NADIA - Roman Spritzendorfer - E-Book

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Roman Spritzendorfer

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Beschreibung

Man schrieb das Jahr 1937, als Joseph in seinem Postwaggon mit dem Leben davongekommen war. Als Zugbegleiter hatte er oftmals auf einen gefährlichen Streckenabschnitt hingewiesen: Durch Menschenhand war eine künstliche Schlucht gesprengt worden. Dieser eingleisige Schienenstrang verkürzte die Ankunftszeit in der nächsten Stadt. Ein großer Felsbrocken, von hoch oben abgestürzt, versperrte die Ausfahrt in die Prärie. Lokomotive und Waggons waren verkeilt und viele Reisenden litten unter schweren Verletzungen. Joseph half, so gut er konnte. Auch einer jungen Indianerin, die zu ihrem Stamm zurückkehren wollte. Tara wurde später von ihren Stammesbrüdern abgeholt. Auch sie hatte überlebt. Beide wussten noch nicht, wie diese schicksalhafte Begegnung auf ihr Leben einwirken würde. Joseph suchte nach Ablieferung seines Berichtes und seiner Kündigung nach einem Nachtquartier. Noch in der darauffolgenden Nacht begann eine fieberhafte Suche nach ihm. Man war auf der Suche nach geheimen Schriftstücken, die man ihm anvertraut hatte ...

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Roman Moore

NADIA

(Ergänzung zu »Balls of Fire«)

Copyright: © 2020: Roman Moore

Satz & Umschlag: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

Verlag und Druck:

tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

978-3-347-06753-0 (Paperback)

978-3-347-06754-7 (Hardcover)

978-3-347-06755-4 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die

Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Teil I

Kapitel 1

Joseph, Zugbegleiter, war mit dem Tagesablauf zufrieden. Alle Reisenden verhielten sich friedlich, erfreuten sich bester Gesundheit und hofften bald ihre Lieben in die Arme schließen zu können. Während Joseph die Frachtpapiere nochmals durchsah, hörte er das Lachen der Kinder aus dem ersten Waggon, der den Passagieren vorbehalten war.

Doch nach der nächsten Linkskurve kam es zu einem Vorfall, der auch sein Leben für immer verändern sollte. Ein Felsbrocken von beachtlicher Größe war auf die Geleise gestürzt.

Bevor die Bahnstrecke durch das weite Grasland führte, musste sie entweder einen weiten Bogen nehmen oder ein felsiges Terrain queren. Man hatte sich entschieden in diesem felsigen Gebiet eine Bahntrasse zu errichten. Viele Tonnen Fels waren gesprengt worden und hatte einen eingleisigen Schienenstrang errichtet. Dadurch konnte die nächste Stadt früher erreicht werden. Auf einen Überhang hoch oben, war aus Kostengründen verzichtet worden. Und dieser Überhang war auf die Geleise gestürzt und sperrte die Ausfahrt in das Grasland, besser bekannt als Prärie. Oftmals hatte Joseph auf diesen gefährlichen Felsen hingewiesen. Da die Züge jahrelang ohne Probleme diese Strecken passiert hatten, waren den Einwänden von Joseph kein Gehör geschenkt worden. Dazu kam noch seine relativ kurze Zeit seiner Anstellung. Der Lokführer hatte trotz Schnellbremsung nicht die geringste Chance. Dieser Streckenabschnitt tauchte nach einer Linkskurve auf. Dieser Bahnbediensteter und sein Kollege auf dem Tender waren bei diesem Unglück die ersten Toten. Die Dampflok war mit nahezu voller Geschwindigkeit gegen den Felsen geprallt, hatte sich aufgetürmt und die angehängten Waggons waren aus den Schienen gesprungen und lehnten zum Teil schräg an den Felswänden. Der Lokomotivführer konnte sich nicht rasch genug in andere Waggons flüchten. Er wurde erst Tage später unter den Trümmern gefunden. Ebenso sein Kollege.

Der zweite und der dritte Waggon ragten über die Lokomotive empor. Durch den Aufprall war der Kessel der alten Dampflok explodiert und das heiße Wasser hatte seinen Weg gefunden. Zum Teil auch über Personen, die durch den Anprall nicht in der Lage waren, sich aus den Gefahrenbereich rasch zu entfernen. Viele Waggons waren ineinander verkeilt. Die gering Verletzten versuchten aus den Waggons zu entkommen.

Joseph, der im Postwaggon seinen Dienst versah, war zu seinem eigenen Erstaunen nur geringfügig in Mitleidenschaft gezogen worden. Das verdankte er den Baumwollballen, gegen die er geschleudert worden war. Prellungen und Schürfwunden behinderten ihn in seinen Bewegungen.

Der Telegraphendraht war durch den Unfall zerstört worden. Da man in der nächsten Stadt den Unfall nicht kannte, man öfter schon keine Verbindung mit dem Draht erringen konnte, warteten die Menschen geduldig auf das Erscheinen des Zuges. Mit dem Fernglas starrten sie in die Richtung, wo in dem kleinen Gebirge der Schienenstrang im Fels verschwand.

