Mydworth - Stimmen aus dem Jenseits - Matthew Costello - E-Book

Mydworth - Stimmen aus dem Jenseits E-Book

Matthew Costello

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Beschreibung

Es ist Mittsommer in Mydworth und der Abend verspricht wunderschön zu werden - doch in dem kleinen Städtchen gehen seltsame Dinge vor sich ... Der Hellseher Bellamy Smythe behauptet, mit Verstorbenen Kontakt aufnehmen zu können und viele Bewohner, die ihre Liebsten verloren haben, sind bereit, dafür eine Menge Geld zu zahlen. Ist der Hellseher ein Scharlatan? Kat und Harry beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen und finden sich plötzlich in einem Spiel mit hohen Einsätzen, brillanten Täuschungen und cleveren Tricks wieder. Denn in dieser Mittsommernacht ist nichts so, wie es scheint ...

Ein glamouröses Ermittlerduo, ungewöhnliche Verbrechen, schnelle Autos, schicke Kleider und rauchende Revolver - das ist Mydworth, die neue Serie von Matthew Costello und Neil Richards, den Autoren der britischen Erfolgsserie Cherringham. Sir Harry Mortimer, der ehemalige Spion im Dienste Seiner Majestät, ermittelt zusammen mit seiner umwerfenden Ehefrau Kat, die es mit jedem Bösewicht aufnehmen kann! Mydworth ist eine spannende Zeitreise ins England der 20er Jahre - für Fans von Babylon Berlin, Downton Abbey und Miss Fishers mysteriösen Mordfällen.

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Seitenzahl: 184

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

MYDWORTH – Ein Fall für Lord und Lady Mortimer. Die Serie

Über diese Folge

Die Hauptfiguren

Über die Autoren

Titel

1. Eine vertrauliche Zusammenkunft

2. Ist jemand da?

3. Ein höchst seltsamer Fall

4. Die Rückkehr zum Grange

5. Eine Nachricht von der anderen Seite

6. Ein Plan entsteht

7. Die Gäste des Mediums

8. Leichtgläubige Opfer

9. Showtime im Rathaus

10. Stimmen aus dem Jenseits

11. Eine Leichenhalle und ein Mausoleum

12. Auf der Suche

13. Die Geheimnisse des Komplizen

14. Ist jemand da?

15. Lasst die Überraschungen beginnen!

16. Mittsommerjagd

17. Nur ein ruhiger Sommerabend

In der nächsten Folge

Leseprobe - Erlenkamp, Ein Prosit auf den Mörder

Impressum

MYDWORTH – Ein Fall für Lord und Lady Mortimer. Die Serie

Ein glamouröses Ermittlerduo, ungewöhnliche Verbrechen, schnelle Autos, schicke Kleider und rauchende Revolver – das ist Mydworth, die neue Serie von Matthew Costello und Neil Richards, den Autoren der britischen Erfolgsserie Cherringham. Sir Harry Mortimer, der ehemalige Spion im Dienste ihrer Majestät, ermittelt zusammen mit seiner umwerfenden Ehefrau Kat, die es mit jedem Bösewicht aufnehmen kann! Mydworth ist eine spannende Zeitreise ins England der 20er Jahre – für Fans von Metropolis Berlin, Downton Abbey, und Miss Fishers mysteriösen Mordfällen.

Über diese Folge

Es ist Mittsommer in Mydworth und der Abend verspricht wunderschön zu werden – doch in dem kleinen Städtchen gehen seltsame Dinge vor sich ... Der Hellseher Bellamy Smythe behauptet, mit Verstorbenen Kontakt aufnehmen zu können und viele Bewohner, die ihre Liebsten verloren haben, sind bereit, dafür eine Menge Geld zu zahlen. Ist der Hellseher ein Scharlatan? Kat und Harry beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen und finden sich plötzlich in einem Spiel mit hohen Einsätzen, brillanten Täuschungen und cleveren Tricks wieder. Denn in dieser Mittsommernacht ist nichts so, wie es scheint ...

