Mit Kolt und Degen - Elfride Stehle - E-Book

Mit Kolt und Degen E-Book

Elfride Stehle

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Beschreibung

Esra Kolt hat mit Bravour die Polizeischule bestanden und ist überglücklich, gleich im Anschluss einen Job zu bekommen. Dass es sie allerdings nach Hintertupfingen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, verschlägt, damit hat sie nicht gerechnet. Verbrechen gab es hier schon lange keine mehr. Umso erfreuter ist Esra, dass genau an ihrem ersten Arbeitstag eine Leiche auftaucht. Und damit nicht genug. Der nächste Fall lässt nicht lange auf sich warten. Aber das Detektivduo Degen und Kolt steht vor einem Rätsel. Degens Kumpel Moritz hilft den Beiden etwas auf die Sprünge. Lassen Sie sich von Kolt und Degen in einen nicht ganz ernst zu nehmenden Krimi entführen. Viel Spaß beim Lesen!

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Die Autorin

Unter dem Pseudonym Elfride Stehle schreibt und veröffentlicht Frieda E. Heidi Stolle seit 2012 Gedichte und Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien. Die in Cottbus geborene Autorin lebt seit 1974 mit ihrer Familie in der Oberlausitz.

Ihre Bücher »Lust auf Blütenduft und mee(h)r …« und »Wenn Worte anklopfen …« erschienen im Karina Verlag, Vienna. Dort wirkte die Autorin auch an vielen Anthologien mit, u.a. an der Reihe »Jedes Wort ein Atemzug«. Der Erlös dieser Bücher geht zu 100 Prozent an die Gewaltopferhilfe in Österreich.

Im Dezember 2018 veröffentlichte sie ihr viertes Buch »Der Mond knipst die Sterne an«, erstmalig im Selfpublishing.

Besuchen Sie sie doch einmal auf ihrer Homepage:

http://elfride-stehle-schreibt.jimdo.com

Inhaltsverzeichnis

Wir haben eine Leiche

Die Leiche hat sich bewegt

Die Boldt läuft schon nicht weg

Kommissar Papenbruch funkt dazwischen

Die Verwandlung

Degen geht nach Afrika

Wir haben eine Leiche

Es gibt Menschen, die hat der liebe Gott nicht mit Schönheit gesegnet. Zu diesen Menschen gehört Esra Kolt. Esra ist klein, von rundlicher Gestalt, hat zu lange Arme und zu große Füße. Ihr rundes Gesicht wird durch die buschigen Augenbrauen und einem leichten Oberlippenbart nicht unbedingt schöner – im Gegenteil. Die Natur hat es also nicht besonders gut mit ihr gemeint. Jedenfalls würde sie gewiss keinen Schönheitswettbewerb gewinnen. Esra verdreht bei diesem Gedanken die Augen. Und die Lippen – wenn man sie als solche überhaupt bezeichnen kann – sind zwei schmale Striche, die Nase und Kinn voneinander trennen. Manchmal hat Esra schon mit dem Gedanken gespielt, ihre Lippen aufspritzen zu lassen. Nur fehlt ihr dafür das nötige Kleingeld. Und der Versuch, mit einem dunkelroten Stift ihrem Mund eine schönere Form zu geben, scheitert gründlich. Dann schaut sie jedes Mal entgeistert in den Spiegel, so wie jetzt. Um ihr Spiegelbild besser betrachten zu können, muss sie sich auf die Zehenspitzen stellen. Ihr Vormieter scheint ein Riese gewesen sein, geht es ihr durch den Kopf, denn für ihre anderthalb Meter ist der Spiegel eindeutig zu hoch angebracht. »Hm, als Clown bekäme ich vielleicht den Hauptpreis, aber nicht als Ermittlerin in einem Mordfall. Womöglich würde man mich noch für die Täterin halten«, murmelt sie nachdenklich vor sich hin. Doch in dieser Gegend, in die es sie mehr durch Zufall verschlagen hat, gab es schon lange keine Verbrechen mehr, nicht einmal einen Mord, wie ihr die Vermieterin ihrer Ein-Zimmer-Wohnung berichtet hatte.

»In diese Einöde verläuft sich kein Mensch, geschweige ein Verbrecher«, sagte Frau Martha Schlegel bei Esras Einzug vor genau drei Wochen. Bis dahin hatte Esra noch nicht einmal gewusst, dass es einen Ort mit dem Namen Hintertupfingen überhaupt gibt. Wie das schon klingt - Hintertupfingen. Solch ein Ort mit so einem merkwürdigen Namen, der kann nur klein und abgelegen von jeglicher Zivilisation sein. Trotzdem war sie überglücklich, sofort nach ihrer Polizeiausbildung eine Anstellung bekommen zu haben. Zwar nur in einer kleinen Detektei, aber immerhin. »Jeder fängt mal klein an«, hatte ihre Mutter noch beim Abschied zu ihr gesagt. Esra Kolt schaut noch einmal in den Spiegel, weil heute, an ihrem ersten Arbeitstag, am 1. September, alles perfekt sein soll. Sie will gerade den verrutschten Lippenstift korrigieren, als es Sturm klingelt. Wer kann das sein? Hastig knotet sie den quittegelben Bademantel über ihrem nackten Bauch zusammen, eilt barfuß zur Wohnungstür und öffnet. Sie erschrickt. Vor ihr steht ihr neuer Arbeitgeber, Herr Degen – groß, schlank, im eleganten Nadelstreifenanzug und mit Schlips und Kragen – halt ein typischer Büromensch.