Da nach einer verstrichenen Ankunftszeit um zehn Uhr eine weitere Stunde verstrichen war, schickte der Sheriff Reiter los. Sie sollten sich im Gebiet des Gebirges umsehen, da einige am Bahnhof von einem dunklen Grollen berichtet hatten. Vielleicht haben sie über alle Maßen getrunken gehabt und ihre Bäuche hatten dies mit nicht zu überhörenden Lauten bekundet, dachte sich der Sheriff. Manche, die mit dem Zug weiterfahren wollten witzelten über den Lokführer, ob er nicht wieder zu viel über den Durst getrunken hatte und dadurch außer Stande war, die Fahrzeit einzuhalten. Anderen kamen Bedenken, ob der Zug diesen gefürchteten Streckenabschnitt ohne Probleme passieren konnte. Von immer wieder herabstürzenden Felsbrocken wusste man genug.

Im Zug selbst waren viele Reisende durch herabfallende Gepäcksstücke schwer verletzt worden. Joseph war aus seinem Postwaggon gekrochen und half wie er konnte. Als er zu einem Waggon kam, der aus den Schienen gesprungen war und gegen die Felswand lehnte, hatten alle Reisenden diesen verlassen. Er schien ihm vollständig leer zu sein. Doch er fand eine junge Indianerin, die unverletzt geblieben war und auf einer Bank lag. Sie stand unter Schock. Sie wollte sich nicht bewegen. Sie war die Tochter eines Häuptlings und wollte aus diesem Zug in der nächsten Station aussteigen. Dort warteten ihre Stammesangehörige auf sie. Joseph gelang es sie überreden, den Waggon zu verlassen. Er führte sie dorthin, wo die Prärie begann. Er stellte ihr eine Plane und Decken zum Einwickeln zur Verfügung. Noch während er zu den anderen Reisenden zurückkehrte, kamen die ersten Reiter. Nach kurzer Besprechung kehrte einer sofort um. Dringende Hilfe war erforderlich. Dieser Streckenabschnitt hatte immer wieder Sorgen bereitet und nun war jene Katastrophe eingetreten, an die zu denken man nie gewagt hatte.

Die rasche Anbindung an den Osten war der Eisenbahngesellschaft ein Anliegen gewesen. Nun war aber dieser Streckenabschnitt für einige Zeit unpassierbar geworden. Zu welchem Zeitpunkt wieder ein Zugverkehr aufgenommen werden konnte, waren sich auch nach eingehender Besichtigung die Experten nicht einig.

Auf der kleinen Straße, die um das Bergmassiv herumführte und die nahezu zwei Kilometer entfernt war, standen mehrere Autos. Außer den Fahrern gab es Angehörige der Reisenden, die in der nahen Bahnstation von dem Unglück gehört hatten. Zu den Autos zu kommen bereitete vielen Reisenden zu Fuß große Schwierigkeiten. Sie waren es nicht gewohnt in der Prärie zu gehen.

Auf Pferden zu Reiten, die man gebracht hatte, wollten sie nicht. Sie hatten Angst vor den Tieren. Nur wenige waren bereit, die Pferde zu besteigen. Für die Schwerverletzten musste man auf geeignete Tragbahren warten. Außer dem Lokführer und dem Heizer waren keine Toten zu beklagen. Gegen Mittag desselben Tages waren alle Frauen und Kinder nach einem schwierigen Transport in der kleinen Stadt angekommen.

Einige Männer, leicht verletzt, hatten sich geweigert die Pferde zu besteigen. Sie fürchteten abgeworfen zu werden und dadurch noch andere Verletzungen zu erleiden. Sie lagen immer noch im Gras, wohin man sie nach der Evakuierung gebracht hatte. Diese Männer konnten nicht ohne der Hilfe von anderen Personen alleine gehen.

Tara lag immer noch auf der Plane, die ihr Joseph zur Verfügung gestellt hatte. Ihren Schockzustand hatte sie weitgehend überwunden. Ihre Habseligkeiten befanden sich noch in dem Waggon, den niemand zu betreten wagte. Kaum hatte jemand versucht auf ihn zu klettern, begann er zu schwanken. Das war unglaublich. Immerhin war das Gewicht des Waggons groß genug, um die geringe Belastung eines Menschen auszuhalten. Der Waggon lehnte gegen den Felsen. Sicherlich nicht ausreichend stabil. Die Indianerin wollte ohne ihre bescheidenen Sachen nicht weggehen. In diesen persönlichen Unterlagen befanden sich ihr Ausweis, ihr Dekret über die Berechtigung als Lehrerin zu arbeiten, ihre Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses, einige Bücher sowie eine von ihr verfasste Aufzeichnungen. Diese war gedruckt und in einem kleinen Heft den Büchern angeschlossen. Es beinhaltete Verhaltensregeln, die ein Überleben in freier Natur, fern von jeglicher menschlicher Behausung, Weilern oder Dörfern, gewährleisten sollten. Ohne diesen bescheidenen Habseligkeiten wollte sie den Unglücksort nicht verlassen.

Der Bereich, wo der Zug durch den Felssturz zum Stillstand gekommen war, wurde von Mitarbeitern des örtlichen Sheriffs hermetisch abgeriegelt. Die Befürchtung weitere Gesteinsmassen könnten in die Tiefe stürzen, war nur ein Teil dieser Vorsichtsmaßnahmen. Man wollte auch Plünderern den Zutritt verwehren. Berittenes Militär war angekommen. Die Soldaten übernahmen die Abschirmung. Einige Soldaten hatten auch hoch oben auf dem Bergrücken Stellung bezogen.

