More Than This - April Dawson - E-Book

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April Dawson

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Beschreibung

Würdest du für die Liebe alles riskieren, auch wenn es dich eure Freundschaft kosten könnte?

Landschaftsarchitektin Grace hatte noch nie wirklich Glück in der Liebe. Und dass alle in ihr und ihrem besten Freund Zayn das perfekte Paar sehen, macht die Sache nicht besser. Denn so nahe sie sich auch stehen, der Draufgänger und die schüchterne Romantikerin könnten unterschiedlicher nicht sein. Dennoch fällt es Grace zunehmend schwerer, das prickelnde Knistern zwischen ihnen zu ignorieren. Aber kann sie es wirklich wagen, Zayn ihre Gefühle zu gestehen, wenn es sie ihre Freundschaft kosten könnte?

"Auch im finalen Teil ihrer Reihe zeigt uns April Dawson, dass zwei Menschen, die zusammengehören, immer zueinanderfinden werden - sei es auf direktem Weg oder über Umwege. Und genau das gibt mir Hoffnung!" JANAS.BOOKLOVE

Band 3 der romantisch-leichten UP-ALL-NIGHT-Reihe von Bestseller-Autorin April Dawson

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Seitenzahl: 432

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapital 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von April Dawson bei LYX

Impressum

APRIL DAWSON

MORE THAN THIS

Roman

Zu diesem Buch

Landschaftsarchitektin Grace hat es satt, der einzige Single in ihrem Freundeskreis zu sein. Zwar gibt es da noch Zayn, ihren besten Freund, doch während alle in ihnen das perfekte Paar sehen, ist sich die schüchterne Grace sicher, dass eine Beziehung mit ihm niemals funktionieren würde. Denn auch wenn Zayn und sie sich so nahestehen wie niemand sonst auf der Welt, könnten sie doch unterschiedlicher nicht sein. Während Zayn sein Singledasein in New York in vollen Zügen genießt, nie etwas über seine Familie erzählt und nur für den Augenblick lebt, sehnt sich Grace nach der großen Liebe und träumt davon, eines Tages ihre eigene Gärtnerei außerhalb der Stadt zu eröffnen. Und doch ist da dieses feurige Knistern zwischen ihnen, das sich immer weniger ignorieren lässt, je mehr Zeit sie miteinander verbringen. Aber kann Grace, die bisher nur Pech in der Liebe hatte, es wagen, Zayn ihre wahren Gefühle zu gestehen, auch wenn sie dabei riskiert, ihren besten Freund zu verlieren?

Für alle Romantikerinnen da draußen.

Ich bin eine von euch.

Playlist

Harry Styles – Falling

Queen – You don’t fool me

Nea – Some Say

Colbie Caillat – Realize

Lewis Capaldi – Forever

Billie Eilish – Everything I ever wanted

Christina Aguilera – Bound to you

HAEVN – The other side of sea – Symphonic Version

The Fray – Say when

New Hope Club – Love again

Harry Styles – Lights up

Ed Sheeran – Save myself

5 Seconds of Summer – Want you back

Maisie Peters – Favourite Ex

Meghan Trainor – After you

5 Seconds of Summer – Better Man

Niall Horan – Nice to meet ya

The Fray – Heartless

Alessia Cara – Out of love

Niall Horan – Put a little love on me

Lizzo – Good as hell

Kapitel 1

GRACE

Was war das denn? Schweißgebadet richte ich mich auf und blicke keuchend auf meine Hände. Meine Finger zittern, denn sie haben in meinem Traum an Zayns Haaren gezogen, während meine Lippen nach seinen gegiert haben. Ich schüttle den Kopf, um diese intensiven Bilder von uns beiden aus meinen Gedanken zu bekommen, denn auch wenn Zayn durchaus attraktiv ist, sind wir beide nur Freunde. Wieso also träume ich davon, mit ihm rumzumachen?

Es könnte daran liegen, dass der Großteil meiner Freunde verliebt ist und ich es auch gerne wäre. Da hat mir vielleicht mein Unterbewusstsein einen Wink mit dem Zaunpfahl geschickt, um mich daran zu erinnern, dass ich seit einer Weile keine Dates mehr gehabt habe. Wieso ich dann ausgerechnet von Zayn, dem Partylöwen und Frauenheld unserer Clique träume, will mir nicht in den Kopf. Mein Herz klopft noch immer wild in meiner Brust, was mir klarmacht, dass an Schlaf nicht mehr zu denken ist.

Ein Blick auf den Wecker zeigt mir, dass es gerade mal fünf Uhr früh ist. Wenn ich innerlich unruhig bin, dann höre ich Musik, zeichne oder gehe joggen, um den Kopf freizubekommen. Da es aber noch finster ist und ich im Dunkeln nicht gerne laufe, öffne ich die Schublade und greife nach meinem Lieblingsbuch. Meine Mutter hat mir als Kind jeden Abend aus den Büchern ihrer Lieblingsautorin Jane Austen vorge­lesen.

Dass genau sie auch meine Lieblingsschriftstellerin geworden ist, ist da kein Wunder. Von Emma über Northanger Abbey bis zu meinem Lieblingsbuch Stolz und Vorurteil habe ich jeden Roman mehr als zwanzigmal gelesen. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich selbst eine Schwäche für Romantik entwickelt habe. Insgeheim habe ich stets davon geträumt, einen Mann kennenzulernen, der mich zu Picknicks einlädt, mir Liebesbriefe schreibt, der redegewandt und intelligent ist.

Mir ist bewusst, dass ich die Erwartungen hochschraube für meinen zukünftigen Partner, aber ich will mich nicht mit weniger zufriedengeben als dem, was ich meiner Meinung nach verdient habe. Ein Mann wie Mr Darcy wäre für mich das, was einem Traummann gleichkommt, nur dass ich bis jetzt keinem begegnet bin, der ihm auch nur im Entferntesten ähnelt. Meine Schwäche für fiktive Charaktere, egal ob aus Büchern oder Filmen, begleitet mich schon seit der Highschool. Nicht nur einmal wurde ich ausgelacht, weil meine Schwärmerei für Nick Carter von den Backstreet Boys tiefer ging, als sie sollte.

Das ist jetzt nicht anders, derzeit habe ich eine Schwäche für Tom Hiddleston oder besser gesagt für ihn in seiner Rolle als Loki. Männer mit dunklen Haaren und klaren Augen haben es mir angetan. Im wahren Leben jedoch gibt es keinen Mann, der mein Herz höherschlagen lässt. Das letzte Date ist eine ganze Weile her, und danach habe ich mich auf meine Arbeit konzentriert, die mich mehr und mehr in Beschlag nimmt.

Der Blick in den Spiegel an diesem Morgen lässt mich frustriert aufstöhnen. Nach dem Aufwachen aus dem verrückten Zayn-Traum habe ich so lange gelesen, bis mir die Augen von selbst wieder zugefallen sind. Und nun habe ich tatsächlich einen Abdruck vom Buchrücken auf der Wange, der aussieht wie eine lang gezogene Narbe. Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich wie Taylor und Daniel eine Leseratte bin. Außer Jane Austens Büchern lese ich eigentlich nichts. Mir fehlt es an Zeit, außer wenn es um meine Lieblingsautorin geht.

In der Küche treffe ich auf meine beste Freundin Addison, die gerade Rühreier zubereitet. In unserer Clique ist sie diejenige, die uns alle mütterlich umsorgt, sich unsere Probleme anhört und uns lecker bekocht, wenn sie es zeitlich einrichten kann.

»Das riecht ja himmlisch«, schwärme ich und öffne den Kühlschrank, um mir eine Flasche Wasser zu holen.

»Danke. Für meine Beste nur das Beste.« Am Ton ihrer Stimme erkenne ich, dass sie übermäßig freundlich zu mir ist, was mich aufhorchen lässt.