»Was machen Sie denn hier?«, rutscht es Esra etwas vorlaut heraus. Eine Sekunde später hält sie sich die Hand vor den Mund und fragt schüchtern: »Hab ich etwa die Zeit verpasst?« Sie sieht ihren Chef von der Detektei Degen und Ko abwartend an. Doch der schüttelt sein graumeliertes Haupt. »Keine Angst, Frau Kolt, es ist erst viertel vor acht, Sie haben also noch genügend Zeit. Ich komme aus einem ganz anderen Grund … aber wollen wir das im Hausflur besprechen?«

»Oh, nein, nein, Verzeihung, Herr Degen«, stottert Esra und macht mit der Hand eine einladende Bewegung. Der Mann folgt ihr und schließt die Wohnungstür hinter sich. Esra rafft eilig die Sachen zusammen, die auf dem Sofa verstreut herumliegen und wirft sie schnell ins Bad. Verlegen lächelnd bittet sie ihren Chef, Platz zu nehmen. »Entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug und die Unordnung hier, ich wohne erst seit …«

Degen winkt lächelnd ab. »Ich weiß, ich weiß, Frau Kolt.« Dann wird er ernst. Er nimmt ihren Arm und zieht sie sanft zum Sofa. »Setzen Sie sich, denn was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, könnte Sie womöglich umhauen.« Degen blickt in weit aufgerissene Augen, während er neben seiner Assistentin Platz nimmt.

Nervös zieht Esra den Knoten ihres Gürtels noch fester, bevor sie mit zittriger Stimme fragt: »Was ist passiert, Herr Degen, ist was mit meiner Mutter? Ist sie krank, oder …?« Das Herz klopft ihr bis zum Hals, und aus ihrem Gesicht weicht sämtliche Farbe.

Wieder winkt Herr Degen ab. »Nein, es hat nichts mit ihrer Familie zu tun. Und ich denke schon, dass dort alles in Ordnung ist – aber, wir haben eine Leiche – jedenfalls ist der hiesige Bürgermeister verschwunden.«

Degen schweigt. Er betrachtet seine junge Assistentin aufmerksam. So genau kann er sie noch nicht einschätzen. Muss er etwa damit rechnen, dass sie in Ohnmacht fällt? Aber nichts dergleichen geschieht. Esra wechselt nur ihre Gesichtsfarbe – von Weiß nach Rot.

Dann erhebt sie sich, baut sich vor Degen auf und sagt, mit sich überschlagender Stimme: »Eine Leiche? Na endlich! Von wegen, hier passiert nichts!« Und schon steht Esra an der Wohnungstür. Sie wendet sich zu Degen um und ruft: »Worauf warten Sie noch, Herr Degen? Kommen Sie schon!«

Doch der bleibt sitzen und sagt in aller Seelenruhe: »Wollen Sie sich nicht erst etwas anziehen, liebe Kollegin?« Die junge Frau schaut ihn irritiert an, dann an sich herunter und rührt sich nicht vom Fleck. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis der Mann im Nadelstreifenanzug begreift und verlegen stammelt: »Verzeihung, ich warte natürlich draußen.«

Als er bereits die Türklinke in der Hand hat, dreht er sich noch einmal um und nuschelt, nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr: »Jetzt haben wir es um acht, sagen wir, in zehn Minuten unten vor dem Haus? – Ach, und Frau Kolt, machen sie auch Ihren Mund sauber!«

Esra nickt heftig und verschwindet schnell in ihrem Bad. Beinahe wäre sie über ihre Sachen gestolpert. Die legt sie schnell auf den Toilettendeckel. Dann schaut sie sich in ihrem Bad um. Es ist nicht nur klein, nein, man kann es eher als winzig bezeichnen. Nur mit Waschbecken und Toilette ist der fensterlose Raum ausgestattet. Fast hätte sie aus diesem Grund die Wohnung nicht genommen. Doch dann wäre auch ihre Arbeitsstelle futsch gewesen. Das wollte sie auf gar keinen Fall riskieren. Aber ein ausgiebiges Wannenbad mit viel Schaum, wie sie es von zu Hause her kennt, blieb erst einmal ein Wunschtraum, jedenfalls für die Dauer ihrer Probezeit. Wie es danach weiter geht, weiß sie nicht, und ob sie hier auf Dauer bleiben wird, auch nicht – hier, in Hintertupfingen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Doch so ein Vollbad, wie es immer ihre Mutter für sie bereitet hat, das hätte schon was, denkt sie verträumt. Hoffentlich ist mit Mama alles in Ordnung, überlegt Esra mit einem Mal. Die letzten zwei Wochen hat sie nichts von ihr gehört. Kurz nach ihrem Umzug hatten sie noch einmal miteinander telefoniert, und Esra erfuhr von der Gallenkolik ihrer Mutter. Wie es ihr jetzt gehen mag, davon hat sie keine Ahnung – »Mist! Warum hab ich nicht noch einmal angerufen? Das muss ich gleich heute Abend nachholen.«

Zumindest nimmt es sich Esra fest vor. Doch jetzt haben andere Dinge Priorität.