Joseph dachte an die wichtigen Papiere, die sich noch im Postwaggon befanden. In dem herrschenden Chaos war es ihm bisher nicht möglich gewesen, diese Unterlagen zu suchen. Tara winkte ihm, als er wieder bei ihr vorbeikam. Sie erzählte ihm von dem Bündel, in dem sie viele wichtige Sachen eingewickelt hatte. Sie befand sich auf der Rückreise zu ihrem Stamm. In dem Bündel habe sie auch ein Schreiben des Gouverneurs versteckt. Ohne diesen Unterlagen würde sie niemals aufbrechen.

Joseph ging zu dem jungen Leutnant, der das Kommando innehatte, stellte sich vor und verwies auf wichtige Unterlagen im Postwaggon sowie auf das Bündel der Indianerin, der niemand Beachtung schenkte. Er ersuchte zu den Trümmern des Zuges vordringen zu dürfen, um die erwähnten Sachen zu holen. Der Leutnant entgegnete, er selbst würde mitkommen. Joseph durchsuchte den Postwaggon, fand was er suchte und der Leutnant wollte zurück. Joseph erzählte ihm nun von der Indianerin, die unbeachtet auf einer Plane lag und ihrem Bündel. Darin würden sich Top-Secret Aufzeichnungen befinden, die möglicherweise auch für das Militär von Interesse wären. Die junge Dame war nach dem Besuch des Gouverneurs direkt zu ihrem Stamm unterwegs gewesen. Diese Aufzeichnungen sollten auf keinen Fall in falsche Hände geraten. Beide drangen zu dem Waggon vor. In einer Decke eingewickelt fanden sie den Ausweis und das Schreiben des Gouverneurs.

Erstaunen bewirkte dieses Schreiben. Vielleicht war dieser Felssturz absichtlich herbeigeführt worden. Immerhin hatte der Überhang jahrelang gehalten. Möglicherweise war dieser Felsbrocken wenige Minuten vor Ankunft des Zuges gesprengt worden. Diese Gedanken kamen dem Leutnant. Ein Geheimnis einem unscheinbaren Wesen anzuvertrauen war eine risikoreiche aber keineswegs schlechte Idee gewesen. Diese Indianerin hatte ein Jahrhundert altes Wissen über Heilkräuter und ihrer Verwendung in einer verständlichen Sprache zum Gouverneur gebracht. Mehr durch Zufall war sie vorgelassen worden. Das Original wollte sie behalten. Nun war sie mit dem Zug auf dem Weg nach Hause. In dieser von Menschenhand gefertigten Schlucht war sie aufgehalten worden. Der Gouverneur hatte ihr versprochen, das aufgezeichnete Wissen prüfen zu lassen und den Armeeärzten zur Verfügung zu stellen. Darüber besaß sie ein Dokument. Sie konnte sich noch an eine Vielzahl von Personen erinnern, die bei der Audienz anwesend waren.

Joseph riet dem Leutnant, während sie über die Trümmer kletterten, kurz bei der Indianerin vorzusprechen. Er soll ihr dieses Bündel persönlich bringen. Tara nahm dankbar das Bündel, überzeugte sich vom Inhalt, nannte ihren Namen und gab dem Leutnant ein Lederband. Sie hatte es um ihren Hals getragen. Im Band waren Knoten geknüpft. Die Bedeutung der Knoten zu erklären fehle es an Zeit. Einst würde es ihm aber weiterhelfen. Obwohl die Indianerkriege schon längst der Vergangenheit angehörten und nicht alle Stämme an einem Strang ziehen würden, einem Weißen, der dieses Band trägt, dem werden sie hohe Achtung zollen. Dann schieden sie.

Der Leutnant gab seinen Kameraden den Befehl auf jeden zu schießen, der sich unerlaubter Weise den Trümmern des Zuges nähern würde. Viele Photographen und Presseleute waren neben jeglichem Gesindel und Schaulustigen eingetroffen.

Sie hatten sich auch über den Höhenrücken genähert. Sie glaubten nicht den Zurufen der Soldaten, sich dem Zug fern zu halten, Folge leisten zu müssen.

Schüsse in die Oberschenkel und Kniescheiben lehrten sie eines Besseren. Für die Presse war dies der Beweis eines Attentates. Ohne Details zu erforschen, kehrten sie dorthin zurück, von wo es ihnen möglich war, einen Bericht zu senden. In einer Sonderausgabe von New York Times wurde am selben Abend von diesem Zugunglück berichtet.

Tara bedankte sich bei Joseph. Von ihr bekam er ein Messer, das in einer Lederscheide steckte, die über und über mit Zeichnungen versehen war. Deren Bedeutungen waren ihm aber fremd.

»Danke, aber ich haben nichts beigetragen. Ich habe sie nur dorthin gebracht, wo der Boden mit weichem Gras bedeckt war. Somit lag die Plane nicht auf einem harten Untergrund. Später konnte ich mich nicht mehr um sie persönlich kümmern.«

»Sie haben sehr viel beigetragen, allen Müttern und Kindern hierher zu helfen und ihnen den Weg zur Straße gezeigt. Als man Pferde brachte, haben sie ihnen geholfen die Pferde zu besteigen. Nicht alle hatten Vertrauen zu den Pferden.«

