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Jim, Tierarzt in der Armee der US Streitkräfte, verbringt seinen Urlaub in Anchorage, Alaska. Er wollte einmal aus seinem Einsatzgebiet in den Tropen entfliehen und kühlere Gebiete kennenlernen. Da er dafür bekannt war, ohne nähere Details zu kennen gefährliche Unternehmungen erfolgreich durchführen zu können, bekam er die Order, in ein vom Erdbeben zerstörtes Gebiet vorzudringen. Ausgerüstet mit einem Jeep, vollgestopft mit Hightech, wurde er mit einem Hubschrauber losgeschickt. Der Spätherbst 1985 wurde in den gemäßigten Landstrichen keineswegs als gefährlich betrachtet. Ein plötzlich einsetzender Wintereinbruch mit Unmengen von Schnee und Eis veränderte Jims Ansichten über harmlose Einsätze im Norden. Seine Begegnung mit einem jungen Eisbären, der um Nahrung bettelte, beeinflusste auch seine Ansicht über die mitgegebene Technik, die nicht mitspielte. Diese Hightech war in der erbarmungslosen Wildnis völlig sinnlos. Robbenfleisch hatte man ihm nicht mitgegeben. Er mußte sich etwas einfallen lassen …
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Seitenzahl: 396
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Roman Moore
PIHOQAHIAK
wie die Inuit den Eisbären nennen
Copyright: © 2021: Roman Moore
Satz: Erik Kinting – www.buchlektorat.net
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
978-3-347-43189-8 (Paperback)
978-3-347-43190-4 (Hardcover)
978-3-347-43191-1 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Teil I
Angst
Kapitel 1
Die Dunkelheit brach an als Jim endlich den Platz der Blockhütte gefunden hatte. Die ungewohnte Fahrt mit dem Geländewagen, der immer wieder querende kleine Gewässer zu bewältigen hatte, forderte seine Geduld. Vorangegangen war eine Anreise mit dem Hubschrauber. Jim versperrte den Wagen und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Alle Ausrüstungsgegenstände und Lebensmittel waren noch nicht abgeladen worden. Mit ihm hatte er lediglich eine kleine Tasche, die Stablampe und den Schlafsack. Endlich ein Stuhl, ein kleiner Tisch und Frieden. Der Schein der Petroleumlampe verbreitete ein heimeliges Licht. In der Hütte, die für einige Zeit sein Heim sein wird, war niemand lange Zeit anwesend gewesen. Der überall liegende Staub zeugte davon. Nach den ersten Schlucken des brennend heißen Espressos holte er die Karte aus dem Sack. Die Gebiete, die er nun nach dem Erdbeben aufsuchen sollte, waren rotumrandet eingezeichnet worden.
Man schrieb den Spätsommer 1985, ein plötzliches Erdbeben hatte viele Gebiete zerstört, die nur mit kleinen Flugzeugen erreicht werden konnten. Auch die Funkverbindungen waren unterbrochen worden.
Jim war bekannt, sich in vielen Situationen zurecht zu finden. Er sollte in diese Gebiete vordringen und Bericht erstatten. Man vertraute auf die herrschenden Wetterbedingungen, packte das Nötigste zusammen und wurde mit einem Jeep losgeschickt, der mit Hightech der letzten Technologie versehen worden war.
Vor vielen Jahren hatte ein ehemaliger Kamerad hier in dieser Holzhütte bis nahe zu seinem Lebensende die Jahre verbracht. Diese Hütte lag in der Nähe des durch Erdbeben schwer in Mitleidenschaft beeinträchtigten Gebietes. Regelmäßig war der Zustand dieses Gebäudes in all den Jahren überprüft worden. Nun war es für einige Zeit sein Heim.
Er prüfte den Holzvorrat für den kleinen Ofen, verzichtete auf großartige Säuberung, überließ es der im Jeep installierten Technologie seine Ankunft zu melden und kroch in den Schlafsack. In dem einzigen Raum gab es zu dieser Zeit eine nahe dem Gefrierpunkt liegende Temperatur. Türe und Fenster waren verriegelt, somit stand einem wohltuenden Schlaf nichts im Wege. Er konnte nicht einschlafen. Seine Gedanken wanderten zurück in die Zeit der High School.
Seine vielfache Begabung hatte niemals zu einem Erfolg beigetragen. Es war ihm zuwider, sich den Ansichten des Lehrkörpers zu unterwerfen. Einigen seiner Mitschüler war dies egal. Sie krochen dem Vortragenden in den Arsch. Dafür erhielten sie gute Noten und wurden auch freundlicher behandelt. Jims Großvater, der sich mit einer Ranch und Pferdezucht seinen Lebensunterhalt verdiente, war für Jim ein achtenswerter Mann. In den Ferien lernte Jim den Umgang mit Pferden. Empfindsamkeit und Respekt den Tieren gegenüber erlaubten Jim auch jene Pferde zu besteigen, an die sich andere nicht heranwagten. Kleine Reparaturarbeiten übernahm sein Großvater mit seinen Mitarbeitern und Jim erwarb jene Fachkenntnisse, die dem Vortragenden in der High school fremd waren. Wer kein Diplom oder einen Doktorgrad sein Eigen nannte, war von vielen Professoren nie akzeptiert worden. Für Jim war dies unverständlich. Seine Mutter mühte sich ab, ihm diese Schule zu ermöglichen. In ihrem Sinn sollte er es im späteren Leben bequemer haben.
Jim stand vor dem Diplom, wurde aber nicht zu dieser Prüfung zugelassen und musste Wiederholen. In den darauffolgenden Ferien fand Jim durch das Ableben seines Großvaters und dem Verkauf der Ranch eine andere Beschäftigung. Mit dem neuen Führerschein verdingte er sich als Auslieferer verschiedener Waren. Der Sprung in das kalte Wasser des Kommerzes nahm Einfluss auf sein Verständnis des täglichen Lebens. Zurückgekehrt zur Schule war nichts mehr wie früher. Seine Lehrer und neuen Mitschüler erschienen ihm noch seltsamer als je zuvor. Die Schulnachricht an seine Mutter, in der zwischen den Zeilen deutlich zu lesen war, es wäre alle Mühe vergebens gewesen, wenn ihm nun das Diplom nicht gelingen würde, verursachte ein Umdenken. Der Verkauf in den Ferien, in dem manche Waren durch intensive Werbung als das Nonplusultra gelobt worden waren, deren Überprüfung man aber den Käufern überließ, fanden in Jims Gedankengänge Platz. Das Diplom konnte er erwerben. Sein Traum Tierarzt zu werden schien jedoch in eine noch weitere Entfernung entwichen zu sein. Nach dem Ableben seiner Mutter eröffnete ihm der Sachverwalter, er könnte das Studium zum Tierarzt beginnen und auch vollenden. Die einzige Bedingung war, fleißiges Lernen und sich den Gegebenheiten anzupassen. Für seinen Lebensunterhalt und die Studiengebühren sowie den damit verbundenen praxisorientierten Abschnitten gäbe es von einem nicht genannten Gönner ausreichend Geld. Er sollte das überdenken.
»Wird das Geld auch bis zum Abschluss reichen?« war damals seine neugierige Frage gewesen.
»Es wird.« Jim zögerte nicht und folgte dem Vorschlag.
Getrieben von dem Wunsch Tierarzt zu werden und seinen Gönner nicht zu enttäuschen bekam er sein Doktorat.
Noch bevor er seinen erlernten Beruf auszuüben begann, wollte er die Grundausbildung bei der Armee hinter sich bringen. Während dieser Militärdienstzeit Zeit schwieg er sich über seine Hochschulausbildung aus.