Die Hauptfiguren

Sir Harry Mortimer (32) kehrt nach langer Zeit im Ausland in seinen Heimatort Mydworth zurück. Der Sohn der wohlhabenden englischen Adelsfamilie hat als Pilot im Ersten Weltkrieg gekämpft und war danach zehn Jahre offiziell im diplomatischen Dienst tätig – in Wirklichkeit aber arbeitete Harry für den britischen Geheimdienst. Bei einem Einsatz in Kairo trifft er die wunderschöne Amerikanerin Kat Reilly, die ebenfalls verdeckt für ihre Regierung arbeitet. Die beiden verlieben sich und heiraten nach einer stürmischen Romanze. Das ungleiche Paar beschließt, zusammen nach England zu ziehen, um zur Ruhe zu kommen und sich dort ein beschauliches Leben aufzubauen. Aber es kommt anders als geplant ...

Kat Reilly (32) kommt aus einer anderen Welt als ihr adliger Ehemann. Sie stammt aus New York und ist in ärmlichen Verhältnissen in der Bronx aufgewachsen. Aber sie ist tough, intelligent und abenteuerlustig. Sie erkämpft sich ein Stipendium an der Universität, arbeitet im Ersten Weltkrieg als Krankenschwester auf den Schlachtfelder Frankreichs und wird dann vom amerikanischen Außenministerium rekrutiert. Ihr scharfer Humor und ihre modernen Ansichten bringen frischen Wind in das verschlafene Mydworth. Aber an ihre Rolle als Lady Mortimer muss sie sich erst noch gewöhnen ...

Über die Autoren

Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.

Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u. a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling. Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte.

Seit 2013 schreiben das transatlantische Duo Matthew Costello und Neil Richards die Serie CHERRINGHAM, in der inzwischen 38 Folgen erschienen sind. MYDWORTH ist ihr neues gemeinsames Projekt.

MATTHEW COSTELLONEIL RICHARDS

Stimmen aus dem Jenseits

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

1. Eine vertrauliche Zusammenkunft

Nicola Green schloss die Tür zum Büro des Women's Voluntary Service ab, als die Glocke von St. Thomas zur vollen Stunde schlug. Sie drehte sich zum leeren Marktplatz um. Es war ein milder Juniabend.

In der Ecke, vor dem King's Arms stand die übliche Feierabendbrigade und trank ihre Pints im noch warmen Sonnenschein. Der Arbeitstag war vorbei, und man genoss diesen perfekten Abend.

Nicola blickte auf. Heute Nacht würde es eindeutig keinen Regen geben, denn die wenigen Federwolken am blassblauen Himmel bewegten sich kaum.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes hockten wie immer einige Kinder im staubigen Rinnstein der High Street und spielten mit kleinen Murmeln. Die meisten Geschäfte hatten bereits geschlossen, allerdings sah Nicola noch Mrs Masters, die eben die Markise ihres Kurzwarenladens einrollte und die Läden schloss. Drüben bei der Bank bauten einige Arbeiter die traditionelle Bretterbühne für das Mydworth Midsummer Festival auf, das am Freitag beginnen sollte.

Die mit Wimpeln und Kränzen aus Sommerblumen geschmückte Bühne würde an diesem langen Wochenende der Mittelpunkt der Festaktivitäten sein – mit Morris-Tänzern, Mummenschanz, Musikern, Mysterienspielen und wer weiß was für anderen seltsamen und magischen Überraschungen, die sich die Leute von Mydworth einfallen ließen!

Am Sonntag würde es dann am zivilisiertesten zugehen. Denn da standen die Blumenschau – in die Nicola in diesem Jahr große Hoffnungen setzte –, Tee im Pfarrhausgarten und die Kinderregatta auf dem Fluss an.

Doch für viele bildete der Samstag den wahren Höhepunkt. Dann war Mittsommernacht, und eine kostümierte Menge zog von diesem Platz aus hinauf zum Myers Hill, beschwingt von endlosen Gallonen Ale und Met. Die Menge trug eine Pappmaschee-Figur des Drachen vom heiligen Georg hinauf, die dort auf einem großen Scheiterhaufen verbrannt werden würde.