Zwei Indianer waren mit einem dritten Pferd angekommen und näherten sich Tara. Das ehemals helle Hemd von Joseph war blutverschmiert und seine Uniformhose keineswegs sauber. Sein Haar hing ihm ins Gesicht und seine Erschöpfung konnte man ihn ansehen. Von einem ehemals gutgekleideten Bahnbeamten war nicht viel übriggeblieben. Dennoch entbehrte sein Anblick keineswegs einer schwer zu beschreibenden Würde. Das hatten auch die Pressephotographen empfunden und ihn vielfach abgelichtet. Tara war auf die Indianer zugegangen. Worüber sie sprachen konnte Joseph nicht verstehen. Aber ihr Gehaben deutete Joseph ihm gegenüber als eine wohlwollende Einstellung. Tara hob nochmals ihre Hand und ohne sich umzublicken ritt sie mit ihren Begleitern davon. Nur eine Viertelstunde später traf aus der Gegenrichtung ein Zug ein. Mit ihm folgte umfangreiches Erhebungspersonal und weitere Polizeieinheiten. Einige erklommen den Felsabhang und drangen zu jener Stelle vor, von der der Felsbrocken abgebrochen war. Nicht lange dauerte es und sie hatten Reste einer möglichen Explosion gefunden. Sie sicherten dieses Material und lobten die Umsicht des Leutnants, Menschen vom Zug fernzuhalten. Die Angeschossenen wurden in Gewahrsam genommen und verhört. Auch Joseph musste seine Wahrnehmungen zu Protokoll bringen. Die Untersuchungskommission ließ alle Gepäcksstücke, die man unter den gegebenen Umständen leicht entfernen konnte, mit Nummern versehen. Sie wurden in den angekommenen Zug verladen. Den Felsbrocken, der die Reparatur der Gleisanlagen verhinderte, wollte man unter Vorsichtsmaßnahmen sprengen.

Dieses Vorhaben misslang. Diese eingeleisige Strecke blieb nun für die nächste Zeit, vielleicht auch für Wochen, unpassierbar. Der Tag neigte sich, die Dunkelheit nahm zu. Bewachung, zusammengesetzt aus Militär und Zivilpersonen verblieb.

Der Hilfszug fuhr noch vor der totalen Dunkelheit zur nächsten Bahnstation zurück. Dorthin gelangte auch Joseph. Er verfertigte einen Bericht, fertigte sich eine Kopie an und ersuchte um Weiterleitung. Das Päckchen, das er aus dem Postwaggon gerettet hatte und die Kopie seines Berichtes behielt er bei sich. Dem Bericht hatte er auch seine Kündigung angeschlossen.

Kapitel 2

Er suchte sich ein Nachtquartier. Dieses fand er weit entfernt vom Bahnhof in einem ruhigen Viertel. Er war mit dem angebotenen Essen zufrieden und ging, angekleidet wie er war, zu Bett. Oftmals hatte er auf diesen gefährlichen Streckenabschnitt hingewiesen, der vor der Ausfahrt in die Prärie unter einem nicht gesprengten Überhang durchführte. Dies war aber nie in der Generaldirektion angekommen.

Als er schon im Bett lag, hatte man ihn in allen Beherbergungen und Hotels dieser kleinen Stadt intensiv gesucht. Davon wusste er aber nichts. Man war seitens der Bahngesellschaft hinter dem kleinen Päckchen her, welches er aus dem Postwaggon entnommen hatte. Seine Zimmervermieterin wusste von dem Unglück. Sie dachte sich von Joseph, ein armer Teufel, der ohne Hab und Gut, mit dem Leben davongekommen war. Am anderen Morgen beim Frühstück schlug sie ihm vor, sein Hemd zu waschen.

»Dagegen hätte ich nichts, aber außer diesem Hemd habe ich kein anderes und alle anderen Kleidungsstücke befinden sich noch in dem Waggon, aus dem ich nur mit Mühe entkommen bin.«

»Ich könnte ihnen aus den Sachen meines verstorbenen Mannes aushelfen.«

»Wenn sie das tatsächlich vorhaben, dann würde ich auch darum bitten, das Blut aus meiner Hose zu waschen. Wieviel soll ich ihnen dafür bezahlen?«

»Das Bezahlen hat Zeit, sie scheinen mir ein ehrlicher Mann zu sein. Sie werden mir sicherlich nicht davonlaufen. Was möchten sie zum Mitttagessen? Bis zum Nachmittag werden ihre Sachen wieder trocken sein.«

»Ihren Vorschlag werde ich annehmen, dennoch bekommen sie einen Vorschuss.«

Er holte aus einem kleinen Bündel einige Dollarnoten und reichte sie der Dame.

»Nein, das ist zu viel. Diese Geldsumme habe ich schon lange nicht gesehen. Ich lebe von einer kleinen Rente. Fallweise kann ich ein Zimmer für eine Nacht vermieten.

Die Menschen werden aber immer anspruchsvoller und ziehen lieber in ein Hotel.«

»Behalten sie es, ich habe ein sehr schmackhaftes Abendessen bekommen. Auch gegen das reichliche Frühstück habe ich keinen Einwand. Es ist ein Vorschuss.«

»Darf ich sie nach ihrer Beschäftigung fragen?«

Joseph überlegte ein wenig. Vielleicht hatte er durch Zufall eine Vertraute gefunden. Eines dieser Weiber, die nur darauf bedacht waren, jegliche Neuigkeit überall hin weiter zu erzählen, schien sie nicht zu sein.

»Bevor ich ihnen etwas anvertraue, möchte ich sie darauf hinweisen, es könnte auch für sie gefährlich werden.«

Ohne Erregung blickte sie ihn an.