Fast am Ende seiner Militärzeit begegnete ihm im Areal der Kaserne ein Offizier mit einem Pferd, dessen rechter Hinterlauf einen Hinweis auf Schmerzen zeigte. Der Offizier ritt Jim entgegen und als er nahe genug war, nahm Jim Haltung an, grüßte und sprach den Reiter an. Jim war ein einfacher Soldat und trug auch keine Rangabzeichen. Was Jim aber erstaunte, der Offizier hielt an. Das Pferd setzte seinen rechten Hinterlauf nur vorsichtig auf den Boden auf. Das bestätigte Jims Verdacht. Er sprach darüber zu dem Offizier. Dieser sprang ab und besah sich, was Jim ihm erzählt hatte.
»Sir, wenn sie es mir erlauben, werde ich mir den Hinterlauf ansehen. Vielleicht kann ich die Ursache erkennen.«
Der Offizier, schon erstaunt über die Kühnheit, von einem einfachen Soldaten angesprochen zu werden, erlebte nun die Überraschung seines Lebens.
Jim näherte sich vorsichtig dem Pferd. Das wurde geduldet. Er hob vorsichtig seine Hände zu den Nüstern. Auch das wurde akzeptiert. Dann begann Jim das Pferd zu streicheln. Auch hier erlaubte es das Pferd. Daraufhin ging Jim zum Hinterlauf, der nicht ganz auf dem Grasboden ruhte. Jim streichelte den Lauf.
Das Zucken bestätigte Jim einen Schmerz im Hufbereich. Vorsichtig hob er den Huf an und konnte einen Nagel erkennen, der tief neben dem Eisen eingedrungen war. Vorsichtig setzte er den Lauf wieder ab. Er erzählte, was er gesehen hatte.
Auf der Straße kam ein Jeep mit zwei Chargen entgegen. Jim winkte dem Fahrer anzuhalten. Dem folgte der Fahrer nur mit Widerwillen.
Man wollte die Ursache kennenlernen. Der Anblick des Offiziers ließ den Widerwillen vergessen. Jim fragte nach dem Werkzeugkasten. Er suchte nach einer passenden Zange, fand aber nur einen Seitenschneider. Den entnahm er und ging wieder zum Pferd. Das Tier stand immer noch ruhig. Jim hob wieder den Hinterlauf und entfernte den Nagel. Er bedankte sich bei den Chargen für die Hilfe, übergab ihnen den Seitenschneider, ging zum Offizier und brachte ihm den Nagel.
»Eine Wundsalbe sollte unbedingt auf jenen Bereich gestrichen werden, aus dem ich den Nagel entfernt habe. Einer Entzündung des Laufes sollte sie entgegenwirken. Das Pferd wird gesund werden und sie werden weiterhin mit dem Hengst viel Freude haben.«
Sprachlos war der Offizier dem Vorgang gefolgt.
»Niemand darf sich Bronco unerlaubt nähern.
Allein schon ihr Erkennen eines unsicheren Auftrittes des Hinterlaufes hat mich erstaunt. Dazu ihr Mut mich anzusprechen. Mehr noch, wie sie sich Bronco genähert haben und akzeptiert worden sind. Sie haben keine Rangabzeichen. Sie sind auch nicht der Jüngste. Wie ist das alles möglich?«
»Bis jetzt habe ich mich über meine Fachausbildung als Tierarzt ausgeschwiegen und wollte die Grundausbildung als Soldat kennenlernen.«
»Warum über eine Fachausbildung schweigen?«
»Ich wollte keine andere Behandlung als alle anderen, die sich zum Militär gemeldet haben. Mein Alter hat oftmals dazu geführt, dringliche Fragen beantworten zu müssen. Diese Fragen konnte ich beantworten. Oftmals gab es Gelächter der Zuhörer. Das hat mich nicht getroffen. Eines habe ich erlernt. Einem Befehl musste man gehorchen. Als Tierarzt beim Militär möchte ich nicht dienen. Auf die Empfindsamkeit der Tiere würde man keineswegs in der Form eingehen, die sie aber verdienen. Sir, darf ich sie an die Wundsalbe erinnern. Ihr Pferd wird ihnen dankbar sein.«
Der Offizier lächelte und salutierte.
»Danke«
Auch Jim hatte Haltung angenommen und grüßte militärisch. Jim setzte seine Schritte zur Unterkunft fort. Es war ein Sonntag und viele seiner Kameraden hatten die gute Witterung genützt und waren mit ihren Freundinnen unterwegs. Jim hatte keine feste Beziehung und die wenigen Studentinnen, die mit ihm das Doktorat erworben hatten, waren in festen Händen.
Als er in der Unterkunft verschwinden wollte, wurde er vom Adjutanten des Generals angehalten und zum Folgen aufgefordert.
Sie gelangten in das Kommandogebäude, wo er noch niemals gewesen war. Die Wachen salutierten wie gewohnt. Vor einer Türe musste sich Jim gedulden. Minuten vergingen und er wurde von einer jungen Dame angesprochen und weitergeleitet.
In den Raum, den er betrat, saßen in einem Halbkreis mehrere Offiziere, die Zigarren rauchten. Jim nahm Haltung an und grüßte. Er durfte bequem stehen. Einer in deren Mitte sprach Jim an, erwähnte die Danksagung seines Freundes und wollte wissen, warum er nie über seine Fachausbildung gesprochen hatte.
»Sir, meinen Grundwehrdienst wollte ich noch unbedingt abdienen. Ich habe sehr viel dazugelernt. Geld für eine Praxis habe ich nicht. Mein Traum, Tierarzt zu werden ist mir aber in Erfüllung gegangen. Meine Hochschulausbildung ist mir von jemanden bezahlt geworden, den ich nicht kenne.«
Aus dem Nebenzimmer war ein Hund gekommen, der sich Jim sofort mit Schwanzwedeln näherte. Jim war ohne Hemmungen in die Hocke gegangen und begrüßte den Hund.
»Also mit meinem Hund haben sie sich auch schon verbrüdert. Das gelingt aber nicht jeden.«
Das wurde von den anderen mit Schmunzeln betrachtet. Jim war wieder aufgestanden.
»Nächstes Monat ist ihre Grundausbildung abgeschlossen. Wenn sie nicht beim Militär verbleiben wollen, vielleicht gibt es eine andere Gesellschaft, wo sie willkommen sind. Befehle müssen sie aber auch dort befolgen.«
Damit war Jim entlassen. Er grüßte, machte eine Kehrtwendung und verließ den Raum.
Befehlen zu folgen waren die Worte gewesen. Das hatte Jim nie vergessen.
Nach dem Militär versuchte Jim eine Anstellung zu finden. In den zahlreichen Antwortschreiben war auch eine Einladung der CIA. Ohne irgendeine Ahnung was ihn erwarten würde, kam er der Einladung nach. Eine weitere Ausbildung würde auf ihn zukommen. Sollte er die Abschlussprüfung bestehen, würde man ihm ein Probejahr anbieten. Einer speziellen Ausbildung müsste er aber zustimmen. Sein Fachwissen als Tierarzt könnte ihm dabei behilflich sein. Die Anordnungen, die er zu befolgen hatte, kamen Jim erträglich vor. Er unterschrieb.
Die ersten Jahre mit den weniger gefährlichen Einsätzen waren bald vorüber. Dann wollte Jim in einer ihm unbekannten Landschaft seinen Urlaub verbringen. Die Wahl fiel auf Anchorage. Nach einer Woche Eingewöhnung, kam mit einem Wettersturz auch das Erdbeben. Man hielt ihn für den geeigneten Mann und schickte ihn los.
