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Dieser Geschichtenband mit bisher unveröffentlichten Weihnachtsgeschichten erscheint zu Ehren unserer verstorbenen Autorin Claudia Lütje. Drei wunderbar warmherzige Erzählungen über Begegnungen, mit denen die große Liebe beginnt – zum Fest der Liebe. »Unter dem Mistelzweig« findet sich eine liegengebliebene Autofahrerin wieder, die dringend Hilfe braucht; »Heiße Nächte im Schnee« verspricht der Skiurlaub nach dem Geständnis einer heimlichen Liebe; »Morgen ist ein guter Tag« stellt Mika fest, als sie zum ersten Mal das Weihnachtsfest genießen kann – mit einer wunderbaren Frau an ihrer Seite. Wir wünschen viel Freude beim Lesen!
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Weihnachtsgeschichten
© 2024édition el!es
www.elles.de [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-95609-395-1
Nina joggte über die gefrorenen Waldwege. Die kalte Jahreszeit war ihr von allen schon immer am liebsten gewesen. Nur wenige Menschen verirrten sich bei der Kälte in den Wald, und so konnte sie ihre Boxerhündin Senta frei herumtoben lassen. Die kalte Luft tat ihnen beiden gut, und sie genoss die Ruhe um sich herum.
Senta tollte über die schneebedeckten Felder, allerdings immer darauf bedacht, sich nicht zu weit von Nina zu entfernen. Kurz bevor es wieder auf die Straße zu ihrem Haus ging, blieb Senta stehen und starrte etwas an.
»Was siehst du denn schon wieder?« Nina streichelte ihrer Hündin über den Kopf. »Da ist doch nichts, oder riechst du ein Kaninchen?«
Senta begann, leicht zu knurren, etwas, das sie äußerst selten tat. Nun wurde Nina doch unruhiger. Sie leinte Senta an und ging langsam mit ihr weiter.
Am Straßenrand stand ein gelber Porsche. Die Motorhaube war geöffnet, und Nina konnte jemanden fluchen hören.
Sie grinste vor sich hin, das sah nach Arbeit für sie aus. »Hallo, brauchen Sie Hilfe?«
Ein erschreckter Ausruf und ein dumpfer Knall waren die Antwort. Nina lief um den Wagen herum und sah in zwei wunderschöne braune Augen, die sie allerdings wütend anfunkelten.
»Wie können Sie mich nur so erschrecken?«, keifte es ihr entgegen.
Nina konnte ihr Grinsen kaum verbergen. Die Frau hatte sich offensichtlich den Kopf an der Motorhaube angeschlagen und rieb sich über die schmerzende Stelle. »Entschuldigen Sie, ich wusste ja nicht, dass Sie so schreckhaft sind.« Nina trat auf sie zu. »Es tut mir wirklich leid, ich wollte nicht, dass Sie sich verletzen. Lassen Sie mich mal sehen, ob es blutet.«
Die Frau trat einen Schritt zurück und funkelte Nina weiter an. »Ich brauche keine Hilfe, aber mein Auto. Es ist einfach stehengeblieben, und ich kann nicht einmal Hilfe anfordern, denn in dieser Einöde habe ich keinen Handyempfang.«
Nina betrachtete die junge Frau vor sich. Sie war teuer gekleidet. Das Kostüm war sicher nicht von der Stange, und die Schuhe allein würden wohl Ninas bescheidenen Rahmen sprengen. Dazu war das Auto nagelneu, das sah sie auf den ersten Blick.
Nina seufzte leicht auf. Verwöhnte Stadttussi, dachte sie. Eigentlich so gar nicht ihre Welt. Doch sie konnte sie auch nicht einfach hier im Wald stehenlassen. »Lassen Sie mich mal sehen.« Damit trat sie an das Auto heran. »Setzen Sie sich rein und drücken Sie den Anlasser.«
Die junge Frau sah sie erstaunt an.
Nina grinste wieder über das ganze Gesicht. »Nun machen Sie schon, es ist kalt hier draußen. Und ich denke, dass Sie hier nicht übernachten wollen, oder?« Ninas Grinsen verstärkte sich noch, als sie sah, wie der jungen Frau die Röte ins Gesicht schoss. Es machte ihr Spaß, sie ein wenig zu provozieren.