Die Tagundnachtgleiche schien ein besonders altertümliches, gar primitives Verhalten in den Leuten hervorzukitzeln. Und bei aller Heiterkeit – dem Spaß, dem Feuer, den Kostümen – hatte Nicola sich im Laufe der Jahre daran gewöhnt, für die Nachwirkungen dieses chaotischen Ereignisses zuständig zu sein.

Zu viel Ale und Whisky verursachten so manche Schäden, um die sich Nicola hinterher kümmern musste. Und die Frauen im Dorf waren zu oft die Opfer.

Doch heute Abend sorgte sie sich beim Überqueren des verlassenen, friedlichen Platzes um andere Dinge. Und merkwürdigerweise waren diese spiritueller Natur.

Nicola ging am Rathaus vorbei und bog in die Petersfield Road ein, der sie bis zur letzten kleinen Reihe von Arbeitercottages folgte, ehe sie hinüber in die Spa Road wechselte.

Bei dieser Straße, die im Grunde nicht viel mehr als ein Weg war, handelte es sich um eine Sackgasse, die am dichten Wald und den Feldern des alten Wetherby-Anwesens endete.

Vom ursprünglichen Wetherby Manor waren lediglich einige gespensterhafte Ruinen im Wald und das verschnörkelte Wetherby Mausoleum am Myers Hill übrig.

Doch das Grange – ein bescheidener georgianischer Bau und das neuere Heim der Wetherbys – stand noch am Ende dieses Weges.

Nicola war noch nie in dem viergeschossigen Haus gewesen, aber heute Abend hatte sie eine Einladung zu einer sehr speziellen Zusammenkunft.

Die ihr Sorge bereitete.

Der Brief war von Alice Wetherby persönlich gekommen, und obgleich Nicola es in ihrer Eigenschaft als Leiterin des WVS gewohnt war, von allen erdenklichen familiären Problemen und traumatischen Erlebnissen zu hören, war diese Einladung für sie sehr ungewöhnlich. Sie war zu einer Séance gebeten worden – geleitet von dem berühmten »Medium« Bellamy Smythe.

Nicola hatte bereits einiges von diesem Mann gehört. Wer in diesem Teil von Sussex hatte das nicht?

Seit dem Frühjahr reiste er durchs Land und füllte Dorfsäle mit seinen spirituellen Versammlungen bis zum Bersten mit Menschen, die unbedingt Kontakt zur »anderen Seite« aufnehmen wollten.

Was recht verständlich war. Wusste Nicola doch, dass die wenigsten Familien in England von den Schrecken des Weltkrieges verschont geblieben waren. Und bei manchen war noch heute – über zehn Jahre nach dem Waffenstillstand – der Wunsch, Kontakt zu den Toten zu bekommen, ungebrochen.

Bisweilen kommt einem dieses Verlangen wie ein Fieber vor, dachte sie. Wie ein kollektiver Wahnsinn.

Denn ganz gleich, wie oft solche »Medien« als Scharlatane entlarvt wurden, die mit abgenutzten Tricks, Rauch und Spiegeln die Leichtgläubigen hinters Licht führten, es fanden sich stets neue verzweifelte, arglose, traurige Seelen, die für den winzigsten Hoffnungsschimmer zu bezahlen bereit waren.

In der Sekunde, in der sie den Brief zu Ende gelesen hatte, war für Nicola klar gewesen, dass sie hingehen würde – ja, hingehen musste.

Alice Wetherby vertraut mir, der Mitfühlenden, an deren Schulter sie sich ausweinen kann.

Und nun stand Nicola hier an dem schmuckvollen, rostigen Flügeltor bereit, um hindurchzuschreiten und vielleicht – falls nötig – einen Betrüger und Manipulator trauriger, gutgläubiger Menschen zu demaskieren.

Pass lieber auf, Bellamy Smythe, dachte sie, als sie zu dem strengen grauen Haus aufblickte. Mit der abblätternden Farbe und den rissigen Gardinen in den staubigen Fenstern wirkte es arg vernachlässigt.

»Hat schon bessere Tage gesehen, der alte Kasten, was?«, ertönte eine männliche Stimme hinter ihr. »Muss aber früher mal richtig vornehm gewesen sein.«

Nicola drehte sich um und sah sich einem jungen Mann in einem verblichenen Dreiteiler mit einem munteren Grinsen und einer dunklen Haarlocke, die ihm in die Stirn fiel, gegenüber.