»Okay?« Es klingt mehr nach einer Frage, denn auch wenn Addison gerne für uns alle kocht, legt sie sich in den letzten Tagen mehr ins Zeug als sonst.

»Ja, klar. Ich meine, du bist der Hammer, und ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen …« Ihre Körperhaltung ist steifer als üblich, und ihre Blicke wirken hektisch. Sie ist nervös, die Frage ist nur, wieso?

»Du kannst geradeheraus sagen, wenn du etwas möchtest, Addy. Du brauchst mich nicht zu mästen. Außer du findest, ich wäre zu dünn.«

»Ach Quatsch. Du siehst gut aus, so wie du bist. Aber es gäbe tatsächlich etwas, worum ich dich gerne bitten würde.«

»Na, dann schieß mal los.« Ich habe ja gewusst, dass etwas im Busch ist. Also öffne ich die Flasche und trinke einen Schluck, ehe ich mich auf einen der Barhocker an der Küchentheke setze und meine Freundin gespannt ansehe.

»Ich habe schon vor Wochen Zayn versprochen, dass ich ihn auf eine Lesung begleite, aber Drake und ich haben uns ja wieder versöhnt und möchten dieses Wochenende gerne etwas allein unternehmen. Immerhin waren wir eine ganze Weile getrennt.«

»Ich habe dieses Wochenende nichts Bestimmtes vor, also wäre es kein Problem, wenn ich für dich einspringe, vorausgesetzt, Zayn hat nichts dagegen.« Kaum habe ich seinen Namen ausgesprochen, erscheint das Bild von ihm und mir vor meinem inneren Auge. Glasklar sehe ich seine Lippen, sein freches Grinsen, und ich spüre regelrecht seine Hände auf meinen Hüften. Die Hitze, die plötzlich durch meine Adern fließt, ignoriere ich geflissentlich.

»Erde an Grace.« Addison fuchtelt mit den Händen vor meinem Gesicht herum.

»Wie bitte?« Für einen Moment bin ich weg gewesen, habe mich ein wenig in meinem Traum von Zayn verloren. Ich muss tatsächlich den Kopf schütteln, um wieder klar denken zu können.

»Ich habe Zayn schon gefragt, und er freut sich sehr, dass du ihn begleitest.«

»Wenn das so ist, dann bin ich dabei. Ich war schon seit Jahren auf keiner Lesung mehr.«

»Ging es nicht bei der letzten um Jane Austen?« Sie stellt die Pfanne auf den Untersetzer, der auf dem Esstisch liegt, und schenkt sich ein Glas Orangensaft ein.

»Ja, die Sprecherin der Hörbücher hat damals gelesen.«

»Ich glaube, dass es diesmal um Fantasy geht. Das hat Zayn zumindest gesagt.«

»Das macht nichts. Mir ist klar, dass unser Playboy keinen ausgeprägten Hang zur Romantik hat.«

»Das mit Sicherheit nicht«, entgegnet meine beste Freundin kichernd und bittet mich zu Tisch.

Die nächsten Tage vergehen im Nu. Sie sind vollgepackt mit Büroarbeit, sodass ich abends völlig erschöpft nach Hause komme. Nach der ganzen Hektik und den vielen Telefonaten, die mein Job als selbstständige Gartengestalterin mit sich bringen, freue ich mich auf die Ruhe und Entspannung, wenn ich heimkomme. Zweimal die Woche besuche ich meine Freundin Aaliyah, die alleinerziehende Mutter, die im Erdgeschoss wohnt. Ich habe mich mit ihren kleinen Söhnen angefreundet und genieße die Zeit, die wir miteinander verbringen.

An diesem Donnerstagabend will mich Zayn von zu Hause abholen, damit wir gemeinsam zur Lesung fahren können. Nachdem ich geduscht habe, ziehe ich mir Jeans, eine weiße Bluse und darüber einen cremefarbenen Pullover an. Mein hüftlanges Haar trage ich offen, und auf Make-up verzichte ich gänzlich. Dann checke ich den Inhalt meines Rucksacks. Eine Angewohnheit, die ich seit Jahren habe. Bevor ich irgendwo hingehe, sehe ich nach, ob ich auch alles eingepackt habe. Kalender, Tablet, Regenschirm, Geld, Taschentücher, Parfüm, Smartphone und was mir sonst noch einfällt.

Diese Zeit nehme ich mir, da ich für alle Eventualitäten gerüstet sein möchte. Es ist sechs Uhr, als Zayn klingelt. Da Daniel und Taylor ausgegangen sind, eile ich zur Tür, um ihm zu öffnen. Wie jedes Mal haut mich der Anblick von Zayn um. Er ist ein Mann, dem du auf der Straße einen zweiten Blick zuwirfst oder ihm gar hinterhersiehst. Was nicht nur an seiner Attraktivität liegt, sondern an seinem gesamten Auftreten.

»Hey. Ich habe gehört, du hast dich meiner erbarmt und musst mich zu einer öden Lesung begleiten«, begrüßt Zayn mich mit einem strahlenden Lächeln, das aber nicht ganz seine Augen erreicht. Etwas belastet ihn, das spüre ich schon länger, aber er überspielt es, wenn er mit uns, seinen Freunden, zusammen ist.

»Ich weiß nicht, wer dir den Unsinn erzählt hat, denn ich freue mich sehr darauf, mit dir auszugehen.«

»Dann werde ich mich wohl besonders ins Zeug legen.«

»Das musst du gar nicht. Sei einfach du selbst. Dann wird der Abend fantastisch.«

Wir betreten eine kleine Buchhandlung, die charmant und nostalgisch eingerichtet ist. Hier gibt es keine grelle Beleuchtung wie in den großen Geschäften, sondern gedimmtes Licht, dazu dunkle Bücherregale und diesen besonderen Geruch alter Bücher, den man liebt oder hasst, wobei ich eindeutig zur ersten Kategorie gehöre. Erstaunt lasse ich den Blick schweifen und stelle fest, dass es auch einen zweiten Stock gibt und dass wirklich alle Wände voller Bücher sind. Dieser Laden hat etwas Ungewöhnliches, was absolut positiv gemeint ist. Solch ein Ambiente findet man nur selten.

»Toll, nicht wahr?«, sagt Zayn mit einem amüsierten Lächeln.

»Es ist wunderschön hier. Ich frage mich, wieso er mir bislang nicht aufgefallen ist, wo doch mein Lieblings-Coffeeshop gleich um die Ecke ist.«

»Ich glaube, das ist so von der Inhaberin gewollt. Er soll im Verborgenen sein, gefunden werden, denn so weiß der Kunde es umso mehr zu schätzen.«

»Also, diese Buchhandlung hat seit gerade eben eine Kundin mehr.«

»Das wird Doris aber freuen.«

»Doris?«

»Ja, ihr gehört die Buchhandlung. Sie ist leidenschaftliche Sammlerin alter Bücher und hat jeden Winkel dieses Ladens selbst gestaltet. Komm mit nach oben, die Lesung fängt gleich an.«

Wir gehen die Treppe hinauf und dann durch einen langen Gang voller Bücher zu einem Saal, in dem am Eingang ein Tisch mit den Büchern des Autors steht, der heute lesen wird. Der Name sagt mir nichts, aber die Buchcover gefallen mir sehr. Zayn erklärt mir, dass der Autor hauptsächlich High Fantasy schreibt, was sein Lieblingsgenre ist. Zayn hat jedes Buch von ihm gelesen, und er hat sogar in seiner Umhängetasche alle Bücher dabei, um sie signieren zu lassen.

