Mit Paul und Pauline im Petermoor - Christa Bohlmann - E-Book

Mit Paul und Pauline im Petermoor E-Book

Christa Bohlmann

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Beschreibung

Paul ist ein ungewöhnlicher Igel, denn er kann die menschliche Sprache nicht nur hören, sondern auch verstehen. Er kann sogar Farben erkennen. Seine Frau Pauline erlebt die Welt, wie alle anderen Igel, nur in beige-braunen Tönen. Beide streifen durch den Tierpark Petermoor in Bassum. Paul ist begeistert von den dort lebenden Tieren. Er ist angetan von Fauna und Flora und schnappt Informationen auf, wenn Stadtführer, Lehrer oder auch Erwachsene über die unterschiedlichen Rassen sprechen. Ein paar Wochen, nachdem sich das Igelkarussell drehte, brachte Pauline vier winzige Igelkinder zur Welt. Zeit für Paul, den Kleinen die Schönheit des Bassumer Zoos zu zeigen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Darf ich vorstellen?

Pauline

Mit Paul und Pauline im Petermoor

Vorwort

Schon länger hatte ich mit dem Gedanken gespielt, ein Büchlein über den Tierpark Petermoor in Bassum zu schreiben – über die Tiere, die dort leben, über die Menschen, die dort arbeiten und über die vielen Besucher. Am liebsten wollte ich eine Fabel über Tiere schreiben, die menschliche Eigenschaften verkörpern. Für welche Art sollte ich mich entscheiden? In jedem Fall sollten sich meine Tiere „eingeschmuggelt“ haben, also nicht auf der Inventurliste des Tierparks stehen. Eine Feldmaus vielleicht? Oder ein Feldhamster? Beide schieden aus, weil sie ja nachtaktiv sind. Was sollten die über die Tierparkbewohner berichten Diese Idee verwarf ich wieder. Vielleicht ein Eichhörnchen? Aber darüber hatte ich schon in meinem Buch über Bad Meinberg geschrieben.

Als ich las, dass der Igel Wildtier des Jahres 2024 ist, fiel mir die Wahl leicht. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass auch der Igel nachtaktiv ist und als Einzelgänger lebt. Das Sehvermögen ist nicht sonderlich gut ausgeprägt. Es reicht nur, um Umrisse zu erkennen. Auch Farben können Igel nicht unterscheiden, ihre Augen nehmen hauptsächlich Braun- und Cremetöne wahr. Sie können sich mit Hilfe von anderen Sinnen zuverlässig in der Welt zurechtfinden. Weil der Geruchssinn des Igels ausgeprägt ist, erschnüffelt er seinen Weg. Obwohl seine Ohren nur klein sind, reagiert er schon auf die leisesten Geräusche.

Gerade da fängt meine Fabel an: Mit Igel Paul und Pauline, seiner Frau. Paul verfügt über eine besondere Gabe, denn er kann menschliche Stimmen nicht nur hören, er kann sie auch verstehen. Paul kann recht gut sehen und sogar Farben erkennen. Seine Erfahrungen und Gedanken teilt er mit seiner Frau.

Viel Spaß wünsche ich den Lesern meines Märchens für Menschen von sechs bis 99 Jahren.

Ein herzliches Dankeschön an meine Helfer:

Alfred Rozenvalds für die wunderschönen Fotos

Petra und Elske für das Korrekturlesen

Eckhard für den technischen Beistand

und Heinz für seine Geduld.

Darf ich vorstellen?

Das ist Paul. Paul ist ein ganz besonderer Igel, denn er kann die menschlichen Stimmen nicht nur hören – er kann sie auch verstehen. Paul sieht sein Welt kunterbunt und er genießt sein Leben im Bassumer Petermoor

Pauline

Pauline ist Pauls Frau – eine ganz normale Igelfrau. Wie alle anderen Igel sieht sie die Welt nur in beige-braunen Tönen. Nach erfolgreichem Igelkarussell hat sie Paul vier Kinder geschenkt.

Mit Paul und Pauline im Petermoor

Ein sonniger Apriltag neigte sich dem Ende zu. Erst streckte sich ein spitzes Näschen aus dem am Zaun liegenden Laubhäufchen heraus. Dann schoben zwei kurze Igelfüßchen die braun-schwarzen Blätter zur Seite und ein Igel kletterte ins Freie – Paul. Paul war im letzten Herbst zufällig hier im Tierpark Petermoor gelandet, in seinem Paradies, wie er sagte. Beruhigt konnte er hier seinen Winterschlaf antreten, denn hier war er sicher vor Autoreifen, die schon einige seiner Verwandten überrollt hatten. Er hatte sich für das Känguru-Gehege entschlossen, denn die haarigen Tiere fand er zu putzig. Die wollte er in den nächsten Tagen näher kennenlernen.