»Ich arbeitete bei der Eisenbahn. Gestern wurde der Zug plötzlich durch einen Felsbrocken gestoppt. Es ist jene Stelle, wo die Ebene beginnt. Der Lokführer und der Heizer waren sofort tot. Es gab viele Verletzte. Darunter gab es Passagiere, die wesentlich schwerer verletzt worden waren. Ich selbst befand mich im ersten Waggon, in dem Post und Gepäcksstücke neben verschiedenen Waren transportiert werden. Wie durch ein Wunder habe ich nur Abschürfungen davongetragen. Vielen Passagieren war ich behilflich, aus den Trümmern zu entkommen. Ein Lob habe ich von der Bahngesellschaft nicht erhalten. Die Umgebung des Unglücks wurde zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Ein Hilfszug war im Laufe des Tages eingetroffen. Dieser beförderte sicherlich auch Personen von der Versicherungsgesellschaft. Sie haben gestern noch das gesamte Terrain abgesucht. Vom Ergebnis dieser Untersuchung ist mir nichts bekannt.«

»Können sie mir folgen?«

Interessiert hatte sie ihm ohne Unterbrechung zugehört. Er ließ ihr Zeit ihre Gedanken zu ordnen. Ihre rechte Hand führte sie zu ihrem Mund und bedeckte die Lippen. In ihren Augen erkannte er die Angst.

»Sie ahnen nun, was ich erwähnt aber nicht deutlich ausgesprochen habe.«

»Haben sie keine Angst?«

»Angst hat jeder Mensch. Man soll sich aber nicht von dieser Angst beherrschen lassen, sonst ist man verloren. Das habe ich als Cowboy gelernt. Das war ein hartes Leben. Darum suchte ich etwas, von dem ich gehofft hatte, es wäre friedvoller. Das war vor langer Zeit. Mittlerweile habe ich mehr erfahren. Alles ist nur Schein. Wer Näheres kennenlernt, vergisst den Frieden.«

»Ich werde nun gehen und für sie passende Kleidungsstücke auswählen. «

Joseph begann in seinem Bündel zu wühlen und holte jene Unterlagen heraus, die in einer Blechschatulle im Postwaggon transportiert worden waren.

Nach kurzer Zeit wurde ihm bewusst, der Zug hätte nicht in Betrieb genommen werden dürfen. Die Bremsanlagen sowie der gesamte Unterbau waren in einem sehr schlechten Zustand. Das entnahm er neben anderen kritischen Bemerkungen dem Prüfbericht, der nach der Revision verfasst worden war.

Dieser Bericht war für die Versicherungsgesellschaft bestimmt. Weshalb diese detailgenauen Aufzeichnungen neben all der anderen Post, gerade ihm anvertraut worden waren, verstand er nicht. Eines hatte Joseph begriffen, der Zug war absichtlich zerstört worden. Man hatte gehofft, der Prüfbericht wird nie sein Ziel erreichen. Vermutlich war auch sein Tod ins Kalkül gezogen worden. Joseph versuchte diese Erkenntnis zu überdenken. Er verstaute die Papiere wieder im Bündel. Noch während viele Verletzte provisorisch im Gras lagen, kam das Militär und sperrte die Unglücksstelle. Ohne dem zu Hilfe gerufenen Leutnant hätte auch er keinen Zutritt zum Zug gehabt. Es war ihm nun gelungen, diesen Prüfbericht aus der zertrümmerten Blechbüchse zu entnehmen und zu lesen. Auch dem Wunsch der Indianerin war er nachgekommen. Ob die eingetroffenen Versicherungsagenten auch den Platz untersucht haben, von dem der Felsbrocken abgestürzt war, daran konnte er sich nicht erinnern.

Die Zimmervermieterin kam, brachte Hemden, Hosen und einen Überzieher.

»Hoffentlich finden sie für sich passende Kleidungsstücke. Ich werde nun einkaufen gehen. Vielleicht bekomme ich auch eine Zeitung. Bleiben sie ruhig in ihrem Zimmer. Die Eingangstüre werde ich versperren. Mir ist bewusst geworden, nicht nur sie sind in Gefahr. Ich bin es auch. Bei mir haben sie Unterschlupf gefunden.«

Sie nahm seine Sachen und verschwand. Joseph blieb mit den gebrachten Kleidungsstücken allein. Der Reihe nach probierte er die Hemden und Hosen. Die Ärmel der Hemden waren zu lang. Das war kein Unglück. Er konnte sie umschlagen. Die Hosen passten in der Länge, wie auch im Bund.

Ich muss zu dieser Versicherungsgesellschaft, fiel ihm ein. Bis dorthin sind es mindestens drei Tagesritte. Gänzlich allein und ohne Ausrüstung ist das ein nicht ungefährliches Unterfangen. Dieses Unglück war sicherlich geplant.

Seine Vermieterin kam zurück. Mit seinem Aussehen war sie zufrieden. Sie überreichte ihm auch einige Zeitungen und teilte ihm mit, in den Straßen war es ruhig gewesen.

Kapitel 3

In den Zeitungen wurden der Felssturz und von dessen Folgen berichtet. Auch gab es einige Fotos. Keines von ihm. Darüber war er beruhigt. Sollte er weiterhin unerkannt bleiben, wäre dies seinen Plänen nützlich.

In einem anderen Artikel fand er einen Bericht über jene Maschinenhalle, in der der Zug einer Revision unterzogen worden war. Die Maschinenhalle war durch eine Explosion schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Diese Information hatte nur wenige Zeilen. Sie befand sich in jenem Abschnitt der Zeitung, in der man sie leicht übersehen konnte. Das passte gut zusammen.