»Ich wusste gar nicht, dass du so viel liest.«

»Das liegt daran, dass wir uns meistens im Pub oder bei Fernsehabenden treffen. Zu Hause genieße ich die Ruhe und entspanne mich bei einem guten Buch.«

»Wieder etwas Neues über das Phänomen Zayn May gelernt.«

»Ach, ich bin leicht zu durchschauen.«

»Das sehe ich anders. Ich bin gut im Lesen von Menschen, aber du machst es mir hin und wieder schwer.«

Zayn neigt den Kopf, zwinkert mir zu und legt die Hand auf meinen Rücken, um mich zu unseren Plätzen zu führen. »Vielleicht ist das etwas Positives. So bleibe ich mysteriös und interessant.«

Zayns Stimme ist eine Spur tiefer geworden und trifft mich völlig unerwartet. Genau in dieser Tonlage hat er im Traum mit mir gesprochen, ehe wir übereinander hergefallen sind. Die Gänsehaut, die sich in seiner Nähe auf meinem Körper ausbreitet, ist daher völlig normal. Das rede ich mir so lange ein, bis ich es schließlich glaube.

Nach der überaus interessanten Lesung gehen wir in meinen Coffeeshop, in dem ich schon lange Stammkundin bin. Verblüfft fällt mir auf, dass er ganz ähnlich wie der Buchladen eingerichtet ist. Hier dominiert ebenso das Außergewöhnliche, dunkle Möbel, antik wirkende Deko, Regale voller Bücher, in denen man stöbern kann, und viele Grünpflanzen. Und das Beste an diesem Café ist, dass es nie so voll ist wie in vielen Starbucks-Filialen. Hier kennt man mich beim Vornamen, und ich fühle mich einfach wohl. Jeffrey, mein Lieblings-Barista, verwöhnt mich immer wieder mit einer neuen Teesorte, die ich ausprobiere.

»Und, wie sieht es diesmal aus? Hast du Lust auf ein Date mit mir?«, fragt mich Jeffrey wie jedes Mal, wenn ich einen Tee bestelle.

»Tut mir leid, aber leider bin ich schon einem anderen versprochen.«

»Du brichst mir das Herz, Grace.«

»Sorry, aber da kann man leider nichts machen.«

Zayn und ich schnappen unsere Becher und suchen uns einen freien Tisch. Ich spüre seinen Blick im Rücken, also drehe ich mich halb um und erwische Zayn tatsächlich dabei, wie er mir auf den Hintern guckt.

»Na? Was Interessantes entdeckt?«, frage ich über die Schulter, ehe ich mich setze.

»Durchaus«, antwortet er mir zwinkernd. Zayn hat die Ärmel seines Jeanshemdes hochgekrempelt und lehnt sich entspannt zurück. Sein Bartschatten, gepaart mit dem verwegen aussehenden Haar, lassen ihn wie eine moderne James-Dean-Version aussehen. Keine Spur von schlechtem Gewissen, weil er mich begafft hat.

»Du hast doch nichts dagegen, dass ich dir ein Kompliment mache?«

»Ganz und gar nicht. Ich freue mich über Lob, zu welchem Körperteil auch immer.«

»Na, dann warte, bis ich eine Ode an deine perfekten Beine schreibe.«

»Du spinnst doch«, sage ich und erröte.

»Unterschätz dich nicht. Ich kann dir drei Männer zeigen, die sich nach dir umgedreht haben.«

»Was? Tatsächlich?«

»Natürlich. Mich überrascht das nicht, aber dich anscheinend schon.«

»Na ja, ich bin nicht der Typ, der oft auf Partys oder in Bars angesprochen wird. Ich denke, meine schüchterne Art ist kein Magnet für ledige Männer.«

»Also, ich hätte dich angesprochen, da kannst du dir sicher sein.« Er grinst mich frech an und trinkt einen Schluck von seinem Kaffee. Als er den Becher absetzt, hat er Milchschaum auf seiner Oberlippe.

»Na, das ist ja sehr beruhigend.« Ich beuge mich etwas zu ihm vor und wische mit dem Daumen den Milchschaum ab. Überrascht weitet Zayn die Augen und versteift sich, als ich ihn berühre, weshalb ich mich schnell wieder zurückziehe.

Bin ich zu weit gegangen? Ich wollte ihm nur helfen, aber nun denke ich, dass ich es besser gelassen hätte. Ich erröte schon wieder, doch Zayn ist so lieb und geht nicht darauf ein, sondern lenkt das Gespräch auf ein anderes Thema, sodass mit der Zeit das Kribbeln vergeht, das die Berührung seiner Haut ausgelöst hat.

Ein paar Tage später trifft sich unsere ganze Clique in dem Saal, den wir für die diesjährige Silvesterfeier gemietet haben. Wir haben alle gemeinsam angepackt und den kahlen Raum allmählich in eine echte Partylocation verwandelt.

»Reich mir mal bitte den Karton mit den Ballons«, fordere ich meine beste Freundin auf.

Addison müsste nur auf den Tisch neben sich greifen, aber meine Frage hat sie gar nicht erreicht, denn sie hat nur Augen für ihren Freund Drake. Er flüstert ihr gerade etwas zu und verschränkt seine Finger mit ihren. Ich habe bestimmt laut genug gesprochen, aber die zwei bekommen nichts mit von dem, was um sie herum passiert. Ich schnaube etwas verärgert, während ich auf den Karton zustapfe und ihn mir kralle. Durch mein energisches Auftreten wachen die beiden aus ihrer Trance auf und sehen verwirrt in meine Richtung.

»Willst du die schon mit Gas füllen?«, fragt Addy überflüssigerweise.

»Genau das habe ich vorgehabt, als ich dich gebeten habe, mir den Karton zu reichen.« Gegen meinen Willen klingen meine Worte etwas harsch.

»Tatsächlich? Entschuldige bitte, ich habe dich nicht gehört.«

»Ich weiß, deshalb habe ich ihn mir eben selbst geholt.« Ich schenke ihr ein Lächeln, aber irgendwie verrutscht es mir leicht. Ich liebe meine beste Freundin und freue mich, dass sie mit Drake ihr Glück gefunden hat, aber diese ganze Liebeswolke, die unsere WG erfüllt, geht mir mitunter auf die Nerven. In letzter Zeit bin ich ständig von Pärchen umgeben, seien es nun Taylor und Dan, die noch immer so verliebt sind wie am ersten Tag, oder Addy und Drake, die kaum die Finger voneinander lassen können und sich ständig heiße Blicke zuwerfen, oder Luke und Ronan, die so süß miteinander sind, dass man von der Beziehung der beiden nur schwärmen kann.

Kann sein, dass ich deshalb in letzter Zeit manchmal so gereizt bin, weil ich schon seit Längerem selbst gerne in einer Beziehung wäre. Single in einer großen Stadt zu sein ist nicht so, wie es in den Filmen und Serien oft dargestellt wird. Dort begegnen die Figuren ständig und an jeder Ecke potenziellen Traumprinzen, und natürlich sind sie charmant, perfekt und erobern die Herzen im Sturm. Ich dagegen habe in der letzten Zeit kaum einen Mann kennengelernt, der mich wirklich interessiert hätte.

Keine potenziellen Mr Darcys für mich, aber ich mache mich nicht verrückt, nur weil ich allein bin. Ich versuche es zumindest, frage mich aber natürlich trotzdem, woran es liegen könnte, dass ich noch immer Single bin. Viele meiner Freunde bezeichnen mein Aussehen als engelhaft, was übrigens auch schon meine Großmutter getan hat. Angesichts meines schlanken Körpers, der hellblonden Locken und der blauen Augen ist das nicht ganz abwegig, aber ich mag diesen Vergleich mit einem Engel nicht. Die Leute glauben schnell, mich in eine Schublade stecken zu können. Mich als liebe, süße Barbie abstempeln zu können, aber das bin ich nicht. In mir steckt viel mehr, aber manchmal steht mir meine Schüchternheit im Weg, sodass es für andere schwer ist, das zu erkennen.

