Der lange Weg zu deinem Herzen - Claudia Lütje - E-Book

Der lange Weg zu deinem Herzen E-Book

Claudia Lütje

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Beschreibung

Ein aufregender One-Night-Stand auf einer Party – und dann die Überraschung Tage später im Büro: Die schöne Fremde ist niemand anderes als Michelles neue Chefin, Danela Vargas. Die allerdings so tut, als wäre nichts gewesen, als würde sie Michelle gar nicht kennen. Doch Michelle lässt sich nicht abwimmeln und bewirbt sich für die Stelle als Danelas Assistentin, um ihr wenigstens im Büro so nah wie möglich zu sein. Und sie hofft, irgendwann hinter Danelas kühle Fassade blicken zu können.  Selbst Danelas irritierendes Verhalten zwischen Zuneigung und Ablehnung bringt Michelle von ihrer Mission nicht ab, Danela in ihrem Kampf gegen was oder wen auch immer zu unterstützen – denn Michelle ist davon überzeugt, dass sie eines Tages Danelas verschlossenes Herz erobern wird . . .

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Seitenzahl: 313

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Claudia Lütje

DER LANGE WEG ZU DEINEM HERZEN

Roman

© 2025édition el!es

www.elles.de [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-392-0

Coverillustration:

1

»Komm schon, Michelle, wir wollen doch tanzen und keine Löcher in den Himmel starren.« Gina griff nach ihrem Arm und versuchte, sie weiter mit sich zu ziehen.

Beharrlich blieb Michelle stehen und wies mit dem Finger nach oben. »Nur einen Augenblick, Gina. Sieh doch nur, hast du die Sternschnuppe nicht gesehen? Ich muss mir erst noch etwas wünschen.«

Missbilligend schüttelte Gina den Kopf und zerrte weiter an Michelle. »Du kannst dir nur etwas wünschen, während die Sternschnuppe fällt, nicht vorher und nicht nachher. Also komm jetzt, mich dürstet nach guter Musik und leckeren Cocktails und vielleicht noch nach mehr.«

Michelle warf einen letzten sehnsüchtigen Blick in den Sternenhimmel, seufzte leise und ließ sich von ihrer besten Freundin weiter durch die Straßen ziehen.

Vor dem Club angekommen reihten sie sich in die lange Schlange der wartenden Frauen ein.

»Und, wie war dein Arbeitstag heute?« Gina zog einen kleinen Flachmann aus ihrer Tasche und bot ihn Michelle an, die ablehnend den Kopf schüttelte.

»Nichts Besonderes, so wie deiner doch auch«, gab Michelle wortkarg zur Antwort und vergrub ihre Hände tiefer in den Hosentaschen. Obwohl die Nacht angenehm warm war, fröstelte sie.

»Gibt es schon Neuigkeiten über unseren neuen Chef?«, bohrte Gina weiter.

»Nein.« Michelle zog die Schultern noch höher. »Er soll aber nächste Woche vorgestellt werden.«

Endlich konnten sie den Club betreten und wurden sofort von lauten Beats begrüßt, die beinah schmerzhaft in Michelles Ohren dröhnten.

Gina zog sie mit sich auf die Tanzfläche und begann sogleich, wild herumzuhüpfen.

Michelle brauchte einen Moment länger, doch dann schloss sie die Augen und begann, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen.

Sie blendete alles um sich herum aus, ließ sich tragen von den lauten Beats und prallte auf einmal gegen eine andere Tänzerin.

»Nicht so stürmisch«, raunte die Frau ihr ins Ohr, während sie sie mit beiden Armen umfing und an sich drückte.

»Es tut mir leid.« Michelle riss die Augen auf und löste sich von der größeren Frau. »Ich habe dich nicht gesehen.«

Lachend warf die Frau ihren Kopf in den Nacken, wobei ihre dunklen Locken wild herumflogen, und bedachte Michelle mit einem undefinierbaren Blick aus ihren haselnussbraunen Augen, dass Michelle schwindlig wurde. »Mit geschlossenen Augen konntest du mich ja auch nicht sehen, oder?« Sanft strich die Frau mit einem Finger über Michelles Wange und hinterließ brennende Haut. »Mir dagegen bist du sofort aufgefallen.«

Michelle spürte ein Kribbeln in ihrem Bauch, das sie verwirrte. Wie konnte sie so auf die Unbekannte reagieren? Sie drehte sich verlegen zur Seite und suchte nach Gina, doch ihre Freundin war weit und breit nicht zu sehen.

»Tanzt du mit mir?« Weiche Lippen strichen an Michelles Ohr entlang, und die raue Stimme jagte ihr einen durchaus angenehmen Schauer den Rücken hinunter.

Ohne etwas zu sagen, ließ Michelle sich in die langen Arme sinken und begann, sich mit der Frau im Rhythmus der Musik zu bewegen.

»Ich habe dich noch nie hier gesehen«, bemerkte Michelle, um einfach irgendetwas zu sagen. Sie musste ihren Kopf in den Nacken legen, um ihrer Tanzpartnerin in die Augen sehen zu können.

Ohne ihr eine Antwort zu geben, zog die Frau sie noch enger an sich heran und ließ ihre Hände über Michelles Rücken streichen. Sie legte einen Finger unter Michelles Kinn, hob ihren Kopf zu sich heran und beugte sich ihr leicht entgegen.

Himmel, fuhr es Michelle durch den Kopf, was macht sie mit dir?

Unfähig zu reagieren, starrte Michelle in die braunen Augen, deren Blicke aufmerksam über ihr Gesicht glitten.

Mit einem wissenden Lächeln auf den vollen Lippen überwand die Frau den letzten Zentimeter, der sie noch getrennt hatte, und ließ ihre Lippen über Michelles Mund streichen.

Schockstarr stand Michelle da, spürte, wie die weichen Lippen an ihren zupften, wie eine Zungenspitze sich zwischen ihre Lippen drängte und ohne dass Michelle es hätte beeinflussen können Einlass gewann.