Fast ein halbes Jahr hatte er verpennt, wenngleich er nicht immer im Tiefschlaf gelegen hatte. Er schlummerte so dahin und verpasste, wie alle Igel, die kalte Jahreszeit. Jetzt war es wichtig, Nahrung zu sich zu nehmen und Paul machte sich gleich auf den Weg, um Schnecken oder andere Insekten zu finden, um sie zu fressen, denn seine Fettreserven hatte er während der Wintermonate ziemlich verbraucht. Richtig mager war er geworden. Schnell hatte er das erste Schneckenhaus gefunden, das er hörbar knackte und schmatzend verspeiste. Paul durchstreifte das Revier auf der Suche nach Essbarem und er wusste noch nicht, ob er heute in seinen Bau zurückkehren würde, oder ob er sich einen neuen Schlafplatz für die Nacht suchen sollte.

Vor ihm lag der eigentliche Petermoorteich der etliche Wasserbewohner beherbergte – Enten, Gänse und Schildkröten.

Die Enten und Gänse lagen meist paarweise nebeneinander, ihr Geschnatter war mit der Dämmerung und der anbrechenden Nacht leiser geworden. Paul beschloss, in seinen Bau zurückzukehren, in die Australien-Anlage. Er hielt es für ratsam, seine Mitbewohner genauer zu beäugen. Die kleinen graubraunen Kängurus ließen sich tagsüber, so wie auch er, selten sehen. Aber Paul hatte schon einen Blick erhaschen können, als zwei von ihnen an ihm vorbeihuschten.

Vermutlich hatten sie ihn gar nicht wahrgenommen. Ihr Fell schien sehr weich zu sein, vielleicht so weich wie Pauls Haare am Unterbauch. Feinde würden sie vermutlich nicht werden.

Respekt flößten ihm allerdings die pechschwarzen Trauerschwäne mit den unglaublich langen Hälsen ein. Es machte Paul Angst, wenn die Schwäne zischend mit ausgebreiteten Flügeln durch das Gehege rannten. Wie gut hatte es die Natur doch eingerichtet, bei Gefahr konnte er sich wie eine Kugel zusammenrollen und seine Stacheln zeigen. Dann war es schon schwer, Igel anzugreifen.

Die Radjahgänse mit dem schönen schwarzweißen Gefieder mochte Paul sehr gerne ansehen, denn die verhielten sich friedlich. Paul brauchte nicht lange nach Insekten zu suchen, denn die gab es hier in seinem selbst gewählten Zuhause reichlich. Gerade hatte er nacheinander eine Spinne, einen Regenwurm und einen Ohrenkneifer verputzt. Eine Schnecke lag zum Greifen nah, aber die war ihm zu schleimig. Die würde er nur fressen, wenn er gar nichts anderes finden könnte. Am nächsten Vormittag ging Paul wieder auf Entdeckungsreise. Gleich hinter dem Gehege der Kängurus fand er das Felsensittich-Gehege, in dem geflattert und geträllert wurde. In der Voliere war wohl auch das Zuhause der Meerschweinchen. Paul konnte sie nicht sehen, denn seine Beine waren zu kurz, um einen Blick hinter die Scheibe zu erhaschen. Das lustige Quieken der meist braunen oder braun weißen Fellknäule konnte er gut hören. Einige Kinder drückten sich die Nase platt und waren entzückt von den knuddeligen Meerschweinchen. Ein paar Schritte weiter konnte er dann doch Meerschweinchen sehen, weil sie einen direkten Auslauf ins Freie hatten.

Wenn Paul Gelegenheit fand, schnappte er sich wieder ein paar Insekten, die er schmatzend vernaschte.

Als er im letzten Herbst hier im Tierpark landete, hatte Paul Tiere wahrgenommen, die er niemals zuvor gesehen hatte. Flinke Kattas mit geringelten langen Schwänzen tobten hinter Gittern. Die konnten sogar über eine Brücke auf eine Insel gelangen und dort nach Herzenslust herumtollen. Die wollte Paul sich heute ansehen, komme was da wolle. Viele der anderen Tierparkbewohner hatten Paul längst wahrgenommen und ihn misstrauisch beäugt, den Kriecher mit seinen spitzen Stacheln. Der sollte bloß nicht wagen, ihnen das Essen streitig zu machen. „Beruhigt euch“, meckerte eine der Ziegen. „Der frisst doch nur Insekten und Würmer. Wir haben es doch gut, Maik und Carolin bringen uns genug Leckereien. Lasst ihn doch laufen!“

