Mündliche Sprachmittlung im Spanischunterricht - Dominique Panzer - E-Book

Mündliche Sprachmittlung im Spanischunterricht E-Book

Dominique Panzer

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Beschreibung

Sprachmittlung wurde als letzte der funktional-kommunikativen Kompetenzen und Fertigkeiten definiert und ist inzwischen ein integrativer Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts. Darüber hinaus ist Sprachmittlung ebenso regelmäßig in Abschlussprüfungen präsent, nachdem bereits 2001 die Aufnahme in den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen erfolgte. Jedoch gibt es bisher nur wenige Materialien zu Sprachmittlung und ebenso kaum dezidierte Forschungsarbeiten, die sich mit dieser umfassenden Tätigkeit auseinandersetzen. An diesem Desiderat setzt Dominique Panzer mit ihrer vorliegenden Studie an und nimmt auf Basis einer eigens entwickelten mündlichen Sprachmittlungsaufgabe den Bearbeitungsprozess der Schülerinnen und Schüler und die dabei aufkommenden Hürden und Gelingensmomente in den Blick. Als übergreifender Rahmen fungiert die Forschungsmethodik Design-Based Research. Ihre Untersuchungsergebnisse stellen schon im Forschungsprozess die Grundlage für eine iterative (Weiter-)Entwicklung des Aufgabenkompendiums dar. Letzten Endes entstehen auf diese Weise nicht nur eine passgenaue mündliche Sprachmittlungsaufgabe, sondern auch theoretische Erkenntnisse für die grundsätzliche Gestaltung von Sprachmittlungsaufgaben im Fremdsprachenunterricht. Solcherart ergeben sich praktische Handlungshinweise, die von Lehrkräften für die eigene konkrete Unterrichtsplanung genutzt werden können. Ebenso gelingt ihr damit ein wichtiger Schritt zur Feststellung der Kompetenzen, die Schüler und Schülerinnen mit der Bearbeitung von Sprachmittlungsaufgaben erlangen können.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Die vorliegende Veröffentlichung wurde vom Promotionsausschuss der Universität Bremen am 18. September 2018 unter dem Originaltitel „Eine mündliche Sprachmittlungsaufgabe für den Spanischunterricht der Sekundarstufe I: eine Design-Based Research-Studie“ als Promotion angenommen und entspricht dieser maßgeblich. Entstanden ist sie von Oktober 2014 bis September 2017 im Rahmen meiner Tätigkeit in der Creative Unit Fachbezogene Bildungsprozesse in Transformation(CU FaBiT) an der Universität Bremen, wo ich parallel auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Didaktik der romanischen Sprachen am Fachbereich 10 tätig war.

Während dieser intensiven und ereignisreichen Zeit haben mich viele Personen begleitet, gefördert und unterstützt. Allen voran gilt mein Dank meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Andreas Grünewald, der meinen Fragen stets Gehör schenkte und gewinnbringende Anmerkungen machte. Daneben danke ich ebenso meiner Betreuerin im Rahmen der Creative Unit, Frau Bàrbara Roviró, die in zahlreichen Gesprächen mich immer wieder den Fokus auf das Wesentliche richten lies und so der Arbeit des Öfteren den entscheidenden Anstoß gab.

Darüber hinaus danke ich den weiteren professoralen Mitgliedern der Creative Unit, die mir im Rahmen der regelmäßigen Projektpräsentationen wertvolle Hinweise gaben: Frau Prof. Dr. Angelika Bikner-Ahsbahs, Frau Prof. Dr. Sabine Doff, Herrn Prof. Dr. Andreas Lehmann-Wermser und Frau Prof. Dr. Maria Peters.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Möglichkeit der wissenschaftlichen Diskussion meines Vorhabens im Rahmen der Kolloquien, an denen ich teilnehmen durfte. Diese eröffneten mir einen anregenden, interdisziplinären Austausch. An dieser Stelle seien die Arbeitsgruppe von Herrn Prof. Dr. Andreas Grünewald, das Doktorandennetzwerk „Netzfremd 10“ und das der Creative Unit, die Kolloquien von Frau Prof. Dr. Gabriele Blell und Frau Prof. Dr. Andrea Rössler der Leibniz Universität Hannover sowie das Bremer Institut für Fremdsprachendidaktik und Förderung der Mehrsprachigkeit (Inform) genannt.

Mein Dank gilt auch den weiteren Promovendinnen der Creative Unit, Mareike Best, Meike Hethey, Christina Inthoff, Ute Konrad und Larena Schäfer; denn wir haben des Öfteren gemeinsam übergreifende Aspekte diskutiert und weiter ausgeschärft und somit auch mein Projekt entscheidend vorangebracht.

Dankbar bin ich ebenso für zahlreiche Gespräche und gemeinsame Überlegungen mit Georgia Gödecke, Sandra Bermejo Muñoz und Eric Wolpers, den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Arbeitsgruppe der Didaktik der romanischen Sprachen, die fortwährend sehr gewinnbringend und sinnstiftend waren.

Ein großer Dank gebührt neben Herrn Prof. Dr. Andreas Grünewald auch den weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission: Frau Prof. Dr. Andrea Rössler für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie Frau Prof. Dr. Sabine Doff und Herrn Prof. Dr. Hans Krings für Ihre Mitwirkung in diesem Zusammenhang.

Für die Publikation meiner Dissertation danke ich Herrn Dr. Michael Frings, Herrn Prof. Dr. Andre Klump und Frau Prof. Dr. Sylvia Thiele, die mir im Rahmen der Reihe „Romanische Sprachen und ihre Didaktik“ im ibidem-Verlag die Möglichkeit dazu eröffnet haben.

Die Anfertigung und auch Fertigstellung meiner Dissertation, die zum Teil parallel zum Referendariat erfolgte, war nicht immer einfach und ohne die Unterstützung meiner Familie nicht denkbar gewesen. Meiner Mutter, meinen Großeltern und meinem Partner – ihnen gebührt mein größter Dank.

Dominique Panzer, November 2020

Inhalt

Einleitung

Problemaufriss

Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

Aufbau der Arbeit

Sprachmittlung

Begriffsbestimmung

Translationswissenschaft

Fachdidaktik

Zusammenführung der bisherigen Ergebnisse

Mündliche und schriftliche Sprachmittlung im FSU

Bildungspolitische Vorgaben

Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen

Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz

Bremer Bildungspläne

Forschungsstand: Sprachmittlung im Spanischunterricht

Sprachmittlung als komplexe Aktivität

Modelle für Sprachmittlung

Konzepte und Kriterien zur Aufgabenentwicklung

Sprachmittlungsaufgaben in Lehrwerken, Materialsammlungen etc.

Sprachmittlung als Teil von Abituraufgaben

Evaluation von Sprachmittlungsaufgaben

Fazit

Lerntheoretische Anbindung

Der Kompetenzbegriff

Byrams Konzept des ‚Intercultural Speaker‘

Konstruktivismus

Historische Anknüpfungspunkte und Bezugsdisziplinen

Radikaler Konstruktivismus

Gemäßigter Konstruktivismus

In der Didaktik

In der Fremdsprachendidaktik

Lerntheoretische Anbindung bei Hallet

Forschungsmethodologie: Design-Based Research

Die Genese des Design-Based Research-Ansatzes

Charakteristika des Design-Based Research-Ansatzes

Grundsätzliche Kriterien in Bezug auf die Methodologie

Kriterien in Bezug auf das Design bzw. Lehr-/Lernarrangement

Kriterien in Bezug auf die Iterativität

Kriterien in Bezug auf die Dokumentation der Forschung

Kriterien in Bezug auf den Outcome einer DBR-Studie

Diverse Ausrichtungen von Design-Based Research

Aktuelle Projekte

Begrifflichkeiten in Bezug auf Design-Based Research

Ablauf einer Design-Based Research-Studie

Das Bremer Design-Based Research-Modell

Design-Based Research im Vergleich zu anderen Forschungsmethoden

Gütekriterien von Design-Based Research-Studien

Dokumentation einer Design-Based Research Studie

Ausrichtung des vorliegenden Forschungsprojekts

Lehr-/Lernarrangement und Designprinzipien

Theoretische Fundierung der Aufgabenkonzeption

Designprinzipien

Conjecture Mapping

Designprinzip der vorliegenden Studie

Zone of Proximal Development

Komplexe Kompetenzaufgabe

Conjecture Map für die mündliche Sprachmittlungsaufgabe

Zusammenführung der bisherigen Überlegungen

Mündliche Sprachmittlungsaufgabe los fines de las prácticas

Datenerhebungsmethoden

Videographie

Videographie als neue Methode im technischen Zeitalter

Durchführung einer videographischen Studie

Probleme bei der Durchführung von videographischen Studien

Grenzen der Methode

Umsetzung im Forschungsprojekt

Teilnehmende Beobachtung

Entwicklung in den USA, Großbritannien und Deutschland

Arten der Beobachtung

Rolle des Beobachters

Phasen der Beobachtung

Probleme bei der Durchführung

Grenzen der Methode

Umsetzung im Forschungsprojekt

Fokussiertes Gruppeninterview

Entwicklung als eigenständige Forschungsmethode

Vier Qualitätskriterien

Durchführung des Interviews

Probleme bei der Durchführung

Grenzen der Methode

Umsetzung im Forschungsprojekt

Experteninterview

Wer ist überhaupt ein Experte bzw. eine Expertin?

Spielarten des Experteninterviews

Probleme bei der Durchführung

Grenzen der Methode

Umsetzung im Forschungsprojekt

Lernerartefakte

Entwicklung der Dokumentenanalyse

Praktisches Vorgehen

Probleme bei der Durchführung

Grenzen der Methode

Umsetzung im Forschungsprojekt

Methodentriangulation

Triangulation als Methode

Verschiedene Formen der Triangulation

Funktionen der Triangulation

Praktische Probleme der Triangulation

Umsetzung im Forschungsprojekt

Methoden der Datenauswertung

Qualitative Inhaltsanalyse

Differenzierung qualitatives versus quantitatives Paradigma

Qualitative Inhaltsanalyse – Was ist das?