Meine Grandma hat mir beigebracht, die Körpersprache anderer zu deuten, um so zu wissen, mit was für einem Menschen man es zu tun hat, selbst ohne mit ihm geredet zu haben.

Meine Mom ist die einzige Tochter meiner Großeltern, die der High Society von New York angehörten. Als sie meinem Vater begegnete, wusste sie von Anfang an, dass es Liebe ist, und war bereit, für diesen Mann alles zu riskieren. Genau das hat sie schlussendlich auch getan. Mein Großvater missbilligte ihre Beziehung zu dem angehenden Musiker, der sich damals mit Kellnerjobs über Wasser hielt, und ging sogar so weit, meine Mutter zu enterben, nachdem sie meinen Dad heimlich geheiratet hatte.

In den Kreisen meiner Großeltern betrachtete man die Ehe als großen Skandal, weshalb meine Eltern nach New Jersey in ein kleines Häuschen am Stadtrand von Ocean City zogen. Es ist die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen, denn so konnte ich in Frieden aufwachsen. Bis meine Großmutter an meinem achten Geburtstag auf unserer Türschwelle erschien und uns mitteilte, dass mein Großvater an einem Hirnschlag gestorben sei.

Sie war der Meinung, dass er einen Fehler gemacht habe, und entschuldigte sich bei meiner Mutter, worüber diese sehr froh war. Damit war die Familienfehde endlich beigelegt. Grandma hatte durch den Tod ihres Mannes selbst eine Veränderung durchgemacht. Sie wandte sich mehr der Gartenarbeit zu, statt irgendwelche schicken Teepartys zu besuchen. Durch ihren Einfluss habe ich gelernt, dass man genau darauf achten sollte, wie man sich vor anderen, vor allem fremden Menschen gibt.

Auch wenn sie keinen so intensiven Kontakt mehr zu den gehobenen Kreisen von Manhattan pflegte, musste ich einen Debütantinnenball über mich ergehen lassen und wurde an meinem sechzehnten Geburtstag mit allem Brimborium in die Gesellschaft eingeführt. Es war eine schillernde Welt, die mich durchaus faszinierte, als ich auf die Highschool ging. Da aber bei meinen Schulfreunden nur zählte, was für ein Auto man fuhr oder welche Labels man trug, habe ich mich irgendwann von ihnen abgewandt.

Ich habe schon damals gewusst, was ich mit meinem Leben anfangen und welche berufliche Laufbahn ich anstreben wollte, also habe ich mich ganz darauf konzentriert, war auf keiner Party meiner Klasse und bin erst ausgegangen, als ich Addison im ersten Collegejahr begegnet bin. Sie hat mich durch ihre Lebenslust und ihr Selbstvertrauen darin bestärkt, zu sein, wer ich bin, und mich offener gemacht. Zwar fällt es mir noch immer schwer, mich Fremden gegenüber zu öffnen, aber es wird mit jedem Jahr etwas leichter.

Ich fülle die Ballons mit dem meerblauen Glitter mit Helium und befestige sie über der Bühne, die für den DJ aufgebaut wurde. Drake und Addy, deren Job das Planen von Events ist, haben dieses Jahr für die Silvesterparty das Motto »Unter dem Meer« gewählt. Allerdings nicht nach dem Vorbild der harmlosen Disneyversion, mit einer singenden Krabbe, sondern im Stil des Films Aquaman. Bei unserem Mädels-Filmabend haben wir wie gebannt auf den Fernseher gestarrt. Die anderen haben die meiste Zeit nur für Jason Momoa geschwärmt. Es gab auch Szenen mit Schokosauce und Handschellen, Bilder, die ich noch immer zu vergessen versuche.

Als das Deckenlicht ausgeschaltet wird, um die neu installierte Beleuchtung zu testen, ist der ganze Raum plötzlich in Blau- und Grüntöne getaucht, und als Krönung wird »The Other Side of Sea« von Haevn gespielt, meiner derzeitigen Lieblingsband. Dieser Song steht für das Motto unserer Party. Für mich sind die Klavierklänge wie ein Weg, der an einen Ort der Ruhe führt. Ich fühle diesen Moment sehr intensiv. Ich lasse mich verzaubern von den Klängen, der klaren Stimme, der Deko und der Atmosphäre. Nach einer Weile lasse ich kurz meinen Blick schweifen. Alle meine Freunde sind hier, helfen, wo sie nur können, um unsere alljährliche Silvesterparty zu einem Highlight des Jahresausklangs zu machen.

Pacey nippt an seinem Glas, das mit brauner Flüssigkeit gefüllt ist, und blickt dann an die Decke, unsere Pärchen Luke und Ronan, Addy und Drake und Taylor und Daniel halten einander und sagen kein Wort. Dann ist da noch Zayn, der einfach mit geschlossenen Augen dasteht und den Violinenklängen lauscht. Seine Arme ruhen an den Seiten, er wirkt gelöst und tiefenentspannt. Das ist eigentlich immer so, wenn er sich mit uns trifft. Wobei, am Anfang sieht er meist erschöpft und traurig aus, aber kaum kommt jemand auf irgendein Thema zu sprechen, wird er locker, und das, was ihn offenbar beschäftigt hat, scheint er vergessen zu haben. Zumindest für eine Weile.

Wieder sehe ich den Traum vor mir. Es beginnt mit heißen Küssen und endet damit, dass Zayn mich gegen die Wand presst und hart nimmt. Mein Puls beginnt wieder zu rasen, wenn ich an den einen und auch einzigen Traum denke, den ich vor einer Woche gehabt habe. Er verwirrt mich, und ich kann es mir immer noch nicht erklären, wieso ich von uns beiden geträumt habe. Immerhin hege ich keine romantischen Gefühle für Zayn. Fühle mich auch nicht körperlich zu ihm hingezogen. Ich habe in ihm nie mehr als einen guten Freund gesehen, wieso dann dieser Traum, der so gar nicht zu mir passt?

Ich liebe Zärtlichkeiten, lange Vorspiele und gefühlvollen Sex im Bett und stehe nicht auf diese Stellung, von der ich geträumt habe. Aber es hat keinen Sinn, den Traum zu analysieren, denn was sollte mir das bringen? Zayn und ich, das wäre keine gute Verbindung, weil wir einfach zu verschieden sind.

Kapitel 2

GRACE

Morgen ist Silvester, ein altes Jahr geht zu Ende und ein neues beginnt, und ich kann nicht wirklich behaupten, dass das vergangene in jeder Hinsicht ein erfülltes für mich gewesen ist. Klar, ich habe mit Aaliyah eine weitere beste Freundin gewonnen, und dann ist da noch der berufliche Erfolg. Abgesehen davon habe ich keinerlei finanzielle Sorgen, denn dank des Erbes meiner Großmutter bin nicht nur ich abgesichert, auch meine Kinder und ihre Kinder werden es sein. Aber in Liebesdingen hat sich nichts verändert.

Natürlich sehne ich mich nach einem Partner, aber das steht nicht an erster Stelle auf meiner Liste, die ich jedes Jahr neu schreibe. Neben den alljährlich wiederkehrenden Themen – mehr ausgehen, mich gesünder ernähren, Sport machen, die Welt bereisen und so weiter – stehen darauf auch Träume und Wünsche, die mir schon länger am Herzen liegen. Diese Liste führe ich, seitdem meine Großmutter an meinem zwanzigsten Geburtstag gestorben ist. Sie ist es gewesen, die mir gesagt hat, dass das Leben kurz ist und wir unsere Ziele nie aus den Augen verlieren sollen. Ich versuche es. Das tue ich wirklich, aber irgendwie habe ich das Gefühl, als würde etwas fehlen, das mir dabei hilft, diese Liste abzuarbeiten.

»Na? Alles klar bei dir?«, fragt Zayn.

