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„Überhaupt Weihnachten! In Josephs Familie begannen die ersten Vorbereitungen meist schon im Sommer. Genauer: um Mitte August herum. Nämlich dann, wenn seine Ehehälfte Maria Leib an Leib mit ihm schwitzend am Ostseesandstrand lag und sich beide von der Sonne kaffeebraun rösten ließen…“ Dass Geschenke nie das sind, was sie zu sein scheinen; das Wichteln im Seniorenheim in einer Verfolgungsjagd endet, ein Opa im heftigen Schneetreiben verschwindet; es während des russischen Jolkafestes zu turbulenten Verbrüderungen kommt und die Aushilfs- Knusperhexe eine Opernvorstellung ins Chaos stürzt – diese Geschichten drehen sich allesamt um die schönste Zeit des Jahres. Zufällig geraten die Akteure in haarsträubende Situationen und bemühen sich am Ende, trotz dieser kleinen Katastrophen, die alljährliche Bescherung gemeinsam irgendwie zu überleben. Na dann, frohes Fest!
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Seitenzahl: 115
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Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Impressum:
© Verlag Kern GmbH, Ilmenau
© Inhaltliche Rechte beim Autor
1. Auflage, November 2020
Autor: Gerald Gleichmann
Layout/Satz: Brigitte Winkler, www.winkler-layout.de
Lektorat: Luisa Bott
Sprache: deutsch
ISBN: 978-3-95716-337-0
ISBN E-Book: 978-3-95716-356-1
www.verlag-kern.de
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Gerald Gleichmann
Na dann, frohes Fest!
Geschichten rund um die schönste Zeit des Jahres
Cover
Titel
Impressum
Dies Bildnis ist bezaubernd schön
Das Christkind in der Weihnachtstanne
Morgen kommt der Weihnachtsmann
Geschenke kommen von Herzen
Wem zum Weihnachtsfest die Bombe tickt
Kleinschwantorkelbacher Weihnachtsmarkt
Süßer die Glocken nie klingen
Bescherung mit Opa
Jolkafest in Gatschina
Hänsel, Gretel und Frau Metzenmacher
Na dann, frohes Fest!
„Werden wir in diesem Jahr von ihr verschont?“, drängte Ulf und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
Nele schwieg beharrlich. Wie ein hypnotisiertes Kaninchen starrte sie auf das Schreiben in ihren zitternden Händen. Selbst ihre Atmung schien kurz auszusetzen. Ein Umstand, der Ulf dann doch bedenklich stimmte.
Die im Kalendermonat Dezember von ihnen befürchtete Heimsuchung betraf einzig den überfallsmäßigen Einmarsch von Ottilie, der schrecklichen, andererseits aber nicht unvermögenden Erbtante Neles.
Glücklicherweise hetzte jene umtriebige, fast 80-jährige Weltentdeckerin meist unermüdlich zwischen allen Dschungeln, entdeckten Ruinenstätten, entlegenen Inseln und eingeborenen Völkerstämmen auf dem Globus umher. Pünktlich zu den weihnachtlichen Festtagen fiel sie allerdings wie ein gewaltiger Wirbelsturm über die Grieses her. Beladen mit unzähligen Koffern, Taschen, einem Wanderstock und ausgeblichenem Filzhut. Kurzerhand bestimmte sie deren Behausung zu ihrem vorübergehenden Hauptquartier, verbreitete ein heilloses Durcheinander, trieb Nele und Ulf mit lässiger Leichtigkeit in einen wahnsinnsähnlichen Zustand, ehe sie um den Dreikönigstag herum fluchtartig zur nächsten Erforschung der bislang von ihr noch nicht entdeckten Zivilisation, rätselhaften Ausgrabungsstätte oder irgendeiner weiteren originellen Seltenheit aufbrach.
Immerhin war es bereits kurz vor Ultimo. Jeden Morgen schielte Ulf zuallererst angespannt auf das Datumsblatt des Kalenders. Und je näher Heiligabend heranrückte, umso verwirrter schlich er durch die Wohnung, schreckte bei jedem Läuten an der Haustür hoch und litt zunehmend an Herzrasen und einer Magenverstimmung.