Entstehung

Varianten

Begriffsdefinitionen

Kategorie

Einheiten

Kategoriensystem

Ablauf

Generierung der Kategorien

Qualitative Inhaltsanalyse und Gütekriterien

Typenbildung

Die Entwicklung der Typenbildung

Ziele

Ablauf

Unterscheidung Typologie – Klassifikation

Unterschiedliche Typen bzw. Typologien

Bekannte Vertreter und ihre etablierten Typologien

Typenbildung und Qualitätskriterien

Übersicht über den Verlauf der Datenerhebung

Zyklus 1

Zyklus 2

Zyklus 3

Zyklus 4

Synoptische Zusammenschau der Zyklen 1 bis 4

Auswertung der Lernerartefakte

Stufenmodell empirisch begründeter Typenbildung

Erarbeitung relevanter Vergleichsdimensionen

Gruppierung der Fälle und Analyse empirischer Regelmäßigkeiten

Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge und Typenbildung

Charakterisierung der gebildeten Typen

Typ ‚Große Defizite‘

Typ ‚Schwierigkeiten bei Übertragung/Transfer‘

Typ ‚Solides Mittelmaß‘

Typ ‚Gut‘

Typ ‚Alleskönner‘

Synoptische Zusammenschau über die Zyklen hinweg

Auswertung der fokussierten Gruppeninterviews

Inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse

Darstellung der einzelnen Kategorien

Kontext/Rahmen

Zeit

Texte

Wortschatz

Teilaufgaben

Aufgabe

Verbesserungsvorschläge

Zusammenfassung

Interpretation, Diskussion, Zusammenschau der Ergebnisse

Lernerartefakte

Fokussierte Gruppeninterviews

Kontext/Rahmen

Zeit

Texte

Wortschatz

Teilaufgaben

Aufgabe

Überarbeitetes Designprinzip

Überarbeitete Conjecture Map

Referenzdesign los fines de las prácticas

Lokale Theorie

Beantwortung der Forschungsfragen

Reflexion des Forschungsprozesses

Zusammenfassung

Fazit

Bibliografie

Anhang

Einleitung

Ein Mädchen sitzt mit ihren Eltern in einem Restaurant auf Gran Canaria und der Kellner kommt an den Tisch…

“Buenos días. ¿Qué quería comer ustedes? Hoy nuestro menú del día…”

Die Mutter fragt ihre Tochter danach, was genau der Kellner denn gesagt hat.

So eine Situation, in der eine Person die wichtigsten Aspekte sprachmitteln muss oder die Frage nach dem Weg oder einer allgemeinen Auskunft, kennen heutzutage viele Menschen oder haben sie auch schon persönlich erlebt. Oftmals werden in solchen Begegnungen die Kinder als Hilfe herangezogen, da sie in der Schule meist mehrere Fremdsprachen lernen und dann ihr Erlerntes unter Beweis stellen können. Dabei stellt sich aber die Frage, wie genau die Tochter ihren Eltern nun in dieser Situation helfen kann. Soll die komplette Äußerung des Kellners ins Deutsche übersetzt werden oder aber wäre es nicht viel sinnvoller, nur die relevanten Informationen zu übertragen?

Mit genau diesen Fragen und Situationen kann der wesentliche Kern der Sprachmittlung erfasst werden, bei der überwiegend Personen miteinander in Kontakt kommen, die unterschiedliche Sprachen sprechen und demzufolge auf eine dritte Person angewiesen sind, die eben diese Kommunikation ermöglicht, indem er/sie beide Sprachen spricht und somit metaphorisch gesehen eine Brücke baut.

Schule als Institution ist der Ort, an dem die Schülerinnen und Schüler auf solche Situationen vorbereitet werden, so dass sachkundige Lehrkräfte ihnen die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen und mit ihrem fachlichen Rat zur Seite stehen. Bevor aber genau dieses Wissen adäquat eingesetzt werden kann, muss auch den unterrichtenden Lehrkräften der modernen Fremdsprachen Englisch, Französisch, Spanisch etc. bewusst sein, was unter Sprachmittlung zu verstehen ist, anhand welcher Kriterien Sprachmittlungsaufgaben als gute Aufgaben eingestuft werden können und nicht zuletzt müssen ihnen dafür auch inhaltlich korrekte sowie für die Lerngruppe passende Arbeitsmaterialien zur Verfügung stehen.

All diese Aspekte erscheinen fast selbstverständlich, wirft man einen Blick in die bildungspolitischen Vorgaben bzw. Dokumente wie den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GeR), der bereits im Jahr 2001 in deutscher Sprache und ein Jahr zuvor auf Englisch publiziert wurde (vgl. Europarat 2001), indem Sprachmittlung explizit als ein eigenständiger Aspekt benannt worden ist. Nichtsdestotrotz dauerte es noch ein paar Jahre, bis diese ‚neue‘ funktional-kommunikative Kompetenz bundesweit in die Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss aufgenommen wurde; für die Allgemeine Hochschulreife hingegen verging noch über ein Jahrzehnt, bis auch dort diese Fertigkeit mit integriert worden ist (vgl. Kultusministerkonferenz 2003, 2012).

Und auch ein Blick in die Forschungsliteratur zeigt, dass diese Thematik erst vor kurzem in den Fokus genommen wurde, denn die erste Publikation zu diesem Komplex ist erst vor wenigen Jahren veröffentlicht worden (vgl. Reimann, Rössler 2013). Kurz darauf erschien auch eine erste wissenschaftliche Arbeit zu Sprachmittlung (vgl. Kolb 2016); darüber hinaus kann lediglich auf mehrere Artikel in bekannten Zeitschriften wie ‚Der fremdsprachliche Unterricht‘ oder ‚Fremdsprachen Lehren und Lernen‘ verwiesen werden. Demnach ist es auch nicht verwunderlich, dass im Bereich der Sprachmittlung noch kaum Forschungsarbeiten vorliegen, unabhängig davon, ob sie konzeptioneller oder empirischer Natur sind, die die aufkommenden Fragen detailliert analysieren und Anknüpfungspunkte für weitere Studien schaffen.

Problemaufriss

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der eben beschriebenen vielschichtigen Thematik der Sprachmittlung auseinander, fokussiert dabei aber auch die lokalen Gegebenheiten des Bundeslandes Bremen, das in seiner schulischen Landschaft seit mehreren Jahren maßgeblich durch den Umbruch der Schulformen und durch hohe Migrationsbewegungen geprägt ist.

Gerade die Neustrukturierung des Bremer Schulsystems, demzufolge durch die Reform zur Oberschulentwicklung nur noch Gymnasien und Oberschulen existieren und seit 2009 auch die Inklusion als ein verpflichtender Aspekt hinzugekommen ist, sind die Klassenzimmer durch eine hohe Heterogenität geprägt, die sich unter anderem auch in den gesprochenen Sprachen widerspiegelt, wie der Bildungsbericht zeigt (vgl. Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit 2012a).

Gerade diese Vielfalt stellt eine große Herausforderung dar, die das Beherrschen verschiedener Sprachen und auch das Vermitteln zwischen diesen als wichtige Kompetenzen erachten lässt, die heutzutage, auch mit Blick auf die hohen migratorischen Bewegungen, von immens großem Wert sind und somit für die Schülerinnen und Schüler von großer Bedeutung sind. Dies ist auch in den Bildungsplänen des Landes Bremens als Ziel des Fremdsprachenunterrichts, der Diskursfähigkeit, formuliert (vgl. Senatorin für Bildung und Wissenschaft 2015).

Eine Absicht der vorliegenden Arbeit besteht darin, den Lehrkräften genau für den Kontext, in dem sie tagtäglich unterrichten, eine Sprachmittlungsaufgabe zur Verfügung zu stellen, die sie ohne großen Aufwand im Unterricht einsetzen bzw. durchführen können. Dafür ist es vorab notwendig, eine solche Aufgabe zu konzipieren und an die lokalen Gegebenheiten anzupassen, indem diese mehrfach an Bremer Schulen getestet, so dass die Aufgabe immer wieder adaptiert und verbessert werden und am Ende als einsatzbereites Produkt vorgelegt werden kann.

Für dieses Vorgehen eignet sich besonders gut die Forschungsmethodologie Design-Based Research, deren Ziel es ist, ein iterativ, also in Zyklen (weiter-)entwickeltes Produkt zu konzipie-ren, das kontextsensitiv generiert und kontinuierlich anhand der empirisch gewonnenen Ergebnisse verbessert wurde. Dabei basiert die Entwicklung der Aufgabe, die im Rahmen der Methodologie auch als Design bzw. Lehr-/Lernarrangement benannt wird, hauptsächlich auf den Designprinzipien; dies sind aus der Theorie heraus abgeleitete Richtlinien für die Gestaltung der Aufgabe, die sich aber auch auf empirische Erkenntnisse stützen können. Ein weiterer positiver Aspekt ist der Punkt, dass neben diesem bereits genannten praktischen Outcome demgegenüber auch ein theoretischer Beitrag steht, so dass von dieser Methodologie Praxis und Theorie gleichermaßen profitieren und für weitere Forschungsprojekte Anschlussmöglichkeiten bieten.

Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen

Aus den oben ausgeführten Erläuterungen ergeben sich dementsprechend folgende zwei Forschungsfragen, die im Laufe der vorliegenden Arbeit beantwortet werden sollen:

Welche Hürden und Gelingensmomente sind bei der Bearbeitung von mündlichen Sprachmittlungsaufgaben identifizierbar und wie können diese adäquat überwunden bzw. verstärkt werden?

Welche Erkenntnisse ergeben sich aus der Beobachtung von Lernprozessen bei der Bearbeitung von mündlichen Sprachmittlungsaufgaben für die Reformulierung des zugrunde gelegten Designprinzips ‚Komplexität von Sprachmittlungsaufgaben‘?

Designprinzip: Um verschiedene Teilkompetenzen und Kenntnisse bei der Bearbeitung von mündlichen Sprachmittlungsaufgaben bei Schülerinnen und Schülern zu aktivieren, muss die mündliche Sprachmittlungsaufgabe in Anlehnung an die Komplexe Kompetenzaufgabe folgende Kriterien erfüllen: Lebensweltlichkeit/Topikalität, Komplexität, Offenheit, Kompetenzentwicklung, Prozessinitiierung, Prozessstrukturierung.

Mit der Beantwortung der Fragen soll neben dem bereits erwähnten Outcome der bremenweit einsetzbaren mündlichen Sprachmittlungsaufgabe den Lehrkräften auch Implikationen bzw. Hinweise zur Gestaltung weiterer Sprachmittlungsaufgaben an die Hand gegeben werden, so dass neben dem eingangs zitierten möglichen Aufgabenszenario auch weitere Settings geschaffen werden können und somit eine größere Bandbreite an Sprachmittlungsaufgaben entstehen kann.

Den beiden Forschungsfragen liegen mehrere Annahmen zugrunde, die im Folgenden kurz erläutert werden, bevor dann abschließend noch ein Ausblick auf den Aufbau der Arbeit gegeben wird. In Bezug auf die erste Forschungsfrage wurde die Hypothese aufgestellt, dass im Laufe des Bearbeitungsprozesses der Aufgabe die Lernenden an einzelne Teilaufgaben gelangen werden, deren Bearbeitung für sie keine großen Probleme darstellen und sie ohne Weiteres mit der folgenden Aufgabe fortfahren können. Solche Gelingensmomente sollen bei der Analyse identifiziert werden, so dass die Rahmenbedingungen, die dazu geführt haben, abstrahiert und ggf. auf andere Aufgaben übertragen werden können. Andererseits wird es vermutlich auch Teilaufgaben geben, die die Schülerinnen und Schüler vor größere Probleme stellen, so dass sie für die Bearbeitung der Aufgabe mehr Zeit benötigen oder möglicherweise auch zu keiner Lösung kommen, da beispielsweise die sprachlichen Voraussetzungen noch nicht ausreichend vorhanden sind und diese Hürde nicht überwunden werden kann. Daraus sollen dann Hinweise für Lehrkräfte für die Aufgabenkonstruktion abgeleitet werden, so dass darauf aufbauend eine Binnendifferenzierung sowie eine individuelle Förderung der Lernenden möglich wird, was gerade in Bezug auf den Bremer Kontext äußerst wichtig und gewinnbringend ist.