Paul lief direkt am Wegesrand – am Übergang vom Fußweg zur Grasfläche am Ufer des Teiches. Hier fühlte er sich sicherer als würde er, für alle sichtbar, mitten auf dem Fußweg stolzieren. Fast hatte er die große Eingangspforte erreicht, als ihm plötzlich herrliche Düfte in die Nase kamen: hier musste eine Igelfrau in der Nähe sein. Pauls kleines Herz pochte wie wild, vergessen waren die Kattas mit ihren langen Ringelschwänzen. So schnell er konnte überquerte Paul den Fußweg und war unter den Rhododendronbüschen verschwunden. „Oh, schaut mal, ein Igel!“, hörte man eine Mutter sagen, die einen Kinderwagen vor sich her schob, ein Dreijähriger lief an ihrer Seite. Dem war das graue Stacheltier entgangen. Egal, hier gab es ja genug andere Tiere.

Paul wühlte sich durch das unter den Büschen liegende abgestorbene Laub. Dabei scheuchte er einige Käfer auf und sogar rosa Regenwürmer hatte er frei gelegt. In diesem Moment waren ihm die kleinen Viecher egal, er suchte nach dem Igelweibchen, das er offensichtlich aus den Augen verloren hatte. In Richtung Zaun war sie gelaufen, dann vermutlich abgebogen und Paul fragte sich, in welche Richtung sie verschwunden war. Hatte auch sie ihn wahrgenommen und war vor ihm weggelaufen? Undenkbar. Jetzt hatte er keine Lust mehr, sich die Kattas anzusehen, denn die konnten seine Laune in diesem Moment auch nicht verbessern. Paul raffte einige Blätter unter dem Rhododendron zusammen und hielt sich darunter verborgen. Ein guter Platz zum Schmollen. Es war bereits dunkel geworden, als sich Pauls Lebensgeister wieder meldeten, der Hunger hatte ihn geweckt.

Gestärkt nach dem Verzehr etlicher Krabbeltiere verzog er sich zunächst wieder an den Rand des Rasenstreifens neben dem Fußweg, der rund um den Petermoor-Teich führt. Paul musste nachdenken. Irgendwie war er anders als die männlichen Igel, die er kannte. Die suchten meist nur das Vergnügen, machten Liebe mit möglichst jedem Igelweibchen, das ihnen begegnete. Er dachte da anders, denn er suchte ein Weibchen, mit dem er eine Familie gründen könnte. Er wollte treu und anhänglich sein und für Frau und Nachkommenschaft sorgen. Damit würde er sich zum Gespött seiner stacheligen Brüder machen, die ja als Einzelgänger bekannt waren, aber das war ihm egal.

War das Weibchen, dem er nur kurz begegnet vielleicht etwas dumm und leichtsinnig, weil es dieses paradiesische Gelände freiwillig verlassen hatte? Gleich hinter dem Zaun verlief die Straße. Zugegeben der Verkehr war zu dieser Zeit übersichtlich, aber es war doch viel zu gefährlich. Besser, viel besser war es doch hier im geschützten Bereich.

Die Tierparkbewohner hatten sich zur Ruhe gelegt. Manchmal vernahm Paul noch ein leises Schnattern oder Gackern. Gemächlich drehte Paul noch eine Runde und nahm die unterschiedlichen Gerüche wahr. Am Lama-Gehege roch es anders als bei dem Axis-Hirschen und es müffelte im Streichelzoo, in dem Ziegen und Schafe ihr Zuhause hatten. Vermutlich waren es nicht nur die Tiere, sondern deren Hinterlassenschaften, auf die das Igelnäschen reagierte.

Wie gut er es doch hatte, denn er konnte sich beliebig bewegen, weil er nicht hinter einem Zaun oder Gitter eingesperrt war. Ach, so ein Igelleben war wunderschön, fehlte nur noch eine passende Frau für den kleinen Paul.

In aller Herrgottsfrühe stand Paul am nächsten Morgen auf. Er wollte sich im Tierpark orientieren und die Tiere beobachten. In den Tagen zuvor hatte er sich erst einmal akklimatisieren müssen, aber an diesem Morgen wollte er gezielt vorgehen, noch bevor die zahlreichen Besucher eintrafen. Das Wetter schien schön zu werden, bald war mit vielen Gästen zu rechnen. Am Vortag waren Paul die Kronenkraniche aufgefallen. Hatten die etwa, so wie er, Stacheln auf dem Kopf? Das wäre doch verrückt!