Erst jetzt merke ich, dass er vor mir steht, so tief bin ich in Gedanken versunken gewesen. Ich schenke ihm ein scheues Lächeln und reiße mich zusammen.

»Alles gut. Ich bestaune nur die Location«, sage ich und blicke an die Decke, wo das Licht nun anders fällt und es aussieht, als wären da tatsächlich Wellen und wir unter dem Meer. Wundervoll.

»Du hast einen etwas verlorenen Eindruck gemacht, Sherlock.«

»Nicht das schon wieder.« Ich wende mich schnaubend ab, kann aber nicht verhindern, dass sich meine Mundwinkel heben. Seit wir vor ein paar Tagen gemeinsam die Serie Sherlock gesehen haben, sind all meine Freunde der Meinung, dass ich dem Hauptcharakter sehr ähnlich bin und Addison den perfekten Mister Watson mit seinen sarkastischen Kommentaren darstellt. Ich finde es zwar schmeichelhaft, wenn ich mit Benedict Cumberbatch verglichen werde, immerhin ist er einer der faszinierendsten und besten Schauspieler. Doch dass ich wie die Figur der Serie sein soll, bereitet mir etwas Kopfzerbrechen, auch wenn ich weiß, dass meine Freunde das in keinster Weise böse meinen.

»Bin ich wirklich so merkwürdig wie der Detektiv in der Serie?« Ich will nicht unsicher oder verletzt klingen, aber ich bin etwas sensibel geworden.

Zayns Brauen wandern nach oben, als wäre er überrascht, dass mich der Spitzname kränken könnte. »Nein. Aber du bist genauso genial wie er.«

Okay, das habe ich nicht erwartet. Ich soll genial sein? Da ich nichts sage, redet er weiter. »Erinnerst du dich an die coole Szene, als Sherlock zum ersten Mal Watson begegnet?«

»Klar. Wie könnte ich die vergessen?« Es ist eine meiner Lieblingsstellen und quasi der Startschuss der ganzen Show.

»Du bist manchmal genauso gut im Lesen von Menschen, deshalb, und nur deshalb, nenne ich dich so.«

Von dieser Seite habe ich das gar nicht betrachtet. Ich kaue nervös an meiner Unterlippe und komme mir plötzlich albern vor, weil ich so emotional auf den Spitznamen reagiert habe. »Dann hältst du mich also nicht für einen bindungsgestörten Soziopathen?« Ich versuche meine Unsicherheit mit einer scherzhaften Bemerkung zu kaschieren. Dieses doofe Silvester lässt mich dünnhäutig werden.

»Im Moment nicht, aber der Abend ist ja noch jung.«

»Sehr witzig.«

»Spaß beiseite. Natürlich nicht. Du bist attraktiv, bodenständig und genial. Da kann sich der Sherli was von abschneiden.«

Ich spüre, wie ich rot werde. Langsam sollte ich an die Komplimente der Jungs gewöhnt sein, aber noch immer fällt es mir schwer, sie anzunehmen. »Gut, dann hätten wir das geklärt. Gehst du noch mit ins Restaurant?«

»Ich glaube eher nicht, da ich noch in einem Club verabredet bin.«

»Gehst du noch aus?«, frage ich neugierig.

»Ja, das hatte ich tatsächlich vor.«

»Aber musst du morgen nicht arbeiten?« Ich weiß, dass er Assistent des Chefdesigners bei einem Modelabel ist.

»Ich habe gekündigt.«

Schon wieder? Ich hatte gedacht, dass dieser Job besser sei als die davor und er nicht so schnell das Handtuch werfen würde. »Wieso das denn?«

Da die Musik nun verstummt ist, höre ich ihn schwer seufzen. Er fummelt an seiner Armbanduhr rum, das tut er immer, wenn ihn etwas beschäftigt. »Es hat keinen Spaß mehr gemacht, der Job war einfach nichts für mich. Ich musste immer länger arbeiten, und das ist keine Option.«

Ich würde gerne fragen, wieso ihm die Abende so wichtig sind, dass er einen begehrten und gut bezahlten Job aufgibt, aber er kratzt sich am Oberarm, und das ist, wie ich ­mittlerweile weiß, ein Zeichen, dass er nicht weitersprechen möchte.

»Das heißt, du kannst wieder jeden Abend die Puppen tanzen lassen?«

»Genau das. Endlich wieder mehr Freizeit. Komm doch mit, wir werden bestimmt viel Spaß haben. Nur du und ich, ohne die anderen. Diese Pärchen sind doch nicht zu ertragen.«

Ich kichere, weil es ihm genauso geht wie mir, schüttle aber den Kopf. »Leider habe ich morgen ein Meeting mit einem Kunden und muss früh raus.«

Zayn sieht enttäuscht aus, nickt aber.

»Außerdem triffst du sowieso immer einen Haufen Leute. Da würde ich nur stören.«

»Du könntest niemals stören, Grace.«

Seine Worte erwärmen mein Herz.

»Pacey trifft sich später mit einem Date und kann auch nicht. Dann muss ich wohl oder übel allein losziehen.«

»Sieh es positiv«, sage ich und klopfe ihm freundschaftlich auf den Oberarm. »So hast du die freie Wahl bei den Ladys und musst nicht mit ihm teilen.«

Seine Miene hellt sich augenblicklich auf. »Da hast du allerdings recht, von dieser Seite habe ich es noch gar nicht betrachtet. Danke, Sherlock.«

Er küsst mich auf die Wange und winkt mir zu, ehe er zu den anderen geht, um sich zu verabschieden. Seine kindliche Vorfreude entlockt mir ein Lächeln. Zayn ist jemand, der für den Augenblick lebt, über die Zukunft redet er nie, und auch über seine Familie wissen wir nichts, aber wir alle lieben ihn, so wie er ist, das haben wir schon immer getan.

Schließlich muss ich über meinen albernen Traum den Kopf schütteln, denn Momente wie diese führen mir klar vor Augen, dass jemand wie Zayn niemals zu mir passen würde. Während er unberechenbar, wild und ungezügelt ist, bin ich eher das Gegenteil, ruhig, zuverlässig und hingebungsvoll. Mein Unterbewusstsein hat mir nur einen Streich spielen wollen, und es wird Zeit, diese Bilder endlich zu vergessen.

Ich wünschte, ich wäre in manchen Dingen mutiger, wünschte, es würde mir leichter fallen, aus mir herauszugehen. Auf meiner Unterlippe kauend, blicke ich an meinem Outfit für die heutige Silvesterparty hinab. Es handelt sich um ein sexy rotes Cocktailkleid, das ich mir vor Jahren im Sale gekauft habe. Es bedeckt gerade mal so meinen Po, weshalb ich es nie angezogen habe. Bis heute. Es steht mir, auch wenn es überhaupt nicht zu meiner üblichen Garderobe passt. Normalerweise trage ich Hosen, und ab und zu darf es auch ein Rock oder ein Kleid sein, das kommt auf meine Laune an. Prompt fällt mir meine Großmutter ein, die stets dafür gesorgt hat, dass meine Outfits züchtig und die Röcke nicht zu kurz gewesen sind. Sie hat immer gesagt, dieses kleine Stückchen Offenheit ist den Klatsch der Leute nicht wert.

Dieses Kleid ist aufreizender als alle anderen, die ich besitze. Ich puste mir eine Strähne aus dem Gesicht, fahre mir durchs offene Haar und betrachte wieder mein Spiegelbild. Anders muss nicht gleich schlecht sein, und ich sehe gut aus. Aber trotz allem ziehe ich es wieder aus, weil ich mir zwar vorgenommen habe, aus mir rauszugehen, aber das schaffe ich nicht über Nacht. Doch allein dass ich das Kleid anprobiert habe, zeigt mir, dass ich auf einem guten Weg bin.