Eine weitere Annahme besteht darin, dass die sprachlichen Mittel für die erfolgreiche Bearbeitung der vorliegenden mündlichen Sprachmittlungsaufgabe wichtig sind, so dass die Schülerinnen und Schüler sich adäquat in der Fremdsprache ausdrücken und somit eine Kommunikationssituation herstellen können.

Die in der zweiten Forschungsfrage genannten Aspekte der Komplexen Kompetenzaufgabe von Hallet (2011, 2014) kommen vermutlich in unterschiedlichem Maße zum Tragen, so dass es herauszufinden gilt, welche Aspekte von besonderer Bedeutung sind, wie auch der Umstand, ob alle genannten wirklich als gleichrangig zu betrachten sind. Meines Erachtens wird vor allem die Lebensweltlichkeit bzw. die Topikalität von großer Bedeutung sein, denn für die Aufgabenkonzeption wurde für die Wahl des Kontextes viel Zeit in Anspruch genommen, da ein Setting, das abseits der bereits bekannten, eingangs genannten Situation, geschaffen werden sollte.

Um adäquate Antworten auf die Fragen geben zu können, wird die erstellte mündliche Sprachmittlungsaufgabe in mehreren Zyklen an verschiedenen Bremer Oberschulen empirisch getestet und kontinuierlich verbessert, so dass im Rahmen dieser Arbeit nicht der gesamte Forschungsprozess minuziös dokumentiert werden kann, sondern an relevanten Stellen Einblick in den Entscheidungsprozess gegeben wird, so dass eine Nachvollziehbarkeit möglich ist und gleichzeitig auch eine leserliche, interessante Dokumentation des Ablaufs erfolgt.

Aufbau der Arbeit

Nachdem nun ein erster Einblick in die Arbeit gegeben wurde, erfolgt in diesem Teilkapitel ein Ausblick auf die folgenden Kapitel.

Im folgenden zweiten Kapitel, das sich ganz der Aufarbeitung des theoretischen Forschungsstandes der Sprachmittlung widmet, soll zunächst eine Begriffsbestimmung bzw. -definition erarbeitet werden, die in der Literatur durchaus kontrovers diskutiert wird. Auch werden in diesem Kapitel die bildungspolitischen Dokumente mit dem Fokus Sprachmittlung gesichtet und analysiert; darunter fallen der bereits genannte GeR, die Bildungsstandards sowie die Bildungspläne des Landes Bremen. Abschließend wird noch ein ausführlicher Blick in die fachdidaktische Literatur geworfen, der die Aktivität der Sprachmittlung beleuchtet, genauso wie die auch existierenden zahlreichen Modelle dazu, die bereits erarbeiteten Kriterien bzw. Konzepte zur Aufgabenkonstruktion, die in Lehrwerken oder Materialsammlungen möglicherweise vorhandenen Aufgaben, die Miteinbindung von Sprachmittlung in Abiturprüfungen sowie die Evaluation von Sprachmittlungsaufgaben im Allgemeinen.

Das dritte Kapitel widmet sich der lerntheoretischen Anbindung, das bedeutet, dass zunächst kurz der Kompetenzbegriff und die Definition desselbigen umrissen werden, bevor dann auf das bedeutende Modell des ‚Intercultural Speaker‘ von Byram (1997, 2009) eingegangen wird, das als mittlerweile anerkannte Grundlage für den Fremdsprachenunterricht herangezogen wird. Abschließend wird noch ein Blick auf den Konstruktivismus und dessen mannigfaltige Ausprägungen geworfen, der gerade in seiner gemäßigten Form durch Wolff (1997, 1994) und Wendt (2000, 1996) für den Fremdsprachenunterricht an Relevanz gewonnen hat.

In Kapitel 4 wird die Forschungsmethodologie Design-Based Research betrachtet, die die Grundlage für den empirischen Teil dieser Arbeit darstellt und bisher noch eher wenig in geisteswissenschaftlich orientierten Arbeiten zur Anwendung kam. Nichtsdestotrotz ist gerade die Iterativität und der wechselseitige Outcome meines Erachtens nach von großem Vorteil, wie sich auch in Abgrenzung zu anderen Ausprägungen, die dort ausführlich beschrieben sind, zeigt. Dort lassen sich auch der genaue Ablauf einer solchen Studie sowie die möglichen Dokumentationsmöglichkeiten nachlesen.

Im fünften Kapitel wird, aufbauend auf der Forschungsmethodologie, die theoretische Grundlage für das Lehr-/Lernarrangement bzw. das Design gelegt. Diese ist zum einen das bereits genannte Designprinzip ‚Komplexität von Sprachmittlungsaufgaben‘ sowie auf der anderen Seite die Zone of Proximal Development von Wygotski (1978) sowie die Komplexe Kompetenzaufgabe von Hallet (2011, 2014). Daneben findet sich auch die Conjecture Map, ein von Sandoval (2004, 2014) entwickeltes Instrument, mit dem anschaulich deutlich wird, wie sich das entwickelte Designprinzip in der Aufgabe ausgestaltet und anhand der konkreten Umsetzung und der ablaufenden Prozesse zu den gewünschten Ergebnissen führt.

In den Kapiteln 6 und 7 finden sich dann die Ausführungen zu den verwendeten Datenerhebungsmethoden der Videographie, der teilnehmenden Beobachtung, des fokussierten Gruppeninterviews, des Experteninterviews und der Lernerartefakte. Außerdem wird noch auf die Methode der Triangulation eingegangen, bei der aus verschiedenen Blickwinkeln bzw. Datenarten die Ergebnisse betrachtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die Datenauswertung besteht maßgeblich aus den beiden, auf die vorliegende Arbeit angepassten Methoden der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2014) und dem ‚Stufenmodell empirisch begründeter Typenbildung‘ nach Kluge (1999).

Im achten Kapitel wird eine Übersicht über die durchgeführten Zyklen gegeben, so dass dort detailliert nachgelesen werden kann, an welchen Schulstandorten in Bremen bzw. Klassen die Aufgabe empirisch erprobt und die jeweiligen Rahmenbedingungen möglichst einheitlich gestaltet wurden.

Die folgenden Kapitel 9 und 10 befassen sich mit der tiefgreifenden Analyse der Lernerartefakte und der fokussierten Gruppeninterviews, die mit einer abschließenden Typologie aus fünf Typen bzw. einem Kategoriensystem mit sieben Oberkategorien enden.

Im vorletzten Kapitel 11 werden die gewonnenen Ergebnisse dann im Sinne der Triangulation aufeinander bezogen und vor dem Hintergrund der theoretischen Erkenntnisse analysiert und diskutiert, so dass in diesem Kapitel dann auch das überarbeitete Designprinzip, die überarbeitete Conjecture Map sowie das Referenzdesign los fines de las prácticas vorgestellt werden. Darüber hinaus wird auch eine lokale Theorie abgeleitet und die Forschungsfragen beantwortet, so dass zusammenfassend eine Reflexion des Forschungsprozesses möglich ist.

Im letzten Kapitel 12 wird dann ein abschließendes Fazit gegeben, so dass der Bogen zur Einleitung geschlagen werden kann und dementsprechend auch ein Ausblick auf weitere Projekte oder Ideen gegeben wird. Am Ende der Arbeit finden sich dann noch das Darstellungsverzeichnis, die Bibliografie sowie Informationen zum Anhang.

Sprachmittlung

Im folgenden Kapitel, das sich mit Sprachmittlung auseinandersetzt, wird ein facettenreicher Blick auf viele unterschiedliche Aspekte geworfen. Begonnen wird zunächst mit einer Eingrenzung des Begriffes aus fachtheoretischer und -didaktischer Perspektive, sowie abschließend der Versuch einer Definition unternommen wird (vgl. Teilkapitel 2.1). Anschließend sind die einzelnen bildungspolitischen Dokumente auf europäischer, deutschlandweiter und Bremer Ebene von Relevanz und werden mit einer ‚Sprachmittlungs-Brille‘ beleuchtet, um so die wesentlichen Anknüpfungspunkte selektieren bzw. darstellen zu können (vgl. Teilkapitel 2.2). Der größte Teil des Kapitels (vgl. Teilkapitel 2.3) widmet sich der Aufarbeitung des Forschungsstandes zu Sprachmittlung; dort werden mehrere Aspekte beleuchtet wie die Art der Handlung, unterschiedliche Modelle, Konzepte bzw. Kriterien für die Aufgabenstellung, die Betrachtung von bereits bestehenden Materialien bzw. Aufgaben in Lehrwerken, die Einbindung von Sprachmittlung in die Abiturprüfung sowie die Evaluation von Sprachmittlungsaufgaben. Ein Resümee findet sich abschließend noch im letzten Teilkapitel 2.4, so dass dort die gewonnen Erkenntnisse konzentriert dargestellt werden.

Begriffsbestimmung

Zunächst ist eine Klärung der Begrifflichkeiten ‚Dolmetschen‘, ‚Übersetzen‘, ‚Sprachmittlung‘, ‚Mediation‘ etc. unumgänglich, da diese in den verschiedenen Disziplinen wie der Translationswissenschaft oder Fachdidaktik unterschiedlich besetzt sind und verschiedene Bedeutungen aufweisen. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, diese Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und daran anknüpfend abschließend eine eigene Definition von Sprachmittlung vorzulegen.

Translationswissenschaft

Zunächst scheint ein Blick in die Translationswissenschaft unerlässlich, da sich auch innerhalb dieser Disziplin der Terminus ‚Sprachmittlung‘ finden lässt und zudem weitere Konzepte wie das der ‚Adäquatheit‘aufschlussreich erscheinen. Begrifflich sind ‚Translation‘ und ‚Übersetzung‘ synonymisch zu verwenden, so dass unter Translationswissenschaft die Wissenschaft der Übersetzung zu verstehen ist (vgl. Prunč 2012: 15).

Bereits im Jahr 1940 finden sich in der Translationswissenschaft erste Ansätze, die sich mit den Themen ‚Übersetzung‘, ‚Dolmetschen‘ und ‚Sprachmitteln‘ auseinandersetzen, auch wenn dabei zunächst nur der Begriff des ‚Sprachmittlers‘ durch den deutschen Otto Monien (1940) besetzt wurde. Innerhalb der Reichsfachschaft für das Dolmetscherwesen stand dieser Oberbegriff für Personen, die dolmetschen, übersetzen oder sprachkundig sind und galt als Versuch, die bisherigen uneinheitlichen Begriffe durch einen neuen zu ersetzen.

„So müssen wir eine Neuschöpfung bekanntgeben. Gibt nicht der Ausdruck ‘Sprachmittler‘ all die Werte wieder, die in den alten, unzulänglichen Bezeichnungen enthalten sind? […] Dolmetscher – Übersetzter – Sprachkundiger, sie alle sind ‘mittelnde‘ Glieder zwischen verschiedenen Sprachen, sie sind alle ‘Sprachmittler‘.“ (Monien 1940: 1f., zitiert nach Salevsky 1992: 111f.; Hervorhebungen im Original).