Könnte das Bellamy Smythe sein?

»Abel Coates, zu Euren Diensten«, sagte er und salutierte scherzhaft, bevor er ihr die Hand reichte. Nicola stockte kurz.

Salutieren? Ist das heute noch üblich?

»Nicola Green«, entgegnete sie. »Ich glaube, wir kennen uns nicht.«

»Oh, ich weiß sogar, dass wir uns nicht kennen«, sagte Abel heiter. »An eine solch hübsche Dame wie Sie würde ich mich ohne Frage erinnern.«

Nicola schwieg, denn zu aufdringliche Schmeicheleien hatte sie noch nie attraktiv gefunden.

Und sofort wirkte Abel für einen Moment unsicher. »Ähm, nun, wie dem auch sei, ich bin neu hinterm Tresen unten im Station Inn. Aber ich vermute, das ist kein Lokal für Sie.«

»Ach, womöglich trügt der Schein, Mr Coates. Ich bin durchaus gelegentlich auf einen Drink dort. Ich leite den Women's Voluntary Service ganz in der Nähe. Und Vorbehalte gegenüber Lokalen ob ihrer Stammkundschaft sind mir fremd.«

»Ah, Sie sind den Frauen am Ort zu Diensten? Wäre ich auch gern. Kann ich da mitmachen?«

Abermals antwortete Nicola nicht, und nun wurde der Mann ernst.

»Verzeihen Sie, ich kann einfach nicht anders. Ständig mache ich dumme Witze ... besonders, wenn ich nervös bin.«

»Nervös?«, fragte Nicola. Dann ging ihr ein Licht auf. Dieser Mann musste auch zur Séance hier sein.

»Na, dieses Ding«, sagte er, runzelte die Stirn und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Heute Abend ... dieses Geisterspektakel ... die Anrufung der Toten? Ehrlich gesagt bekomme ich allein bei dem Gedanken eine Gänsehaut.« Abel untermalte seine Worte mit einem sichtbaren Erschaudern.

Seinen Versuch, sich selbst kleinzumachen, quittierte Nicola mit einem Nicken. Sie fragte sich, was er über das heutige Treffen wusste, wer die anderen waren und warum sie alle eine Einladung erhalten hatten.

Doch dann sah sie einen roten Austin 7 den engen Weg herunterbrausen. Als er näher kam, erklang ein lautes Hupen, bevor er in die Einfahrt zum Grange bog – geradewegs auf sie zu.

Wie es aussah, würde der Wagen nicht halten, sodass Nicola und Abel gezwungenermaßen zur Seite sprangen.

Als der Austin durchs Tor rauschte, erkannte Nicola die Fahrerin: Alice' Schwester Christabel Taylor. Neben ihr auf dem winzigen Platz saß eine viel jüngere Frau, deren Blick auf Abel fixiert schien. Sie trug einen modischen Bob und ein leuchtend rotes Kleid.

Gemeinsam beobachteten Nicola und Abel, wie der Wagen die Einfahrt hinaufjagte und schlitternd auf dem Kies vor dem Haus anhielt.

»Was für eine Augenweide!«, sagte Abel, als wäre Nicola – die, wie es schien, bis eben noch seine ganze Aufmerksamkeit gebannt hatte – gar nicht da. »Ich glaube, der Abend ist gerade erheblich reizvoller geworden.«

Und er eilte zum Haus und dem Wagen hinterher wie ein Hund seiner Beute.

Nicola zögerte noch ein wenig, dann folgte sie ihm deutlich langsamer.

Abel mochte nervös sein, wenn es um den Kontakt zu Toten ging, doch bei den Lebendigen verschwendete er offenbar keine Zeit.

Als Nicola die Vordertür des Grange erreichte, waren die beiden Frauen aus dem Wagen bereits weg – zweifellos dicht gefolgt von dem eifrigen Mr Coates.

Sie stieg die rissigen Stufen hinauf – die dringend repariert werden mussten – und trat durch die halb offene Tür in eine dunkle, muffig riechende Diele.

Niemand war hier, um sie zu begrüßen. Keine Bediensteten und keine Spur von Alice Wetherby.