Ihr Herz pochte so wild in ihrer Brust, dass sie das Gefühl hatte, es müsste gleich herausspringen. In ihren Ohren rauschte es so laut, dass sie von der Musik nichts mehr mitbekam.

Auch die um sie herumtanzenden Frauen waren auf einmal nicht mehr existent. Es gab nur noch sie beide. Michelle und eine ihr völlig unbekannte Frau. Die Erkenntnis traf Michelle wie ein Schlag mit einem Hammer, und mit einem plötzlichen Anflug von Panik stemmte sie beide Hände gegen die Brust der Frau und schob sie ein Stück von sich fort.

Während Michelle schweratmend vor ihr stand, war bei der Frau keinerlei Gefühlsregung erkennbar. Ein Umstand, der Michelle erst recht irritierte. Nicht einmal ihre Wangen waren gerötet. Und Michelle brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass sie selbst feuerrot angelaufen war. Was man bei dieser Beleuchtung hier auf der Tanzfläche hoffentlich nicht sehen konnte.

»Du küsst gut.« Die Frau wollte sich ihr wieder entgegenbeugen, doch Michelle wandte sich gerade noch rechtzeitig ab.

»Wer bist du eigentlich?«, fragte sie atemlos.

»Ist das wichtig?« Die dunklen Augen schimmerten geheimnisvoll im Licht der Discokugeln.

»Für mich schon«, gab Michelle leise zur Antwort.

»Nun.« Die vollen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das Michelle durch und durch ging. »Warum findest du es dann nicht heraus?« Sie wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern griff nach Michelles Hand und zog sie mit sich von der Tanzfläche. Sie verließen den Club durch eine kaum sichtbare Tür und stiegen eine Treppe nach oben.

Die Frau öffnete eine weitere Tür und ließ Michelle vorgehen, die sich staunend auf der Dachterrasse umsah.

»Wo sind wir hier?« Leichtes Misstrauen regte sich in Michelle, während die Frau an ihr vorbeiging und sich mit dem Rücken gegen das Geländer lehnte. Dann drehte sie sich um und zeigte mit einem Finger in den Sternenhimmel. »Heute Nacht ist ein Sternenregen angesagt.«

Das ist keine Antwort auf meine Frage. Michelle schüttelte den Kopf. Für einen Moment überlegte sie, wieder nach unten in den Club zu gehen, doch irgendetwas an dieser Frau zog sie magisch an. Und so trat sie neben sie und nickte leicht. »Ja, ich habe schon eine Sternschnuppe gesehen auf dem Weg zum Club.«

»Und, hast du dir etwas gewünscht?« Die braunen Augen ruhten beinahe amüsiert auf Michelle.

»Dazu war keine Zeit«, gab Michelle zu.

»Nun, wenn wir hier warten, dann sollten wir einige Sternschnuppen sehen. Dann kannst du dir sicherlich noch etwas wünschen.« Sie legte ihren Arm um Michelle und zog sie leicht zu sich heran.

Überrascht wollte Michelle sich dagegen wehren, doch die Berührung an ihrer Hüfte erzeugte ein solch wohliges Gefühl in ihr, dass sie sich sogar gegen die Frau lehnte.

Was machst du hier? Du kennst diese Frau überhaupt nicht, was will sie von dir? Und was willst du von ihr?

Während die Gedanken in Michelles Kopf rotierten, begannen die Finger an ihrer Seite entlangzustreichen.

Das erklärt schon mal, was sie will. Und du?

Michelle schluckte trocken. Sie fühlte sich hin- und hergerissen. Ein Teil von ihr mahnte zur Flucht, doch ein anderer Teil, von dessen Existenz sie selbst überrascht war, schrie nach den Berührungen der Unbekannten.

Sie schaltete ihren Kopf aus und lehnte sich leicht gegen die Frau, die das mit einem sanften Kuss auf Michelles Stirn quittierte und ihre Hand weiter über Michelles Seite gleiten ließ.

Sanfte, kreisende Bewegungen, die Michelles Knie weich werden ließen.

»Da, siehst du?« Ein langer Finger deutete in den Himmel hinauf, wo der nächste Sternenregen niederging.

Stumm starrten sie in den Himmel, bis das Naturereignis vorbei war.

»Und, hast du dir etwas gewünscht?« Die Frau legte ihren Kopf schräg und lächelte Michelle an.

»Ja, habe ich.« Michelle erwiderte das Lächeln und hob den Finger. »Aber ich kann es dir nicht sagen, sonst geht es nicht in Erfüllung.«

»Stimmt.« Zwinkernd nahm sie Michelles Finger und hauchte einen zarten Kuss darauf. »Schade eigentlich, aber vielleicht auch besser so.« Sie legte ihre Hand an Michelles Wange und strich über ihre weiche Haut.

Michelle musste schlucken, als sie in die dunklen Augen sah, in denen das Verlangen brannte. »Nicht«, flüsterte sie, als die vollen Lippen ihr näherkamen. »Bitte, nicht.«

»Bist du sicher?« Leichtes Bedauern lag in der rauen Stimme. Die Lippen strichen nun über Michelles Wange, zupften an ihrem Ohrläppchen, während die Hände der Fremden über Michelles Hüften streichelten.

Die Berührung war elektrisierend. Michelles Herzschlag begann zu rasen. In ihrem Kopf begann sich alles zu drehen, und sie lehnte sich schwindlig gegen die Fremde, die ihre Arme um sie breitete und sie sanft an sich drückte.

Ohne es steuern zu können, hob Michelle ihren Kopf und kam dem suchenden Mund der Frau entgegen. Mit einem Hunger, den sie noch niemals zuvor verspürt hatte, presste Michelle sich in die langen Arme.

Der leidenschaftliche Kuss schien ewig zu währen. Sie lösten sich nur voneinander, um kurz Luft zu holen. Und schon stießen ihre Lippen erneut aufeinander.