Es kam selten genug vor, dass sich so eine attraktive Frau in Ninas einsame Welt verirrte. Und attraktiv war die Fremde auf alle Fälle. Das braune, leicht gewellte Haar fiel ihr leicht auf die Schultern. Dazu die funkelnden braunen Augen, die, sofern sie sie nicht vor Wut anblitzten, richtig sanft waren.
Schöne Rehaugen.
Nina seufzte innerlich auf. Hör bloß auf damit. Sie braucht Hilfe mit dem Auto, das kriegst du wohl hin, und dann ist sie wieder weg. Daher Schluss mit diesen Gedanken.
»Also los, Startknopf drücken«, rief sie der Frau zu. Sie konnte das Klacken hören, doch nichts passierte. »Noch mal.« Erneut mit dem gleichen Ergebnis. »Tja, da kann ich hier draußen jetzt nichts machen. Ich muss den Wagen in die Garage bringen und ihn mir da mal in Ruhe ansehen. Ich schiebe, Sie lenken, ok?«
»Wie stellen Sie sich das vor?« Die junge Frau schien ihre Arroganz wiedergefunden zu haben. »Und vor allem, wo wollen Sie mit mir hin?«
Nina lächelte. »Ich wohne da hinten, und wie es der Zufall will, betreibe ich eine kleine Autowerkstatt. Wir müssen also nur Sie und Ihren kleinen Porsche hier in meine Werkstatt schieben, und dann kümmere ich mich darum. Also los, lenken Sie einfach nur geradeaus, bis ich Ihnen sage, wenn Sie abbiegen müssen. Übrigens, ich heiße Nina und das ist meine Hündin Senta.«
Nina trat hinter das Auto und drückte vorsichtig, dann mit mehr Kraft gegen den Wagen. Langsam setzte sich das Gefährt in Bewegung.
Senta, die bis dahin brav neben Nina gesessen hatte, sprang nun bellend vor und zurück. Das Spiel schien ihr zu gefallen.
Nur kurz wunderte sich Nina, ob die junge Frau ihren eigenen Namen genannt hatte oder nicht, dann konzentrierte sie sich nur noch darauf, den Wagen die Straße hinunterzuschieben.
Es dauerte einige schweißtreibende Minuten, bis Nina das Kommando zum Abbiegen gab. »Bremsen Sie, ich muss erst noch das Tor aufmachen.« Nina überholte das noch immer rollende Auto und öffnete ihre Garage. Mit einem Satz brachte sie sich aus der Schusslinie, als das Auto endlich neben ihr zum Stehen kam. »Ich habe doch gesagt, dass Sie bremsen sollen. Was soll das, wollen Sie mich umbringen?« Nun war es an Nina, die Frau wütend anzufunkeln.
»Es tut mir leid, ich wollte nicht . . .«, stammelte die junge Frau, und Nina merkte schnell, dass es ihr nicht gutging.
Sie nahm sie am Arm und führte sie in ihr Büro. Dort drückte sie sie auf das alte, zerschlissene Sofa. Sie holte ein Glas Wasser und hielt es ihr hin. »Trinken Sie einen Schluck. Sie sehen ziemlich fertig aus. Wie geht es Ihrem Kopf?« Sacht strich sie über die braunen Locken und fand schnell die kleine Beule. Die junge Frau zuckte erschrocken zusammen. Nina setzte sich neben sie und sah sie ernst an. »Vielleicht haben Sie eine Gehirnerschütterung. Soll ich einen Krankenwagen rufen?«
Die junge Frau schüttelte leicht den Kopf. »Nein, bitte nicht. Es geht schon, und außerdem muss ich ja weiter. Ich kann nicht hierbleiben, ich . . .« Sie schluckte hart, dann hob sie den Kopf und sah Nina zum ersten Mal direkt in die Augen. »Ich muss weiter, ich habe einiges zu erledigen, ich kann nicht länger warten. Bitte, können Sie nach meinem Auto sehen und es reparieren? Bitte.«
Nina zuckte leicht zusammen. Der Blick dieser wunderschönen Augen ging ihr durch und durch. In diesem Moment hätte sie alles für diese fremde Frau getan. Sie konnte den Schmerz der jungen Frau beinahe selbst fühlen. Wie gern hätte sie sie jetzt in den Arm genommen, doch das traute sie sich nicht.
