Mit den Augen eines Liebenden - Melina B. Hilger - E-Book

Mit den Augen eines Liebenden E-Book

Melina B. Hilger

4,8

Beschreibung

„Mit den Augen der Liebe“ betrachtet, sieht die Welt anders aus. Zu allen Zeiten ist für die Menschen die Liebe ein wichtiges Thema gewesen. In der Literatur, in Filmen und generell in der Kunst nimmt sie großen Raum ein. Und zu lieben ist wahrhaft eine Kunst. Sie treibt uns zu Höchstleistungen an oder lässt uns scheitern oder gar verzweifeln. Vom Streben nach dieser Kunst handeln diese Geschichten zum Thema 'Vielfalt der Liebe'. Diese Kurzgeschichten erzählen vom Ringen um die Liebe, von falsch verstandener, aber auch bedingungsloser Liebe. Die Themen variieren, es geht um die Liebe in der Ehe, zu Partnern, Freunden, Geschwisterliebe, Mutterliebe, die Liebe zu Tieren, die Liebe zur Natur ebenso wie um den Mangel an Liebe u.v.m. Sie werden sich beim Lesen an eigene Versuche zu lieben ganz sicherlich wiedererinnern und möglicherweise zu einer Rückschau veranlasst sein, was Ihnen bereits gelungen oder misslungen ist. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Erkundung dieser Liebes-Geschichten. Kunst der Liebe Alles – also in den Sternen Steht's von Götterhand geschrieben Alles muss der Mensch erst lernen, Alles – auch sogar zu lieben. Robert Eduard Prutz, 1816-1872

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Inhalt

Die Rückkehr

Vergangene Orte

Koko und Amand

Schweigende Begegnung

Ewig junge Liebe

Späte Lehre

Der Bauer und die Katze

Der Menschenfreund

Das ungleiche Paar

Die Liebe einer Mutter

Das Unwetter

Die Augen eines Liebenden

In der Not

Liebe, die weh tut

Liebelei

Lieb Mütterlein

Die Geburt

Goldene Zeiten

Der vermaledeite Brief

Wahre Liebe

Das Muttertagsgeschenk

Träume finden ihren Weg

Verschlossene Seelen

Warum nur?

Auf der Pirsch

Die Übermutter

Auf der anderen Seite d.I

.

Welana und die 7 Welten

Heimatlos

Bedauernswerte Geschöpfe

Du Angebetete

Puschels Seelenreise – Nachruf

Vorwort

Kürzlich sah ich einen französischen Film mit Gerard Depardieu, der mich tief berührte. Er handelte von der Begegnung der 94-Jährigen Margarit mit einem vierschrötigen, einfühlsamen Mann, der Analphabet war, auf einer Parkbank. Sie lehrt ihn auf sehr feine, einfühlsame Art, dass gelesene Worte eine wunderbare Welt eröffnen.

Diese ausgesprochen zartfühlende Begegnung hat mich bewogen, die Schlussworte in diesem Film als Vorwort zu schreiben, in dem es ja auch um die vielfältigen Ausdrücke von Liebe geht:

„Es war eine Begegnung der besonderen Art zwischen Liebe und Zärtlichkeit, anders kann man es nicht bezeichnen.

Sie hatte einen Blumennamen. Ich fand sie zufällig auf der Bank in meinem Park. Sie war umgeben von Namen, so gewöhnlich wie der meine.

Sie machte nicht allzu viel Schaum, nicht dicker als die Tauben mit ihren kleinen Federn, die ich täglich fütterte. Sie war umgeben von Worten und Adjektiven, die wuchsen wie Gräser. Sie wuchsen in meine Rinde bis in mein Herz. Sie gab mir ein Buch, dann zwei, voll mit Worten, manche voller Gewalt, andere ganz sanft.

Du hast noch Zeit Margarit. geh noch nicht! Schenke mir noch ein bisschen von deinem Leben. Warte, denn Liebe geschieht einfach. Stirb noch nicht. Denn Liebesgeschichten gibt es nicht nur in der Liebe. Manchmal gibt es noch nicht einmal ein 'Ich liebe dich' und doch liebt man sich.