Wieder stellt sie sich auf die Zehenspitzen. Darin hat sie mittlerweile Übung. Entsetzt sieht sie ihren verschmierten Mund. »Oh Gott, was muss Herr Degen von mir gedacht haben«, murmelt sie leise vor sich hin. Mit einem Tempotaschentuch wischt sie energisch über ihre Lippen und verschmiert die rote Farbe nur noch mehr.

Seufzend lässt sich Esra auf die Fersen fallen und greift nach der Nivea Schachtel. Sie tupft Ober- und Unterlippe und alles Drumherum dick mit der Creme ein, um dann später die Lippenstiftfarbe besser entfernen zu können. Diesen Trick hat sie von ihrer Mutter. Doch jetzt heißt es erst einmal, sich anzukleiden.

Zehn nach acht verlässt Esra das Haus, um gleich darauf zu ihrem Chef ins Auto zu steigen. Er gönnt seiner Assistentin nur einen flüchtigen Blick aus den Augenwinkeln, startet den Wagen und wenige Minuten später sind sie am Ziel angelangt. Dort macht er vor einem Dreiseitenhof, dem letzten am Ortsende, Halt. Er steigt aus und hält Esra galant die Autotür auf. Alte Schule, denkt sie noch amüsiert, als er plötzlich lauthals zu lachen beginnt. Wie vom Donner gerührt starrt Esra ihn an. Degen aber kann sich kaum beruhigen. »Meine liebe Frau Kolt. Was haben Sie denn jetzt mit Ihrem Mund angestellt? Und … hahaha, warum kommen Sie auf Strümpfen? Ich bin ja schon schusselig, aber Sie übertreffen alles.«

Esra bleibt der Mund offen stehen. So sitzt sie eine ganze Weile da, was sie noch komischer aussehen lässt. Dann schaut sie auf ihre Füße und wird krebsrot im Gesicht.

»Welche Schuhgröße haben Sie?«, fragt Degen. Er öffnet bereits den Kofferraum.

»42«, kommt es wie aus der Pistole geschossen. »Passt«, meint er trocken und reicht Esra ein paar schwarze Herrenlederschuhe. Er selbst zieht sich Gummistiefel an und stapft einfach davon. Seine Assistentin schnuppert erst einmal an den Schuhen, verzieht ihr Gesicht und versucht schließlich, ohne die Schnürsenkel zu lösen, hineinzukommen. Nach mehreren Versuchen gelingt es ihr, und sie stolpert ihrem Chef in Richtung Stallgebäude hinterher.

Als sie durch die Stalltür tritt, schlägt ihr Ammoniakgestank entgegen. Sie hält sich die Nase zu. Das Quieken von Schweinen lässt Esra fast ertauben. Jetzt hält sie sich mit beiden Händen die Ohren zu. Dann entdeckt Esra ihren Chef, der sich sehr angeregt mit einer relativ jungen und recht großen Frau unterhält. Diese steckt in grauen Arbeitsklamotten und roten Gummistiefeln. Blonde Locken schauen unter einem bunten Kopftuch hervor. Und hübsch ist sie, denkt Esra mit einem leichten Anflug von Neid.

Als die Frau in Esras Richtung blickt, verstummt sie, und in ihrem Gesicht macht sich ein Grinsen breit. Die Detektivassistentin gibt aber auch ein lustiges Bild ab. In ihrem viel zu engen rosafarbenen Kostüm hat sie Ähnlichkeit mit einer Presswurst. Und dazu die schwarzen Herrenschuhe, die ihre Füße noch größer erscheinen lassen. Und was hat sie nur mit ihrem Mund gemacht, wundert sich die Frau mit dem bunten Kopftuch. Degen, der sich ebenfalls ein Schmunzeln verkneifen muss, will die prekäre Situation seiner neuen Kollegin retten. Deshalb steckt er ihr schnell ein Papiertaschentuch zu und flüstert: »Entfernen Sie die weiße Creme, oder was das auf Ihrem Mund auch sein mag!« Hastig wischt Esra damit über ihre Lippen und wirft das Tuch in die Box zu den Schweinen, die gleich wieder ein Quiek-Konzert beginnen.

Während Esra sich genervt erneut die Ohren zuhält, stellt Degen sie der Bäuerin als seine Mitarbeiterin vor. Und zu Esra gewandt sagt er: »Und das ist Frau Boldt, die Bäuerin von diesem Hof.«

Widerwillig reicht Esra dieser Frau die Hand, die noch immer ihr breites Grinsen mitten im Gesicht trägt. Blöde Kuh, denkt Esra ärgerlich, während Degen unbeirrt weiterspricht. »Und wir wurden hierhergerufen, weil Frau Boldts Bruder spurlos verschwunden ist.«