Nahrungsmittel-Intoleranzen - Maximilian Ledochowski - E-Book
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Nahrungsmittel-Intoleranzen E-Book

Maximilian Ledochowski

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

<p><strong>Was steckt hinter meinen Beschwerden?</strong></p> <p>Histaminintoleranz, Fructoseintoleranz, Laktoseintoleranz oder auch die Unverträglichkeit von Sorbit, Getreide und Gluten sind weit verbreitet. Durchfall, Blähungen, Müdigkeit, depressive Verstimmungen und viele andere, auch ungewöhnliche Beschwerden können darauf hindeuten, dass Sie etwas nicht vertragen. Auch wenn heute Intoleranzen bekannter sind als noch vor einigen Jahren, ist der Weg zur richtigen Diagnose nicht einfach. Aber unerlässlich, um dauerhaft gut damit klarzukommen.</p> <p>Profitieren Sie von der langjährigen Erfahrung von Dr. Maximilian Ledochowski. Er gilt als einer der Pioniere auf dem Gebiet der Nahrungsmittel-Intoleranzen und begann seine Forschungen, als viele Mediziner die Beschwerden noch nicht ernst nahmen. Praktische Steckbriefe zu den Erkrankungen, zu Mehrfachintoleranzen, bewährte Selbsttests, Auslassdiäten und das richtige Vorgehen beim Arzt bringen Ihnen Sicherheit und Klarheit. Und zeigen Wege, gut und beschwerdefrei zu leben.</p>

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Seitenzahl: 249

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Nahrungsmittel-Intoleranzen

Laktose, Fructose, Histamin: Unverträglichkeiten erkennen und gut damit leben

Univ.-Doz. Dr. med. Maximilian Ledochowski

3. Auflage 2023

15 Abbildungen

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn es um die eigene Gesundheit geht, darf man nichts dem Zufall überlassen. »Für eine bessere Medizin und mehr Gesundheit im Leben«: So lautet das Qualitätsversprechen der Marke Thieme. Ärztlich Tätige, Pflegekräfte, Physiotherapeuten oder Hebammen – sie alle verlassen sich darauf, dass sie von Thieme, dem führenden Anbieter von medizinischen Fachinformationen und Services, die entscheidenden Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort bekommen. So können sie die Menschen, die sich ihnen anvertrauen, bestmöglich unterstützen. Auch Sie können sich auf die TRIAS Ratgeber mit dem Thieme Qualitätssiegel verlassen! Diese Informationsangebote helfen Ihnen dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn es um Ihre Gesundheit geht, selbst daran mitzuwirken, gesund zu werden, sich gesund zu erhalten oder das Fortschreiten einer Erkrankung zu vermeiden. Mit einem TRIAS Titel aus dem Hause Thieme überlassen Sie Ihre Gesundheit nicht dem Zufall!

Ihr TRIAS Team

Liebe Leserin, lieber Leser,

hat man bei Ihnen eine Fructose-, Sorbit-, Laktose- oder Histaminintoleranz festgestellt oder eine Kombination verschiedener Nahrungsmittelintoleranzen? Oder vertragen Sie vielleicht kein Obst, keine Milchprodukte, keinen Fisch oder keinen Alkohol und wüssten gerne, was dahintersteckt? Leiden Sie unter Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung, ohne dass man dafür eine »organische« Ursache hat finden können? Hat man Ihnen erklärt, dass Sie an einem »Reizdarmsyndrom« leiden und eben damit leben müssten?

Schätzungen zufolge vertragen etwa 80 Prozent der Bevölkerung im deutschsprachigen Raum kein Sorbit, rund 33 Prozent können keinen Fruchtzucker und etwa 25 Prozent keinen Milchzucker vertragen. Und das Reizdarmsyndrom gehört zu den Krankheiten mit den schnellsten Zuwachsraten: In manchen Regionen Europas sollen bereits fast 25 Prozent der Einwohner daran leiden – an einer Erkrankung, die immer noch zu den psychosomatischen Krankheiten gezählt wird.

Die Lebensmittelindustrie unternimmt leider nicht immer die richtigen Anstrengungen, um Nahrungsmittel verträglicher zu machen. Es werden zwar Lebensmittel produziert, die laktose-, fructose- oder glutenfrei sind. Dies führt aber dazu, dass stattdessen oft andere Substanzen zugesetzt werden, die noch unverträglicher sind. Zucker wird durch Zuckeralkohole, Weizenmehl durch Lupinenmehl ersetzt, Milch wird entfettet u. v. m. All diese Veränderungen können aber andere Nahrungsmittelunverträglichkeiten nach sich ziehen. Solche Entwicklungen kommen oft durch Unwissenheit zustande. Lebensmittelchemiker und Ernährungsexperten kennen sich zwar mit Nahrungsmitteln aus, haben aber keine medizinische Ausbildung. Mediziner, welche die Lebensmittelindustrie beraten, haben zwar Laborerfahrung, aber meist keine oder nur wenig klinische Erfahrung. So kommt es, dass die Konzerne durch Experten beraten werden, die nie etwas mit Patienten zu tun hatten, die an Nahrungsmittelunverträglichkeiten leiden.