Dieses subsummierende Verständnis wurde ab 1960 in der DDR durch die sogenannte Leipziger Schule genauer expliziert, wobei Kade (1968) als deren Begründer zunächst den Begriff der ‚Translation‘als Hyperonym für die Tätigkeit des Übersetzens wie auch des Dolmetschens verstand (vgl. Prunč 2012: 15f.). ‚Sprachmittlung‘ wurde später von Jäger (1975: 30ff.) weiter untergliedert in eine ‚kommunikativ äquivalente Sprachmittlung‘ und eine ‚kommunikativ heterovalente Sprachmittlung‘. Unter ersterer verstand er die Übersetzung im eigentlichen Sinn bzw. die wörtliche Übersetzung laut Reimann (2013b), die dann im Weiteren auch als Translation bezeichnet wurde. Der entscheidende Aspekt ist hier der kommunikative Wert des ursprünglichen Ausgangstextes, der im zu erstellenden Zieltext erhalten bleibt. Letztere Form der Sprachmittlung beschrieb Jäger (1975) auch als textbearbeitende Wiedergabe oder, mit den Worten von Reimann (2013b), als inhaltsbearbeitende Übertragung, bei der der ursprüngliche Ausgangstext verändert wird beispielsweise durch Kürzungen, Umformungen oder Erweiterungen und dadurch der kommunikative Wert im Zieltext nicht mehr vorhanden ist (vgl. ebd.: 6; Koller 2011: 203).

In diesem Kontext entsteht auch die Frage nach den zentralen Begriffen der ‚Invariante‘, ‚Äquivalenz‘ und der ‚Adäquatheit‘, die ebenfalls eng mit der Translationswissenschaft in Verbindung stehen und wichtige Anhaltspunkte darstellen. Diese sind in unterschiedlichem Maß auch für Sprachmittlung bedeutsam, obwohl keine begriffliche Einheit vorhanden ist und sich zahlreiche Definitionsversuche finden, unter anderem bei Königs (1981) und Nida (1964). So beleuchten sie allgemein das Verhältnis von Ausgangs- und Zieltext bzw. die Veränderung des Textes im Übergang und argumentieren dabei sowohl auf deskriptiver wie auch auf präskriptiver Ebene (vgl. Kolb 2016: 107). Die vermeintlich synonyme Verwendung der Begriffe ‚Adäquatheit‘und ‚Äquivalenz‘,wie sie Stolze (2011) vorschlägt, erscheint nicht sinnvoll, da bereits 1984 Reiß und Vermeer eine gelungenere Differenzierung vorlegen, die sich unter anderem auch bei Kolb (2016) und Prunč (2012) widerfinden lässt.

Reiß und Vermeer (1984) definieren diese beiden Konzepte wie folgt:

„Adäquatheit bei der Übersetzung eines Ausgangstextes (bzw. -elements) bezeichne die Relation zwischen Ziel- und Ausgangstext bei konsequenter Beachtung eines Zweckes (Skopos), den man mit dem Translationsprozeß[sic] verfolgt. […]

Äquivalenz bezeichne eine Relation zwischen einem Ziel- und einem Ausgangstext, die in der jeweiligen Kultur auf ranggleicher Ebene die gleiche kommunikative Funktion erfüllen (können).“ (ebd.: 139f.; Hervorhebungen im Original).

‚Invariante‘ als ein drittes Konzept, bei dem Elemente des Ausgangstextes unverändert in den Zieltext übertragen bzw. übernommen werden (vgl. Prunč 2012: 36; Schreiber 2001), ist für Sprachmittlung nur von geringer Bedeutung, da die Lernenden während der Übertragung den Text verändern und in diesen eingreifen. Ein unverändertes Übertragen bzw. Übernehmen von Inhalten kommt nur in den seltensten Fällen vor.

Bevor im Weiteren genauer auf die bereits angesprochene ‚Skopos-Theorie‘eingegangen wird, soll zunächst das Konzept der ‚Äquivalenz‘näher betrachtet werden, da davon ausgehend einige Aspekte auch auf die schulische Form der Sprachmittlung übertragen werden können.

Im deutschsprachigen Raum ist die von Koller (2011) im Rahmen seiner Einführung in die Übersetzungswissenschaft vorgelegte Differenzierung der ‚Äquivalenz‘am einflussreichsten und soll exemplarisch wiedergegeben werden (vgl. Kolb 2016: 108). Er schlägt folgende fünfgliedrige Systematisierung vor (vgl. im Folgenden Koller 2011: 219, 230-269):

Denotative Äquivalenz: Die Orientierung der Übersetzung erfolgt an außersprachlichen Sachverhalten, die mit dem Text vermittelt werden. Für die beteiligten Sprachen müssen Äquivalenzen gefunden werden und deren Auswahlkriterien sind transparent, meist in Form von Kommentierungen, darzustellen.

Konnotative Äquivalenz: Die Konnotationen und Denotationen, die durch verschiedene Verbalisierungen Einfluss auf den Text haben, wie beispielsweise Dialekte, sollten auch bei größeren Schwierigkeiten anhand verschiedener Strategien in die Übersetzung mit einfließen.

Textnormative Äquivalenz: Für bestimmte Texte werden verschiedene Normen in Bezug auf Sprache und Text verwendet, die auch bei einer Übersetzung in die andere Sprache und den Text übertragen werden müssen.

Pragmatische Äquivalenz: der/die Leser/in oder Empfänger/in des Textes und sein/ihr jeweiliges Vorwissen sind für die Anfertigung der Übersetzung zu berücksichtigen; dabei stellt sich die Frage, in wie weit der/die Übersetzer/in dabei in den Text eingreifen darf.

Formal-ästhetische Äquivalenz: bestimmte Merkmale des Ausgangstextes hinsichtlich Ästhetik, Form und Individualität sollten mit Eingang in die Übersetzung finden, so dass ein möglichst analoger Text entsteht.

Die Frage der ‚Äquivalenz‘, die innerhalb der Translationswissenschaft vielfach diskutiert wird, hat auch Auswirkungen auf den Fremdsprachenunterricht in der Schule. So stellt sich bei Übersetzungen immer die Frage, wie frei oder wie wörtlich der Text übersetzt werden darf bzw. muss, um nicht den Sinn zu verfälschen. Anfänglich wurden diese Überlegungen auch im Rahmen der Sprachmittlung diskutiert, die aber dann durch den Gedanken der ‚Skopos-Theorie‘ abgelöst wurde (vgl. Reimann 2013b: 6; Rössler 2008: 58).

Die von Reiß und Vermeer (1984) postulierte ‚Skopos-Theorie‘ rückt vor allem die Frage, ob die Übersetzung für eine bestimmte Person gut gelungen ist, in den Vordergrund. So muss nicht mehr nur die Übersetzung an sich für gut befunden werden, sondern die Person, für die sie angefertigt wurde, muss diese in einer bestimmten Situation auch verstehen: „Die Dominante aller Translation ist deren Zweck“ (ebd.: 96.). Demnach sind das Ziel bzw. der Zweck, im Griechischen ‚σκοπόσ‘, prioritär zu behandeln und nicht mehr nur der Ausgangstext (vgl. Reimann 2013b: 6; Hallet 1995: 298).

Gänzlich unbeachtet bleibt dieser Aspekt bei der von Knapp und Knapp-Potthoff (1985) vorgelegten Unterscheidung der Begriffe ‚Dolmetschen‘, ‚Übersetzen‘und ‚Sprachmitteln‘. Die Autoren legen eine detaillierte Abgrenzung der Begriffe vor (vgl. auch Tabelle 2.1), auch wenn diese drei Aktivitäten dabei aber immer als „translatorische Tätigkeit“ (Knapp, Knapp-Potthoff 1985: 450) bezeichnet werden, da bei dieser Form der Textverarbeitung immer mindestens eine Sprache beteiligt ist. Darunter subsummieren sie auch noch weitere Möglichkeiten, wie zum Beispiel das mündliche Übertragen von schriftlichen Informationen in eine andere Sprache, die hier aber nicht weiter von Relevanz sind.

Tätigkeit

Charakteristikum

Dolmetschen

Sprach-

mittlung

Übersetzen

Repräsentationsform des Textes

graphisch

---

---

X

phonisch

X

X

---

Face-to-face Interaktion

(X)

X

(X)

Eigenständige/r

Kommunikationspartner/in

---

(X)

---

Eigene Mitteilungsintention

---

(X)

---

Professionelle Tätigkeit

X

---

X

Alltägliche Tätigkeit

---

X

---

Tabelle 2.1: Unterscheidung Dolmetschen - Übersetzen - Sprachmittlung (nach Knapp, Knapp-Potthoff 1985: 451)

Hier können sowohl zwischen ‚Sprachmittlung‘ und ‚Übersetzen‘ wie auch zwischen ‚Sprachmittlung‘ und ‚Dolmetschen‘ Parallelen gezogen werden, so dass eine strikte Abgrenzung voneinander weder sinnvoll noch möglich erscheint, denn auch Knapp und Knapp-Potthoff (1985) selbst geben an, dass die Unterschiede nur gradueller Natur sind (vgl. ebd.: 452; Wieland 2016). Aus heutiger Sicht scheint vor allem die Tatsache fraglich bzw. nicht mehr haltbar, dass Sprachmittlung ausschließlich an phonisch repräsentierte Texte gebunden sei, denn im GeR wie auch in den anderen bildungspolitischen Vorgaben wird zum Teil immer explizit auf die schriftliche und mündliche Form der Sprachmittlung hingewiesen (vgl. dazu Teilkapitel 2.2).

Charakteristisch für Sprachmittlung ist, dass der/die Mittler/in zumindest teilweise als eigenständige/r Kommunikationspartner/in auftritt und dabei auch eine eigene Mitteilungsintention haben kann. Diese, in zumindest begrenztem Umfang, aktive Rolle ist gerade im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht von großer Bedeutung und sollte auch dementsprechend produktiv genutzt werden, denn dadurch, dass die Position nicht festgelegt ist, können die Lernenden in einen möglichen Aushandlungs-prozess eintreten (vgl. Teilkapitel 2.2.2). Definiert wird Sprachmittlung als eine Übertragung von mündlichen Texten, die ausschließlich in einer persönlichen vis-à-vis-Interaktion stattfindet. Das Besondere an dieser Tätigkeit ist, dass sie nicht-professionell ist, sondern einen Teil der alltäglichen Kommunikation darstellt und die Beteiligten dadurch, wie bereits erwähnt, aktiv in den Gesprächsverlauf eingreifen können, indem sie Nachfragen stellen, um Missverständnisse zu beseitigen oder aber den Gesprächsverlauf zu steuern. Der sprachmittelnden Person kommt so eine entscheidende Rolle zu, da er/sie gleichzeitig übermittelt und vermittelt und somit vor besondere Herausforderungen gestellt wird (vgl. Knapp, Knapp-Potthoff 1985: 451f.).