Dem Himmel sei Dank erschien Ottilie vorerst nicht in eigener Person, sondern erschütterte die Grieses mittels einer ominösen Depesche, die Nele noch immer nervös blinzelnd zu deuten versuchte.
Die offensichtlich mit Wasserfarben auf scheinbar uraltes ägyptisches Papyrus gemalten Schriftzeichen waren Wochen zuvor nahe einem der Gräber im Tal der Könige postalisch von der Tante versandt worden. Dessen Adressat doch zufällig erreichend, bedurfte es nun womöglich einer Heerschar Schriftkundler, um Tante Ottilies Lebensweisheiten zu übersetzen.
„Heureka!“, jubelte Nele Griese ein gefühltes Viertelstündchen später erleichtert, da ihr auf rätselhafte Weise irgendwie gelungen war, den vermeintlich altsumerischen Briefcode zu entschlüsseln.
Oder fast, wie sie Ulf kleinlaut eingestehen musste. Denn was gleich darauf aus ihrem Mund sprudelte, klang, als versuche sie verzweifelt, die Nationalhymne eines pazifischen Inselstaates auf Marsianisch zu singen.
„Krr mampf koko aba ...“
„Aba was?“, fragte Ulf verständnislos. Und eine Spur gereizter: „Lass gefälligst diesen Unsinn! Was schreibt sie wirklich? Sind wir in diesem Jahr vor ihrem Einmarsch sicher?“
Das waren eindeutig zu viele Fragen auf einmal für Nele. So fuhr sie unbeirrt in ihrer Litanei fort: „Awai bil schen schie ...“
„Schen schie bil?“, hauchte Ulf entsetzt.
„Nein, awai bil schen schie!“, widersprach Nele trotzig. „Das steht jedenfalls in ihrem Brief. Zumindest glaube ich das.“
„Hat das gute Tantchen unterwegs vielleicht ihr Filzhütchen verloren und darum zu viel afrikanische Sonne abbekommen?“
„Woher soll ich das wissen? Ich verstehe ja noch weit weniger“, gestand Nele ein, ihre Tränen nicht länger zurückhaltend.
Aufgebracht riss er das Papier aus ihren Händen. „Liest du ihre apokalyptischen Prophezeiungen oder ich?“
„Falls du glaubst, klüger zu sein ...“
„Bin ich ohne jeden Zweifel!“, behauptete Ulf allen Ernstes. Nele blieb skeptisch, verschwieg das aber geflissentlich. Um Ulf nicht vor Verzweiflung aus dem Fenster springen zu sehen. Zugleich unterdrückte sie ein hämisches Grinsen, denn dessen eigener Versuch blieb ebenso ergebnislos.
„Krr stampf kakao Hawaii schen schie ...“, murmelte der fassungslos. Obwohl er ihr niemals eingestehen würde, eben doch nicht schlauer zu sein als sie.
Beide rauften sich ihre Haare.
Auch das half wenig. Noch immer wussten sie nicht, ob Erbtante Ottilie zum Weihnachtsfest mit ihren unzähligen Koffern, Taschen, einem Wanderstock und mit ausgeblichenem Filzhut vor ihrer Tür stand. Oder aber, und das wäre ihr allerschönstes Geschenk gewesen, die Weltentdeckerin verbrachte die besinnlichen Tage zufriedener mit sich und massig Kakao trinkend auf Hawaii, während sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters Ski zu fahren versuchte. Die verwischten Zeilen der Depesche schienen das irgendwie anzudeuten: Krr stampf kakao Hawaii schen schie ...
Bevor sie die Angelegenheit weiter bereden konnten, schellte es stürmisch an der Haustür und beide wurden plötzlich sehr blass.
Und wenig später umso erleichterter, da nicht Erbtante Ottilie aufdringlich Einlass begehrte, sondern ein Bote von der Post den Knopf höflich betätigt hatte. Der schien sehr erfreut darüber zu sein, Ulf Griese einmal persönlich kennenlernen zu dürfen. Sehnsüchtig grinste er den Hausherrn an, als hätte er während seiner anstrengenden Auslieferungstour irgendetwas Exotisches geraucht. Oder zumindest hastig eingeworfen.