Michelle spürte die Hände der Frau, die sie umfingen, und auf einmal verlor sie den Boden unter den Füßen. »Was machst du?«, rief sie erschrocken und riss die Augen auf.

Die Fremde trug sie ein kurzes Stück über die Dachterrasse und ließ sie schließlich auf eine Liege sinken. Wortlos begann sie, Michelles Hemd zu öffnen.

Kühle Nachtluft und heißer Atem trafen gleichzeitig auf Michelles nackte Haut und ließen sie erschauern.

Die Frau kniete vor Michelle und strich mit ihren Fingern über Michelles Bauch. »Du bist wunderschön«, murmelte sie heiser, beugte sich vor und strich mit der Zungenspitze über Michelles BH.

Michelle drückte ihren Rücken durch, kam damit der tanzenden Zunge der Frau entgegen, und die ließ sich nicht lange bitten.

Mit ihren Händen schob sie Michelles BH zur Seite, umfasste die weichen Hügel und massierte die zarten Knospen, die sich ihr flehend entgegenreckten.

Michelle begann leise zu stöhnen, als die Frau sich über sie beugte und mit ihren Lippen an ihren Brüsten zu saugen begann.

Heiße Nässe ergoss sich in ihr Höschen, sie griff mit ihren Händen in den dunklen Haarschopf und drückte sie tiefer, zwischen ihre Beine.

Auch hier zögerte die Frau keine Sekunde, öffnete flink Michelles Jeans und schob ihre Finger hinein. »Oh ja«, lachte sie rau, als sie die Nässe spürte, die über ihre Finger lief. Mit beiden Händen zog sie Michelles Hose nach unten bis zu ihren Knien, drückte ihre Beine auseinander und strich erst sanft, dann immer schneller mit zwei Fingern durch Michelles Falten. Sie presste ihre Zunge auf Michelles Klit und begann, heftig daran zu saugen, während ihre Finger in sie eindrangen und sie von innen her massierten.

Michelle stöhnte laut auf. Ihr Körper stand komplett in Flammen. Die Liebkosungen der Frau brachten sie an den Rand einer Ohnmacht, so intensiv waren die Zungenschläge und die gleichzeitige Stimulation von innen heraus. Vergessen war, dass sie nicht einmal ihren Namen kannte.

Hatte sie anfangs noch gezögert, so war es ihr inzwischen längst egal. Alles, was sie wollte, war, von dieser Frau berührt zu werden.

Als der Orgasmus sie überrollte, riss Michelle die Augen auf und sah in den Himmel, wo gerade der nächste Sternenregen niederging.

2

»Wo warst du denn?« Gina packte Michelle am Arm und zog sie zu sich herum. »Ich habe dich überall gesucht, und an dein Handy bist du auch nicht gegangen. Ich wollte gerade nach Hause gehen.«

Michelle versuchte, den verärgerten Blicken ihrer Freundin zu entkommen, doch das Brennen auf ihren Wangen und der Duft, der sie umgab, ließ Gina innehalten.

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich jetzt nicht. Wann, wie, wo und vor allem: wer?« Die Verärgerung war in pure Neugier umgeschlagen.

»Ich weiß nicht, was du meinst.« Michelle wollte sich an ihr vorbeischieben, doch Gina versperrte ihr den Weg.

»Ich will alles wissen, haarklein, hörst du?«

»Da gibt es nichts zu erzählen, können wir gehen?« Michelle hatte keine Lust, Gina von der Unbekannten auf der Dachterrasse zu erzählen. Sie konnte ja selbst kaum fassen, was gerade eben mit ihr geschehen war.

Sie hatte sich vergessen, hatte all ihre Prinzipien über Bord geworfen, als sie die heißen Lippen der unbekannten Frau auf sich gespürt hatte.

»Michelle?« Gina legte ihr die Hand auf die Wange und strich sacht darüber. »Du glühst ja total. Was ist denn passiert?« Von einer Sekunde auf die andere wich das Grinsen aus Ginas Gesicht, und sie sah Michelle voller Sorge an.

Seufzend fuhr Michelle sich durch die Haare. »Hast du noch was in deinem Flachmann?«

Gina zog das Teil aus ihrer Tasche und hielt ihn Michelle hin. Als Michelle danach greifen wollte, zog sie ihn noch einmal zurück. »Erzählst du mir, was passiert ist?«

Michelle senkte den Kopf. »Ich weiß es selbst nicht genau, wie soll ich es dir dann erzählen?«

Gina drückte ihr den Flachmann in die Hand und beobachtete mit großen Augen, wie Michelle ihn ansetzte und mit einem einzigen großen Schluck leerte.

Die scharfe Flüssigkeit hinterließ ein brennendes Gefühl in Michelles Kehle, hustend schnappte sie nach Luft. »Danke, das brauchte ich jetzt.« Sie reichte Gina den Flachmann zurück und machte erneut Anstalten zu gehen, doch Gina versperrte ihr weiterhin den Weg.

»Michelle.« Das klang todernst. »Wir kennen uns seit vielen Jahren, aber so habe ich dich noch nie gesehen. Entweder du sagst mir jetzt sofort, was passiert ist, oder ich geh mit dir zur Polizei.«

»Wieso denn zur Polizei?« Irritiert sah Michelle ihre Freundin an. Auf einmal dämmerte ihr, was in Ginas Kopf vorgehen musste. »Nein, das war es nicht«, winkte sie kopfschüttelnd ab. »Ich brauch definitiv keine Polizei, Gina.«

»Bist du sicher?« So ganz schien Gina nicht überzeugt.

»Komm, lass uns nach Hause gehen, bitte«, flehte Michelle sie an.

»Also gut.« Gina hakte sich bei ihr unter, und sie verließen den Club.

Nach ein paar Schritten drehte Gina ihren Kopf und sah Michelle besorgt an. »Ist dir kalt? Du zitterst ja total.«

»Hast du schon mal etwas getan, das dir selbst völlig unverständlich war? Etwas, von dem du bis dahin überzeugt warst, dass dir das niemals passieren würde?« Michelle blieb stehen und sah in den Himmel hinauf.