Geh noch nicht, es ist noch nicht so weit! Ich brauche dich noch, du hast noch soviel zu geben.

aus dem Film: Defiance

Die Rückkehr

„Freut mich dich zu sehen, habe so lange auf dich gewartet.“ Ihre Augen sprachen diesen Satz ganz deutlich. Aber niemand merkte es. Sie verschlang ihn mit den Augen. Wärme breitete sich in ihrem Herzen und über den ganzen Körper aus. So oft schon hatte sie sich in Tagträumen diesen Moment des Wiedersehens vorgestellt, aber die Wirklichkeit war noch viel überwältigender, als die Träume es ihr vermittelt hatten. Es war unbeschreiblich, es war, als hätte er erst gestern das Dorf verlassen und käme gerade von einem Ausflug zurück. Von der Intensität ihrer Gefühle waren Ihre Knie ganz weich geworden. Sie kamen in Wellen und es fehlte nicht viel und sie wäre zu Boden gesunken.

Als er sie ansah, nein, ihren Blick suchte, schlug sie schnell die Augen nieder. Zu sehr fürchtete sie, er könnte alles darin lesen. Als sie nach zwei Minuten gefasst die Augen wieder hob, war er bereits umringt von seinen früheren Freunden. Der Blick zu ihm war verstellt und sie fast erleichtert. Die Gruppe der Männer, die ihn umringt hatten, entführten ihn zum Lagerfeuer.

Im Widerschein der Flammen erkannte sie seine markanten Gesichtszüge und sah, dass sie noch schärfer geschnitten waren als vor zwölf Jahren.

Ihre Tochter schlief im Haus und sie machte sich auf den Weg dorthin, um nach ihr zu sehen, aber auch um zu entkommen.

„Eluna“, rief eine Stimme hinter ihr her. Diese Stimme, sie schnitt tief in ihr Herz, schon wieder gaben ihre Knie nach. Einen Moment lang unterdrückte sie den Impuls zu fliehen, sie wollte ihm ausweichen, und vor allem diesen, ihr den Atem raubenden, Gefühlen. Doch sie blieb stehen und drehte sich langsam um. Sie sahen sich in die Augen und da erblickte sie seine verhaltene Freude, aber auch seine Angst vor ihrer Reaktion. Sie konnte in diesen blitzenden und zugleich scheuen Augen regelrecht lesen. Es war, als hätte sie eine Antenne ausgefahren, mit der sie wahrnehmen konnte, was in ihm vorging. Sie spürte seine Neugierde, seine Freude, seine Liebe, aber auch seinen Schmerz. Sie wusste nicht, warum er damals, ohne ein Wort zu sagen, einfach verschwunden war.„Mami, wo bist du?“ Sie blickten beide in die Richtung, aus der die Stimme zu hören war und sahen eine kleine Gestalt im Nachthemd, die den Hang hinunter lief. Eluna breitete die Arme aus und fing ihre Tochter auf. „Das ist Lana, sie ist elf Jahre alt“, stellte sie ihm ihre Tochter vor und zu Lana sagte sie: „Das ist Hunter, er war lange fort.“ Hunter blickte erstarrt auf Eluna, dann auf Lana und wieder zurück. Er war unfähig zu sprechen und nachdem sich seine Starre langsam löste, murmelte er: „Elf Jahre, mein Gott, elf Jahre.“

Vergangene Orte

Alina lief durch den verlassenen Ort. Die Häuser sahen zerfallen aus, die Gärten waren vom Unkraut überwuchert. Irgendwie trostlos war der Eindruck, den ihr früherer Heimatort ihr vermittelte. Sie fragte sich ernsthaft, seit wann die Menschen hier verschwunden waren und was der Anlass gewesen sein könnte. Wenn sie an ihre Kindheit zurück dachte, fielen ihr nur Menschen ein, die so festgefügten Charakters waren, dass sie wohl niemals freiwillig ihr Zuhause verlassen hätten.

Es musste wohl etwas Dramatisches passiert sein. Sie suchte angestrengt nach dem Straßennamen. Blumenbüttel 14 war ihre Adresse gewesen. Die Straßennamen, die sie von Schlinggewächsen befreite, konnte sie entweder nicht mehr entziffern oder die Namen waren ihr unbekannt. Sie war erst acht Jahre gewesen, als sie von dort umzogen und Kinder haben eine sehr selektive Wahrnehmung. Das was sie lieben oder das was ihnen Angst macht, bleibt ihnen in Erinnerung.