Die Müdigkeit ließ Jim die Augen zufallen. Den aufkommenden Sturm bekam er nicht mit. Mitten in der Nacht wachte er kurz auf, drehte sich um und schlief weiter bis in die Früh. Im Schlafsack war es warm, doch in den kleinen Raum gab es nicht mehr als Minus 5 Grad Celsius. Die Kälte bekam er zu spüren, als er aus dem Schlafsack kroch. Draußen heulte der Sturm und innerhalb der Hütte war es stockdunkel. Er nahm die Stablampe und entfachte den Docht der Petroleumlampe an. Da er am Abend nichts zu sich genommen hatte, spürte er das Verlangen nach etwas Essbarem. Vorerst musste aber der Ofen mit den wenigen Scheitern gefüttert werden. Das gelang. Mit der Wärme und dem Schein der Lampe wunderte er sich über das dämmrige Licht in der Hütte. Das Fenster war durch etwas außerhalb der Hütte verdeckt. Er bereitete sich das karge Frühstück vor und der Espresso half zu einem weiteren Wohlbefinden. Im Raum, der bescheiden eingerichtet war, wurde es wärmer. Mit dem Wasservorrat, den er am Abend noch aus dem Jeep geholt hatte, musste er sorgfältig umgehen. Dennoch gönnte er sich eine Rasur. Anschließend wollte er zum Jeep. Der Sturm hatte sich gelegt, einzelne Böen gab es dennoch.
Bevor er aber nach draußen ging, streifte er seine vorbereitete Winterkleidung über. Er prüfte den Colt und steckte ihn in den Gürtel. Den Colt zu prüfen war eine Gewohnheit geworden, auf die man in der Ausbildung Wert gelegt hatte.
Kapitel 2
Die Fellhandschuhe steckten in den Taschen des Überrockes. Wenn es schon in der Hütte Minusgrade gegeben hat, wieviel werden es draußen sein? Sicherlich weniger. Die Türe zu öffnen gelang ihm nicht. Vermutlich ist ein größerer Ast in der Nacht vom Baum gerissen worden. Während er noch mit größerer Gewalt die Türe öffnen wollte, konnte er durch einen Spalt den Schnee erkennen, den der Sturm zu einer Wechte geschichtet hatte. Er drückte auf die Türe soviel er konnte, der Spalt wurde größer und er gelangte ins Freie. Unter der Wechte war der Jeep verschwunden. Die Wechte reichte bis zum Dach. Das kleine Fenster war zugeweht.
Der Hubschrauber, der ihn am vorangegangenen Tag über die Ausläufer der Snowcap Mts. mit der höchsten Erhebung von 2713 Metern gebracht hatte, war noch vor dem Blizzard wohlbehalten in Anchorage eingetroffen. Unmittelbar nach seiner Landung verwandelte ein Eisregen die Landebahnen in jenen Zustand, den sich keine Piloten wünschen, jemals zu begegnen. Anschließend legte der Blizzard richtig los. Manche Autofahrer verbrachten die Nacht im Auto. Dort waren sie einigermaßen geschützt.
Im Büro von der CIA hoffte man, Jim würde es hoffentlich bis zur Hütte geschafft haben. Seine Meldung über seine Ankunft war nie eingetroffen.
Jim kehrte in die Hütte zurück, holte ein Thermometer und prüfte die Außentemperatur. Gerade dort, wo er den Jeep abgestellt hatte gab es den meisten Schnee. Das Thermometer zeigte ungefähr Minus 10 Grad. Auf einen längeren Aufenthalt im Freien, konnte er verzichten. Die Schneewechte hatte auch eine positive Seite. Die Kälte setzte der Batterie weniger stark zu. Der Jeep musste entladen werden und die mitgegebenen Ketten sollten montiert werden. Einfacher für zwei Mann, sowie ein Untergrund, der den angehobenen Jeep in der Höhe hielt. Jim holte sich eine Schaufel und entfernte den Schnee. Er brachte den Jeep auf die andere Seite. Rechtzeitig bevor wieder heftiger Schneefall einsetzte.
Zurückgekehrt in die Hütte wartete er einige Zeit, doch der Schneefall hielt an. Er entschied sich Nahrung und Ausrüstung aus dem Jeep in die Hütte zu bringen. Nachdem er auch die medizinische Ausrüstung heil in der Hütte verstaut hatte, suchte er nach einer Möglichkeit auf das Dach zu gelangen. Der Rauchfang musste freigeschaufelt werden.
Im Fußboden der Hütte gab es einen Abgang in die Tiefe. Vermutlich war das der Kellerbereich. Mit der Stablampe in der Hand ging es hinunter. Eine weitere Petroleumlampe spendete ausreichend Licht. Er fand die trockenen Holzscheiter für den Ofen, Kochgeschirr und eine Leiter. Die holte er hinauf und legte das Fenster sowie den Rauchfang frei. Anschließend bereitete er sich ein warmes Essen zu.
Nach dem Mittagessen startete er den Jeep und versuchte über das Display eine Verbindung aufzubauen. Doch das gelang ihm nicht. Zurück in die Hütte, versperrte er die Türe und stieg wieder in den Keller hinunter. Nach genauer Durchsuchung fand er ein uraltes Funkgerät. Mit dem allein war es nicht getan. Ohne einem hohen Mast und einem Generator war das Funkgerät nutzlos. Er suchte weiter. Er dursuchte den Keller und fand, geschirmt unter Abdeckungen, einen Generator. Daneben, Teile eines zerlegten Mastes. Ohne den montierten Ketten war ein Weiterkommen nicht möglich. Die Funkverbindung noch vor dem Abend fertigzustellen schien ihm wichtiger als die beschwerliche Arbeit der Kettenmontage. Den zerlegten Mast aufzurichten gelang ihm noch vor Einbruch der Dunkelheit. Nun sollte der Generator auch funktionieren. Jim schleppte den Generator die steilen Stufen hoch. Der Reservekanister stand daneben. Das Glück war ihm hold. Er sprang an und lieferte Strom. Damit stand einer Verständigung nichts im Wege.
Kurz berichtete er die Wettersituation, den Aufbau der Antenne und den Betrieb des Funkgerätes. Dann holte er den Generator wieder in die Wärme der Hütte. Auf die Spuren im Schnee, die nach der Mastaufstellung deutlich zu sehen waren, hatte er nie geachtet. Als er den Generator in die Hütte schleppte, fielen sie ihm auf. Sie deuteten auf einen Eisbären hin. Verschwitzt und übermüdet maß er ihnen keine Bedeutung zu. Vermutlich sind es Spuren eines anderen Tieres. Mit diesen Überlegungen kehrte er in die Hütte zurück und verriegelte die Türe.
Der Schein der Petroleumlampe, die entfachten Scheiter im Ofen und vor ihm der Espresso lenkten seine Überlegungen, wie er die Ketten montieren sollte, ab. Der Jeep musste auf festem Untergrund stehen. Das Risiko unter dem Jeep zu liegen zu kommen und nicht mehr hervorkriechen zu können war groß. Mit einem Wintereinbruch hatte man nicht gerechnet. Die Ketten aus widerstandsfähigen Kunststoffmaterial waren im Jeep serienmäßig in dem untersten Teil des Kofferraumes hinterlegt worden. Sie zu montieren war nie vorgesehen worden. Vielleicht gibt es draußen einen Untergrund aus hartem Gestein, waren seine Gedanken während der Zubereitung des Essens.
Nach dem Abendessen stieg er wieder in den Keller. Er dursuchte ihn genauer und fand in einer Kommode zahlreiche Bücher. Darunter eine Bibel. Alle Bücher waren voll von Staub. In der Bibel war ein Brief eingeklemmt.