Gina stellte sich neben sie und überlegte kurz. »Das klingt jetzt sehr geheimnisvoll.« Sie legte sich den Finger ans Kinn. »Ich habe schon viele verrückte Dinge getan. Was genau meinst du denn?«

»Ich . . .« Michelle schluckte und ließ den Kopf sinken.

»Okay, ich hab ja längst verstanden, dass du Sex hattest.«

Michelle riss den Kopf hoch und wollte etwas sagen, doch Gina lächelte sie leicht verschmitzt an, sodass sie schließlich nur stumm nickte.

»Dachte ich’s mir doch. Wer war es?«

»Das ist eines der Probleme, ich habe nämlich keine Ahnung«, gab Michelle leise zu.

»Oh, das ist tatsächlich mal was Neues.« Gina legte ihren Arm um Michelle und drückte sie sanft. »Wie ist es denn dazu gekommen? Und was sind die anderen Probleme?«

Mit leiser Stimme erzählte Michelle ihr, wie sie beim Tanzen mit der Frau zusammengestoßen war, wie sie sich geküsst hatten und wie sie auf der Dachterrasse gelandet waren.

»Wow, na, wenn das mal nicht abgefahren ist. Und dann?« Gina sah sie neugierig an.

»Sie hat mit mir geschlafen, so viel weiß ich noch.«

»Moment.« Gina zog ihre Stirn kraus. »Was heißt das denn jetzt?«

Michelle schloss gequält die Augen. »Ich muss kurz eingeschlafen sein. Und als ich aufgewacht bin, war ich allein auf der Terrasse, mit einer Decke zugedeckt. Mittlerweile bin ich mir nicht mal mehr sicher, ob ich das alles nicht nur geträumt habe. Ich meine«, ratlos sah sie Gina an, »das ist doch nicht real gewesen, oder?«

Gina strich ihr leicht über die Wange. »Es scheint mir sehr real gewesen zu sein. Aber abgefahren ist es allemal.«

»Warum ist sie einfach verschwunden? Und wer ist sie überhaupt?« Michelle spürte ein leichtes Brennen hinter ihren geschlossenen Augenlidern. Wütend rieb sie sich über die Augen. »Ich habe so etwas noch nie erlebt. Sie hatte eine Anziehungskraft, der ich mich nicht entziehen konnte. Es war schon verrückt, sie zu küssen, aber mit ihr nach oben zu gehen . . . Himmel, Gina, so etwas habe ich noch nie getan. Noch nicht einmal in meinen kühnsten Träumen.« Sie schlang ihre Arme um sich und starrte zitternd in den Himmel hinauf.

Sie konnte die zarten Hände der Fremden auf sich spüren, wie sie über ihren Körper gestreichelt hatten, wie sie . . .

Vehement schüttelte sie die Gedanken von sich ab.

»Nun, willkommen im Klub.« Gina hatte wieder ihr typisches Grinsen im Gesicht. »Das war dann wohl dein erster One-Night-Stand.«

Doch Michelle konnte Ginas Begeisterung nicht teilen. »Vielleicht sehe ich sie ja wieder, und dann . . .«

Gina wedelte mit dem Finger vor ihrem Gesicht herum. »Selbst wenn du sie wiedersiehst. Was denkst du, wird dann geschehen? Wenn sie ein Interesse an einer Beziehung mit dir hätte, dann wäre sie nicht weggegangen und hätte dich da oben allein zurückgelassen, oder?«

»Aber . . .«, protestierte Michelle, »vielleicht hatte sie einen Grund. Ich meine, wer weiß.«

»Ja klar, wer weiß.« Gina verdrehte die Augen. »Komm, Michelle, wach auf. Sie wollte schnellen Sex, und den hat sie auch bekommen. Und das war es auch. Vergiss sie, oder andersherum, jetzt hast du deine erste Kerbe im Spiel.«

3

Als Michelle am Montagmorgen aus dem Bus stieg, öffnete der wolkenverhangene Himmel seine Schleusen.

Na prima. Sie schlug den Kragen ihrer Jacke nach oben und zog ihre Schultern hoch. Das hat mir gerade noch gefehlt.

Sie sprintete durch den Regen und sprang die Treppe nach oben. Im Foyer des Bürohauses, in dem ihre Firma ansässig war, schüttelte sie sich und ließ dabei etliche Tropfen spritzen.

»Hey, können Sie nicht aufpassen?«, ertönte es ärgerlich hinter ihr.

Michelle fuhr herum und wollte sich gerade entschuldigen, als ihr die Worte im Hals steckenblieben. Sie sah direkt in diese samtbraunen Augen, die sie das ganze Wochenende verfolgt hatten.

»Du?« Entfuhr es ihr, doch die Frau zog nur leicht ihre Augenbrauen hoch und ging ohne ein sichtliches Zeichen des Erkennens an Michelle vorbei.

»Aber, hey, warte doch.« Mit klopfendem Herzen lief Michelle ihr nach.

Die Frau stieg in den nächsten Aufzug und drehte sich um. Blicke aus ihren braunen Augen strichen über Michelle, dann drückte sie einen Knopf, und die Aufzugtüren schlossen sich direkt vor Michelle, die ihr fassungslos hinterhersah.

Das kann doch jetzt nicht wahr sein! Warum hat sie nicht gewartet? Wie erstarrt blieb Michelle vor der verschlossenen Tür stehen. In ihrem Kopf rotierten die Gedanken. Hat sie dich tatsächlich nicht erkannt? Nach dem, was passiert ist, sollte sie dich schon erkennen, oder?

War sie es überhaupt? Aber sicher war sie es, ich würde sie doch immer wiedererkennen. Aber . . .

Michelle war so in ihre Gedanken versunken, dass sie die vielen Menschen gar nicht wahrnahm, die um sie herumdrängten und immer wieder die Aufzüge füllten. Sie stand einfach nur da, zur Salzsäule erstarrt, unfähig, sich zu bewegen.