Nicola blickte sich um, während sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnten. Sie stand auf einem einst prächtigen Marmorboden, seitlich führte eine weit geschwungene Treppe nach oben, deren Teppichbespannung sogar bei spärlicher Beleuchtung verblichen wirkte. Über allem hing ein riesiger, von Spinnweben überzogener Kronleuchter.

Auch die eindrucksvollen Porträts an den Wänden waren verstaubt und voller Spinnennetze. Nicola wusste, dass Alice Wetherby in jüngster Zeit in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, und hier sah sie den Beweis mit eigenen Augen.

Irgendwo weit hinten im Haus glaubte sie, leise Stimmen zu hören.

Plötzlich fröstelte sie. Trotz des warmen Abends war es hier drinnen kühl.

Dann ging eine Tür auf, und Alice Wetherby erschien.

Nicola hatte die Frau seit über einem Jahr nicht gesehen und erschrak, wie sehr sie ... gealtert war.

Obwohl sie erst Anfang dreißig sein konnte, machten sie ihr graues Haar und das strenge, hochgeschlossene lange Kleid gefühlt zwanzig Jahre älter.

»Meine liebe Nicola!«, sagte Alice und kam auf sie zugeeilt. Die Hausherrin ergriff mit beiden Händen Nicolas rechte. »Hat Lance Sie nicht in Empfang genommen? Sie nicht begrüßt? Oh, dieser Junge ist schlimmer als nutzlos, sage ich Ihnen! Ich muss ihn ...«

»Nicht doch, Alice. Ich bin eben erst angekommen«, entgegnete Nicola, weil sie besagtem Lance – wer immer er sein mochte –eine Strafe ersparen wollte. Ihr fiel auf, dass Alice immer noch ihre Hand hielt und sie sehr eindringlich ansah, was nun ein wenig eigenartig wurde.

»Ich bin Ihnen so dankbar für Ihr Kommen«, sagte Alice.

»Und ich freue mich immer, Sie zu sehen«, antwortete Nicola. »Wenngleich ich gestehen muss, dass ich mir nicht so sicher bin, was diese ...«

»Oh ja, ich weiß! Eine Séance? Sie dürfen mich für albern halten!«

»Ganz und gar nicht«, sagte Nicola. »Der Wunsch nach Kontakt zu unseren Lieben ist tief in uns verwurzelt und natürlich. Nicht albern, aber vielleicht ...«

»Närrisch? Dumm? Leichtgläubig?«

Nicola schwieg. Es waren die Worte, die ihr in den Sinn gekommen waren. Und vielleicht auch teuer?

»Nun, genau deshalb habe ich Sie eingeladen, Nicola«, erklärte Alice. »Ich weiß, dass Sie eine Skeptikerin sind. Immer schon waren. Doch diesmal, dieses eine Mal weiß ich, dass ich endlich Kontakt haben werde. Ich fühle es tief in meinem Herzen.«

Nicola schaute Alice in die strahlenden Augen. »Ich weiß nicht recht, Alice. Sie versuchen es schon so viele Jahre, ohne einen Schritt weiterzukommen.«

»Aber diesmal habe ich es selbst miterlebt! Wie Bellamy die Kluft überbrückt und mit einer verlorenen Seele gesprochen hat. Es war atemberaubend! Erstaunlich!«

»Aha? Demnach waren Sie schon bei einer Séance mit ihm?«, fragte Nicola besorgt.

»Ja, in einem Nebenzimmer im Green Man, letzte Woche. Er konnte die andere Seite erreichen, und die Geister haben gesprochen!«

»Zu Ihnen?«

»Nein, zu einer anderen Gläubigen. Sie ist heute Abend auch hier und hofft, wieder mit ihrem verstorbenen Mann sprechen zu können. Aber Bellamy ist zuversichtlich, dass auch ich von jenen Stimmen hören werde, die ich seit so vielen Jahren vermisse.«

Die Frau holte tief Luft und gab endlich Nicolas Hand frei.

»Und wenn das geschieht, möchte ich, nein, brauche ich Sie hier, damit Sie bestätigen, dass es wahr ist.«

Bevor Nicola reagieren konnte, drehte Alice sich um und ging voran zur Treppe.