Beruhigend legte sie ihr die Hand auf die Schulter. »Also gut, ich schau mir das an. Möchten Sie hier warten, oder wollen Sie lieber nach oben in die Wohnung gehen und sich vielleicht etwas frischmachen? Der Kühlschrank ist gefüllt, falls Sie Hunger haben.« Die Worte waren schneller ausgesprochen, als dass Nina darüber hätte nachdenken können. Über sich selbst erstaunt wartete sie gespannt auf die Reaktion der Frau.
Sie schien mit sich selbst zu kämpfen, unsicher, wie sie auf Ninas Angebot reagieren sollte. Dann straffte sie ihre schmalen Schultern und lächelte Nina zaghaft an. »Ein wenig frischmachen wäre nicht schlecht. Und ein Brötchen oder so könnte ich auch vertragen.«
Nina stand auf und hielt ihr die Hand hin. »Na, dann kommen Sie mit. Ich zeige Ihnen, wo alles ist, und dann kümmere ich mich um Ihren kleinen Flitzer.«
Ninas fröhliches Lächeln übertrug sich auf die junge Frau, und sie lächelte zurück. Nina geriet beinahe ins Stolpern, als sie in das bezaubernde Gesicht sah. Die Frau war wunderschön. Die ebenmäßigen Züge, die kleine Nase, die warmen Augen und nun dieses strahlend weiße Lächeln, das die Welt verzaubern konnte.
Nina bekam ganz weiche Knie und musste sich zusammenreißen, dass sie die Treppe zu ihrer Wohnung hochsteigen konnte, ohne sich dabei den Hals zu brechen.
Nachdem sie ihr alles gezeigt hatte, ging sie wieder nach unten, trank erst einmal selbst ein Glas Wasser und machte sich dann an die Arbeit.
Sie prüfte alle Kabel und Steckverbindungen, konnte aber keinen wirklichen Fehler finden. Eines der Zündkabel war ein wenig lose gewesen, doch das war nicht der Grund, warum das Auto nicht mehr ansprang. Benzin war auch genug im Tank. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sie jemanden abschleppen musste, nur um festzustellen, dass der Tank leer war. Sie entschuldigte sich im Stillen bei der jungen Frau, denn genau das war ihr erster Gedanke gewesen, als sie sie in ihrem schicken Designerkostüm gesehen hatte.
Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie nicht hörte, wie die Tür zu ihrer Werkstatt geöffnet wurde.
»Haben Sie den Fehler schon gefunden?«
Nina schrak hoch und knallte mit ihrem Kopf gegen die Motorhaube. »Aua«, brüllte sie.
»Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken.«
Nina rieb sich die schmerzende Stelle und sah in das freche Grinsen der jungen Frau.
Sie stand in der Tür und sah Nina herausfordernd an. »Jetzt wissen Sie wenigstens, dass so etwas wehtut. Außerdem sollten Sie sich überlegen, eine Glocke an Ihre Tür zu hängen, dann könnte man Sie nicht so leicht erschrecken.«
Ninas Blick glitt über den schlanken Körper der Frau nach oben. Sie wusste ja, dass ihre Glocke defekt war, bisher hatte sie nur keine Zeit gehabt, sie auszutauschen.
Ein leichtes Lächeln umspielte ihren Mund, als sie den Mistelzweig sah, unter dem die junge Frau stehengeblieben war. Die folgte Ninas Blick nach oben und machte einen schnellen Schritt nach vorn. Nina bemerkte die leichte Röte, die den süßen Nacken der Frau entlangkroch. Zu schade, dass sie nicht stehengeblieben war, diese Chance hätte Nina gern genutzt, allein schon aus Rache für die Beule am Kopf.