»Michelle? Willst du mitfahren?«

Eine Hand auf ihrem Arm ließ sie den Blick heben. Gina stand vor ihr und sah sie mit schiefgelegtem Kopf an. »Ist alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«

»Sie ist hier«, flüsterte Michelle tonlos. »Sie ist hier, im Gebäude.«

»Wer?« Verständnislosigkeit zeigte sich auf Ginas Gesicht. Auf einmal fiel bei ihr der Groschen. »Echt jetzt? Und wo ist sie?«

»Ich habe keine Ahnung, aber sie ist hier. Ich muss sie finden.« Sie wollte losgehen, doch Gina hielt sie zurück.

»Jetzt mal langsam, Michelle. Du hast sie also gesehen. Und sie? Hat sie dich auch gesehen?«

Michelle schüttelte den Kopf. »Sie hat durch mich hindurchgesehen. Als würde sie mich gar nicht kennen.«

»Oh.« Gina machte eine betrübte Miene. »Das ist jetzt nicht so gut.«

»Warum? Was meinst du?«

»Na ja.« Gina zog die Schultern hoch. »Nach dem, was auf der Terrasse war, meinst du nicht, dass sie dich erkennen sollte?« Auf Michelles fragenden Blick hin fuhr sie fort: »Anders gefragt. Du hast sie sofort erkannt, oder? Ohne Zweifel?«

»Natürlich«, entrüstete sich Michelle. »Ich würde sie immer wiedererkennen.« Sie stutzte und schloss gequält die Augen, als Gina sie weiter mit diesem betrübten Blick ansah. »Du meinst, sie wollte mich nicht erkennen? Sie wollte wirklich nur diesen einen Augenblick auf der Terrasse?« Die Last der Erkenntnis drückte zentnerschwer auf ihre Schultern.

»Ich weiß nicht, was sie wollte oder nicht, Michelle. Aber du solltest diese Möglichkeit in Betracht ziehen.« Gina fasste sie am Arm. »Komm, wir müssen los.«

Sie stiegen in den nächsten Aufzug, der sie in die Etage ihrer Firma brachte, und betraten ihr Büro.

Bedrückt ging Michelle an ihren Schreibtisch und ließ sich schwer in den Stuhl fallen.

»Willst du nicht endlich mal deine Jacke ausziehen?« Gina tauchte wenig später neben ihr auf und zupfte ihr die Jacke von den Schultern.

In diesem Moment öffnete sich die Tür vom Chefbüro, und zwei Personen traten in die Mitte des Großraumbüros.

»Ah, wir bekommen endlich unseren neuen Abteilungsleiter vorgestellt.« Gina blinzelte Michelle aufmunternd an. »Komm, mal sehen, wie lange er es hier aushält.« Sie drehte sich zur Seite und korrigierte sich. »Oh, es ist dieses Mal eine Sie und ein richtig heißer Feger noch dazu. Sieh sie dir an, Michelle.«

Michelle ließ sich von Gina nach oben ziehen und trat hinter sie zu den anderen Kollegen, die sich neugierig um die beiden Frauen gruppierten.

Jana Schuster, die der Geschäftsführung angehörte, strahlte in die Runde. »Meine Damen und Herren, mit großer Freude darf ich Ihnen Frau Danela Vargas vorstellen. Sie wird den Posten der Abteilungsleiterin übernehmen.«

Michelle spürte, wie es ihr eiskalt den Rücken herunterlief, als sie die Frau sah, die ihr als ihre neue Vorgesetzte präsentiert wurde. Ihre Knie fühlten sich an, als wären sie mit Pudding gefüllt, und sie geriet leicht ins Wanken. Hilflos griff sie nach Ginas Arm und klammerte sich an ihr fest.

»Aua, Michelle, du tust mir weh.« Gina versuchte, ihre Finger von ihrem Arm zu lösen und stutzte. »Michelle, was ist denn los? Du bist ja kreidebleich im Gesicht.«

Unfähig, etwas sagen zu können, starrte Michelle weiter nach vorn, wo Danela Vargas sich gerade an die Belegschaft wandte.

Gina folgte ihrem Blick. »Ach du dickes Ei«, entfuhr es ihr entgeistert. »Sag nicht, dass sie das jetzt ist!«

Michelle konnte nur stumm nicken. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn in ihrem Kopf. Was machst du jetzt? Sie ist deine Chefin!

Gina gluckste leise neben ihr, sodass Michelle sie irritiert ansah. Doch Gina wischte sich schnell das Grinsen aus dem Gesicht.

In diesem Moment drehte Danela Vargas den Kopf und ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen. Über Michelle sah sie teilnahmslos hinweg.

»Sie erkennt mich wirklich nicht«, flüsterte Michelle Gina ins Ohr.

»Oh, Michelle.« Gina seufzte leise auf. »Du bist echt ein Neuling bei diesem Spiel. Es wird Zeit, dass ich dir da ein paar Dinge erkläre.«

»Was denn für ein Spiel?« Michelle sah wieder nach vorn, wo die neue Chefin sich in ihr Büro zurückzog.

An der Tür drehte sie sich noch einmal um, und dieses Mal suchte und fand sie Michelles Augen. Für einen kurzen Moment hielten sie Kontakt, und Michelle spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss.

»Hast du das gesehen?« Mit schnellen Schritten lief sie Gina hinterher, die zu ihrem Schreibtisch zurückging.

»Was soll ich gesehen haben?« Gina setzte sich und sah sie von unten her an.