Der Brief war an einen Jim gerichtet. Das bin sicherlich nicht ich, musste er denken als er das Siegel erbrach. Die wenigen Zeilen belehrten ihn eines Besseren. Der unbekannte Schreiber hatte diesen Brief vor zehn Jahren verfasst. Der Brief war an ihn gerichtet. Jim wunderte sich, weshalb niemand vor ihm die Bücher beachtet hatte. Sicherlich war einmal im Jahr jemand zur Kontrolle der Hütte vorbeigekommen.
Lieber Jim!
Sicher bin ich mir nicht, ob Du jemals zu dieser Behausung vordringen wirst. Auch nicht, ob Du dir die Bücher ansehen wirst. Wenn deine Mutter mich niemals erwähnt hat, erlaube mir, mich vorzustellen. Aufgewachsen bin ich in West Virginia und kannte deine Mutter vom Sehen. Damals wohnte ich in der Nachbargemeinde. Von deinem Hund Blacky hat sie mir oft erzählt. Nach dem Tode deines Vaters wollte sie niemals wieder heiraten. Schon gar nicht jemanden der ewig auf den Schiffen der Navy diente. Nach Ende des Vietnamkrieges habe ich in der Gemeinschaft eine andere Funktion erhalten. Mein rechter Arm wurde durch eine Prothese ersetzt und schießen lernte ich mit der linken Hand. Damit war ich nicht mehr derjenige, der unversehrt in den Krieg gezogen war. Der Kontakt zu deiner Mutter ist nie abgerissen. Ich erfuhr über deine Tierliebe und den Wunsch Tierarzt zu werden. Zu deiner Ausbildung steuerte ich bei. Ich verbot deiner Mutter davon zu sprechen. Vorsorge traf ich auch beim Notar. Du solltest deinen Traum erfüllen können, aber zielgerecht darauf lossteuern, das war meine Idee gewesen. Der Bericht über deinen Lernerfolg hat mir viel Freude bereitet.
Warum habe ich Blacky erwähnt? Du hast ihn in einer Holzkiste begraben. Die Gedanken sollen dich an eine Kiste denken lassen, die hier vergraben ist. 43“ lang, 40“ breit, 12“ hoch. Sie liegt 100“ tief. Multipliziere alle Zahlen mit zehn. Aber den Platz musst Du selber finden. Wenn das Siegel nie geöffnet worden war, dann gibt es die Kiste. Wer soll sich in dieser Einöde auch für eine Bibel interessieren. Du kannst sicher sein, daß die Kiste noch im Keller ruht. Ich kehre nun im Herbst nach Anchorage zurück. Einen weiteren Blizzard möchte ich hier nicht erleben. In der Kiste findest Du weitere Hinweise für einen Stollen, in dem ein relativ einfacher Abbau zu einem Vermögen beiträgt.
In dieser Hütte habe ich viele Jahre meiner Pension verbracht.
Du hast noch drei Jahre bis zu deiner Dissertation. Das werde ich vermutlich nicht erleben. Das Land, wo sich der versteckte Stollen befindet, ist auf deinem Namen grundbürgerlich eingetragen.
In Liebe John
Jim las den Brief mehrere Male. Seine Gedanken schweiften zurück zu seinen Eltern und der Farm. John hatte seine Mutter sicherlich sehr gern gehabt und über ihre bescheidenen Einkünfte gewusst. Auch über die Aufgabe der Farm.
Die alte Eiche wird vielleicht noch stehen, wenn sie nicht einer Verkehrsanbindung weichen musste. Der Gedenkstein an Blacky könnte vielleicht noch existieren. Das wäre im nächsten Urlaub eine Reise wert. Wo aber hat John die Kiste vergraben? Der Keller steht auf der einen Seite nahe zu einem Felsen. Auf der anderen Seite gibt es große Baumstämme und darüber lockeres Erdreich. Jim entschied sich, sein Glück bei der Seite des Felsens zu versuchen.
Zwei Stunden waren vergangen und Jim war schweißgebadet.
Im Keller lag das ausgehobene Erdreich, in dem sich große Steine befanden. Nach einer weiteren Stunde vernahm er den Klang von Metall. Nun hielt ihn nichts mehr zurück. Unter einer Metallplatte gab es die Kiste. Diese zu öffnen war im Vergleich zum Graben weniger anstrengend. Darinnen fand er einen Plan, eingewickelt in wasserfestes Papier und darunter Werkzeuge, die Goldsucher verwendeten. In einem kleinen Sack zwei Nuggets beachtlicher Größe.
Den Rest des Tages verbrachte er damit das Loch wieder zu füllen.
Die Kiste mit den Werkzeugen wurde weniger tief vergraben. Der Brief, der Plan und der Sack mit der Blechdose und den Nuggets kam zu seiner Ausrüstung. Dazu legte er einen Vermerk:
Sollte er aus unbekannten Gründen nicht mehr zurückkehren können oder aus anderen Umständen nicht mehr am Leben sein, möge man der Bevölkerung oder denjenigen, die noch am Leben waren, mit den beiden Nuggets ihr Leben erleichtern.
13 September 1985
Jim Hanson
Jim säuberte den Keller und ging schlafen. Das Anlegen der Ketten war für den kommenden Tag geplant.
Am kommenden Morgen gab es für Jim einige Überraschungen. Noch während des Frühstücks hörte er ein Kratzen an der Türe. Dem maß er keine Bedeutung bei. Als er sich nach Säuberung des Geschirrs für die Kettenmontage vorbereitete, wiederholte sich das Kratzen. Also kein Wind, der einen abgefallenen Ast an der Tür bewegte. Nach Öffnung eines Spaltes erblickte er die Tatze eines Eisbären. Der Eisbär war nach weiterer Öffnung der Türe zurückgewichen. Etwa zehn Meter weiter stand er auf seinen Hinterbeinen und schlug aufrechtstehend die beiden vorderen Pranken zusammen. Jim war sich nicht sicher, aber vielleicht hatte er Hunger. Es war ein junges Tier. Hatte er seine Mutter verloren? Wie war er bis hierher gekommen?
Der Platz der Hütte war sehr weit weg vom Meer. Jim holte eine Schüssel, erwärmte den Schnee und schüttete aus seinem Vorrat Trockenmilch hinein. Als das Wasser warm geworden war prüfte er es mit seinem Finger und öffnete vorsichtig die Türe. Nun saß der Bär auf seinen rückwärtigen Tatzen und schaute erwartungsvoll auf ihn. Jim wagte sich hinaus, die Schüssel in seiner linken Hand und den entsicherten Colt in der Rechten.
Nahe der Hütte stellte er die Schüssel in den Schnee und ging vorsichtig nach rückwärts schreitend wieder zur Türe. Der Eisbär näherte sich der Schüssel und begann die warme Milch zu schlecken. Den Colt zu nehmen, das war Unsinn gewesen. Der Eisbär hatte nicht die Absicht gehabt ihn zu verletzen. Jim konnte es nicht begreifen. Als die Schüssel leergeleckt war, richtete sich der Eisbär wieder auf und winkte ihm mit seiner rechten Tatze. Dann lief er weg. Wenn ich das jemanden erzähle, werde ich sicherlich die Lachenden nicht auf meiner Seite haben. Die Kommentare konnte er schon hören. Fern der Zivilisation, Schneechaos und Alkohol führen oft zu unerklärlichen Hirngespinsten.
Der Jeep musste hochgehoben werden. Er startete den Jeep und rollte ihn dorthin wo unter den rückwärtigen Räderpaaren der Untergrund aus felsigem Gestein bestand. Die aus synthetischem Material gefertigten Ketten über die hintereinanderliegen Räderpaare aufzuziehen gelang mit Mühe.