Besonders deutlich wird dies an folgendem Beispiel des Satzes ¿Alguna vez has estado aquí antes? der in einer Übersetzung mit den Worten Sind Sie schon einmal hier gewesen? wiedergeben werden könnte; in einer Sprachmittlungssituation aber als Er/Sie fragt, ob Sie schon mal hier gewesen sind? paraphrasiert wird (in Anlehnung an ebd.: 451).

Fachdidaktik

Um in einem nächsten Schritt Bezüge und Anknüpfungspunkte zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaft herstellen zu können, wird im Folgenden erstere genauer dargelegt. Obwohl Sprachmittlung als eigenständige Teilkompetenz bzw. -fertigkeit noch nicht lange diskutiert wird, lassen sich zum Teil recht unterschiedliche Ansichten und Positionen in der Literatur finden.

Bereits 2008 greifen Hallet und Rössler die Überlegungen zu Sprachmittlung auf und legen erste recht unterschiedliche Definitionsversuche vor. Hallet (2008b) betont dabei, dass der „Begriff der Sprachmittlung für interlinguale Kommunikationsakte zu reservieren“ (ebd.: 3) ist. Das bedeutet, dass zwischen zwei Sprachen die Inhalte einer Kommunikation, entweder schriftlich oder mündlich, in beide Richtungen übertragen werden. Etwas weiter beschreibt Rössler (2008) ihr Verständnis von Sprachmittlung als „die adressaten-, sinn- und situationsgerechte Übermittlung von Inhalten geschriebener und gesprochener Texte von einer Sprache in eine andere.“ (ebd.: 58). Dieser umfassendere Versuch greift bereits einige Aspekte auf, die sich auch im weiteren Verlauf der fachdidaktischen Diskussion wiederfinden lassen. ‚Adressat‘, ‚Situation‘ und ‚Zweck‘ werden hervorgehoben, wie auch die Tatsache, dass die Vorlage des Ausgangstextes auf diverse Arten erfolgen kann. Sie betont dabei auch, dass anstelle der ‚Äquivalenz‘ im Sinne der Translation, mittler-weile eine am Kommunikationszweck orientierte ‚Adäquatheit‘ getreten ist und somit auch die Handlungs- sowie Lernerorientierung in den Vordergrund rückt. Allerdings wird in dieser Definition der Besonderheit von Sprachmittlung, die Vermittlung zwischen zwei oder mehreren Kulturen, nicht entsprechend Rechnung getragen, obwohl diese eine der Hauptaufgaben des Mediators bzw. der Mediatorin darstellt (vgl. ebd.: 57f.).

Königs legt in diversen Werken wie dem Handbuch Fremdsprachenunterricht (2016) oder dem Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik (2017) weitere Definitionsversuche vor, in denen er aber ebenfalls nicht die wichtige Aufgabe des Sprachmittlers bzw. der Sprachmittlerin betont. Beide Artikel ähneln sich stark und nennen, ähnlich wie bei Rössler (2008), folgende Aspekte zur Charakterisierung von Sprachmittlung:

eine Übertragung von Inhalten von einer Sprache in eine andere, die sinngemäß und nicht nach dem Prinzip der Äquivalenz bzw. Vollständigkeit erfolgt;

der Ausgangstext kann dabei in schriftlicher oder mündlicher Form vorliegen (vgl. Königs 2016: 111).

Im Metzler Lexikon definiert er Sprachmittlung zudem als Hyperonym für die Tätigkeiten des ‚Übersetzens‘ und ‚Dolmetschens‘, die auch „die nicht textgebundene Form der Übertragung von Inhalten“ (Königs 2017: 327) umfasst und dadurch der Sprachmittlung ein größerer Spielraum zugewiesen wird. Abschließend macht er in beiden Werken auf die begriffliche Unklarheit aufmerksam (vgl. Teilkapitel 2.1.3.; vgl. Königs 2016: 112, 2017: 327f.).

Diese freiere Form der Übertragung von Inhalten lässt sich mit anderen Worten auch bei Nied Curcio und Katelhön (2015) finden, indem sie auch „Sprachhandlungen wie Paraphrasieren, Zusammenfassen und Erklären sowie die Verwendung von Sprachlernstrategien“ (ebd.: 11) als Teil von Sprachmittlung formulieren. Des Weiteren führen auch sie die gängigen Aspekte der Adressaten-, Sinn- und Situationsorientierung an, die auch eine freiere Form der Übermittlung von Inhalten erlauben.

Diese Punkte werden auch in der Habilitation von Kolb (2016) angesprochen, in der eine gute Zusammenstellung der unterschiedlichen fachdidaktischen Positionen aus Anglistik und Romanistik erfolgt. Sie erweitert die Auffassung und definiert die „prototypische schulische Sprachmittlung“ (ebd.: 57) als

„schriftliche oder mündliche Vermittlung mit relativ konkreter Kontextualisierung (Nennung von Adressat, Situation, Zweck o.Ä.), ausgehend von schriftlichen Texten, mündlichen Texten, Bildern oder Bild-Text-Kombinationen, d.h. visuellen Elementen, evtl. in Kombination mit Hör- oder Lesetexten“ (ebd.).

Auch hier wird das interkulturelle Moment der Sprachmittlungssituation nicht hervorgehoben und auch die Orientierung am Zweck wird deutlich weniger strikt eingefordert, wie es in anderen Definitionen der Fall ist. Dies ist umso mehr erstaunlich, geht diesem Definitionsversuch doch eine recht deutliche Kritik an der von Rössler und Reimann (2013) vorgelegten Erfassung von Sprachmittlung vorausgeht (vgl. Kolb 2016: 53).

Auch wenn in dieser Definition ebenfalls keine explizite Nennung der interkulturellen Begegnung stattfindet und auch – in diesem Fall nachvollziehbar von Kolb kritisiert (vgl. ebd.) – keine Betonung der Zweckgebundenheit erfolgt, aber erstmals darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die von Lernenden ausgeführt wird und somit weder professionell ist noch sein kann.

„Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht wird derzeit als informelle, alltägliche und nicht-professionelle Aktivität in mündlichen und schriftlichen Kommunikationssituationen verstanden, in denen eine sinngemäße interlinguale Vermittlung von Inhalten einer Ausgangssprache in eine Zielsprache und gegebenenfalls viceversa[sic] notwendig wird. Damit werden das professionelle Dolmetschen und das textsortenadäquate und literarische Übersetzen, die noch im GeR – translationswissenschaftlich korrekt – als Spielarten der Sprachmittlung genannt werden, als Zielkompetenzen bzw. Übungsformen im Fremdsprachenunterricht an den Rand gedrängt oder ganz ausgeschlossen.“ (Rössler, Reimann 2013: 11f.)

Diese unterschiedlichen Aspekte und Schwerpunkte sollen im Folgenden mit der Fachwissenschaft ergänzt bzw. verknüpft werden, um im Anschluss eine Definition von Sprachmittlung ableiten zu können, die möglichst viele der angesprochenen Punkte berücksichtigt.

Zusammenführung der bisherigen Ergebnisse

Bevor Gemeinsamkeiten und eventuelle Unterschiede zwischen den Disziplinen herausgearbeitet werden, gilt es festzuhalten, dass der Begriff der ‚Mediation‘ durchaus als Synonym für Sprachmittlungverwendet wird. Dies ist damit zu erklären, dass aus den fremdsprachlichen Begriffen ‚médiation linguistique (et culturelle)‘, ‚mediación lingüística‘ oder ‚mediazone linguistica‘der deutsche Begriff entlehnt wurde (vgl. Rössler, Reimann 2013: 11). Allerdings wird ‚Mediation‘ mit zwei Konzepten verbunden; zum einen mit Sprachmittlung und zum anderen mit dem aus der Psychologie stammenden Verfahren der Konfliktlösung (vgl. Königs 2016: 112), so dass im weiteren Verlauf der Arbeit der Begriff Sprachmittlung priorisiert wird.

Zieht man zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaft Vergleiche oder sucht nach Differenzen, stellt man fest, dass, abgesehen von der Begriffsdiskussion letzterer, doch viele Punkte in beiden Disziplinen von Relevanz und bei der Erarbeitung einer Definition maßgeblich zu berücksichtigen sind.

Innerhalb der Fachdidaktik rücken die Lernenden erstaunlicherweise nur selten in den Vordergrund, lediglich die Formulierung der Orientierung an Zweck, Adressat oder Situation reduziert vermeintlich den Anspruch der Aufgabe. Dies lässt sich aber überraschenderweise auch in der Fachwissenschaft durch das Postulat der ‚Skopos-Theorie‘ (vgl. Reiß, Vermeer 1984) wiederfinden.

Gerade die Übernahme dieses Konzepts in die Fachdidaktik, die an die Stelle der ‚Äquivalenz‘ rückt, ist sehr zu begrüßen, da so auch eine Unterscheidung zwischen ‚Übersetzen‘ und ‚Sprachmitteln‘ möglich ist. Diese Abgrenzung findet sich, wenn auch sehr isoliert, bei Rössler und Reimann (2013: 11f.) wieder, die Sprachmittlung als eine alltägliche, nicht-professionelle Handlung verstehen und so die Anforderungen an diese komplexe Kompetenz reduzieren, wie dies auch bei Knapp und Knapp-Potthoff (1985) der Fall ist.

Beiden Disziplinen scheint darüber hinaus gemein, dass sie die Rolle des Sprachmittlers bzw. der Sprachmittlerin, wenn auch zum Teil nur implizit, als wichtig erachten, da er/sie aktiv in das Gespräch eingreifen muss und dadurch auch Veränderungen, ggf. durch die Anwendung verschiedener Strategien, vornimmt, vor allem um interkulturellen Missverständnissen vorzubeugen.

Anhand dieser Überlegungen wird nun versucht, eine Definition vorzulegen, die folgende Aspekte aus den beiden vorangegangenen Teilkapiteln umfasst: Orientierung an Adressat, Situation bzw. Zweck (‚Skopos‘); ‚Adäquatheit‘ statt ‚Äquivalenz‘; Einbezug mehrerer Sprachen in interkulturellen Situationen; schriftliche oder mündliche Aufgabenstellung mit einem weiten Textbegriff; Übermittlung in beide Sprachen; Sprachmittlung als ein freies Format, dass auch Paraphrasieren und Zusammenfassen mit einschließt und eine informelle, alltägliche, nicht-professionelle Tätigkeit darstellt.

Sprachmittlung ist ein freies Format, das auch Tätigkeiten wie Paraphrasieren, Zusammenfassen oder informelles Dolmetschen umfasst, bei dem es um die adäquate, am ‚Skopos‘ orientierte Übertragung von Kommunikationsinhalten zwischen mehreren Sprachen geht und somit als eine alltägliche, informelle und nicht-professionelle Handlung im Rahmen interkultureller Begegnungssituationen aufgefasst werden kann; die Grundlage ist neben einem weiten Textbegriff und Textsortenwechsel auch eine konkrete Aufgabenstellung, die detaillierte Informationen für die Lernenden hinsichtlich Adressat, Situation, Zweck/Sinn und zu erstellendem Text enthält.