»Und, haben Sie den Fehler nun gefunden?«
Nina seufzte auf. »So, wie es aussieht, ist es ein Fehler im Steuerungsgerät.«
»Und was bedeutet das? Können Sie es reparieren?«
»Die Reparatur ist möglich, das können aber nur Spezialisten machen. Ich muss das Gerät einschicken, dann prüfen sie es und reparieren es. Das dauert aber mindestens vier bis fünf Tage.«
Die Frau zog scharf die Luft ein. »Das geht nicht.«
Nina sah mit Sorge, dass alle Farbe aus dem bezaubernden Gesicht gewichen war. Schnell ging sie zu der jungen Frau und fing sie gerade noch auf, als sie ohnmächtig zusammensackte. Ohne Mühe hob Nina sie auf ihre starken Arme und trug sie nach oben in ihre Wohnung. Dort legte sie sie auf das große Sofa und deckte sie vorsichtig zu.
»Pass schön auf sie auf, Senta.«
Ihre Boxerhündin wedelte fröhlich mit dem Schwanz und gab einen kurzen Laut ab, als hätte sie genau verstanden, was Nina von ihr wollte.
Nina ging ins Bad, holte ein Handtuch aus dem Schrank und feuchtete es an. Dann ging sie zurück, setzte sich neben die junge Frau und legte ihr das Handtuch auf die Stirn. Es dauerte nur wenige Sekunden, und sie schlug die Augen wieder auf. Als sie Nina sah, entwich ihr ein tiefer, verzweifelter Seufzer.
Aus einem inneren Impuls heraus nahm Nina sie in ihre Arme und drückte sie sanft an sich. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit für die Reparatur, Sie haben mich nicht ausreden lassen.«
Dann spürte sie, wie sich in ihr alles zusammenzog. Der süße Duft der jungen Frau betörte sie. Ihre weichen und doch festen Formen pressten sich gegen Ninas Körper und brachten sie beinahe um den Verstand. Nina konnte die Hitze fühlen, die durch ihre Adern schoss, sich zwischen ihren Beinen zu sammeln schien. Ihr Pulsschlag verdoppelte sich, und es kostete sie alle Mühe, um nicht doch die Beherrschung zu verlieren. Zu verwirrend waren ihre Gefühle für diese fremde Frau, die sie ja überhaupt nicht kannte und von der sie auch rein gar nichts wusste.
Langsam löste sie sich von ihr und brachte einen kleinen Sicherheitsabstand zwischen sie. »Sehen Sie, die Reparatur dauert länger, ist aber nicht so teuer. Oder ich tausche das ganze Steuergerät aus, dann geht es schneller, ist aber wirklich nicht billig.«
Die Fremde schüttelte leicht den Kopf. »Es ist egal, was es kostet, es muss nur so schnell wie möglich fertig sein. Bitte helfen Sie mir. Ich muss weiter.«
Nina spürte die Verzweiflung der jungen Frau, und auch wenn sie sie gern noch weitere Tage bei sich beherbergt hätte, so wusste sie doch, dass sie ihr helfen musste. Sie fragte sich, welche dunklen Geheimnisse die junge Frau wohl mit sich trug.
Das geht dich gar nichts an, Dummkopf, schalt sie sich.
Dann stand sie auf. »Ich muss telefonieren. Ich selbst habe kein solches Gerät hier in der Werkstatt.« Sie hob lächelnd die Hand, als sie das Entsetzen in den Augen der Frau sah. »Keine Sorge, ich kenne einige Kollegen, die da infrage kommen. Ich kümmere mich gleich darum. Ruhen Sie sich ein wenig aus. Senta wird Ihnen Gesellschaft leisten. Und wenn Sie etwas brauchen, dann bedienen Sie sich einfach, oder rufen Sie mich.«
Sanft drückte sie die Frau zurück in die Kissen und zog ihr die Decke unter das Kinn. Zärtlich strich sie ihr über die Haare, dann beugte sie sich vor und gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Sie sah das Erstaunen in den Augen der Frau, aber auch ihre Dankbarkeit.
Nina tätschelte den Kopf ihrer Hündin, dann ging sie pfeifend in ihre Werkstatt zurück und setzte sich ans Telefon.