Was Jim nicht wusste, da er auf die Umgebung der Hütte nicht achtete, war der Eisbär. Dieser schaute ihm zu, wie er sich abmühte und ins Schwitzen geriet. Ein Rudel Wölfe hatte sich genähert. Doch der Eisbär war ihnen im Weg. Den Eisbär anzugreifen wagten sie nicht. Für die jungen Wölfe war der Eisbär zu groß.
Als nun die eine Seite mit der Kette ausgestattet war, gönnte sich Jim keine Pause. Wieder hatte es zu schneien begonnen. Der Jeep wurde nun auf der anderen Seite hochgehoben und die Montage fortgesetzt. Als auch das vollendet war, ließ er den Jeep wieder auf den Boden, verstaute die Hilfsmittel im Kofferraum und wollte zur Hütte zurück. Auf dem halben Weg konnte Jim den Eisbären sehen, wie er wieder auf seinen Hinterbeinen stand und die vorderen Pranken zusammenschlug. Und hinter dem Eisbären hatten sich die Wölfe mit erheblichem Abstand im Schnee gemütlich gemacht. Jim schritt ohne Furcht Richtung Türe und grüßte den Eisbären mit Hi. Er holte wieder die Schüssel, füllte sie mit Schnee und als das Wasser warm genug war, kam neuerlich eine Packung Trockenmilch in die Schüssel. Zur Vorsicht war die Tür verschlossen worden. Nach einer Öffnung mit einem Spalt konnte er nicht weit entfernt den Eisbären sitzen sehen. Jim ging dem Eisbären weiter entgegen und stellte die Schüssel in den Schnee. Dann ging er wieder rückwärts zur Hütte und betrachtete den Eisbären beim Schlecken. Jim konnte es nicht glauben. Die Wölfe, die sich angeschlichen hatten, waren nicht nähergekommen.
Dem Eisbären verdankte er sein Leben. Wenn er wiederkommt habe ich außer der wenigen Trockenmilch kein Fleisch.
Nach dem Mittagessen gab er über Funk seine Begegnung mit dem Eisbären durch.
»Vieles habe ich in der Ausrüstung gefunden, Robbenfleisch auch im getrockneten Zustand wäre nun passender als dieses Hightech-Display, das nicht funktioniert. Den Wintereinbruch konnte man nicht vorhersehen.
Wölfe habe ich nun auch als unmittelbare Nachbarn. Morgen werde ich versuchen dorthin zu fahren, woran mich der Blizzard bisher gehindert hatte.«
Am Abend suchte er noch alles zusammen, wovon er glaubte, daß es ihm nützlich sein konnte. Bei Morgengrauen wollte er aufbrechen. Das Einschlafen fiel ihm schwer. Während seiner Ausbildung hatte er es vielfach mit größeren Tieren zu tun gehabt. Raubtiere aus der Arktis hatte es nie gegeben.
Kapitel 3
Überraschenderweise war es wärmer geworden. Es gab Windstille und keinen Schneefall. Er folgte dem Lauf des Flusses, der wenig Wasser führte, überquerte ihn bei einer ihm günstig erscheinenden Gelegenheit und kam auf ein schneearmes Gebiet. Der Untergrund aus Schotter verlangte zu einem vorsichtigen Fahren. Bald gab es wieder eine Unterlage mit Schnee. Nach Überwindung des nächsten Hügels, ging es wieder bergab. Große Felsblöcke musste er umfahren. Eine kurze Rast, kaltes Essen und ein keineswegs warmer Espresso brachten keine Stimmung, die er gerne gehabt hätte. Er kam in ein Gebiet, wo er dann froh war, die Ketten nicht demontiert zu haben. Der Untergrund war weich und nach seiner Ansicht noch vor kurzer Zeit von viel Wasser überschwemmt gewesen, der ein Weiterkommen nur mit den Rädern nahezu unmöglich gemacht hätte. Nach mehreren weiteren Hügeln erreichte er am Abend eine zerstörte Landschaft.
Vor ihm lag einer der Nebenflüsse des Kuskowim Rivers. Er führte schmutzig braunes Wasser. Viele Häuser waren zerstört. Die Rollbahn war für Flugzeuge mit nur einer Luftschraube unbrauchbar geworden. Als die Bewohner dem Jeep ansichtig wurden, liefen ihm Frauen und Kinder entgegen. Sie deuteten ihm zu trinken. Das wenige Trinkwasser, das er mit sich transportierte war bald verteilt. Ihre Sprache verstand er nicht aber mit den Gebärden ihrer Hände und ihrem Gesichtsausdruck konnte er die Erleichterung erkennen. Bald begriff er, zu Essen hatten sie genug. Es mangelte an Trinkwasser. Einige Männer mussten am Rücken, von einer sehr weit entfernten Quelle, das kostbare Nass heranbringen. Als sie zurückkamen konnten sie die Frauen und Kinder wahrnehmen, die den Jeep umringten. Wenig später führten ihn die Frauen zu einer notdürftig wiederhergestellten Behausung. Auf einem Matratzenlager befand sich eine junge Frau vor einer Geburt. Jim deutete den Frauen das Trinkwasser zu erhitzen.
»Feuer unter der Schüssel.«
Er eilte zum Jeep zurück und holte seine medizinischen Geräte.
Man war schweren Herzens seiner Aufforderung gefolgt und in dem kochenden Wasser sterilisierte er jene Geräte, die er nun benötigte. Die junge Frau konnte einem Mädchen das Leben schenken. Eine Erweiterung, auf die Jim vorbereitet war, musste nicht vorgenommen werden.
Er durchtrennte die Nabelschnur und Verband die Wunde. Das Leuchten in den Augen der Frauen konnte Jim erkennen. Als Tierarzt hatte man in ihn die Wildnis geschickt, als Geburtshelfer bei Menschen war er nie vorbereitet worden.
Das heiße Wasser hatte man aufgehoben. Für Jim war es auch ein Erlebnis. Hier in Alaska, wo es Schnee in höheren Lagen in Überfluss gab, konnte man in tieferen Regionen kein trinkbares Wasser finden. Seine Müdigkeit verlangte Rückkehr zum Jeep. Wieder kaltes Essen und eingewickelt in Decken verbrachte er die Nacht.
Als er am kommenden Tag den Jeep verließ, fand er den Eisbär, der neben dem Jeep die Nacht verbracht hatte. Er hatte dort geschlafen. Die Trockenmilch war längst verbraucht. Jim ging zu der nächsten Behausung, die etwa einhundert Meter entfernt war. Man hatte ihn kommen gesehen und er durfte eintreten. Man bot ihm ein Frühstück an. Jim winkte ab und versuchte dem alten Mann den Hunger des Eisbären mit einer Zeichnung zu erklären. Jim wurde in den Keller geführt. Getrockneter Fisch und getrocknetes Fleisch hing von der Decke. Jim nahm von dem Fleisch, was er tragen konnte und wollte mit Geld bezahlen. Das Geld wurde nicht angenommen. Der Mann deutete ihm mit der Hand, die er zu seinem Bauch führte, die Geburt eines Mädchens.
Mit den Fingern zeigte er Jim, wie er mit dem chirurgischem Instrument die Nabelschnur durchtrennt hatte. Darüber war Jim mehr als überrascht. Jim nahm das Fleisch und kehrte zur Türe zurück. Als er nochmals zurückblickte, konnte er die glücklichen Augen einer Frau erkennen. Es musste die Mutter des Mädchens sein. Jim deutete eine Verneigung an und lenkte seine Schritte zum Jeep. Auf halben Weg kam ihm der Eisbär entgegen. Er richtete sich auf und führte die vorderen Pranken zueinander. Jim ging weiter und etwa zehn Meter vor dem Eisbären legte er das Fleisch vorsichtig auf den Boden. Jim ging einige Schritte zurück und wartete. Der Eisbär kam, beroch was ihm Jim serviert hatte und fing an die Fleischstücke zu fressen. Jim wartete auf das Ende der kargen Mahlzeit. Die darauffolgende Zeremonie, die er bereits bei der Hütte kennengelernt hatte, wiederholte sich. Daraufhin kehrte der Eisbär gemächlich zum Jeep zurück und legte sich in dessen Nähe nieder.