Mündliche und schriftliche Sprachmittlung im FSU

Sprachmittlung wird als ein Aspekt des Fremdsprachenunterrichts der modernen Fremdsprachen Englisch, Französisch und auch Spanisch immer wichtiger und gewinnt an Bedeutung, da auch in Abschlussprüfungen dieses Format abgefragt wird (vgl. exemplarisch Niedersächsisches Kultusministerium 2018, 2015; Senatorin für Kinder und Bildung 2015a; vgl. dazu auch Teilkapitel 2.3.5). Wie im Teilkapitel 2.1 aufgezeigt wurde, ist Sprachmittlung immer noch nicht eindeutig definiert, was auch daran liegen mag, dass die bildungspolitischen Vorgaben, die den Rahmen für die Auseinandersetzung darstellen, nicht einheitlich sind und sich zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Die einzelnen Dokumente wie der GeR auf europaweiter Ebene, die in Deutschland gültigen Bildungsstandards und auch die lokal relevanten Bremer Bildungspläne werden im Folgenden hinsichtlich ihrer Angaben zu Sprachmittlung untersucht, gegenübergestellt und diskutiert.

Bildungspolitische Vorgaben

Bei den diversen Dokumenten wird versucht, den Fokus auf die Fremdsprache Spanisch zu legen; dies ist aber nicht immer möglich, so dass auch die anderen Fremdsprachen Englisch und Französisch mit in die Betrachtung einbezogen werden, um so ein möglichst realistisches Bild erstellen zu können. Gerade Spanisch als noch recht neues Schulfach gewinnt zwar immer mehr an Bedeutung, konnte aber aufgrund dieser jüngsten Entwicklungen bei der Erstellung einiger Dokumente noch nicht im gleichen Umfang berücksichtigt werden wie dies zum Beispiel der Fall für das Fach Französisch ist.

Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen

Der Common European Framework of Reference (CEFR) ist im Jahr 2000 bzw. die deutschsprachige Fassung als Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen (GeR) 2001 erschienen. An letzterem haben diverse Ministerien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, wie auch das Goethe Institut mitgearbeitet, das maßgeblich für die Übersetzung verantwortlich war. Die Grundlage für den CEFRbzw. GeR und somit für die erstmalige Entwicklung von Skalen zur Erfassung und Beschreibung der Leistungen der Lernenden, waren die Erkenntnisse und Diskussionen innerhalb der Fremdsprachendidaktiken der letzten 40 Jahre. Dies umfasst vor allem „Wissen und Fertigkeiten, mit denen der Sprachlernende im öffentlichen, beruflichen und privaten Bereich sprachlich handlungsfähig und kulturell sensibilisiert ist.“ (Europarat 2001: 3). Die Lehrkräfte erhalten durch den GeR ein Dokument, in dem ausführlich dargestellt ist, welche Inhalte, Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen die Schülerinnen und Schülern erwerben sollen, um eine Sprache kommunikativ verwenden zu können (vgl. ebd.: 14). Unter diese Aktivitäten fällt neben der Rezeption, der Produktion und der Inter-aktion auch die Sprachmittlung, die dort erstmals explizit und eigenständig in einem offiziellen Dokument aufgeführt wird. Zudem werden ‚Dolmetschen‘ und ‚Übersetzung‘ als nahezu gleichberechtigte Formen ebenfalls mit angeführt, die dann auch noch durch die Zusammenfassung und den Bericht sowie die Paraphrase ergänzt werden (vgl. ebd.: 26, 89f.). Eine Differenzierung dieser Begriffe erfolgt jedoch nicht – obwohl dies an vorheriger Stelle mit anderen Termini durchaus stattfindet – es wird lediglich darauf hingewiesen, dass alle diese Formen sowohl mündlich wie auch schriftlich erfolgen können und es sich dabei um „Kommunikation zwischen Menschen [handelt], die aus irgendwelchen Gründen nicht direkt miteinander kommunizieren können.“ (ebd.: 26).

Entscheidend ist außerdem die Erwähnung, dass der/die Sprachmittler/in bewusst den Ausgangstext verändert und somit einen neuen Text erstellt (vgl. Teilkapitel 2.1.1). Somit nehmen die Lernenden im Rahmen des Gespräches eine aktive und zugleich produktive Rolle ein, die ebenfalls „eine wichtige Stellung im alltäglichen sprachlichen Funktionieren unserer Gesellschaft“ (ebd.: 26) hat und so durchaus realistisch bzw. authentisch ist. Allerdings steht diese Aussage durchaus im Kontrast zu der im weiteren Verlauf ausführlichen Beschreibung von Sprachmittlung, denn dort heißt es, dass die Lernenden keine eigenen Intentionen mit einbringen, sondern nur zwischen den verschiedenen Parteien vermitteln sollen (vgl. ebd.: 89).

Auch wenn die Schülerinnen und Schüler nicht aktiv in das Gespräch eingreifen, erfolgt jedoch immer eine individuelle Auswahl der Inhalte, die gemittelt werden sollen, so dass diese Vorgänge durchaus als eigene produzierte Beiträge im Gesprächsverlauf aufgefasst werden können (vgl. Kolb 2016: 38). Des Weiteren wird die zunächst recht offen gehaltene Erläuterung der Notwendigkeit der Sprachmittlung etwas eingeschränkt, da in der späteren Erklärung darauf hingewiesen wird, dass die beiden Beteiligten meist nicht dieselbe Sprache sprechen, auch wenn das nicht immer der Fall sein muss, meist aber der häufigste ist (vgl. Europarat 2001: 89).

Sprachmittlung wird im GeR noch weiter ausdifferenziert in mündliche und schriftliche Sprachmittlung mit jeweils unterschiedlichen Tätigkeiten sowie der Angabe von Strategien. Leider sind aber für die Evaluation dort noch keine Skalen herausgearbeitet worden, so dass lediglich auf beispielsweise die Skalen der mündlichen Produktion zurückgegriffen werden kann1. Unter die Tätigkeit der mündlichen Sprachmittlung fallen das Simultan- und Konsekutiv-Dolmetschen, ersteres beispielsweise bei Konferenzen, Besprechung oder Reden und letzteres bei Führungen oder auch Ansprachen. Außerdem zählt dazu auch das informelle Dolmetschen, das vor allem für Besucher im eigenen Land, Muttersprachler/innen im Ausland, bei Dienstleistungssituationen oder auch bei Schildern, Speisekarten oder Ähnlichem vorkommen kann. Die schriftliche Sprachmittlung umfasst neben der genauen Übersetzung von zum Beispiel Verträgen oder wissenschaftlichen Texten, auch die literarische Übersetzung dieser Texte sowie die schon erwähnte Paraphrase und Zusammenfassung von verschiedensten Texten in den jeweils beteiligten Sprachen (vgl. ebd.: 90).

Die Strategien der Sprachmittlung beinhalten die Aspekte der Planung, Ausführung, Evaluation und Korrektur, die jeweils für die unterschiedlichen Phasen Hilfestellungen geben sollen und allgemein widerspiegeln „wie man mit begrenzten Mitteln Informationen verarbeiten und eine äquivalente Bedeutung herstellen kann.“ (ebd.).

In der Planungsphase sollen die Lernenden demnach durch vorausschauendes Handeln Hintergrundwissen entwickeln, sich ggf. Unterstützung holen, ein Glossar für die Aufgabe anlegen, in dem sie auch die Bedürfnisse der Gesprächspartner berücksichtigen und den Umfang der zu erstellenden Übersetzung festlegen (vgl. ebd.: 90). Allerdings erscheint hier nicht nur der angeführte Terminus der Übersetzung etwas misslich gewählt, wie im vorherigen Teilkapitel bereits aufgezeigt wurde, sondern auch die Tatsache, dass in diesem frühen Stadium schon entschieden werden muss, welche Inhalte in welchem Umfang gemittelt werden sollen. Dies mag bei einigen Aufgabenstellungen zwar möglich sein, beispielsweise wenn ein Text schriftlich in eine andere Sprache zu übertragen ist, bei dialogischen Gesprächen muss dieser Schritt aber nach jedem Beitrag eines Gesprächspartners erneut erfolgen, vor allem im Hinblick auf die sich möglicherweise verändernde Thematik und deren kulturellen Eigenheiten sowie den wechselnden Adressaten.

Dieser Vorgang fällt zum Teil auch in die nächste Phase der Ausführung, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass die Lernenden sowohl antizipierend wie auch vorrauschauend denken müssen, indem sie die neuen Informationen verarbeiten und dabei gleichzeitig die erhaltenen Informationen übertragen und weitergeben müssen. Gegebenenfalls kann es vorkommen, dass für bestimmte Begriffe Äquivalente in der anderen Sprache oder umschreibende Erklärungen gefunden oder auch Gesprächslücken überwunden werden müssen.

Bei der Evaluation müssen die Schülerinnen und Schüler sowohl die Kongruenz der beiden erstellten Texte wie auch die Konsistenz bezüglich der Verwendung prüfen, um notfalls in der Korrekturphase eingreifen zu können. Dafür kann es unter Umständen nötig sein, ein ein- oder zweisprachiges Wörterbuch zu Rate zu ziehen oder einen Experten zu befragen (vgl. ebd.: 90).

Diese in Teilen recht ausführlichen Erläuterungen zu Sprachmittlung sind in manchen Aspekten dennoch sehr vage gehalten, um einen gewissen Spielraum zu gewähren, den die einzelnen Länder durch ihre eigenen Vorgaben unterschiedlich ausfüllen können.

Die Ergänzung des GeR, die im Jahr 2018 erschienen ist, greift vor allem das Desiderat der mangelnden Skalen für die Sprachmittlung auf und liefert nun sehr detailliert ausgearbeitete Beschreibungen für unterschiedliche Aspekte der Sprachmittlung (vgl. Council of Europe 2018). Ebenfalls wird eine Definition vorgestellt, die im Jahr 2001 so explizit nicht vorhanden war, die viele Aspekte aufgreift, die auch in der fachdidaktischen Diskussion angeklungen sind (vgl. Teilkapitel 2.1.2), wobei immer noch deutlich die Stellung des Sprachmittlers bzw. der Sprachmittlerin betont wird, der/die die Kommunikation ermöglichen soll:

„In mediation, the user/learner acts as a social agent who creates bridges and helps to construct or convey meaning, sometimes within the same language, sometimes from one language to another (cross-linguistic mediation). The focus is on the role of language in processes like creating the space and conditions for communicating and/or learning, collaborating to construct new meaning, encouraging others to construct or understand new meaning, and passing on new information in an appropriate form. The context can be social, pedagogic, cultural, linguistic or professional.“ (Council of Europe 2018: 103)

Die Definition wurde dahingehend erweitert, dass die Situationen sehr unterschiedlicher Natur sein können und es ebenfalls denkbar ist, dass auch innerhalb einer Sprache gemittelt werden muss, um so die Kommunikation zu ermöglichen oder zu unterstützen. Sprachmittlung wird anschließend in die beiden großen Bereiche der Aktivitäten und Strategien differenziert, die wiederum noch in weitere zahlreiche Unterpunkte gegliedert werden (vgl. Abbildung 2.1). Für jeden genannten Aspekt innerhalb der ‚Mediation Activities‘ und der ‚Mediating Strategies‘ wie beispielsweise ‚Managing Interaction‘ oder ‚Adapting Language‘ und auch für Sprachmittlung im Allgemeinen werden dann ausführliche Skalen für die einzelnen Niveaustufen A1 bis C2 angeführt (vgl. dazu ausführlich Council of Europe 2018: 105-129).