Ich habe meine Liste für das neue Jahr noch einmal durchgesehen und zwei Punkte weiter nach oben gerückt. Gerne würde ich meine Schüchternheit ablegen, weil ich nicht immer rot werden möchte wie ein Krebs, wenn mir jemand emotional zu nahe kommt. Außerdem möchte ich endlich den Richtigen finden. Mir ist bewusst, dass dies ein schwieriges Unterfangen sein wird, aber es würde mich allein schon freuen, wenn ich Männern gegenüber offener wäre. Nicht jedes Date muss gleich ein potenzieller Mr Darcy sein. Vielleicht habe ich zu hohe Erwartungen und muss mir eingestehen, dass ich nicht nach jemand Perfektem suchen kann, wenn ich es selbst nicht bin.

Ich ziehe meinen lilafarbenen Jumpsuit mit Trägern an und darüber einen schwarzen Blazer, der meinem Oberkörper schmeichelt. Taylor hat mir den Jumpsuit zum Geburtstag geschenkt, und ich liebe ihn. Das Outfit passt perfekt zu meiner hellen Haut, der weiche Stoff fühlt sich super an, und die Farbe ist wunderschön. Da Tae Modebloggerin ist, wundert es mich nicht, dass sie den richtigen Riecher bei diesem Teil hatte, das wie für mich gemacht ist. Ich fühle mich nun wohl in meiner Haut, verspreche mir aber selbst, dass ich das rote Kleid bald tragen werde. Wieder ein neuer Punkt für meine Liste.

Ich schnappe mir meine Tasche und gehe ins Wohnzimmer, wo all meine Freunde schon versammelt sind. Die Jungs sehen sich ein Spiel der Lakers an, das sie aufgenommen haben, während die Mädels in ein Gespräch vertieft sind. Luke ist der Erste, der mich entdeckt, er zwinkert mir zu und formt mit den Lippen ein Wow, was mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

»Rapunzel ist auch schon da und sieht wieder mal unglaublich aus«, sagt Pacey anerkennend und lässt mich erröten. Wieder einmal.

»Danke für die Blumen, Pace. Das hört man gern.« Es tut tatsächlich gut, dieses Kompliment zu hören, nachdem ich mich für ein weniger spektakuläres Outfit entschieden habe.

»Ist nur die Wahrheit, Gracie.« Dieser kleine Charmeur kann es einfach nicht lassen.

»Sind wir dann alle so weit?«, fragt Zayn in die Runde und schaltet den Fernseher aus.

Wir nicken fast gleichzeitig und machen uns auf den Weg. Es ist zwar erst achtzehn Uhr, aber da wir alle quasi Gastgeber sind, haben wir beschlossen, früh zur Location zu fahren. Die Party steigt wieder in dem Fabrikgebäude, in dem wir auch letztes Jahr gefeiert haben, weil Drake und Addy sich dort das erste Mal geküsst haben und Tae gemerkt hat, dass Daniel mehr für sie ist als nur ein Freund. Vielleicht bringt mir diese Location ja auch Glück bei meiner Partnersuche. Sie hat immerhin meine Freunde in Liebesdingen einen Schritt weitergebracht.

Als wir eintreffen, haben die Caterer bereits das Büfett aufgebaut. Während Addison noch die Notausgänge kontrolliert, kümmert sich Drake um die Klimaanlage. Endlich fängt der DJ an, Musik aufzulegen, was uns sofort in Partystimmung versetzt, zumindest kann ich das von mir behaupten. Bevor die Gäste kommen, ruft uns Drake an die Bar, wo schon neun Cocktails auf uns warten.

»Ich möchte auf euch anstoßen, Leute«, sagt Daniel, als jeder das Glas in der Hand hält. »So viele Jahre sind wir nun befreundet, und in letzter Zeit hat es so manche Veränderung gegeben, aber unsere Freundschaft ist stärker und inniger geworden. Manche Freunde haben die Liebe gefunden, andere wiederum haben das Gefühl, neue Geschwister gefunden zu haben.« Er sieht dabei mich an, und ich weiß, dass die letzten Worte an mich gerichtet sind. Da ich Einzelkind bin, betrachte ich Addison und Daniel tatsächlich als Geschwister.

»Ich trinke auf unsere Freundschaft, auf das, was ist, und auf alles, was noch kommt, denn eines weiß ich: Egal, welche ­Steine uns in den Weg gelegt werden, wir sind füreinander da und räumen sie gemeinsam weg.«

»Auf uns!«, ruft Pacey laut und stößt so heftig mit uns an, dass die Cocktails aus unseren Gläsern schwappen.

Wir trinken den B52 in einem Zug aus. Ich bin kein großer Trinker, brauche keinen Alkohol, um Spaß zu haben, was aber nicht heißt, dass ich Abstinenzlerin bin.

Während die anderen sich im Raum verteilen, bleibt Luke an meiner Seite. »Wie geht es dir, Angie?«

Sein Kosename entlockt mir ein Lächeln. Wir haben uns dieses Jahr an Halloween als Drag Queens verkleidet. Ich war Angie, der verruchte Engel, mit einem doch eher züchtigen Outfit. Luke ist als Lavina gegangen, mit feuerroter Perücke und einem Flamencokleid. Ronan hat sich als unser Bodyguard verkleidet und ist uns überallhin gefolgt, um auf uns aufzupassen. Es ist ein unglaublicher Spaß gewesen, und so habe ich wieder einen neuen Kosenamen bekommen. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele ich inzwischen habe.

»Ich fühle mich gut«, erwidere ich und meine es auch so. »Dieses Jahr wird das beste meines Lebens.«

»So viele positives Vibes. Das gefällt mir!«, meint Luke begeistert und nimmt sich ein Corona.

»Ich habe es satt, allein zu sein.«

»Du bist doch nicht allein. Du hast uns und deine Eltern.«

»Ja, das stimmt, und dafür bin ich auch dankbar, aber ich fühle mich einsam.« Ich bin emotional stark genug, diese Worte auszusprechen, sie entsprechen der Wahrheit.

Luke legt den Arm um meine Schultern und drückt mich an sich. »Ich verstehe genau, was du meinst. Wir Paare sind schon ekelhaft verliebt. Es ist nicht zum Aushalten, oder?«

»Genau das sage ich doch immer.« Ich verdrehe die Augen, was ihn zum Schmunzeln bringt.

»Weißt du noch, wie ich gelitten habe, als ich nicht den Mut hatte, mich zu outen?«

Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, es ist ein schlimmes Jahr für Luke gewesen, weil die Angst ihn gelähmt hat, sobald er den Schritt wagen wollte. Es hat lange gedauert, bis er sich stark genug gefühlt hat.

»Du warst da. Du hast mir Mut zugesprochen und dir meine Sorgen angehört. Und nun will ich, dass du weißt, dass ich dir das nie vergessen habe. Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, den Ronan nicht mal ansatzweise einnehmen kann. Ich bin immer da für dich, wenn du reden oder auf die Pirsch gehen möchtest.«

»Danke, Luke.« Ich erwidere seine Umarmung, fühle mich geerdet und bin ihm überaus dankbar. Luke hat die Gabe, einem mit seiner herzlichen Art das Gefühl zu geben, dass man nicht allein ist und es immer einen Silberstreif am Horizont gibt. Er ist derjenige unter den Jungs, mit dem ich mich von Anfang an am besten verstanden habe. Manchmal kann ich ihm Sachen anvertrauen, die ich selbst Addison nicht erzählen könnte. Zwischen uns stimmt einfach die Chemie, deshalb habe ich mich ihm auch gerade geöffnet, weil er mich versteht wie niemand sonst.

Ich bestelle mir ein Wasser, und Luke ordert eine Margarita für seinen Freund. Während wir auf die Getränke warten, sehen wir uns im Raum um. Langsam trudeln die Gäste ein, und wenn meine Freunde und ich eines lieben, dann ist es, Menschen zu beobachten. Viele von ihnen kenne ich, manche sehe ich zum ersten Mal.