Mit einem engelhaften Lächeln wuchtete er dem verdattert Dreinschauenden eine unförmige Paketsendung in dessen abwehrend erhobenen Arme und meckerte fröhlich: „Ich bin zwar nicht der Weihnachtsmann, doch beschere ich pünktlich – falls ich kann!“
„Demzufolge können Sie das momentan!“, entgegnete Ulf nicht ganz so heiter wie jener.
Zurück im Wohnzimmer bestaunte Nele zuallererst die Vielzahl der darauf aufgeklebten, bunten Marken und stellte beeindruckt fest: „Immerhin hat diese Schachtel eine sehr weite Reise hinter sich!“
„Solange nach dem Öffnen nicht Tante Ottilie aus dem Karton hüpft, kann mich kaum mehr etwas erschüttern“, brummte Ulf säuerlich. Obschon ihn ebenfalls brennend interessierte, welche Bescherung die sich für ihre erbwürdige Verwandtschaft in diesem Jahr ausgedacht hatte.
Das Entfernen der kilometerlangen Verschnürungen sowie der Umhüllung war eine regelrechte Schwerstarbeit, wobei Ulf und Nele abwechselnd laut stöhnten oder leise fluchten.
Was eine halbe Stunde später zum Vorschein kam, verblüffte beide und ließ selbst Ulf für einen winzigen Moment sprachlos werden.
Bis Nele nach einer heftigen Schnappatmung entrückt von allem Irdischen stammelte: „Kra kra dawai schie schen bi ...“ „In diesem Fall bin ich völlig deiner Meinung!“, murmelte Ulf nicht minder entsetzt.
Inzwischen beäugte Nele das für sie mehr als fragwürdige Objekt von allen Seiten, bestaunte es mal längs und mal quer, rutschte auf allen Vieren darum herum und wandte sich schließlich mit einem Hilfeschrei an Ulf: „Um aller Heiligen willen, was soll das sein?“
Der legte den Kopf schräg und grummelte gedankenversunken: „Ich fürchte, aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hier um das Paradebeispiel einer hyperfuturistischen oder eher extremistischen, bisher nicht eindeutig benannten künstlerischen Stilrichtung. Oder aber deine Tante hat unter Einfluss irgendwelcher Rauschdrogen selbst übermütig den Pinsel geschwungen!“
„Kunst?“, schrie Nele hysterisch. „Woran erkennst ausgerechnet du, es handele sich auch bloß andeutungsweise um professionelle Malerei?“
Ehe die überlagerten Farbschichten von der Leinwand flossen, suchte sie Schutz hinter dem Sessel, in dem Ulf reglos verharrte.
„Weil – ich weiß es nicht!“
„Enorm aufschlussreich!“, gab Nele zynisch zurück. Denn auch nachdem der das vermeintliche Werk mutig in alle Richtungen gedreht und sogar schräg zur durchs Fenster fallenden Wintersonne gestellt hatte, wusste er noch weniger damit anzufangen.
Dafür hatte Nele nach einer weiteren heftigen Schnappatmung letztlich doch die spirituelle Erleuchtung. Schließlich war sie seit Jahren hobbymäßig erprobt in indischem Yoga, traditionellen chinesischen Weisheiten sowie japanischen Haiku-Gedichten. „Ich erkenne eindeutig einsame Kamele, die an einem von Palmen gesäumten See irgendeiner afrikanischen Oase nach einem heißen Wüstentag ihren unbändigen Durst stillen.“
„Hat sich was mit durstigen Kamelen!“ Ulfkam nicht umhin, an ihrem Verstand zu zweifeln. Nie und nimmer war darauf eine Tankstelle für Wüstenschiffe abgebildet. Wenn auf der Leinwand überhaupt irgendetwas auf vorhandenes Wasser hindeutete, dann wohl der dramatische Untergang eines Luxusdampfers auf stürmischer See.