Der Zug, mit dem ich nach Überprüfung mitgefahren bin, den wollte man sicherheitshalber nicht ankommen lassen und die Prüfstelle war zerstört worden. Man wird somit keine Prüfergebnisse finden können. Der entstandene Schaden wird von der Versicherungsgesellschaft eingeklagt werden.

Die anderen Zeitungen waren voll von Fotos vom Zug und den verzweifelten Menschen. Das konnte man verkaufen. Alle Nichtbetroffenen hatten sich auf diese Zeitung gestürzt. Das letzte Exemplar konnte seine Zimmervermieterin erwischen.

Joseph konnte sich glücklich schätzen. Auch in dieser Zeitung fand er von ihm kein Foto. Er war zu unbedeutend gewesen.

Beim gemeinsamen Mittagessen erzählte Anne-Marie, seine Wirtin, über ihr Leben. Eine Farm habe sie verpachtet. Mit ihrem Mann hatte sie diese sehr lange gemeinsam geführt. Nach einem Tornado waren ihr Mann und ihr Sohn nicht mehr nach Hause gekommen. Der Gebäudekomplex hatte nur wenig Schäden erlitten. Dort wollte sie aber nicht weiterleben. Zu viele schöne Erinnerungen und bittere Stunden würden sie auch jetzt noch treffen. Mit dem kargen Einkommen habe sie sich abgefunden. Sie wisse, was es bedeutet, alleine in einer schwierigen Situation zu stecken.

Dann war sie einige Zeit schweigsam.

Sie begann wieder zu reden. Auf der Farm werden Pferde gehalten, die von Indianern betreut werden. Für Joseph war dies ein bedeutender Hinweis. Anne-Marie hatte längst begriffen, Joseph war ohne sein Verschulden in etwas verwickelt, was er sich nie hatte vorstellen können und befand sich in einer tödlichen Gefahr.

Für Joseph war die Angelegenheit vorerst erledigt. Seine Kündigung war mit seinem Bericht der Bahngesellschaft weitergeleitet worden. Für ihn war es erledigt. Nicht aber für die Versicherungsgesellschaft. Seine früheren Hinweise an die Presse, der Überhang könnte eines Tages die Geleise blockieren, war der Versicherungsgesellschaft nicht verborgen geblieben. Dies führte dazu, ihn nach diesem Ereignis überall zu suchen. Da man ihn nicht finden konnte, entwickelte sich ein Gerücht, er hätte möglicherweise mit der Sprengung zu tun. Dies bewog die Bahngesellschaft einen Versicherungsbetrug zu begehen. Die Versicherungsgesellschaft hatte dagegen schon lange Leute eingesetzt, die das zu verhindern versuchten.

Der Vorarbeiter der Ranch erschien bei Anne-Marie. Er brachte die fällige Rente.

Jim, der Vorarbeiter, hatte von dem Unglück gehört, kannte keine Details. Anne-Marie erzählte ihm von Joseph, der nach der Kündigung Arbeit suchte. Sie erwähnte nur kurz seine ehemalige Tätigkeit als Cowboy. Jim wollte vor einer endgültigen Entscheidung die Meinung seines Chefs wissen. Dieser war seit Wochen in den Bergen unterwegs und suchte nach Wildpferden. Jim willigte ein, Joseph mitzunehmen. Das Pferd, Zaumzeug und Sattel sollte Joseph aber abarbeiten. Joseph war mit dieser Entscheidung einverstanden. Mit seiner neuen Kleidung, die ihm Anne-Marie zur Verfügung überlassen hatte und seiner gereinigten Kleidungen zu einem Bündel geschnürt, in dem sich auch die wichtigen Papiere befanden, gelangten sie zu der Farm. Joseph nahm jede Arbeit an, die ihm Jim zuwies. Die Sprache der Indianer verstand Joseph nicht. Ebenso wenig konnte er auch nicht an ihren Mienen erkennen, wofür sie ihn hielten und was sie über ihn dachten. Nach nur wenigen Tagen war seine Kleidung und auch er selbst voll von Schmutz. Das kannte er bereits. Während seiner Tätigkeit als Cowboy war es ähnlich gewesen. Eine seiner ersten Arbeiten war, die Ställe zu säubern. Sie befanden sich voller Unrat. Angeblich hatten die Indianer dazu noch keine Zeit gefunden. Joseph erfuhr die Ursache. Das Dach war durch einen gebrochenen Querträger einsturzgefährdet. Das sollte man aber so bald als möglich tauschen. Joseph entfernte den Mist, ging zu Jim und meldete den Schaden.

»Der nächste starke Wind würde die Pferde schwer verletzen. Mit Hilfe von zwei Männern müsste das sofort behoben werden.«

In diesem Wortlaut hatte sich bis jetzt noch niemand getraut mit ihm zu sprechen. Zuerst wollte er Joseph zurecht weisen. Er begriff seine eigene Unsinnigkeit, ging mit Joseph sich den Schaden anzusehen.

»Wir nehmen zwei. Das Dach muss aber vorher provisorisch gesichert werden.«

Nach getaner Arbeit betrachtete ihn Jim mit anderen Augen. Joseph nützte die Gelegenheit und erzählte Jim über seine wichtigen Papiere, die er immer noch im Schlafsack in seinem Bündel versteckt hatte. Joseph war noch nie in der Wohnstube gewesen, wusste aber über den Tresor Bescheid. Ohne Details verwies er auf die Kopie des Berichtes, seiner Kündigung und ein Schreiben an die Versicherungsgesellschaft. Die ewige Lagerung im Stroh wäre seiner Meinung nach nicht der geeignete Platz.