Sie hatte die richtige Vermutung gehabt, und gleich ihr erster Kumpel hatte ein passendes Steuerungsgerät auf Lager. Als er ihr den Preis nannte, zog Nina scharf die Luft ein. Hoffentlich hatte die junge Frau auch so viel Geld bei sich.
Sie zog sich ihre Lederjacke an, holte den Helm und die Stiefel und schwang sich auf ihre Honda Transalp. Zum Glück war es die letzten Tage trocken geblieben, sodass sie nicht mit Eis auf der Straße rechnen musste.
Auf der Fahrt zu ihrem Mechaniker-Freund schweiften Ninas Gedanken zurück zu der schönen Frau auf ihrer Couch. Sie hatte die Qual, den Schmerz in ihren Augen gesehen. Zu gern würde sie ihr die Last abnehmen, doch hatte sie keine Ahnung, worum es überhaupt ging. Sie wusste so gar nichts von ihr. Außer, dass sie wunderschön war, reich gekleidet und mit einem tollen Flitzer unterwegs. Der vielleicht nicht einmal ihr gehörte. Nina seufzte. Besser nicht zu viel darüber nachdenken. Sie würde ihr Auto reparieren, und dann würde sie genauso schnell aus Ninas Leben verschwinden, wie sie es betreten hatte.
Nach kurzer Fahrt, einem Kaffee zum Aufwärmen und der ruhigen Fahrt zurück betrat Nina ihre Garage und machte sich sofort ans Werk. Die nächsten Stunden arbeitete sie schnell, aber auch sehr sorgfältig.
Sie versuchte, ihre aufkommende Müdigkeit zu unterdrücken, doch das rächte sich bitter, als sie mit einem Schraubenzieher abrutschte und sich die Spitze des Werkzeuges in die linke Hand rammte. Fluchend ließ sie alles fallen und tanzte erst einmal vor Schmerzen durch die kleine Halle. Das Wasser, das sie über die Hand laufen ließ, färbte sich dunkelrot.
Auf einmal spürte sie zarte Hände, die sie von hinten umfingen, und die sie zwangen stillzuhalten. »Wir müssen die Wunde säubern und verbinden, sonst bekommen Sie eine Infektion. Wann hatten Sie Ihre letzte Tetanusimpfung?«
Nina sah überrascht in das ruhige Gesicht der jungen Frau. »Wieso sind Sie hier?«, stammelte sie.
Ein strahlendes Lächeln war die Antwort, und Nina spürte, wie ihre Knie nachzugeben drohten. »Es war Senta, sie hat mich geweckt und zu Ihnen geführt.«
Nina warf einen dankbaren Blick auf ihre Hündin. »Wahrscheinlich hat sie mich fluchen gehört.« Sie lächelte.
»Lassen Sie mal sehen. Das sieht böse aus. Vielleicht sollte ich Ihnen einen Arzt rufen.« Sanfte Finger strichen über Ninas Hand.
Die Berührung elektrisierte sie. Heiser erklärte sie, wo Wundspray und Pflaster zu finden waren.
Als würde sie das öfters tun, wusch die Frau Ninas Wunde aus, sprühte das Desinfektionsspray darauf und verband die Hand. Vorsichtig bewegte sie dabei Ninas Finger, damit sie den Verband nicht zu eng anlegte. »Sie sollten doch zu einem Arzt, die Wunde ist sehr tief und muss vielleicht genäht werden.«
»Quatsch, kommt ja gar nicht infrage. Ich bin fast fertig mit Ihrem Auto. Das waren die letzten Schrauben, und jetzt können wir es ausprobieren.« Ninas Stimme wurde immer leiser, als sie das sagte. Wusste sie doch, dass die junge Frau sie dann verlassen würde.
Sie spürte einen zarten Finger, der sich unter ihr Kinn legte und sie so zwang, den Kopf nach oben zu heben. Erneut zog sich in ihrem Inneren alles zusammen, als sie in diese braunen Augen sah. Viele kleine Goldpunkte schimmerten darin und blitzten sie zärtlich an.