Dieses Erlebnis war für viele der Bewohner völlig unverständlich. Ab nun betrachteten sie Jim nicht als einen Menschen, sondern als ein Wesen, das gekommen war, um ihnen Hilfe zu bringen.
Davon wusste Jim aber nichts. Unrasiert und hungrig wie er war, setze er sich vor das Display und versuchte neuerlich eine Message zu senden. Zu seinem Erstaunen hatte er Erfolg.
Kurz umriss er den Ablauf der vergangenen Stunden und ersuchte um ärztliche Hilfe, sowie um einen Jeep, der der Bevölkerung das Trinkwasser von dem nahen Gebirge bringen konnte. Ärztliche Hilfe war notwendig.
Er konnte keine gebrochenen Gliedmaßen in der notwendigen Form versorgen, wie es in jedem Spital geschieht. Offene Brüche gab es zahlreiche. Er ersuchte auch um jemanden, der die Sprache der Bewohner versteht. Er erwähnte auch den Eisbären, der ihm noch bei der Kettenmontage die Wölfe abgehalten hatte und ihm seither wie ein Hund folgt. Die Bevölkerung habe ihm das Futter für den Eisbären geschenkt. Dann drückte er auf „Senden“.
Eine Stunde war vergangen und als Antwort kam, gab es als Kommentar, man müsse Vieles überdenken.
Jim hatte sich rasiert und das Frühstück eingenommen. Als nach zwei weiteren Stunden keine Antwort am Display zu erkennen war und er auch keine Ahnung hatte, ob wieder atmosphärische Störungen jeglichen Kontakt unterbrachen, wendete er sich an die Bevölkerung. Er fragte nach der Funkstation. Was er wollte hatte man nicht verstanden, aber man führte ihn zu einem zerstörten Haus. Vorgedrungen in die Kellerräumlichkeiten konnte er die unzerstörten Geräte finden, nach denen er gesucht hatte. Strom gab es nicht. Der Generator aber funktionierte noch.
Kurz entschlossen setzte er einen Funkspruch ab und bat um Hilfe.
Trinkwassermangel, kein Arzt und keine Rollbahn für kleine Flugzeuge. Nach Eingabe der Koordinaten, verwies er auf zerstörte Gebäude und viele Verletzte mit offenen Brüchen. Zum Schluss, seinen Vornamen. Er schaltete den Generator ab. Er war sich nicht sicher, ob es in dieser Ortschaft noch genügend Benzin gab.
In Anchorage war seine Botschaft nach Washington weitergeleitet worden. Dort führte die Berichterstattung über eine kleine Ansiedlung, in der die Bevölkerung von der Umwelt abgeschnitten war und viele Verletzte hatte, keineswegs zu dem Ergebnis, das Jim erwartet hatte. Wegen einigen wenigen Personen in einem unzugänglichen Gebiet, begann eine langwierige Beratung.
Dagegen war Jims Funkspruch im Norden von einer Militärbasis aufgefangen worden. Der Kommandant wurde unterrichtet. Er konnte sich an einen Mann erinnern, der ihm vor vielen Jahren das Leben von Bronco gerettet hatte. Ob das dieser Jim war?
Er setzt sich mit Washington in Verbindung. Das brachte plötzlich Bewegung. Er erkundigte sich noch, ob dieser Jim ein Jim Hanson war, den man von Anchorage losgeschickt hatte und dem es trotz widriger Umstände gelungen war, diese Ortschaft zu finden. Man konnte es bestätigen. Eine größere Militärmaschine, ausgerüstet mit Lebensmitteln, Treibstoff, Arzt und Pflegepersonal, sowie Soldaten wurde losgeschickt. An Bord gab es zwei Jeeps. Alles Material, sowie die Einsatzkräfte sollten mit Fallschirmen landen.
Die Nachricht am Display von Jim war kurz: „Wir kommen.“ Um Bestätigung wird ersucht. Dem kam Jim nach.
Noch vor Einbruch der Nacht kam das Flugzeug. Jim hatte mit Hilfe der Bevölkerung zwei riesige Scheiterhaufen errichtet.
Als die Maschine von Weitem zu hören war, wurden sie in Brand gesetzt. Die Ausrüstung und die begleitenden Personen konnten ohne Schwierigkeiten zu Boden schweben. Ein zweimaliger Anflug war notwendig gewesen. Dann verschwand die Maschine.
Der neue Kommandant fragte nach Jim und dieser meldete sich bei ihm. Jim hatte tagelang keine Dusche gehabt und roch dementsprechend. Das störte den Kommandanten Ariel Mathewson nicht. Jim hatte Haltung angenommen. Ariel fragte ihn, wie die letzten Stunden verlaufen waren. Darüber berichtete Jim, während die Soldaten ein Notlazarett errichteten.
Die Bevölkerung stand im Hintergrund. Kaum war das Lazarett errichtet, wurden die schwerverwundeten Männer gebracht. Der Arzt und seine Helferinnen begannen ihre Arbeit. Einer der Soldaten, der die Sprache der Bevölkerung beherrschte berichtete Ariel von einem Polar Bear Man, der sich um die Bevölkerung angenommen hatte.
Später als sich Jim und Ariel näher kennengelernt hatten, nannte Ariel Jim mit der Bezeichnung der Einheimischen. Er wollte mehr darüber wissen. Jim erzählte von dem Eisbären, der während der Landung des Materials und der vielen Menschen das Weite gesucht hatte, sicherlich aber in der Nähe geblieben ist. In einem großen Kreis um den Jeep hatte er seinen Urin entleert und dadurch sein Territorium bekanntgegeben. Kein Wolf würde sich innerhalb dieses Kreises vorwagen. Mit ihm habe ich schon bei der Hütte, wo ich vor einigen Tagen Station gemacht habe, Kontakt aufgenommen. Er suchte nach Futter, das ich ihm nicht geben konnte. Er bekam Trockenmilch in einer Schüssel. Das funktionierte. Vielleicht hat er seine Mutter verloren und mich hat er als Ersatzmutter akzeptiert. Die ersten Fleischstücke hat er erst hier aus dem Vorrat der Bevölkerung erhalten. Von der Hütte bin ich, ohne mich zu verabschieden losgefahren. Er ist mir gefolgt. Seit er hier ist, muss ich den Jeep nicht mehr verriegeln. Dorthin will ohnehin niemand von der Bevölkerung. Ich würde ihn gern untersuchen, ob er nicht verletzt ist. Dazu wäre eine Betäubung aber notwendig.«
»Die können wir zur Verfügung stellen.«
»Danke, das wäre neben einer weiteren Verpflegung des nanook mein größter Wunsch.«
»Was haben sie bevor sie zur CIA gekommen sind gemacht?«.
»Durch einen mir unbekannten Gönner, dessen Name ich nun kenne, den ich persönlich nie zu Gesicht bekommen habe, konnte ich mein Studium zum Tierarzt abschließen. Anschließend eine kurze Zeit beim Militär und bin sehr bald zur CIA gekommen. Davor einige Einsätze, die infolge ihrer Belanglosigkeit keine Bedeutung haben, konnte ich später dennoch meinen Beruf als Tierarzt ausüben. Auf Urlaub in Anchorage wurde mir der Auftrag erteilt Erkundigungen über die Folgen des Erdbebens zu berichten.