„Tante Ottilie ist bisher nie untergegangen!“, zischte Nele verärgert. „Meines Wissens jedenfalls nicht freiwillig.“
Ulf kam dann doch ein äußerst gewagter Verdacht. „Beabsichtigt deine Tante, uns mit ihrem hinterhältigen Geschenk in den Wahnsinn zu treiben?“
„Weshalb sollte sie etwas derart Gemeines im Sinn haben?“
„Um sich nach unserer Einweisung in eine Anstalt die Wohnung als ständiges Hauptquartier unter den Nagel reißen zu können.“
Wenn Nele für einige Wimpernschläge auch ähnlich gedacht hatte, siegte letztlich die Vernunft. Trotzig entschied sie: Erbtante Ottilie wolle ihnen mit dem Bild einzig und alleine eine Freude bereiten. Wenn diese künstlerisch ausdrucksstarke Darstellung von irgendwas dennoch eher zum Gruseln war!
Erneut stellten sie die Leinwand abwechselnd hochkant, quer, schräg und sogar mit der bepinselten Seite gegen die Tapetenwand – der Sinn oder Unsinn dieser Schöpfung blieb ihnen weiterhin verborgen.
Ein ums andere Mal umrundete Nele das Gemälde, erstarrte letztlich wie in Trance und rief euphorisch: „Dies Bildnis ist bezaubernd schön!“
„Das bedeutet, du weißt ebenfalls nichts damit anzufangen“, knurrte Ulf.
„Ich gebe zu, eine Kiste Kokosnüsse wäre mir auch lieber gewesen“, gestand sie freimütig. Und nach drei weiteren andächtigen Umrundungen glaubte sie, darauf sogar Erbtante Ottilies Konterfei zu erkennen. Wenn auch nicht eben schmeichelhaft.
„Das allein ist ein weiterer Grund, die Hässlichkeit schnell wieder zu entsorgen!“, entschied er. Denn der Gedanke, deren Antlitz starre ihn tagtäglich von der Wand boshaft an, erschreckte ihn mehr als der Untergang eines Luxusdampfers mit durstigen Kamelen als Passagieren im vom Sturm gepeitschten Ozean.
„Aber meine Tante!“, wandte Nele kläglich ein.
„... gilt momentan in der nubischen Wüste als verschollen. Sollte sie irgendwann von umherziehenden Nomaden zufällig aufgegriffen werden, und die sie nicht als ihr Eigentum beanspruchen, kann Ottilie sich bestimmt nicht mehr an den uns überlassenen Schund erinnern. Zu viel Sonne. Zu viel Einsamkeit. Zu viel Sand und nichts als Sand.“
„Hoffen wir das für dich, mein Lieber!“ Ulf machte ihr langsam Angst. Sie mochte sich nicht vorstellen, Ottilie entschiede sich doch für einen Besuch und stände zusammen mit unzähligen Koffern, Taschen, einem Wanderstock und mit ausgeblichenem Filzhut vor der bilderlosen Tapetenwand.
Noch bevor die das Hütchen vom Kopf in den Nacken geschoben hätte, wären die Grieses schon auf ewig enterbt!
Aus diesem folgenschweren Grund wartete Ulf mit der Entsorgung, bis die umtriebige Tante vom anderen Ende der Welt bei ihnen anklingelte und – unterbrochen von unrhythmischen Trommelschlägen – aufgeregt berichtete, die gemeinsame Feier zur Ankunft des Christkindes würde von ihr um ein Jahr verschoben.
Ulf und Nele bedauerten deren Fernbleiben sehr wortreich. Erbtante Ottilie schluchzte ebenfalls.
Sie schien den beiden vermutlich zu glauben. Bedauerlicherweise befand sie sich bereits auf halbem Weg ins tibetische Hochland.
Nele Griese verstand nun, warum die liebe Tante zuvor auf Hawaii Ski fahrend über Lavafelder gerutscht war.
„Und?“, wollte Ulf neugierig wissen. „Schmuggelt sie gerade in ihren Koffern und Taschen tonnenweise Kakao nach Tibet?“
Nele wusste es nicht.