»Ich werde diese Urkunden in Packpapier einwickeln, verkleben, mit ihren Namen versehen, im Tresor lagern, dem Boss aber davon Mitteilung machen. Noch etwas, morgen geht es in die Berge.«

Kapitel 4

Joseph vertraute ihm diese wichtigen Papiere an. Er dachte sich, ohne Vertrauen werde ich es nicht weit bringen.

Am nächsten Tag ritten beide in die Richtung der nahen Berge. Jim sprach kein Wort und Joseph wartete ab. Er hatte auch keine Ahnung, was ihm bevorstand. Nach dem ersten kleinen Hügel hielt Jim an. Er deutete Joseph ebenfalls abzusitzen.

Das tat er auch. Jim machte es sich im Gras bequem. Bevor ihm Joseph folgte, fesselte er seinem Pferd die Vorderhufe.

Aber nur in der Weise, daß es in seinem Bedürfnis das Gras zu fressen nicht behindert war. Davonlaufen konnte es nicht. Wohl war ihm nicht in seiner Haut. Sie befanden sich in einer Senke und hatten keinen Überblick auf angreifende Tiere. Jim wollte wissen, was ihn bedrückte. Josephs forschende Blicke nach allen Seiten waren ihm nicht entgangen.

»Wenn uns ein Puma angreift, ist er im Vorteil und eines der beiden Pferde läuft weg.«

Jim deutete auf seinen Colt, den er nun in der Hand hielt.

»Die Winchester befindet sich nun auf ihrem Pferd und dieses wird nicht wild auf den Puma sein.«

»Hier gibt es keinen Puma.«

»Das habe ich auch einmal geglaubt, einen Hengst verloren, meine Arbeit als Cowboy gekündigt und bin zur Eisenbahn gegangen. Ich hoffte auf ein friedvolles Leben. Der Boss hat uns nie mit Gewehren ausgerüstet. Ich hatte ein einfaches Schießeisen, das nichts taugte und einen Puma nicht verjagen konnte. Ein wertvoller Hengst, gejagt vom Puma, stürzte in die Schlucht und war tot. Die Söhne des Farmer hatten Gewehre bei sich. Sie hatten sich in Sicherheit gebracht. Mein Schicksal war ihnen egal. Zuerst wurde mein Pferd angegriffen. Es brach zusammen. Der Colt war bald leer. Das machte die Katze wirklich wild. Sie trieb den begleitenden Zuchthengst in den Abgrund bevor sie verschwand. Ich war derjenige, dem man die Schuld in die Schuhe schob. Lohn habe ich keinen bekommen. Ich musste froh darüber sein, mein eigenes Leben behalten zu haben.«

»Wie gut können sie treffen?«

»Ein wenig bin ich aus der Übung.«

»Wollen sie es mit dem Gewehr versuchen?«

»Wenn sie es mir mit dem Gewehr erlauben.«

Jim war aufgestanden und holte das Gewehr aus seinem aus Leder gefertigten Behälter und übergab es Joseph. Jim deutete auf ein Gebüsch. Joseph sollte versuchen, den obersten Ast zu treffen versuchen. Das Gebüsch war etwa dreißig Meter entfernt. Joseph zielte aber auf einen Ast eines Baumes, der die dreifache Entfernung hatte. Getroffen brach er herunter.

»Die Aufgabe haben sie nicht erfüllt, aber den Ast zu treffen, das habe ich nicht erwartet. Wie hätten sie bei einem heranstürmenden Puma reagiert?«

»Herankommen lassen und ihn im Kopf zu treffen versucht.«

»Ich weiß nicht, was ich von ihnen halten soll. Die Dachreparatur, die war ihre Visitenkarte.

Die Papiere, die sie mit ihnen herumschleppen, die könnten ihr Todesurteil sein. Mit einem unbekannten Gewehr auf etwas in dieser Entfernung zu treffen, das ist sicherlich kein Zufall. Was haben sie vor ihrer Tätigkeit als Cowboy gemacht?«

»Militär – Spezialeinheit als Scharfschütze.«

»Warum haben sie den Dienst quittiert?«

»Ich weigerte mich, auf unschuldige Leute zu schießen, denen man durch Betrug ihr eigenes Land sehr billig unter Zwang abgenommen hatte und die eher zu sterben bereit waren, als ihren Besitz zu verlassen. Ehrliche, teilweise schon alte Leute, Frauen und Kinder. Man hatte unter dem Vorwand eines Aufruhrs das Militär angefordert. «

»Was ist dann passiert?«

»Als ich begriffen hatte, worum es ging, gab ich meinem Pferd die Sporen und bin zu den armen Teufeln übergelaufen. Meine ehemaligen Kameraden haben den Feuerbefehl nicht befolgt. Sie kannten meine Treffsicherheit, in nur wenigen Sekunden mehrere Gegner zu eiminieren. Sie wollten nicht getötet werden. Auch der kommandierende Offizier verzichtete daraufhin, seine Waffe zu ziehen. Dieser Einsatz war schmählich, nicht nur für das Militär. Ein großes Fressen für die Presse. Mich wollten sie in den Arrest stecken. Der Gouverneur bekam Wind davon. Kein Arrest, aber auch keine Belobigung. Auf seine Befragung, ob ich wirklich geschossen hätte, habe ich damals geantwortet:

Wer nie etwas wagt, wird nie etwas gewinnen. Vielleicht hätten auch sie den Hut nehmen müssen. Man muss sich vorstellen, das Militär wird eingesetzt, um ehrliche Leute von ihrem eigenen Land zu vertreiben, gegebenenfalls auch zu töten und das in der USA. Während die wahren Schuldigen in Saus und Braus weiterleben können. New York Times wird sicherlich tagelang ausverkauft sein. Geantwortet hat er mir nicht, aber den Rat erteilt, aus dem Militärdienst auszuscheiden und versuchen Frieden zu finden, was ich versucht habe.«

»Wir werden zurückreiten.«

Die Tage vergingen und Joseph verrichtete die ihm ursprünglich zugeteilte Arbeit. Jim ließ die Erzählung keine Ruhe. Er grübelte und grübelte. Joseph dagegen , lebte die Tage, als ob nichts gewesen wäre.

Vielleicht ist er ein Agent der Versicherungsgesellschaft und ist bei uns untergekrochen. Es muss beim Gouverneur ein Akt unter Verschluss liegen. Jim konnte aber keine befriedigende Antwort finden.

Eine Woche später teilte Jim Joseph den Auftrag, das Haupthaus gründlich zu reinigen. Vorher sollte er sich waschen und andere Kleidungsstücke anziehen.

Die verschmutzten Sachen sollten beim Brunnen verbleiben. Für die Reinigung benötigte Joseph einen vollen Tag.

Am Abend suchte er seine ehemaligen Sachen. Er konnte sie nicht finden und ging zu Jim.

»Diese wurden gewaschen. In einigen Tagen werden sie diese wieder tragen können. Die Kleidung, die sie nun tragen, ist nicht für die Arbeit im Freien vorgesehen. Für heute ist Feierabend.«

Nach dem Essen wollte sich Joseph die Füße vertreten. Er lenkte seine Schritte zu der weit entfernten Koppel. Diese war dreigeteilt.

Seit seiner Anwesenheit auf der Farm war er nun zum ersten Mal in der Nähe dieser Koppel. In dem einen Abschnitt gab es einige Pferde. Darunter auch jenes, das er abarbeiten musste. Der mittlere Teil war der größte. Dieser war frei. Das Gras sollte nachwachsen. Im weit entfernten dritten Teil fand Joseph ein Pferd mit einer Farbe im Fell, das seine Aufmerksamkeit erregte. Das könnte ein Wildpferd sein. Wie hat dieses Pferd den Weg hierher gefunden? Joseph ging zu diesem Teil der Koppel und blieb nahe der Umzäunung stehen. Das Pferd kümmerte sich nicht um ihn. Es sucht sich gemächlich die Grasbüschel und genoss den Frieden. Joseph blieb ruhig und bewegte sich nicht. Er spürte einen Lufthauch in seinem Nacken. Plötzlich hob das Pferd seinen Kopf und zog den ihm unbekannten Geruch des Fremdlings ein. Es blickte zu ihm und kam langsam näher. Joseph blieb dort stehen, wo er vorhin angekommen war. Der Kopf des Pferdes kam über die Abgrenzung. Vorsichtig bewegte nun Joseph seine Hände in die Nähe der Nüstern. Das wurde geduldet. Lange verweilten seine Hände in dieser Stellung. Dann wagte Joseph da Pferd zu berühren. Auch das wurde akzeptiert. Joseph begann es zu streicheln. Joseph wagte es auf seine Nüstern zu küssen. Es ließ sich auch das gefallen. Er wiederholte das Streicheln. Joseph merkte, es wollte zurück. Josephs Hände entfernten sich langsam vom Hals des Tieres. Er blieb aber noch an der Koppel stehen. Das Pferd wendete und kehrte zu dem Platz zurück, von dem es gekommen war.

Das war von einem Indianer beobachtet worden, zu dem Jim großes Vertrauen hatte. Jim hatte diesem den Auftrag erteilt, alles zu beobachten, was dieser Fremde tun würde und darüber zu berichten. Davon wusste Joseph nichts. Er kehrte zu seinem Schlafplatz zurück und schlief bis zum Morgengrauen.

Jim bekam die Information vom Indianer, was er gesehen hatte. Er konnte es nicht glauben. Niemand konnte sich diesem Pferd nähern. Auch der Boss hatte seine Schwierigkeiten. Jim wälzte sich in der darauffolgenden Nacht von einer Seite auf die andere und konnte keinen Schlaf finden. Diese Information war nahezu unglaubwürdig. Für die Farm aber von großer Bedeutung. Joseph könnte über die Umzäunung klettern, ohne Zaumzeug und Sattel das Pferd besteigen und reiten wohin er wollte.

Würde Joseph auf die im Tresor lagernden Papiere wirklich verzichten? Womöglich hat er noch einen anderen Platz gefunden, wo er geheimes Material versteckt hatte.

Wie war sein richtiger Name? Als er endlich eingeschlafen war, folgte ein unruhiger Traum dem anderen. Im Traum erlebte er Joseph, wie er einen aus einer weiten Entfernung anstürmenden Puma näherkommen ließ und durch einen Kopfschuss tötete. Anschließend seelenruhig sein Pferd wendete und die ihm anvertrauten Pferde zur Koppel geleitete. Schweißgebadet wachte er auf und konnte lange Zeit nicht wieder Schlaf finden.