Wenn ich alles überlege, scheint es mir, daß man mich ohne jegliche Einschulung losgeschickt hat. In diesem Spätherbst schien alles sehr einfach zu sein. Der Hubschrauber setze mich mit dem Jeep ab und die Hütte zu finden, überließ man mir. Der nicht erwartete Blizzard und das nicht funktionierende Display, sowie die Begegnung mit einem jungen Eisbären haben meine Ansichten über einfache Einsätze eine neue Richtung gegeben.«
»Man hat mir von einem Mann berichtet, der sich ohne Hemmungen auch über Befehle hinwegsetzen würde, falls es die Notwendigkeit verlangt.«
»Die armen Teufeln verrecken zu lassen, das hatte ich nicht vor.
Worüber ich mich hier verwunderte, war das Display. Es funktionierte wieder. Man hat aber in Anchorage viel Zeit mit Beratung verschwendet. Das hatte die Inbetriebnahme der Funkstation zur Folge.«
»Ihr Funkspruch hat in der Basis einiges bewirkt. Er wurde nach Washington weitergeleitet. Eigenartigerweise bekamen wir bald den Auftrag Hilfe zu leisten.«
»Danke«
»Von einem Tierarzt mit Titel, der bei seiner Ankunft Geburtshilfe geleistet hat und einen Eisbären als Gefährten mit sich führt, der ihm die Wölfe fernhält, habe ich erst durch den Schamanen erfahren. Für die Bevölkerung sind sie kein Mensch. Man nennt sie den Polar Bear Man. In wenigen Stunden haben sie für die Bevölkerung mehr erreicht, als jegliche Verwaltung in den Jahren davor.«
»Dennoch sind die Häuser zerstört, jederzeit kann wieder heftiger Schneefall einsetzen. Hoffentlich ist das ihren Begleitern bewusst. Wenn daraufhin wieder die Temperatur fällt und nicht wieder steigt, verbringen wir Weihnachten unter dem Geheul der Wölfe. Auf der zerstörten Rollbahn kann keine schwere Maschine landen.«
»Ohne schweres Gerät können wir weder Felsen noch die aus Steinen und Beton errichteten Häuser in den Griff bekommen. Davon habe ich bereits Mitteilung gemacht.«
»Bitte um Entschuldigung, es soll nicht wie eine Anklage klingen. Ihre Leute sollen aber auf einen Wettersturz vorbereitet sein.«
Eine kurze Berichterstattung über ein Erdbeben in einem arktischen Gebiet, wurde in den Printmedien nur kurz erwähnt.
Dem Entzug des Trinkwassers, das nun und von einer hoch in den Bergen liegenden Quelle mühsam zu Tal geschleppt werden musste, widmeten die Printmedien nur wenige Zeilen.
Porter Torres, langjähriger Sportfotograph, nun aber bei der Washington Post für Beiträge aller Art angestellt, ging zu seinem Chef und bat um einen Sonderurlaub. Er würde gerne in dieses kleine Dorf fliegen und sich mit den Gegebenheiten auseinandersetzen.
»Sofern sie überhaupt dorthin kommen, das ist absolute Wildnis. Falls sie mit geeignetem Material zurückkommen können, sind wir tagelang ausverkauft. Was treibt sie in ein Gebiet zu reisen, wo Wölfe und vielleicht auch Eisbären sich herumtreiben?«
»Diese armen Teufel schenkt niemand Beachtung, aber sie sind auch Menschen. Wenn sie von den Bergen Wasser holen müssen, obwohl der Fluss daneben Unmengen ungenießbares Wasser führt, das ist eine Geschichte wert. Dieses Dorf liegt so weit im Norden und dort gibt es derzeit keinen Schnee. Ob das auch mit der stärker werdenden Erwärmung der Erde einen Zusammenhang hat, diese Frage stelle ich mir schon lange.«
»Na gut, sollten sie nicht vor Weihnachten zurück sein, alles Gute zum Neuen Jahr.«
»Danke«
Porter bekam die Unterstützung der Washington Post und kam mit unzähligem Kamera- und Fotomaterial eine Woche später auf die Basis der US Streitkräfte. Dort wurde er sofort dem obersten Befehlshaber vorgeführt. Der Adjutant glaubte nicht an einen langen Aufenthalt von Porter.
Porter wurde vorgelassen und vor ihm stand jener Mann, den er oftmals als Reiter in diversen Bewerbungen ausdrucksvoll abgelichtet hatte. Porter musste lächeln. Das gibt es nicht, dachte er sich. Sein vis-à vis lächelte ebenfalls. Der Adjutant wunderte sich.
Der General kam ihm entgegen.
»Hier herrscht absolutes Fotoverbot. Das gilt für jeden Mann.«
»Das ist mir klar. Mein Wunsch ist es aber in das Erbebengebiet gebracht zu werden.«
»Willkommen Porter, wer hat sie geschickt?«
»Meine Sportreportagen sind Feuilletons gewichen, die die Washington Post druckt. Mein Chef hat mir kurzerhand schon Frohe Weihnachten gewünscht. Er glaubt nicht an eine rasche Rückkehr. Ich habe um Sonderurlaub angesucht.«
Ein, zwei Tage werden sie in einem Zimmer einen Platz finden. »Keine einzige Aufnahme oder ich schicke sie zurück.«
»Was ich aber zu sehen bekomme, kann ich nicht so rasch vergessen.«
»Das kann ich nicht verhindern, gedruckt darf es dennoch nicht werden. Haben sie mich verstanden?«
»Jawohl, Sir.«.
Beide lachten. Dann wurde Porter in eine Unterkunft gebracht. Es war ein wohlig warmes Zimmer mit einem Ausblick auf die weite Fläche des Umlandes. Zu sehen bekam er nichts.
Der Flug mit dem Helikopter fand früher statt als erwartet. Mit seiner Ausrüstung war Porter in einen Hubschrauber geklettert, der für militärische Einsätze vorgesehen war. Von Komfort war keine Rede mehr.
Als sie weit genug von der Basis entfernt waren, begann Porter die Landschaft festzuhalten.
Teile des Helikopters oder die beiden Piloten kamen ihm nicht in den Sinn. Die nackte Erde wechselte mit jenen Gebieten, in denen der Schneefall diese in eine helle Fläche verwandelt hatte. Dazu kam ein bedeckter Himmel. Man hatte ihm einen Gehörschutz angeboten. Doch dieser behinderte Porter beim Fotografieren. Kurzfristig befreite er sich vom Gehörschutz, ließ den Kameramotor laufen und am Ende des Filmes, war er froh den Gehörschutz wieder aufsetzen zu können.
Er spulte einen neuen unbelichteten Film ein und war bereit für den Überflug des Zielgebietes. Nie war er in Krisengebieten eingesetzt gewesen. Was er aus der Luft zu sehen begann und festhalten konnte, übertraf seine Erwartungen.
Als der Helikopter aufsetzte, war der Film ebenfalls voll von Aufnahmen. Porter verabschiedete sich von den Piloten, die sofort nach Beladung von Schwerstverwundeten wieder abhoben. Für langwierige Gespräche gab es keine Zeit. Sie wollten ohne Probleme zur Basis zurück.
Porter wurde zum Kommandierenden geleitet. Er stellte sich vor und erzählte, was er vorhatte. Ariel hörte Porter ohne zu unterbrechen zu.