Sie irrte weiter durch die verwilderten Straßen und ließ sich immer wieder ablenken, weil so wunderschöne Gewächse zwischen dem brüchigen Kopfsteinpflaster empor wuchsen. Es war Unkraut, aber für sie gab es so einen Ausdruck nicht. Alles was wuchs, ob Flora oder Fauna, hatte für sie eine eigene Schönheit und so kam sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Die Pflanzen waren hier die Herrscher und das lohnten sie dem Beobachter durch bizarre Blüten und Überwachsungen. Manche der Häuser waren so überwuchert von Knöterich, Efeu, und wildem Wein, dass es schwer fiel, sie von riesigen Büschen zu unterscheiden.

Sie lief weiter durch die verwunschen wirkenden Straßen und Gärten, als sie stutzte. Hatte sie da nicht eine Gestalt gesehen? Langsam ging sie auf die Stelle zu, wo sie die Bewegung eines vermeintlichen Wesens gesehen hatte. Sie öffnete das vermoderte, halb zerfallene Gartentor, die Scharniere quietschten schmerzensreich und sie ging auf das Haus zu. Es war wild mit Blauregen überwuchert. Teile der blauen traubenähnlichen Blüten wurden ab und zu von einem Windstoß mitgenommen und schwebten einige Meter durch die Luft, ehe sie sich sachte auf die Erde legten. Alina genoss diesen Anblick und vergaß fast, warum sie hier in diesen Garten gekommen war. Sie spürte den tiefen Frieden, der von dieser Umgebung ausging.

So stand sie mit ausgebreiteten Händen, ehrfurchtsvoll im Sonnenlicht, während rund um sie her der blaue Blütenregen niederging. Sie blickte schließlich zu dem märchenhaft aussehenden Haus und die ehemals hellblaue Farbe blinkte noch zwischen den einhüllenden Gewächsen heraus. Da fiel ihr Blick auf eine hell gekleidete Person.

Es war ein Mann. Irgendwie kam er ihr bekannt vor und sie grüßte ihn freundlich. Er antwortete ihr: „Schön dass du endlich gekommen bist!“ Alinas Gehirn schlug Purzelbäume. Kannte er sie? So sehr sie sich auch anstrengte, ihr fiel nicht ein, wer er war, obwohl er ihr irgendwie vertraut erschien.

„Darf ich Sie fragen, wer Sie sind?“ Aber der Mann sah sie nur durchdringend an und ihr wurde allmählich unheimlich. Sie versuchte ein paar lockere Sätze: „Früher habe ich einmal hier gewohnt. Das ist lange her. Man kann hier gar nichts mehr richtig erkennen. Wie lange ist es her, dass hier niemand mehr wohnt?“

Noch immer stand dieser Fremde nur da, ohne ihr zu antworten. Aus Verlegenheit plapperte sie, scheinbar fröhlich, vor sich hin: „Sie wohnen immer noch hier? Sind hier noch mehr Menschen? Ich habe früher als Kind hier gewohnt, aber ich erkenne fast gar nichts mehr wieder.“ Schließlich verstummte Alina und ihr eigener Monolog hallte noch in ihr nach, als sie bemerkte, dass der Mann die Hand ausgestreckt hatte und zum Dachfenster zeigte. Sie folgte seinem Blick und da sah sie ein Schwalbenpaar in den Zweigen, ganz dicht vor dem Dachfenster. Erinnerungen fluteten plötzlich auf sie ein. Sie sah sich als kleines Mädchen am offenen Fenster. Sah, wie sie staunend das Treiben der Schwalben verfolgte, die durch die kleine Öffnung im Blätterwerk ein- und ausflogen. Sah, wie die kleine Alina begeistert die Vorgänge im Nest verfolgte, wie die gelben Schnäbelchen mit lautem Gepiepse aufgesperrt wurden, wenn die Schwalbeneltern sich näherten, um ihnen einen Wurm oder ein Insekt hineinzustopfen. Stundenlang hatte sie oft das Treiben der Vögel beobachtet.

Sie sah in ihrer Erinnerung, wie manchmal der Vater hinter sie trat, sie sanft, aber fest umfasste und sie gemeinsam weiter beobachteten. Alina geborgen in Vaters Armen, leicht hin- und herwiegend, wie ein schwankender Baum im Winde. Sie erinnerte sich an diese liebevolle, verständnisvolle Umarmung, mit allen fühlbaren Eindrücken, als wäre es gestern gewesen. Sie spürte noch einmal die ganze Liebe in dieser Geste, spürte ohne große Worte, dass er sie geliebt hatte.