»Ist das nicht die alte Flamme von Daniel? Die, mit der er letztes Jahr geknutscht hat?«

Ich sehe Evie sofort, als sie den Raum betritt. Das bläuliche Licht fällt auf ihr gewelltes Haar, als sie sich durch die Menge schlängelt und entschlossen auf Daniel und Taylor zusteuert. Luke und ich gehen alarmiert ein paar Schritte in Richtung unserer Freunde, um sie zu warnen, doch Evie ist schneller. Ich erinnere mich noch daran, als Dan und sie sich letztes Jahr geküsst haben und Taylor gemerkt hat, dass sie eifersüchtig ist. Evie hatte ihren Anteil daran, dass unsere Freundin sich endlich eingestanden hat, dass ihre Gefühle für Daniel tiefer gehen, als sie geglaubt hat.

Zu unserer Überraschung umarmt sie Taylor, und beide strahlen um die Wette. Auch Dan nickt ihr freundlich zu.

»Ähm, habe ich etwas verpasst?«, fragt Luke und kratzt sich am Hinterkopf.

Mir ist inzwischen klar, wieso die Situation nicht eskaliert. »Sie ist glücklich vergeben, wie Dan und Tae, deshalb gibt es kein böses Blut.«

»Woher weißt du das? Sie ist doch allein gekommen«, fragt mich Luke neugierig, während wir zur Bar zurückgehen.

»Das sehe ich an dem bombastischen Verlobungsring. Sie streicht unbewusst immer wieder darüber. Ein Zeichen, dass sie möglicherweise über ihren Verlobten redet oder vielleicht an ihn denkt.«

»Du siehst auch immer Dinge, die kein Normalsterblicher erkennen würde.«

»Ach was, das ist nur ein wenig Beobachtungsgabe, sonst nichts.« Meine Großmutter hat, was mich betrifft, ganze Arbeit geleistet.

»Das ist eine glatte Untertreibung.«

Ich lächle nur und schnappe mir mein Wasser, ehe Luke mit dem Kopf in die Richtung unserer Freunde nickt. »Komm, lass uns zu ihnen gehen. Ich möchte wissen, ob deine Theorie stimmt.«

Natürlich hat sie gestimmt, und als ich Taylor darauf angesprochen habe, ob es sie stört, dass seine Exflamme hier ist, hat sie ehrlich geantwortet, dass die Vergangenheit eben genau das sei. Vergangen. Daniel und sie sind überglücklich, verlobt und werden in sechs Monaten heiraten. Es gibt nichts, was die zwei davon abhalten könnte, glücklich zu sein, und mittlerweile versteht sie sich gut mit Evie, weil sie dieselbe Leidenschaft für Mode teilen.

Nachdem ich ein paar Worte mit meinen Freunden gewechselt habe, mische ich mich unter die Gäste. Treffe auf alte Freunde und mache neue Bekanntschaften. Als ich mir eine Cola hole, tippt mich jemand an der Schulter an. Ich drehe mich um und entdecke Ian, Drakes Cousin, der einmal mit Taylor ausgehen wollte.

»Hey, dich habe ich aber lange nicht mehr gesehen.« Nicht seitdem er Taylor in der WG besucht und sie zu einem Date eingeladen hat. Er ist in meine Freundin verknallt gewesen, aber Daniel hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht und ihr erstes Treffen sabotiert, ehe Taylor und er sich hätten näherkommen können.

»Ich hatte viel zu tun. Aber als Drake mich eingeladen hat und da die letzte Party schon der Hammer gewesen ist, konnte ich nicht widerstehen.«

»Ich freue mich auf jeden Fall, dich wiederzusehen. Möchtest du etwas trinken?« Ich gebe dem Barkeeper ein Zeichen.

»Ein Bier, bitte.«

Ich gebe die Bestellung auf und greife nach meiner Flasche.

»Du siehst gut aus«, sagt Ian plötzlich, sodass ich mich fast verschlucke.

Ich sehe aus Reflex an mir runter, ehe ich seinen Blick erwidere. »Danke, du aber auch.«

Ich übertreibe nicht. Er trägt ein weißes Button-Down-Hemd, das sich um seinen Oberkörper spannt. Entweder hat er an Muskelmasse zugelegt, oder das Hemd ist ihm viel zu klein. Sein kupfernes Haar ist inzwischen etwas länger, und eine wilde Locke fällt ihm ins Gesicht. Er sieht mich aus warmen türkisfarbenen Augen an. Ja, er ist in der Tat ein sehr attraktiver Mann. Der Barkeeper reicht ihm die Flasche, und wir trinken schweigend. Für Ian ist es ein angenehmes Schweigen, das merke ich an seiner lockeren Haltung und den entspannten Schultern. Er fühlt sich sichtlich wohl, doch für mich ist es etwas seltsam, mit dem einstigen Verehrer meiner Freundin zusammenzustehen. Ich weiß, dass er lange um Taylor geworben hat, wie man so schön sagt.

»Genießt du die ruhige Zeit? Du hast doch jetzt Winterpause, oder?«, fragt er und lenkt damit das Thema auf meine Arbeit.

»Ich habe jetzt viele Gespräche mit potenziellen Kunden und mache Pläne und Skizzen für ihre Gärten. Wenn sie zufrieden sind und wir uns finanziell einigen können, schließen wir eine Vereinbarung ab.«

»Das heißt, du hetzt von einem Termin zum nächsten und planst das kommende Jahr?«

»Sozusagen. Es ist etwas hektisch, da es viele Termine sind, aber bis jetzt habe ich es gut einteilen können, sodass ich es wohl schaffen werde.«

»Ich würde gerne mal einen deiner Gärten sehen, die du angelegt hast«, sagt er fast verlegen und fährt sich durchs dichte Haar.

Flirtet er mit mir? Oder bittet er mich sogar um ein Date? Oder will er rein aus Interesse einen meiner Gärten sehen? Ich kann Menschen gut einschätzen, aber wenn es um mich oder um Gefühle geht und ich so tun muss, als könnte ich flirten, dann sterbe ich innerlich tausend Tode vor Nervosität.

»Klar, du kannst mich gerne mal bei der Arbeit besuchen.«

»Darf ich deine Nummer haben?«

»Sicher.« Wir tauschen unsere Nummern aus, dann stellen wir uns an einen der Stehtische und unterhalten uns mit anderen Leuten. Ian ist wirklich witzig, wirkt teilweise genauso schüchtern wie ich. Meine Chancen, um Mitternacht geküsst zu werden, stehen schon mal nicht schlecht.

Ich flirte bewusst mit Ian, zumindest gebe ich mir Mühe. Ich werfe meine Haare zur Seite, berühre ihn immer mal wieder am Oberarm, tue alles, um nicht allzu verkrampft zu wirken, und für meine Verhältnisse läuft es ziemlich gut.