Die Skalen, die in der Ergänzung zum GeR für Sprachmittlung im Allgemeinen vorgelegt werden (vgl. im Folgenden ebd.: 105), umfassen zahlreiche Aspekte und sind sehr differenziert verfasst und erneut wieder mit den bereits bekannten ‚Can do‘-Statements formuliert. Grundsätzlich lässt sich hier die Unterscheidung der drei Niveaus A – B – C damit wiedergeben, dass auf dem ersten Niveau (A1 und A2) der/die Sprachmittler/in vor allem mit einfachen Worten agiert, einfache bzw. vorhersehbare Informationen in kurzen Sätzen, Notizen oder einem ähnlichen Format wiedergeben kann.

Dabei fällt auf, dass bereits in Ansätzen mit einfachen Wörtern Erklärungen gegeben werden können und auch die Kommunikation unterstützt werden kann, wenn der/die andere/n Beteiligte/n langsam sprechen. Für das fortgeschrittene Niveau B1 sollen die Personen dann in der Lage sein, bezüglich bekannter Themen oder zu Aspekten, die von Interesse sind, Informationen in eindeutigen, strukturierten Äußerungen wiederzugeben – auch wenn dabei lexikalische Grenzen erreicht werden. Außerdem soll auf diesem Niveau die Kenntnis vorhanden sein, dass Aussagen von verschiedenen Personen unterschiedlich aufgefasst werden können und so dementsprechende Reaktionen von Nöten sind; beispielsweise durch empathisches Verhalten.

Einen weiteren Schritt findet man für das Niveau B2, denn dort sollen die Handelnden in der Lage sein, komplexere Aussagen zu treffen oder auch eine positive Atmosphäre herzustellen.

Für die Niveaus C1 und C2 gelten dann die höchsten Anforderungen, die sich – ähnlich der Niveaustufen A1 und A2 – nur noch wenig voneinander unterscheiden, da dort ein sicheres und effektives Handeln beschrieben wird. Die Aussagen können in klarer, gut strukturierter und sicherer Art und Weise differenziert formuliert werden, so dass auch feine Nuancen bzw. Bedeutungsunterschiede erkannt und in kohärenten, komplexen Texten oder Gesprächen berücksichtigt werden können.

 

Abbildung 2.1: Übersicht über die Aktivitäten und Strategien der Sprachmittlung in der Ergänzung des CEFR (Council of Europe 2018: 104)

Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz

Die Basis für die Entwicklung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003) bilden einerseits der GeR, als ein international anerkanntes Standardmodell, und zum anderen Kompetenzmodelle der Kernfächer, die maßgeblich anhand der Erfahrungen aus der Praxis generiert worden sind. Ziel dieser Bildungsstandards ist es einerseits „die Qualität schulischer Bildung, die Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse sowie die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu sichern.“ (Kultusministerkonferenz (KMK) 2003: 3) und dabei auch die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler zu erfassen; dies schließt ggf. auch notwendige Unterstützungsmaßnahmen mit ein. Die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (2012) verfolgen andererseits das Ziel, für die nötige Transparenz schulischer Anforderungen zu sorgen, die Förderung der Entwicklung kompetenzorientierten Unterrichts voranzutreiben sowie die Grundlage zur Überprüfung der erlangten Ergebnisse zu schaffen (vgl. KMK 2012: 5). Die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (2012), die an die für den Mittleren Schulabschluss (2003) anknüpfen, wurden durch das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Kooperation mit verschiedenen Expertinnen und Experten sowie einer Steuerungsgruppe der KMK generiert.

Bei beiden Richtlinien geht es um die Nennung derjenigen Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler am Ende einer bestimmten Jahrgangsstufe erreicht haben sollen; wobei Kompetenz hier als „Fähigkeit verstanden [wird], Wissen und Können in den jeweiligen Fächern zur Lösung von Problemen anzuwenden.“ (KMK 2012: 5).

Die im Jahr 2003 verabschiedeten Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss für die erste Fremdsprache Englisch bzw. Französisch und die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife für die fortgeführte Fremdsprache Englisch bzw. Französisch aus dem Jahr 2012 werden im Hinblick auf Sprachmittlung genauer betrachtet, da diese beiden Dokumente am ehesten den beiden im Bundesland Bremen vorhandenen Schultypen der Oberschule und des Gymnasiums entsprechen.

Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003)

Das Erlernen der ersten Fremdsprache Englisch oder Französisch soll den Schülerinnen und Schülern am Ende der Sekundarstufe I unter anderem ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, sich für ein lebenslanges Fremdsprachenlernen zu begeistern und dabei selbständig sowie selbstverantwortlich agieren zu können (vgl. KMK 2003: 7f.). Die dafür relevanten Kompetenzen sind in der folgenden Tabelle 2.2 dargestellt.

Durch diese systematische Entwicklung der funktional kommunikativen Kompetenzen, zu denen auch elementare Formen der Sprachmittlung zählen, die in einem praktischen Anwendungsbezug erworben werden, können die Lernenden in der Fremdsprache kommunizieren, die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse auf ihrem weiteren Lebensweg einsetzen und explizit für die berufliche Weiterbildung nutzen (vgl. ebd.: 8f.).

Funktionale kommunikative Kompetenzen

Kommunikative Fertigkeiten

Verfügung über die sprachlichen Mittel

- Hör- und Hör-/Sehverstehen

- Leseverstehen

- Sprechen

* an Gesprächen teilnehmen

* zusammenhängendes Sprechen

- Schreiben

- Sprachmittlung

- Wortschatz

- Grammatik

- Aussprache und Intonation

- Orthografie

Interkulturelle Kompetenzen

- soziokulturelles Orientierungswissen

- verständnisvoller Umgang mit kultureller Differenz

- praktische Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen

Methodische Kompetenzen

- Textrezeption (Leseverstehen und Hörverstehen)

- Interaktion

- Textproduktion (Sprechen und Schreiben)

- Lernstrategien

- Präsentation und Mediennutzung

- Lernbewusstheit und Lernorganisation

Tabelle 2.2: Übersicht über die Kompetenzbereiche der Sekundarstufe I (vgl. KMK 2003: 8)

Die Beschreibung der einzelnen Kompetenzbereiche und die darin aufgegliederten Teilkompetenzen erfolgen sehr nah am GeR, so dass zunächst keine großen Unterschiede zwischen diesen beiden verbindlichen Dokumenten vorhanden sein sollten. Es fällt jedoch sofort auf, dass der Absatz zu Sprachmittlung in den Bildungsstandards des Mittleren Schulabschlusses (2003) sehr kurz ausfällt und dabei auch keine verschiedenen Formen, wie im GeR (2001), angegeben werden. Die genauere Beschreibung dieser Teilkompetenz lautet wie folgt: „Die Schülerinnen und Schüler können mündlich in Routinesituationen und schriftlich zu vertrauten Themen zusammenhängende sprachliche Äußerungen und Texte sinngemäß von der einen in die andere Sprache übertragen.“ (KMK 2003: 14). Des Weiteren sollen die Lernenden am Ende der 10. Jahrgangsstufe dazu in der Lage sein, in „Alltagssituationen sprachmittelnd agieren, persönliche und einfache Sach- und Gebrauchstexte sinngemäß übertragen [zu können].“ (ebd.: 14). Diese Auffassung von Sprachmittlung nimmt deutlich andere Aspekte, als die des GeR, in den Fokus, denn dort geht es zunächst um die Begründung, warum Sprachmittlung sinnvoll bzw. notwendig ist und im Folgenden dann um mögliche zu erlernende Strategien (vgl. Teilkapitel 2.2.2). Die Nennung der diversen Formen, wie die ‚Übersetzung‘ oder das ‚Dolmetschen‘, die unter Sprachmittlung fallen, wird hier nicht wiederholt; es bleibt aber fraglich, ob die Lehrkräfte, die eher weniger mit dem GeR arbeiten dürften, sich dieses Umstandes bewusst sind. Ebenfalls fehlt hier, wenn auch zumindest nur knapp, eine Erläuterung, welche Texte geeignet wären und welche Situationen als alltäglich aufgefasst werden können. Einen Anhaltspunkt bieten die Aufgabenvorschläge am Schluss, auch wenn es durchaus überraschend ist, dass für diese Aufgaben keine explizite Vorbereitung im Unterricht nötig sein soll, was vielleicht an der Tatsache liegen mag, dass die Inhalte als „vertraut“ eingestuft werden (vgl. KMK 2003: 44, 46, 67).

Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (2012)

Zur Kontrastierung bzw. Ergänzung werden auch die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife für die fortgeführte Fremdsprache Englisch oder Französisch (2012) genauer betrachtet, um so ein umfassenderes Bild hinsichtlich der Rahmenrichtlinien zu erhalten.

Ein ganz wesentlicher Unterschied zu den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003) ist die auf den ersten Blick unterschiedliche Anordnung der Kompetenzbereiche und die jeweils darunter fallenden Teilkompetenzen (vgl. Tabellen 2.2 und 2.3).

Wie in der Tabelle 2.3 durch die Positionierung im Zentrum deutlich wird, kommt den funktional kommunikativen Kompetenzen eine große Bedeutung zu, die die Teilkompetenzen des Hör-/Hörsehverstehens, des Leseverstehens, des Schreibens, des Sprechens und der Sprachmittlung umfassen. Dabei wird aber ausdrücklich betont, dass „für die Realisierung der einzelnen Kompetenzen […] das Verfügen über angemessene sprachliche Mittel und kommunikative Strategien“ (ebd.: 13) unerlässlich ist und diesen eine dienende Funktion zukommt. Dieser Umstand spielt allerdings in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003) keine Rolle, ist aber für die Realisierung von Sprachmittlungsaufgaben unabdingbar, worauf später noch genauer eingegangen wird (vgl. Kapitel 11).

Sprachlernkompetenz

Interkulturelle kommunikative

Kompetenz

Verstehen Handeln

Wissen Einstellungen Bewusstheit

Sprachbewusstheit

Funktionale kommunikative Kompetenz

Hör-/Hörsehverstehen

Leseverstehen

Schreiben

Sprechen

Sprachmittlung

Verfügen über sprachliche Mittel und

kommunikative Strategien

Text- und Medienkompetenz

mündlich schriftlich medial

Tabelle 2.3: Übersicht über die Kompetenzbereiche der Sekundarstufe II (vgl. KMK 2012: 12)

Die weiteren Ausführungen zur Sprachmittlung sind etwas ausführlicher, sowie in ein grundlegendes und ein erweitertes Niveau differenziert und enthalten detailliertere Angaben:

„Die Schülerinnen und Schüler können – auch unter Verwendung von Hilfsmitteln und Strategien – wesentliche Inhalte authentischer mündlicher oder schriftlicher Texte, auch zu weniger vertrauten Themen, in der jeweils anderen Sprache sowohl schriftlich als auch mündlich adressatengerecht und situationsangemessen für einen bestimmten Zweck wiedergeben.“ (KMK 2012: 18).