„Wahrscheinlich hält sie auf dem Dach der Welt mit einem Yeti eine ihrer übersinnlichen Geisterbeschwörungen ab“, unkte er feixend.
„Das hoffe ich nun wieder nicht. Weil die ihr dann zuflüstern könnten, was du mit ihrem Bild inzwischen angestellt hast.“ Da die Erbtante sich während des Telefonats mit keiner Silbe nach dem Geschenk erkundigt hatte, war das für ihn wie ein himmlischer Wink, mit dem „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ flinken Fußes zu einem mit ihnen befreundeten Galeristen zu eilen.
Der bestaunte zunächst ebenso misstrauisch und dabei beängstigend schnaufend diese expressionistisch-traumatische Komposition, als er schließlich begann, fürchterlich mit den Augen zu rollen, und den Grieses sogar mit Folter und Tod drohte, würden sie ihm das Bild nicht auf der Stelle überlassen.
„Ich fürchte, Ottilies Dämonen haben den Ärmsten telepathisch mächtig verwirrt!“, spottete Ulf hinter vorgehaltener Hand.
„Das habe ich gehört, du Kunstbanause!“, hechelte der umso schneller.
Noch auf dem Heimweg barmte Nele dennoch unablässig, Erbtante Ottilie verzeihe ihnen den begangenen Frevel nie und nimmer.
Ihr Ärger mischte sich noch weit mehr mit Wut und schierer Verzweiflung, als beide nach den Feiertagen die Einladung zur neuen Ausstellung des mit ihnen befreundeten Galeristen erhielten.
„Dies Bildnis ist bezaubernd schön ...“, hauchte sie mit bebenden Lippen tonlos, als sie vor dem im vergoldeten Rahmen präsentierten Kunstwerk wie erstarrt verharrten.
„Krr stampf kakao dawai schie schen bi ...“, entfuhr Ulf es in dessen Rage, der sich von Neles Erbtante nunmehr erneut auf die hinterhältigste Weise hintergangen fühlte.
Auf der bemalten Leinwand versank nämlich weder ein Leck geschlagener Frachter im Meer noch tranken Kamele in der nubischen Wüste einen Oasenteich leer. Laut Katalog entpuppte der laienhafte Versuch, eine Leinwand mit Farbe zu bewerfen, sich urplötzlich als das seit langem als verschollen gegoltene Glanzstück eines zeitgenössischen afrikanischen Malers mit dem prophetischen Titel: „Der Untergang der korrupten Aristokratie“.
„Awai bil schen schie ...“, heulte Ulf untröstlich auf. „Der Erlös hätte es ermöglicht, uns auf Lebenszeit in der größten ägyptischen Pyramide einzumieten!“
„Kra kra stampf mampf!“, bibberte Nele fiebrig. Zornesrot über die ihr auf tragische Weise verlustig gegangene Altersvorsorge.
„Das sehe ich genauso!“ Beide Hände zu Fäusten geballt, wollte er sich auf den sie schändlich betrogenen Kunstsammler stürzen. Doch der machte sich auf leisen Sohlen schleunigst aus dem Staub.
„Aber meine Tante!“, holte Nele den Wutschnaubenden auf den Boden der unbestreitbaren Tatsachen zurück.
In Ulf reifte währenddessen ein Entschluss, wie er die verfahrene Situation möglicherweise retten konnte. Schon einen Tag danach belegte er mutig einen bildnerischen Kurs für Anfänger in naiver Malerei.
„Ich beweise es dir, in Kürze bin ich viel berühmter als dieser depressive Schmierfink, der es nicht einmal schafft, mit seinen Pinselchen ein Schiffchen zu versenken!“
„Hoffen wir das für dich!“, antwortete Nele staubtrocken. „Falls Tante Ottilie demnächst mitsamt den unzähligen Koffern, Taschen, dem Wanderstock und ihrem verwaschenen Filzhut wie ein Wirbelsturm bei uns hereinschneit, muss zumindest dein dilettantischer Versuch eines eventuellen Unterganges des Abendlandes an der Wohnzimmerwand hängen!“ „Koko aba scho juhu“, schmollte der. Allerdings wünschte