»Sie werden genug zu Sehen und zu Fotografieren bekommen. Fragen sie um Zustimmung. Sie bekommen einen Kameraden mit, der die Sprache der Einheimischen oberflächlich versteht. Es ist ein Völkergemisch. Gehen sie nie außerhalb des unmittelbaren Lagers allein ohne Bewaffnung, auch wenn es ihnen noch so wichtig für Aufnahmen erscheint. Wenn sie Jim sehen können, dem ein Eisbär folgt, halten sie Abstand. Der Eisbär ist sein Gefährte. Details werden sie später erfahren. Der Eisbär hält auch die Wölfe im Zaum. Einen Platz in der Mannschaft werden sie erhalten. Trinkwasser gibt es nun genug, muss aber nach wie vor von einer sauberen Quelle geholt werden. Einen Komfort wie in der Basis gibt es nicht. Die Bevölkerung ist freundlich gesinnt, achtet mehr den Polar Bear Man als den Schamanen. Damit kann ich leben. Ob wir Geräte bekommen, die einen Wiederaufbau unterstützen, das weiß niemand.«
»Wer ist Jim und wer der Polar Bear Man?«
»Es ist ein und dieselbe Person, auch der Schamane hat sich damit abgefunden. Es ist nicht nur für mich, sondern auch für ihn unverständlich. Für die Bevölkerung gilt er als ein Geist in Menschengestalt. Ein ausgebildeter Tierarzt mit Abschluss. Ein Helfer in der Not, der einen ungewöhnlichen Einsatz der US Streitkräfte ermöglicht hat.
Schwerstverwundete werden mit einem ständigen Hubschraubereinsatz ausgeflogen. Leichtverwundeten war er mit Rat und seiner mitgebrachten medizinischen Versorgung beigestanden. Seither bekommt auch der Eisbär Nahrung von der Bevölkerung. Das wird niemand in Washington als Wahrheit empfinden können.«
Was Jim niemanden erzählt hatte, war seine Tätigkeit in der CIA.
Bisher konnte er immer von einer Tätigkeit als Tierarzt sprechen, nicht aber wo und schon gar nicht über die Tiere, die man ihm anvertraut hatte.
Es war eine spezielle Marineeinheit, in der besonders Delphine für militärische Einsätze ausgebildet wurden. Sie sollten Minen an feindlichen Schiffen heften und vor allem gesund zurückkommen. Nicht nur an Booten und Schiffen, sondern überall dort, wo U-Boote durch Barrieren nicht eindringen konnten. Davon war aber auch in Washington nur wenig bekannt. Jim war dieser Einheit zugeteilt worden, da er sich für viele Tätigkeiten eignete.
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase fand er bald die Anerkennung seiner Kameraden. In dieser abgeschiedenen Station kannten die Kameraden in Folge mangelnden Kontakt mit anderen Personen ziemlich bald den Werdegang jedes Einzelnen. Viel wussten sie von Jim nicht. Seine Liebe zu den Pferden, die er immer in den Ferien besuchen konnte und der Ranch seines Großvaters war allen ein Begriff. Seine Zuneigung zu den Delphinen fiel auch den Vorgesetzten auf. Über seine Familie sprach Jim wenig. Warum er sich gerade der CIA angeschlossen hatte, darüber sprach er auch nicht. Eines war sicher. Irgendein tiefes Geheimnis umgab Jim.
Die Zeit seines Urlaubes in Anchorage neigte sich dem Ende. Auf seinen Arbeitsplatz konnte er nicht zurückkehren. Bis zu seiner Rückkehr wurde die Stelle neu besetzt. Jim war eine neue Order gegeben worden. Von seinem neuen Aufenthalt erfuhren seine ehemaligen Kollegen durch einen Bericht in der Washington Post. Die ersten Berichte und Fotos lagen auch auf den Tischen der obersten Chefs der CIA in Washington. Jim während seines Urlaubes in die Wildnis zu senden, um Informationen zu bekommen, war nie im Sinne von Washington gewesen. Die Fotos mit dem Eisbären im Schlepp und Jim, der der Bevölkerung beim Aufbau der einfachen Behausungen half, war ebenfalls nicht erwartet worden. Der Eisbär trug ein Sendehalsband. Anchorage wurde um einen detailgetreuen Bericht ersucht. Auch im Archiv bekamen die Mitarbeiter Arbeit. Sie mussten so rasch als nur möglich jede nur unbedeutende Notiz über Jim zusammentragen.
Der Bericht der Washington Post kam einem Militärschlag gleich.
Die Zeitung war bald ausverkauft. Man hatte sie auch der Navi zugestellt. Bald trudelte in Washington von der Marinestation die Anfrage ein, wann Jim zurückkommen würde. Einige Delphine verweigeren die Nahrungsaufnahme.
Im Archiv wurde John gefunden, der sich lange vor seinem Tode in Alaska niedergelassen hatte. Er unterstützte Jim während seines Studiums, konnte aber seinen erfolgreichen Abschluss nicht mehr erleben.
Die Bevölkerung erfuhr von einem erfolgreichen Einsatz einer
Sondereinheit der US Armee, die in einem Erdbebengebiet die Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen begann.
Der Polar Bear Man war bald in aller Munde. Da der Bericht von allen Medien übernommen wurde, gelangte er auch zur Hochschule wo Jim sein Doktorat erhalten hatte. Plötzlich erinnerten sich alle Professoren an Jim, den sie nie für voll genommen hatten. Zurückhaltend und ohne bedeutsame Kontakte hatten sie ihn in Erinnerung.
In Washington war man über das Bekanntwerden der Basis im arktischen Raum keineswegs angetan.
Warum sollte man nicht davon profitieren? Endlich wieder ein positiver Bericht über die CIA, die unter einem schlechten Ruf litt. Und Jim, dem man ohne unser Wissen, dorthin geschickt hatte, machte vielleicht auch ohne sein Zutun daraus das Beste. Unvorstellbar für Menschen in einer überfüllten Stadt mit einer funktionierenden Infrastruktur bedeutete Jim der Retter in der Not jener, die trotz tosenden Flüssen keinen Zugang zu trinkbarem Wasser hatten.
In der Ortschaft gab es wenig Schnee, dafür starken Wind und die ständige Bedrohung durch einen Blizzard.
Porter fotografierte nahezu Tag und Nacht und schickte die Fotos mit kurzen Bemerkungen an die Redaktion. Washington Post hatte bald mehr Neider als je zuvor. New York Times versuchte mit allen Mitteln ebenfalls in diese Wildnis vorzudringen. CNN belagerte die US Armee, um einen Aufnahmetermin vor Ort. Alle erhielten die gleiche freundliche Antwort, nur wer keine Angst vor Eisbären hat und dies auch ernsthaft bestätigen konnte, wird zugelassen.
Der Eisbär war grösser geworden und verlangte mehr Futter. Seit er ein Sendehalsband trug, war man auch in der Basis interessiert ihm die notwendige Nahrung bereitzustellen. Ein Hubschrauber brachte das erforderliche Robbenfleisch. Damit war auch die Angst der Inuit beseitigt, ihre Wintervorräte könnten durch den ewigen Hunger des Bären dezimiert werden.
Jim erhielt einen versiegelten Brief. Gerichtet war er an Jim Hanson, in der Klammer stand Polar Bear Man. Absender war Washington.
„Hi, Jim. Ihren Urlaub konnten Sie in Anchorage nur wenig konsumieren. Sie haben durch ein unvorhersehbares Ereignis durch ihren persönlichen Einsatz vielen Menschen geholfen. Dort, wo Sie früher als Tierarzt tätig waren, beginnen die Kameraden sich Sorgen zu machen, ob Sie bald wiederkommen werden. Wenn es die Umstände fordern, verbleiben Sie vorerst bei den Inuit, wo sie sich derzeit befinden. Unabhängig davon, hat man Sie zum Major befördert. Davon wird auch die amerikanische Basis in der Arktis in Kenntnis gesetzt. Damit kommt der Wunsch nach schwerem Gerät, sofern es die Witterung zulässt, einen Schritt näher. Alles Gute – Ahmad Shoemaker“