Kurz vor Mitternacht tanzen wir miteinander, und ich fühle mich wunderbar. Ich hatte schon fast vergessen, wie schön es ist, mit einem Mann zu tanzen. Doch dann geschieht etwas mit seiner Körperhaltung. Er schaut hinter mich und versteift sich, ehe sein Blick sehnsüchtig wird. Und da täusche ich mich sicher nicht, denn er sieht aus wie Mr Bingley aus Stolz und Vorurteil, der hoffnungslos verliebt in Jane Bennet ist. Ich drehe mich tanzend um, und meine Vermutung bestätigt sich. Hinter uns stehen Daniel und Taylor und unterhalten sich mit Charlotte und Miranda. Taylor muss über etwas, was Charlie gesagt hat, plötzlich lachen, und genau in diesen paar Sekunden sehe ich in Ians Augen noch immer die Gefühle, die er für Tae empfindet. Er schluckt schwer, sieht zu Dan und ballt kurz die Hände zu Fäusten. Ich und der Tanz mit mir sind vergessen. Innerhalb von Sekunden wurde ich zur Wingwoman degradiert, da er noch längst nicht über Tae hinweggekommen ist. Er hätte um Taylor gekämpft, das sehe ich ihm an, aber es wäre von vornherein ein verlorener Kampf gewesen. Diese ganze Situation macht mich todtraurig. Zum ersten Mal seit Langem habe ich es gewagt, mich offener zu geben gegenüber jemandem, den ich nur flüchtig kenne, und dann war die ganze Mühe umsonst. Diese Situation führt mir vor Augen, dass ich wieder nicht als potenzielles Date angesehen werde, sondern als jedermanns Schwester, die immer ein offenes Ohr für alle hat. Genervt und enttäuscht verabschiede ich mich von Ian, der plötzlich merkt, dass mir sein Schmachten nicht entgangen ist. Er hält mich nicht auf, als ich kopfschüttelnd gehe.

Eine Schwere legt sich über mich, als ich auf meine Uhr blicke und feststelle, dass bald Mitternacht ist und ich noch immer niemanden gefunden habe, den ich in wenigen Minuten küssen kann. Das neue Jahr läuten wir, wie es in Amerika Tradition ist, immer mit einem Kuss ein. Letztes Jahr hat Drake Addy einen Kuss aufgezwungen, weil er nicht wusste, wie er sie sonst zum Schweigen bringen sollte, was allerdings nicht bedeutet, dass sie ihn nicht genossen hätte. Dan und Tae hätten sich fast geküsst, sind aber noch nicht so weit gewesen. Pacey, Zayn und Luke sind im Skiurlaub eingeschneit gewesen und haben es letztes Jahr nicht auf die Party geschafft, aber diesmal sind wir wieder alle zusammen.

Pacey hat eine hübsche Frau mit goldblondem Haar kennengelernt, und die beiden scheinen sich gut zu verstehen, denn sie reden ohne Unterlass miteinander und lachen viel. Zayn unterhält sich mit einer Gruppe Frauen, die ich nicht kenne, und sieht so aus, als würde er sich pudelwohl fühlen. Luke und Ronan kuscheln in einer Sitzecke, Tae und Dan unterhalten sich miteinander, und Addy und Drake tanzen. Dann wäre da noch ich, das fünfte Rad am Wagen, das es nicht schafft, jemanden zu finden, den sie an Neujahr küssen kann. Normalerweise küsse ich nur Männer, für die ich auch Gefühle habe, stehe aber kurz davor, meine Prinzipien über Bord zu werfen, weil ich mich nach jemandem sehne, den ich einfach in den Armen halten kann.

Ich trinke mein Cola aus und gehe aus dem Saal, der mir langsam zu eng erscheint. Im Treppenhaus setze ich mich auf die oberste Stufe und atme tief durch. Ich fahre mir übers Gesicht, lege die Handflächen in den Nacken und blicke an die Decke. Was ist nur los mit mir? Bis jetzt hat es mir nicht viel ausgemacht, ob ich einen Mann an meiner Seite habe oder nicht. Aber seitdem alle in meinem Freundeskreis verliebt sind oder jemanden gefunden haben, der ihnen das Bett wärmt, fühle ich mich wie eine Versagerin. Das Einzige, was Wärme in meinem Bett erzeugt, ist der Laptop auf meinen Schenkeln, wenn ich wieder einmal einen Serienmarathon mache.

Die Paare um mich herum lieben sich aufrichtig, mit jeder Faser ihres Körpers, und ihre tiefen Gefühle führen mir vor Augen, dass ich diese Art von Liebe noch nie erfahren habe. Ich hatte einen Freund, dachte, er wäre der Richtige, aber die Realität hat mich schnell auf den Boden zurückgeholt. Ich bin fast dreißig Jahre alt und habe noch nie wahrhaftig geliebt. Innig, hingebungsvoll, über alle Maßen und weltenerschütternd. Aber ich habe vor, das irgendwann zu erleben, denn ich bin keine Frau, die so leicht aufgibt.

»Hey, was machst du hier ganz allein?«

Ich senke den Kopf und entdecke Zayn, der sich neben mich setzt und mich mustert. »Ich musste mal aus dem stickigen Raum raus.« Ich lasse die Hände sinken und stütze sie auf den Oberschenkeln ab.

»Das wundert mich, die haben hier eine super Klimaanlage eingebaut. Du lügst den alten Zayn doch nicht etwa an, oder?«

»Das würde ich niemals wagen, oh großer, weiser Zayn.«

Er hebt stolz das Kinn, als würden meine Worte sein Ego in den Himmel befördern. »Schön, dass du meine Größe anerkennst … wobei … Warte, das war jetzt etwas zweideutig.«

Ich kichere und schüttle den Kopf. Alberner Typ, wie schafft er es nur immer wieder, mich zu erheitern, vor allem dann, wenn mir nach Weinen zumute ist?

»Ich habe nichts anderes von dir erwartet, mein Lieber.«

»Ja, ja, schon gut. Ich sehe es ja ein, dass ich ein wilder Lüstling bin, aber du lenkst vom Thema ab. Was ist los? Wieso sitzt du hier allein rum?«

»Ich musste nachdenken, also habe ich mir ein ruhiges Plätzchen gesucht.«

»Aber anstatt Ruhe bekommst du mich.«

»Was?«

»Ich habe heute keine Begleitung und keine Lust, jemand Neues kennenzulernen, also stehe ich dir in allen Belangen zur Verfügung.« Er wackelt anzüglich mit den Brauen und bringt mich erneut zum Lachen.

»Das ist zwar lieb von dir, aber ich will nicht, dass du dich aus Mitleid mit der armen, kleinen Gracie abgibst.« Meine Worte überraschen mich selbst. Ich bin zwar klein, aber nicht arm. Nur dass meine Hormone anscheinend verrücktspielen, oder liegt es daran, dass so viel Liebe in der Luft liegt, an der ich aber nicht teilhabe?

»Wenn ich Zeit mit dir verbringe, Grace, dann ist das nie aus Mitleid, sondern weil ich deine Gesellschaft genieße und unter anderem deinen Humor mag. Also, was soll diese Unsicherheit?.«

»Frag mich etwas Leichteres. Ich glaube, es treibt mich in den Wahnsinn, dass alle um mich herum verliebt sind.«

»Ach, dich auch? Dann können wir uns ja die Hand reichen, denn ich kann das Gesäusel und diese verliebten Blicke auch nicht mehr ertragen.«

»Aber ich will das.«

»Was?« Er runzelt die Stirn.

»Liebe, Familie, 1,5 Kinder und ein Haus mit kaputter Veranda und einen Mann, den ich jedes halbe Jahr erinnern muss, dass er sie endlich repariert.«

»Ich bin nicht der Daddy-Typ, aber eine Frau zu haben wäre schon schön.«

»Mit vierzig möchte ich nicht allein sein.« Das wäre eine schreckliche Vorstellung, da ich unbedingt Kinder haben möchte.

»Ich auch nicht, aber ich sag dir mal was.« Er dreht sich so, dass er mir ins Gesicht sehen kann.

»Okay, ich bin ganz Ohr«, sage ich und bin neugierig, welche Beziehungstipps Zayn mir geben möchte.

»Wenn wir beide bis zu unserem vierzigsten Lebensjahr niemanden gefunden haben, dann heirate ich dich.«

»Wie romantisch.« Ich verdrehe die Augen. Schön, dass ich immerhin für den Notfall tauge. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«

»Doch. Du bist schön, klug und kannst nicht kochen. Die perfekte Mischung.«

»Na, besten Dank aber auch.« Ich versuche beleidigt zu tun, aber mein Lächeln wird breiter. Ich kann wirklich nicht kochen.