»Um ihretwillen und um meinetwillen«, fuhr Alice fort und zeigte zu einem der Porträts an der Wand. Im Dämmerlicht konnte Nicola lediglich einen grauhaarigen Mann mit Schnauzbart und in Galauniform ausmachen, dessen stolzgeschwellte Brust voller Orden steckte.

Auf dem Gemälde saßen zwei jüngere Männer weiter vorn, zu beiden Seiten des Mannes, gleichfalls in Uniform. Einer von ihnen hielt eine Schriftrolle mit einigen lateinischen Wörtern in der Hand.

Nicola hatte schon Fotografien von Alice' Vater Major Arthur Wetherby und ihren beiden Brüdern James und John gesehen – und sie erkannte die drei wieder.

»Ein schönes Porträt«, sagte sie.

»Es wurde kurz vor ihrem Aufbruch nach Frankreich gemalt. Mein Vater war so stolz! Er hat erwartet, dass sie alle nach wenigen Monaten wieder zu Hause wären. Doch er ist nie zurückgekehrt. Auch meine Brüder nicht, seine geliebten Söhne.«

»Das tut mir unendlich leid«, sagte Nicola. Dieselben Worte hatte sie im Laufe der Jahre schon oft zu Alice gesagt, wenn die Frau in dem kleinen WVS-Büro oberhalb des Marktplatzes von ihrem Kummer erzählt hatte.

Und Alice war bei Weitem nicht die Einzige. In Mydworth gab es viele solcher Geschichten, wie wahrscheinlich in jedem britischen Dorf. Den Großen Krieg nannten sie ihn. Doch an jenem Krieg war nichts »groß« gewesen.

»All die Jahre sehne ich mich danach, mit ihm, James und John zu sprechen, und sei es nur, um Abschied zu nehmen.«

Nicola nickte und wartete. Der Wunsch dieser Frau nach dem Unmöglichen war überwältigend. »Und Sie glauben wirklich, dass es Ihnen heute Abend gelingt?«

»Ich weiß es«, antwortete Alice und drehte sich zu Nicola um.

Nicola sah ihren leuchtenden Augen an, dass sie es tatsächlich glaubte.

Wie soll ich ihr jetzt, noch ehe es angefangen hat, sagen, dass es gewiss ein Schwindel ist? Dass die Toten nicht von jenseits des Grabes sprechen.

2. Ist jemand da?

Nicola saß in der Ecke des Salons des Grange und blickte sich zu den anderen Gästen um, während das durch die Gardinen hereinfallende Sonnenlicht fahler wurde.

Alice hatte ihr alle vorgestellt, war dann jedoch durch eine Flügeltür verschwunden, um Mr Smythe bei der Vorbereitung des Esszimmers für das Gespräch mit der »anderen Seite« zu helfen.

Mr Smythe selbst hatte sich bisher nicht blicken lassen.

Vermutlich soll sein Auftritt dadurch dramatischer werden, dachte Nicola.

Schauspielerei, nichts anderes.

Wie in der Eingangshalle roch es auch hier muffig und unbelebt. An allen Wänden hingen dunkle Gemälde viktorianischer Landschaften in schweren Rahmen, deren uralte Halteketten bedenklich lose wirkten.

Spinnweben waren in sämtlichen Ecken zu erkennen; die Spinnen genossen hier eindeutig ihr Leben.

Einmal sah Nicola sogar eine Maus unter einem Bücherregal hervorkommen und an drei Seiten des Raumes entlanghuschen, bevor das Tierchen in Richtung Diele verschwand.

Auf dem Samtsofa gegenüber von Nicola saß Alice Wetherbys Schwester Christabel. Ihre schmale Nase hatte etwas von einem Vogel, und sie war sehr still und merklich angespannt. Die Hände hatte sie in ihrem Schoß gefaltet. Ihre ganze Haltung strahlte Unbehagen aus.

Neben ihr saß ihre Tochter Diana – die Nicola eben vorgestellt worden war. Sie war die ziemlich hübsch gekleidete junge Frau aus dem Wagen und, wie sie selbst gesagt hatte, gerade achtzehn geworden.

