir fahren weiter!”

Ich sah das kleine Kerlchen an. Er war federleicht und leistete keinerlei Widerstand. Ich erinnerte mich wieder daran, wie ich meinen kleinen Iljuschka in den Armen gehalten hatte. Wut, unerwartete Zärtlichkeit und absolute Verwirrung sprudelten in mir auf. Ich ging zum Auto. Tschir lief mir hinterher und fluchte auf Englisch, murmelte etwas über das verfluchte Rad und die Teufel, die unser Auto genau an dieser Stelle angehalten hatten. Vor dem Jeep blieb ich stehen und legte den Jungen auf das staubige Gras. Ich öffnete das Auto und holte die Wasserflasche aus der Tasche. Seine ausgetrockneten Lippen nahmen gierig die belebende Flüssigkeit auf. Er schien ein wenig zum Leben zu erwachen und griff nach der Flasche, als ich sie von ihm wegzog.

“Warte, mein Kleiner, es ist nicht gut, so viel auf einmal zu trinken. Gleich bekommst du noch ein bisschen mehr.”

Tschir beugte sich zu mir herunter, zog mich am Hemd und flüsterte wütend:

“Wit, wir müssen los. Es ist gefährlich hierzubleiben. Lass ihn hier. Du wirst sonst ein Unheil heraufbeschwören.”

Ich drehte mich erneut zu meinem Begleiter um.

“Was für ein Unheil? Was meinst du mit hierlassen? Tschir, du bist doch ein Mensch oder etwa nicht? Er ist noch so klein.”

Der Fahrer wirkte etwas betreten und flüsterte:

“Es gibt hier Dutzende wie ihn. Du solltest ihn nicht anfassen.”

“Warum nicht?”

“Er ist ein Hexer. Er wurde absichtlich zum Sterben hier gelassen.”

“Ein Hexer?? Was redest du da?”

In diesem Moment rannten ein paar einheimische Frauen und Männer hinter dem Zaun hervor. Sie stellten sich um uns herum auf und fingen an, laut zu schreien. Der Intonation nach zu urteilen, musste es sich um irgendwelche Drohungen und Beleidigungen handeln. Einer der Männer kam näher und packte den Kleinen grob am Bein, zog ihn und schleifte ihn davon, zerrte ihn wie einen Müllsack über den Boden. Ich sprang auf. Mir wurde schummrig und ich bemerkte, wie meine Umgebung in einen burgunderfarbenen Nebel eingehüllt wurde.

“Halt, du Mistkerl!”

Ich schnellte nach vorn und brachte den Mann mit einem Tritt zu Boden. Er fiel in den Staub und ließ den glücklosen Körper des dunklen Menschleins los. Ich schnappte den Jungen und drückte ihn wieder an mich.

“Ihr Schweinehunde, was tut ihr da?”

Tschiratidso schlug die Hände über dem Kopf zusammen, rannte dann aber herbei und stellte sich zwischen mich und die Menge. Er erklärte ihnen etwas in der Landessprache. Die Versammelten waren wütend. Sie spuckten in meine Richtung und gaben mir mit Zeichen zu verstehen, dass ich ihnen den Jungen geben oder ihn zumindest auf den Boden legen sollte. Ein englisches Wort drang zu mir durch: “töten”. Ich drückte das entkräftete Kleinkind noch fester an mich, spürte, wie es sich selbst kaum merklich an mich schmiegte, an die letzte Hoffnung auf Leben in dieser Welt voller Schmerz und Hass.

“Wit, gib ihnen den Jungen!”, Tschiratidso war offensichtlich verzweifelt und verängstigt. So hatte ich meinen Begleiter noch nie gesehen.