Schließlich ist es den Lobbyisten gelungen, dass in der EU Gesetze beschlossen werden, die nicht den Konsumenten, sondern den Herstellern nützen. So kommt es, dass sich Lebensmittelkonzerne selbst kontrollieren dürfen und kaum mehr von Behörden kontrolliert werden. Damit werden aber alle Vorschriften zur Farce. Auch Kennzeichnungen wie die Lebensmittelampel und die Auszeichnung unverträglicher Inhaltsstoffe mit Buchstaben haben nicht zu einer Verbesserung der Lebensmittel geführt. Was ursprünglich für die bessere Information von Konsumenten gedacht war, dient heute eher zu Marketingzwecken.

Trotz strenger Einhaltung der empfohlenen Diäten erfahren viele Menschen keine Besserung. Je schlechter es ihnen geht, desto mehr versuchen sie, sich »gesund« zu ernähren. Oft geben sie viel Geld aus, um sich teure Spezialnahrungsmittel aus Reformhäusern oder Nahrungsergänzungsmittel aus Drogerien zu kaufen. Doch nicht selten kommt es gerade durch das Bestreben, sich besonders gesund zu ernähren, zu einer Zunahme der Beschwerden.

Nahrungsmittelunverträglichkeiten zeichnen sich durch eine sehr hohe Komplexität aus. Oft kommt es erst durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren zu Unverträglichkeitsreaktionen. So kann ein und dasselbe Nahrungsmittel bei einer Gelegenheit eindeutige Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen und bei einer anderen problemlos verzehrt werden. Dies führt bei den Betroffenen verständlicherweise zu Verunsicherung.

In diesem Buch werde ich einige sehr häufig vorkommende Unverträglichkeitsreaktionen und die Zusammenhänge zwischen ihnen beschreiben und außerdem die kleinen, aber bedeutenden Unterschiede zwischen Nahrungsmittelunverträglichkeit und -allergie erklären. Sie sollen erfahren, was Sie selbst tun können und worauf Sie achten müssen, wenn Sie professionelle Hilfe suchen. Ich möchte Sie auch dazu ermuntern, sich in Selbsthilfegruppen zusammenzuschließen. Hier können Sie nicht nur mit anderen Betroffenen Erfahrungen und Rezepte austauschen, sondern auch als Gruppe in Erscheinung treten und öffentlich auf die zunehmende Bedeutung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten hinweisen. Vom Internet als Informationsquelle möchte ich jedoch dringend abraten, auf die Gründe dafür gehe ich später ausführlich ein.

Maximilian Ledochowski, Innsbruck

Februar 2023

Clara, 22 Jahre

Claras Odyssee – ein typischer Fall

Clara B. war etwas übergewichtig und litt wie ihre Mutter an Diabetes, der aber noch mit Medikamenten behandelt werden konnte. Frau B. kaufte nicht nur für ihre Mutter, sondern auch für sich selbst immer Diabetikerprodukte. Obst, Gemüse, Ballaststoffe sowie reichlich Milch und Milchprodukte standen täglich auf ihrem Speiseplan. Ganz so, wie in allen Gesundheitsratgebern oder Fernsehsendungen zu diesem Thema geraten wird.

Schon seit Jahren litt Clara B. an Blähungen, doch sie glaubte, das sei »normal«. Erst als sich chronischer Durchfall dazugesellte und sie sich nach jedem Essen »wie betrunken fühlte«, ging Frau B. zum Arzt. Der stellte mit einem Atemtest eine Fruchtzuckerunverträglichkeit fest und verbot ihr, Fruchtsäfte zu trinken und zu viel Obst zu essen. Kurzfristig besserten sich ihre Beschwerden, aber schon bald war alles wieder beim Alten. Mit einem weiteren Atemtest stellte ihr Hausarzt eine Sorbitintoleranz fest und verbot ihr sämtliche Diabetikerprodukte. Wieder trat eine vorübergehende Besserung ein.

Nun hatte Frau B. Angst, nicht genügend Vitamine und Spurenelemente zu sich zu nehmen. Sie kaufte sich deshalb Brausetabletten und konsumierte noch mehr Milch und Milchprodukte, um ja keine »Mangelerscheinungen« zu bekommen. Als die Probleme nicht weniger, sondern mehr wurden, suchte sie erneut ihren Hausarzt auf, der nun einen »großen Nahrungsmittelunverträglichkeits-Test« veranlasste und sie außerdem an eine gastroenterologische Ambulanz überwies. Dort wurde eine Laktoseintoleranz festgestellt; zusätzlich zu den bisherigen Diäten sollte Frau B. eine laktosefreie Diät einhalten, was jedoch wieder nicht zu einer anhaltenden Besserung führte.