Ein bisschen jung, um mit den Toten zu reden, ging es Nicola durch den Kopf.

Und Diana wirkte, trotz des geplanten Programms heute Abend, durch und durch gelangweilt. Allerdings war sie auch auf Abel Coates aufmerksam geworden, wie Nicola bemerkte. Der junge Mann stand neben dem kalten Kamin, in dem unten eine dicke Ascheschicht lag.

Zunächst war Coates der einzige Mann im Raum, bis ein recht niedergeschlagener Junge namens Lance aufkreuzte, der einen wackligen Teewagen mit Getränken und Keksen hereinschob.

Diana hatte Lance ignoriert. Offensichtlich war der Bedienstete unter ihrer Würde. Abel Coates schaute vom Kamin aus ununterbrochen lächelnd zu der jungen Frau. Er öffnete ein silbernes Zigarettenetui, steckte sich eine Zigarette an und blies eine Rauchwolke aus – eine Geste, die ein wenig wie ein Flirt anmutete.

Nervös nestelte Diana an einem Knopf ihres Kleides und schlug die Beine übereinander.

Die Frau neben Nicola war ihr als Maeve O'Connor vorgestellt worden, und als sie ihr mit einem sanften Lächeln die Hand gereicht und sie begrüßt hatte, hatte Nicola geglaubt, einen Dubliner Akzent herauszuhören.

Zwar waren sie sich nie persönlich begegnet, aber Nicola erkannte sie als eine Angestellte des Salon Maurice wieder, des vornehmsten Damenfriseurs von Mydworth. Allerdings könnte Nicola es sich niemals leisten, sich dort frisieren zu lassen.

Als Nicola sich gesetzt hatte, hatte Maeve ihr aufgeregt erzählt, dass ihr Mann Liam – 1914 auf See verschollen – kürzlich im Green Man »von der anderen Seite aus« mit ihr Kontakt aufgenommen hätte.

Nicola entging nicht, dass sie immer noch errötete, und ihre Augen glänzten vor Vorfreude, weil Liam heute Abend wieder zurückkommen und mit ihr sprechen könnte.

Irgendwo im Haus schlug eine Uhr mit dunklem Klang achtmal.

»Ah, sieh an!«, sagte Abel laut in den Raum hinein. »Weiß jemand, wann diese kleine Party heute Abend anfangen soll? Bisher fühlt sie sich eher wie eine Totenwache an.«

»Mein guter Mann!«, erwiderte Christabel. »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Ihre Ansichten für sich behalten könnten.«

»Wir leben in einer freien Welt«, konterte Abel. »Zumindest taten wir es, als ich zuletzt hinsah.«

Nicola entging nicht, dass er Diana zuzwinkerte, die prompt ihren Blick abwandte. »Was meinen Sie, meine Schöne?«, fragte er unverdrossen. »Ich finde, an solch einem Abend sollten Sie draußen unterwegs sein und sich amüsieren, nicht hier im Dunkeln sitzen.«

»Was meine Tochter sollte oder nicht sollte«, konterte Christabel, »geht Sie wahrlich nichts an, junger Mann.«

»Haben Sie das gehört?«, fragte Abel, abermals an niemand Bestimmten gewandt, nahm sich noch eine Zigarette, steckte sie sich an und schnippte das Streichholz in den Kamin. »Eine veritable Spaßverderberin, was?«

Wieder zwinkerte er Diana zu, die erneut errötete. Und die unruhige, eindeutig verlegene Maeve sah hinunter auf ihren Schoß. Christabel drehte sich ruckartig zu Abel um, als wäre sie bereit zum Gefecht.

Doch ehe es zu einem ernsten Streit kommen konnte, gingen die Flügeltüren zum Esszimmer weit auf, und ... Bellamy Smythe höchstpersönlich betrat den Salon.

Nicola hatte ihn sich älter vorgestellt, exzentrischer und vielleicht sogar ein wenig zwielichtig. Aber Smythe war nichts von alldem. Er war jung – etwa Anfang dreißig – groß, dunkelhaarig und trug einen gut geschnittenen anthrazitfarbenen Anzug.

Und er hat höchst erstaunliche blaue Augen.