Alina befand sich nun wieder in der Gegenwart, aber mitgenommen hatte sie ein Gefühl von Traurigkeit über den Verlust des Vaters, der bei einem Auslandseinsatz als Reporter ums Leben kam, als sie noch nicht einmal Neun war.

Koko und Amand

Diese Frösche! Ja sie waren wirklich Frösche. Immer wenn es schwierig wurde, hüpften sie schnell weg, diese Angsthasen. Ja, Frösche und Angsthasen hatten sie. Koko war mutig, ihm konnte so etwas nicht passieren. Er war schon immer der Mutigste in seiner Gruppe. Wenn sie von der Nachbar-Gang angegriffen wurden, war er immer in der vordersten Reihe, sobald es darum ging zu kämpfen. Der 15-Jährige Koko war stark und alle hatten Respekt vor ihm oder war es Angst? Nein, Koko war einfach eine starke Persönlichkeit. Wenn er wütend wurde, sprühten seine dunklen Augen Blitze und sein Blick wurde so scharf, dass sogar die Hunde den Schwanz einzogen und sich jaulend davon trollten.

Amand war so stolz auf seinen großen Bruder. Es waren zwar nur zwei Jahre Unterschied zwischen ihnen, aber sie kamen ihm vor wie zehn Jahre. Amand war eher schwächlich und zart gebaut und er fand, dass er großes Glück hatte, so einen starken Bruder zu haben. Mit ihm hatte er sich immer sicher gefühlt. Keiner tat ihm etwas, denn sie wussten, Koko würde sie nicht ungeschoren lassen, wenn seinem kleinen Bruder ein Haar gekrümmt worden wäre. Ama, wie er immer gerufen wurde, lebte im Schatten seines Bruders. Aber das machte nichts aus, denn er war mit ganz anderen, für ihn wichtigen, Dingen beschäftigt. Er malte und sang sehr gerne und kämpfen interessierte ihn überhaupt nicht. Aber es schmerzte ihn, dass seine Mutter nur Augen und Liebe für ihren Ältesten hatte.

Ama hatte eine wunderschöne Stimme, fast weiblich, denn er konnte auch sehr hohe Töne singen. Dennoch hörte man Amand fast nie, wenn er sang, denn er vermied es, in Gegenwart anderer zu singen. Am liebsten trollte sich Ama in den Wäldern herum. Dort hatte er einen Lieblingsplatz und schmetterte seine selbst erfundenen Lieder, die von Sehnsucht, Leid, Freude und Liebe handelten. Dort auf seinem Lieblingsplatz, einer Lichtung, war das Echo so schön, dass es sich anhörte, als sänge er im Chor. Das liebte er.

Eines Tages hörte ihn ein Mädchen namens Marla singen. Als das Lied zu Ende war, ging sie klatschend auf ihn zu und sprach ihm ihr Lob aus. Seit diesem Tag trafen sie sich öfters im Wald. Bald verschwand seine Scheu und er sang ihr alle seine Lieder vor und sie war begeistert.

Fünf Jahre waren in das Land gegangen. Amand kehrte zur Beerdigung seines Bruders zurück. Es hieß, er wäre im Kampf gestorben. Kurz nachdem Ama das Dorf verlassen hatte, weil ihn ein Musikagent entdeckt hatte, wurde sein Bruder von einem bekannten Boxer in die Stadt gelockt, um in dieser bezahlte Boxkämpfe zu bestehen. Er würde viel Geld dafür bekommen. Er war einer der Besten, aber irgendwann kamen noch Bessere, um sich mit ihm zu messen.

Nun lag er dort im Sarg, der verschlossen war, weil er bei seinem letzten Kampf so schlimm zugerichtet wurde, dass er nicht mehr ansehnlich hergerichtet werden konnte. Sein kurzes Leben war mit zwanzig Jahren schon vorbei, während das von Ama gerade erst anfing. Er sang auf großen Opernhaus-Bühnen in der ganzen Welt. Von überall wurde er engagiert für horrende Gagen. Er war reich geworden. Er stützte seine alte Mutter, die nun ihren Liebling, ihre große Hoffnung, zu Grabe trug.

Schweigende Begegnung

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