»Sie hat mich angesehen, sie hat mich doch erkannt, da bin ich sicher.« Michelle ließ sich in ihren Stuhl fallen und wirbelte damit zu Gina herum. »Was denkst du, sollte ich mit ihr reden?«

»Um was zu erreichen?« Gina zog wieder einmal ihre Augenbraue nach oben. »Was, denkst du, wird sie tun?«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht erklären, warum sie mich dort oben auf dem Dach alleingelassen hat?« Michelle blickte zu der geschlossenen Tür und stellte sich vor, wie Danela hinter ihrem Schreibtisch saß und sie voller Begehren ansah. »Danela. Ein schöner Name, oder?«

»Wach auf, Michelle!« Gina schnipste mit zwei Fingern vor ihrem Gesicht herum und riss Michelle aus ihren Gedanken. »Sie ist deine Chefin. Ihr hattet einen One-Night-Stand, und das war es auch schon. Sie wird dir nichts erklären, und du wirst sie nichts fragen, es sei denn, du willst dir die Kündigung abholen.«

»Aber . . .« Betrübt sah Michelle ihre Freundin an. »Warum sagst du so was? Ich habe doch gar nichts getan, oder?«

»Ach, Michelle. Was erwartest du von ihr?« Gina seufzte. »Soll sie dir um den Hals fallen, weil ihr beide in derselben Firma arbeitet?« Sie schüttelte den Kopf. »Das Gegenteil wird der Fall sein. Denn es ändert nichts an der Tatsache, dass sie nur an schnellem Sex interessiert war. Sonst wäre sie bei dir geblieben, und ihr hättet wenigstens Namen und Telefonnummern ausgetauscht, oder nicht?«

Als Michelle resigniert das Kinn auf ihre Brust sinken ließ, legte Gina eine Hand auf ihre Schulter. »Ich habe dir schon gesagt, es ist ein Spiel. Für den einen mehr als für den anderen. Gewinnen kann dabei nur, wer sich auf die Regeln einlässt. Und das bedeutet: keine Verpflichtungen, keine Gefühle, einfach nur Befriedigung der Lust.«

»Ich kann das nicht glauben.« Michelle schüttelte trotzig den Kopf. »Ich bin nicht so.« Erneut sah sie zu der geschlossenen Tür. »Und sie ist auch nicht so.«

»Woher willst du das wissen?« Gina rollte die Augen. »Du wünschst dir, dass sie nicht so ist. Aber du musst der Realität ins Auge sehen.« Sie zwinkerte Michelle zu. »Sei nicht enttäuscht. Nicht jede ist für dieses Spiel geschaffen.« Nun lächelte sie Michelle tröstend an.

»Und du? Bist du dafür geschaffen? Spielst du auch?« Mit zusammengekniffenen Augen sah Michelle Gina an.

»Kommt drauf an.« Überlegend wiegte Gina den Kopf hin und her. »Ich bin nicht mehr ganz die Romantikerin, die ich einmal war.« Sie lächelte leicht. »Die du aber immer noch bist.«

»Das klingt bitter«, fand Michelle. Und bitter wollte sie nicht sein.

»Nun ja.« Gina atmete einmal tief durch. »Es gab eine Zeit, da habe ich nach der großen Liebe gesucht. Doch nach etlichen Enttäuschungen habe ich die Suche aufgegeben. Aber Bedürfnisse habe ich trotzdem, daher – ja, ich bin auch im Spiel. Die Szene ist voll von potenziellen Mitspielern.«

»Sie ist anders«, beharrte Michelle eigensinnig und behielt die geschlossene Tür fest im Blick. So nah und doch so fern, seufzte sie innerlich.

»Michelle.« Ginas Stimme hatte einen warnenden Tonfall angenommen. »Verrenn dich nicht. Du kannst hier nur verlieren. Denk daran, was am Samstag geschehen ist.«

Unglücklich sah Michelle sie an. »Aber das mache ich doch schon die ganze Zeit. Sie ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen.«

Gina schüttelte nur den Kopf. »Vergiss sie, Michelle.«

In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Danela Vargas und Jana Schuster kamen zusammen heraus.

Aus dem Augenwinkel beobachtete Michelle, wie die beiden vor dem Büro stehenblieben.

Jana Schuster sprach eindringlich auf die neue Abteilungsleiterin ein, die ihren Kopf leicht geneigt hielt und ihr aufmerksam zuzuhören schien.

Schließlich drückte Jana Schuster sie kurz an sich und verließ das Büro.

Die beiden scheinen sich gut zu kennen, überlegte Michelle. Ob sie auch . . .

Bevor sie diesen Gedanken zu Ende bringen konnte, hob Danela den Kopf und ließ ihren Blick über die Mitarbeiter im Großraumbüro schweifen, bis sie bei Michelle ankam. Da drückte sie ihre breiten Schultern nach hinten durch. »Frau Brunner, kommen Sie bitte in mein Büro?«

Michelle spürte, wie ihr der Mund trocken wurde. Sie kennt meinen Namen.

In ihr lieferten sich Engelchen und Teufelchen eine hitzige Debatte.

Das ist gut, meinte Engelchen. Sie weiß, wer du bist, weil sie dich auch nicht vergessen konnte.

Das ist schlecht, hielt Teufelchen gehässig dagegen. Sie will sich nicht daran erinnern und wirft dich jetzt raus, damit sie deinen Anblick und die Erinnerung los ist.

Das alles verursachte Michelle weiche Knie, die schon fast zitterten, als sie auf das Büro ihrer neuen Chefin zuging. Mit jedem Schritt schoss ihr ein neues Szenario durch den Kopf. Einmal Teufelchen, einmal Engelchen.

Durch das kleine, momentan verwaiste Vorzimmer schlich sie fast bis zur Tür der Abteilungsleiterin, klopfte an und schob die nur halbgeöffnete Tür auf, als Danela sie dazu mit einem knappen »Herein!« aufforderte, und trat einen Schritt in das Büro hinein. Unentschlossen blieb sie stehen.

»Bitte schließen Sie die Tür.« Danela saß hinter ihrem Schreibtisch und sah Michelle über den Rand ihrer Brille an, musterte sie auf eine Art, die die Situation in Michelles Kopf eher in Richtung Teufelchen tendieren ließ.

Sie drückte die Tür hinter sich ins Schloss, bewegte sich aber dennoch nicht weiter auf Danelas Schreibtisch zu.