Auffallend ist einerseits, dass hier die beiden Formen der ‚Übersetzung‘ und des ‚Dolmetschens‘ keine Rolle spielen da, wie auch in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003), keine Nennung erfolgt. Andererseits sind die Angaben für die Lernenden deutlich konkreter und hilfreicher, da für die Erstellung des Zieltextes mehr Informationen gegeben werden. Auf dem grundlegenden Niveau sollten sie zum Ende der Schulzeit in der Lage sein – und dies sowohl schriftlich wie auch mündlich – Informationen anhand der Situation und der beteiligten Personen in der anderen Sprache als Zusammenfassung wiedergeben und anhand der interkulturellen Kompetenzen und etwaiger Strategien die Inhalte, je nach Adressat, filtern zu können und zu übertragen. Des Weiteren sollen sie in Sprachmittlungssituationen in der Lage sein, Nachfragen zu beantworten und dabei, falls notwendig, Hilfsmittel wie etwa Wörterbücher oder aber Strategien passend einsetzen zu können; dies umfasst ebenfalls Mimik und Gestik und ist immer an der jeweiligen Situation und den beteiligten Personen auszurichten. Für das erhöhte Niveau fordert der Bildungsplan darüber hinaus, dass die Schülerinnen und Schüler notwendige Erläuterungen zur Vermeidung von Missverständnissen antizipieren und einbringen und währenddessen auch kreativ mit den beiden Sprachen umgehen können (vgl. ebd.: 18).

Am Ende des Dokuments der Bildungsstandards werden ebenfalls Prüfungs- und Lernaufgabenbeispiele für die beiden Fremdsprachen zur Illustrierung aufgeführt, die unter anderem auch Angaben zu den Gewichtungen und den Bewertungen machen, so dass der Einsatz des Materials für die Lehrkräfte deutlich leichter gestaltet ist (vgl. ebd. u.a.: 32-53, 113-129).

Bremer Bildungspläne

Nach den europäischen und den deutschlandweiten bildungspolitischen Vorgaben, werden jetzt die für Bremen relevanten Bildungspläne für die Oberschule (2012b) und das Gymnasium (2006, 2007, 2008, 2015) analysiert. In diesem Teilkapitel bilden dann auch die Dokumente, die explizit das Fach Spanisch als zweite, dritte, fortgeführte oder neu einsetzende Fremdsprache in den Fokus rücken, die Grundlage für die Betrachtung.

Bildungsplan Französisch/Spanisch für die Oberschule (2012b)

Der Bildungsplan, der durch die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit im Jahr 2012 erlassen wurde, orientiert „sich an Standards, in denen die erwarteten Lernergebnisse als verbindliche Anforderungen formuliert sind.“ (Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit 2012b: 4); es erfolgt erst später eine explizite Bezugnahme zum GeR, auf die Bildungsstandards hingegen wird lediglich nur indirekt verwiesen (vgl. ebd.: 4f.). Dabei soll die Oberschule nach der 10. Jahrgangsstufe so abgeschlossen werden, dass weiterführende Schulen besucht werden können. Die Schülerinnen und Schüler sollen somit die Sprachkompetenz erwerben, die als „unabdingbare Voraussetzung für den schulischen Erfolg und die gesellschaftliche Integrationsfähigkeit“ (ebd.: 4) angesehen wird.

Etwas unglücklich erscheint die Formulierung, dass lediglich die Teilkompetenzen Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben „ausgewogen und gleichmäßig“ (ebd.: 5), unter Zuhilfenahme von Portfolios in handlungsorientierten Situationen entwickelt werden sollen. Sprachmittlung wird hier scheinbar nicht als gleichwertige Teilkompetenz angesehen, obwohl im Anschluss die tabellarische Übersicht über die Kompetenzbereiche und Teilkompetenzen der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (vgl. Tabelle 2.2) übernommen wurde.

Positiv zu bewerten ist jedoch die illustrative Ergänzung durch Beispiele für kontinuierliche und diskontinuierliche Textsorten, die altersangemessen auszuwählen sind. Die Definition der Fertigkeit Sprachmittlung, die laut dieser textbasiert erworben werden soll, lautet: „einen gesprochenen oder geschriebenen Text ganz oder in Teilen erfassen; den Text sinngemäß oder wörtlich in der Muttersprache so wiedergeben, dass sein Inhalt für den Zuhörer bzw. Leser verständlich wird.“ (ebd.: 6). Allerdings bleibt hier fraglich, welche Sprache als Muttersprache angesehen wird, da an den Schulen im Lande Bremen eine große Heterogenität innerhalb der Schülerschaft vorhanden ist, wie der Bildungsbericht Bremen offengelegt hat (vgl. Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit 2012a). Begrüßenswert ist allerdings auch hier die Tatsache, dass die sprachlichen Mittel die Grundlage für eine erfolgreiche Kommunikation darstellen und mit zunehmender Sicherheit auch die kommunikativen Kompetenzen weiter ausgebaut werden können (vgl. Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit 2012b: 7).

Die Anforderungen an die Lernenden nehmen, über die diversen Jahrgänge hinweg, stetig zu; so sollen im Jahrgang 6 die Grundlagen gelegt, in den beiden folgenden Jahren thematische Inhalte erarbeitet und diese in den Klassen 9 und 10 gefestigt und vertieft werden (vgl. ebd.: 8f.). Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler am Ende der 6. Jahrgangsstufe „in zweisprachigen Alltagssituationen elementare Sachverhalte zu vertrauten Themen aus der Fremdsprache ins Deutsche und umgekehrt sinngemäß übertragen und/oder vermitteln [können].“ (ebd.: 13). Am Ende der 8. Klasse soll dies dann auch in Alltagssituationen mit vertrauten Themen möglich sein, um schließlich nach weiteren zwei Jahren „in Alltags- und Begegnungssituationen schriftliche und mündliche Äußerungen in der jeweils anderen Sprache so wiedergeben [zu können], dass ein durchgängiges Verständnis gesichert ist.“ (ebd.: 18). Interessanterweise wird hier nur auf das Deutsche und die zu erlernende Fremdsprache, also Französisch, Spanisch, Türkisch oder Russisch Bezug genommen, so dass die zuvor angerissene Frage nach der Muttersprache in den Hintergrund rückt.

Bildungsplan Französisch/Spanisch für das Gymnasium als zweite Fremdsprache (2006)

Der Bildungsplan für das Gymnasium für die zweite Fremdsprache Französisch bzw. Spanisch wurde schon im Jahr 2006 durch den Bremer Senator für Bildung und Wissenschaft erlassen. Er bezieht sich konkret auf den GeR und hat die Ausbildung der kommunikativen Kompetenz wie auch interkultureller Kompetenzen zum Ziel. Auch hier fällt auf, wie auch schon im Bildungsplan für die Oberschule (2012b), dass Sprachmittlung zwar als eine kommunikative Fertigkeit benannt wird, aber diese nicht wie alle anderen funktional kommunikativen Kompetenzen über die verschiedenen Jahre hinweg entwickelt werden soll. Diese Entwicklung erfolgt anhand eines kreativen Einsatzes beispielweise durch Portfolios (vgl. Senator für Bildung und Wissenschaft 2006: 5). Es soll in den Jahrgängen 6 bis 10 eine elementare Form der Sprachmittlung erworben werden, wobei diese Teilkompetenz dadurch definiert wird, dass die Schülerinnen und Schüler „einen gesprochenen oder geschriebenen Text ganz oder in Teilen erfassen, den Text sinngemäß oder wörtlich in der Muttersprache so wiedergeben, dass sein Inhalt für den Zuhörer bzw. Leser verständlich wird.“ (vgl. ebd.: 6). Diese Beschreibung, die exakt der im Bildungsplan der Oberschule (2012b) genannten gleicht, wird aber im weiteren Verlauf noch genauer im Hinblick auf die sprachlichen Mittel ausdifferenziert. Die Anforderungen an die Lernenden scheinen hier höher zu sein, da die Verfügung über die sprachlichen Mittel als Basis für eine erfolgreiche Kommunikation postuliert wird und dadurch eine deutliche Aufwertung erfährt. Der Ausbau der kommunikativen Kompetenzen ist eng damit verbunden, da „eine[r] zunehmend sichere[n] Verwendung sprachlicher Mittel, deren Umfang und Differenzierungsgrad“ (ebd.: 7) stetig zunimmt, gefordert wird.

Die Progression über die einzelnen Schuljahre hinweg beginnt, ähnlich auch im Gymnasium, mit der Grundlage und Festigung in Jahrgang 6 hin zu einer inhaltlich-thematischen Verschiebung der beiden folgenden Jahre. In Klassenstufe 9 ist das primäre Ziel der Erhalt der Motivation, die dann im zehnten Schuljahr in der Festigung der Grundlagen und einer Expansion der bereits erworbenen Kompetenzen mündet, mit einem deutlichen Fokus auf die interkulturelle Handlungsfähigkeit (vgl. ebd.: 7ff.).

Die Ziele, die im Hinblick auf Sprachmittlung nach den Jahrgängen 6, 8 und 10 erreicht werden sollen, sind in folgender Tabelle 2.4aufgelistet, wobei die Unterschiede jeweils fett hervorgehoben wurden.

Dabei sticht besonders hervor, dass der Fokus in den Jahrgängen 7 und 8 scheinbar rein auf der mündlichen Vermittlung liegt, da im Jahrgang 6 keine explizite Nennung bzw. Trennung der beiden Modi erfolgt und in den Jahrgängen 9 und 10 die Sprachmittlungsaufgaben dann sowohl schriftlich als auch mündlich bearbeitet werden sollen.

Jahrgang 6

Jahrgang 8

Jahrgang 10

Die Schülerinnen und

Schüler können…

- in zweisprachigen Alltagssituationen elementare Einzelinformationen vermitteln,

- einfache Sachverhalte zu vertrauten Themen aus der Fremdsprache ins Deutsche und umgekehrt sinngemäß übertragen.

- mündlich in zweisprachigen Alltagssituationen Informationen vermitteln,

- einfache Sachverhalte mündlich zu vertrauten Themen aus der Fremdsprache ins Deutsche und umgekehrt sinngemäß übertragen.

- schriftlich und mündlich einfache Sach- und Gebrauchstexte sinngemäß übertragen.

Tabelle 2.4: Übersicht über die Anforderungen nach diversen Jahrgängen (Senator für Bildung und Wissenschaft 2006: 14, 17, 20; Hervorhebungen D.P.)

Bildungsplan Französisch/Spanisch für das Gymnasium als dritte Fremdsprache (2007)