Ohne sie richtig anzusehen, wies Danela mit einer Hand auf den Besucherstuhl vor ihrem Schreibtisch. »Nehmen Sie Platz.«

Sie und Sie, dachte Michelle. Das klingt nicht gut.

Vorsichtig tastete sie sich an den Besucherstuhl heran und setzte sich angespannt auf die Kante.

Während sie Michelle unverwandt musterte, legte Danela ihre Brille vor sich auf den Schreibtisch, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schien auf etwas zu warten.

Es mochte nur ein Augenblick sein, den sie sich stumm gegenübersaßen, doch Michelle kam es wie eine Ewigkeit vor.

Sie nutzte den Moment, um sich Danela genauer anzusehen. Das hochgeschlossene Kostüm betonte ihren schlanken Hals. Ihre Haare trug sie in einem strengen Zopf geflochten. Das einfallende Tageslicht verlieh ihm einen dunklen Glanz. Die samtbraunen Augen hatten nichts von ihrer Anziehungskraft verloren.

Dafür war die Kälte in ihrer Stimme neu.

»Wir bleiben besser beim Sie hier in der Firma«, setzte sie an. »Oder spricht etwas dagegen?«

Sollte sie darauf jetzt antworten? Michelles Augen öffneten sich etwas vor Erstaunen. »Ähm . . .«, startete sie einen Versuch, aber es fiel ihr wirklich nichts ein.

Vermutlich war das sowieso nicht ihre Entscheidung. Danela hatte das schon entschieden.

»Im Interesse unserer Zusammenarbeit hier in der Firma halte ich das für besser«, fuhr Danela da schon fort und bestätigte damit Michelles Vermutung. »Ich halte es überhaupt für besser, wenn wir das hier als Stunde null betrachten. Wir haben uns heute erst kennengelernt.«

»Haben wir?«, stammelte Michelle verwirrt.

»Sie müssen doch einsehen . . .«, Danela beugte sich über ihren Schreibtisch vor und kam dadurch Michelle näher, sodass es fast schien, als wollten ihre Augen in sie eindringen, »dass eine andere Lösung nicht praktikabel ist.«

Nicht praktikabel. Was auch immer das heißen sollte. Auf jeden Fall hieß es nicht das, was Engelchen vorgeschlagen und Michelle sich gewünscht hatte. Ganz und gar nicht.

Eiseskälte kroch durch ihre Adern und ließ sie zittern. Gina hatte recht gehabt. Für Danela war das alles nur ein Spiel gewesen. Nichts Ernstes. Und nun wollte sie Michelle dazu bringen, es genauso zu sehen.

Aber das konnte sie nicht. »Danela . . .«, flüsterte sie. »Ich habe ununterbrochen an dich gedacht.«

Mit einer fließenden Bewegung lehnte Danela sich zurück. »Und dann tauche ich hier als deine neue Chefin auf.«

Anscheinend hatte sie nun doch beschlossen, es beim Du zu belassen. Zumindest, wenn sie allein waren.

»Ja.« Michelle atmete tief durch. »Das war eine Überraschung.«

»Für mich auch«, sagte Danela. Ihre Augen nahmen Michelle in den Blick, als wollten sie sie vermessen. »Und nun müssen wir damit klarkommen. Denkst du, du schaffst das?«

Dass sie selbst es schaffen würde, schien sie nicht infrage zu stellen.

»Ich weiß nicht.« Langsam schüttelte Michelle den Kopf. »Als du mich dort auf der Dachterrasse alleingelassen hast . . .« Sie schluckte. »Verstehst du denn nicht? Seitdem habe ich mich jede Sekunde gefragt, warum du das getan hast.« Sie senkte ihren Blick zu Boden.

Eine ganze Weile war es still. Als wäre die Zeit stehengeblieben.

Da Danela nichts sagte, hob Michelle endlich wieder den Kopf. »Du willst mir keine Erklärung geben?«

Danela, die anscheinend völlig regungslos dagesessen hatte, schürzte die Lippen. »Nein«, erwiderte sie.

Michelle hätte heulen können. Nicht mal ein Tut mir leid? Gar nichts? Sie atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. »Weißt du eigentlich, wie erbärmlich ich mich gefühlt habe?«, hauchte sie mit nur mühsam hervorgeholter Energie, die sie ihre letzte Kraft kostete. »Wie verletzend es für mich war, so zurückgelassen zu werden?«

Wieder war es eine Weile still, dann sagte Danela: »Das wollte ich nicht, Michelle. Dich verletzen. Bestimmt nicht.«

In Michelle arbeitete es. Was Gina gesagt hatte, was Danela jetzt sagte . . . »Für dich war das nichts, oder? Es hatte keine Bedeutung«, brach es aus ihr heraus.

Die lange Pause, die zwischen ihnen jetzt schon die Regel zu sein schien, ließ sie jedes kleinste Geräusch wie eine Explosion wahrnehmen.

Als auf Danelas Schreibtisch eine Schere, die knapp an der Kante auf einem Kästchen gelegen hatte, das Gleichgewicht verlor und mit einem dumpfen Geräusch auf den Tisch fiel, wäre sie fast von ihrem Stuhl hochgesprungen, so erschreckte es sie.

»An diesem Abend hast du mir gegeben, was ich brauchte.« Danelas Stimme klang emotionslos. »Und ich hatte gehofft, dass das für uns beide galt. Ich hatte es vorausgesetzt. Weiter habe ich nicht gedacht.«

»Weiter hast du nicht gedacht?« Das alles war so eine Enttäuschung für Michelle, dass ihre eigene Stimme so leise klang, dass man sie kaum hören konnte. »Seit diesem Abend hast du nie mehr an mich gedacht?«

Ratlos hob Danela die Hände in die Luft. »Was erwartest du, Michelle? Dass ich dir sage, dass ich mich verliebt habe? Das habe ich nicht.« Erneut beugte sie sich vor, und ihre dunklen Augen erschienen plötzlich wie ein Tor zu einer unheilvollen Welt. »Das tue ich nicht.«

»Das tust du nicht.« Michelle schluckte. »Nie?«

»Nie«, bestätigte Danela. »Beruhigt dich das? Dass es nichts Persönliches war? Es hatte nichts mit dir zu tun.«

Es hatte nichts mit mir zu tun. Wie konnte so etwas . . . so etwas Schönes und Intimes nichts mit den Menschen zu tun haben, die daran beteiligt waren? Das war für Michelle unvorstellbar.

»Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte sie kraftlos.

Danela machte erneut eine Geste mit den Händen, hielt sie vor sich mit den Handflächen nach oben über den Tisch. »Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder wir trennen uns endgültig, oder wir vergessen das Ganze und arbeiten zusammen. Ab Stunde null. Wie ich sagte.«

Michelle fühlte, wie ihre Augen heiß wurden. Sie musste fort von hier, sonst würde sie gleich in einen Weinkrampf ausbrechen.

»Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht?«, hauchte sie und fühlte sich dabei völlig ohnmächtig. Den Mächten des Schicksals ausgeliefert. Und dieses Schicksal hieß Danela.

Die schüttelte den Kopf. »Meines Erachtens nicht.« Eine Weile sah sie Michelle an. »Der Abend ist anders gelaufen, als wir es uns wohl beide gedacht haben, Michelle.« Ihre Augen funkelten im einfallenden Sonnenlicht, als sie sich vorbeugte und Michelle näher betrachtete. »Aber ich wollte dich ganz sicher nicht verletzen oder demütigen. Das lag mir wirklich fern.«

Die Tränen würden gleich herausstürzen wie Wasserfälle. Aber Michelle konnte nicht anders. Sie musste noch etwas sagen.

»Aber du hast es getan«, flüsterte sie. »Du hast mir den Boden unter den Füßen weggezogen.«

Wieder lehnte Danela sich zurück, wodurch sie die Distanz zwischen sich und Michelle vergrößerte. »Das wird mir langsam klar«, gab sie zu. »Aber an der Vergangenheit kann ich nichts ändern. So leid es mir tut.«

»Es tut dir leid? Es tut dir wirklich leid?« So etwas wie Hoffnung keimte in Michelle auf.

Mit einem langen Finger deutete Danela zum Fenster hinaus.

Auf einmal musste Michelle schlucken, als sie an den Abend dachte, an dem Danela mit dem Finger in den Himmel gezeigt und anschließend so wunderbare Dinge getan hatte. Sie spürte die Röte, die in ihre Wangen schoss.

»Tut es dem Vogel da draußen leid, dass er fliegen kann?«, fragte Danela. »Denkt er darüber nach, dass andere es nicht können?«

Michelle fiel die Kinnlade herunter. »Ich bin ein Vogel, der nicht fliegen kann?«

»Aber nein.« Anscheinend amüsierte Danela Michelles Reaktion, denn ein leises Lächeln schlich sich in ihre Mundwinkel. »Im Gegenteil. Du hast hervorragende Bewertungen und offenbar ein großes Potenzial. Du kannst fliegen. Oder könntest es lernen. Das ist ein Grund, warum ich dich hier nicht verlieren möchte.«

In Michelles Kopf wirbelten Gedanken, Bilder, Gefühle durcheinander. »Du willst also nicht, dass ich kündige?«

»Nicht, wenn du das nicht willst«, sagte Danela.

Entgeistert starrte Michelle sie an. Wie soll ich es ertragen, ihr jeden Tag zu begegnen, ihr nah zu sein . . .

Ihr Blick verfing sich in Danelas braunen Augen, die sie jetzt ruhig beobachteten, sie nicht drängten. Doch keine Spur des Verlangens lag mehr darin.

Das kann ich nicht, dachte Michelle. Das halte ich nicht aus.

»Du kannst es dir ja noch überlegen«, bot Danela an. »Ich will dir nicht kündigen, und ich will auch nicht, dass du kündigst. Ich bin der Meinung, dass zwei erwachsene Frauen eine solche . . .«, sie hüstelte, »Situation anders lösen können. Aber ich will dir natürlich auch nicht im Weg stehen, wenn du andere Vorstellungen hast. Es ist ganz allein deine Entscheidung.«

Na wunderbar . . . Gerade war alle Entschlossenheit aus Michelle gewichen, und nun sollte sie eine solche Entscheidung treffen?

»Wie . . . Wie lange habe ich Zeit?«, brachte sie gerade noch so hervor.

»So lange du willst, wenn es unsere Zusammenarbeit nicht beeinträchtigt.« Danela zuckte die Schultern. »Business as usual muss halt weiterlaufen. Daran darf sich nichts ändern.«

Business as usual. Sie hatte wirklich Nerven.

»Auf eins möchte ich allerdings noch einmal hinweisen«, fuhr Danela fort. »In Anbetracht unserer Situation wäre es von Vorteil, wenn wir diesen Abend, diesen Augenblick auf der Dachterrasse, einfach streichen könnten. Anders wird es nicht gehen.«

Konnte sie den Abend auf der Dachterrasse vergessen? Das bezweifelte Michelle stark.

Sobald sie abends im Bett lag, sah sie Danelas feurige Augen auf sich gerichtet.

Wenn sie ihre Hand über ihre Brüste schob, dann waren es Danelas lange Finger, die sie zärtlich streichelten.

Und wenn sie morgens aufwachte, dann fühlte sie die Leere in sich, die sie auch an dem Abend im Club gespürt hatte.

»Ich werde es mir überlegen«, murmelte sie, weil sie keine Minute länger bleiben konnte, ohne zusammenzubrechen, und stand mit letzter Kraft auf. »Danke, Danela.«

»Ich danke Ihnen, Frau Brunner«, erwiderte Danela, als Michelle mit brennenden Augen so schnell wie möglich das Zimmer verließ.

Kaum draußen angekommen lief sie in die Toilette und heulte, bis sie keine Tränen mehr hatte.

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