Nach einer neuerlichen Untersuchung in der gastroenterologischen Spezialambulanz mit Magen- und Dickdarmspiegelung wurde die Diagnose Reizdarmsyndrom gestellt. »Damit müssen Sie leben lernen«, sagte man Frau B. und bot ihr an, sie zum Psychotherapeuten zu überweisen, damit sie mit ihrer Krankheit besser umgehen lernt.

Ihrem Hausarzt lag inzwischen das Ergebnis des Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten vor: Von den 300 untersuchten Lebensmitteln waren angeblich 150 unverträglich für Frau B. Mit Tränen in den Augen kam sie schließlich in meine Sprechstunde und wollte wissen, was sie denn überhaupt noch essen dürfe: Fruchtzucker, Sorbit, Milch und Milchprodukte sowie 150 andere Lebensmittel musste sie schon weglassen – da blieb nicht mehr viel zum Abwechseln übrig. Und trotz dieser Einschränkungen waren ihre Beschwerden nach wie vor vorhanden, und ihre Zuckerkrankheit wurde immer schlechter.

Im Fall von Frau B. konnte letzlich eine Unverträglichkeit von einem Brotbestandteil gefunden werden. Als sie den vermied, heilten auch die Laktoseintoleranz und die Fructoseintoleranz aus, nur die Sorbitintoleranz blieb weiter bestehen. Aber auf Sorbit konnte sie am leichtesten verzichten, noch dazu musste sie nicht mehr so viel Geld für die teuren Diabetikerprodukte ausgeben. Mit der Verbesserung ihrer Verdauungsbeschwerden verbesserten sich auch Stimmung und Antrieb. Sie hatte wieder mehr Spaß an Bewegung, nahm Gewicht ab und konnte die Diabetesmedikamente absetzen. Obwohl – oder gerade weil – sie keine Diabetikerprodukte mehr zu sich nahm.

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wie entstehen Unverträglichkeiten?

Unser Verdauungssystem

Der Weg der Nahrung

Einflüsse auf das Ökosystem Darm

Einflüsse auf die Darmflora

Darm und Immunsystem

Die Rolle der modernen Ernährung

Eine zweifelhafte Kampagne

Ungeplante Folgen des Fortschritts

Ausgehebelte Kontrollsysteme

Die Globalisierung auf dem Teller

»Schöne, neue Ernährungswelt«

Ballaststoffe – schlechter als ihr Ruf?

Die bunte Schar der Ballaststoffe

Ballaststoffe sind für jeden anders

Welche Unverträglichkeiten gibt es?

Eine Unverträglichkeit, die keine ist

Was besagen IgG-Tests?

Unverträglichkeiten erkennen

Welche Beschwerden sind typisch?

Müdigkeit nach dem Essen

Verdauungsprobleme

Allergische oder allergieähnliche Reaktionen

Weitere mögliche Symptome

So können Sie sich selbst testen

Bei Verdacht auf Laktoseintoleranz

Bei Verdacht auf Fructoseintoleranz

Bei Verdacht auf Histaminintoleranz

Auslassdiäten

So untersucht der Arzt

Die wichtigsten Untersuchungen

Die Allergieaustestung

Differenzialdiagnose – was könnte es noch sein?

Erkrankungen im Magen-Darm-Bereich

Hautkrankheiten

Alternative Diagnose- und Behandlungsmethoden

Die Unverträglichkeiten im Einzelnen

Fruchtzuckerunverträglichkeit

Fructosemalabsorption oder Fructoseintoleranz?

Zuckeraufnahme aus dem Darm

Welche Beschwerden können auftreten?

Weitere mögliche Begleiterscheinungen

Die Fructosemalabsorption feststellen

Welche Nahrungsmittel sollte man meiden?

Beschwerden trotz Diät?

Kombinierte Fructose- und Sorbitunverträglichkeit

Laktoseintoleranz

Wie kommt es dazu?

Typische Beschwerden

Weniger typische Beschwerden

Positive und negative Einflüsse

Die Laktoseintoleranz feststellen

Die Ernährung umstellen

Enzymersatztherapie mit Laktase

Wann sind Antibiotika nötig?

Therapie der »funktionellen Laktoseintoleranz«

Geografie und Globalisierung

Histaminintoleranz

Welche Beschwerden können auftreten?

Eine Histaminintoleranz feststellen

Die Histaminintoleranz behandeln

Verringern Sie die Histaminzufuhr

Die Histaminfreisetzung gering halten

Den Histaminabbau beschleunigen

Histaminblocker (Antihistaminika) verwenden

Die Histaminfreisetzung hemmen

Keine Besserung trotz Diät?

Gluten- und Getreideunverträglichkeiten

Zöliakie (einheimische Sprue)

Wie wird die Diagnose »Zöliakie« gestellt?

Die glutenfreie Diät

Wenn die glutenfreie Diät nicht anschlägt

Glutensensitives Reizdarmsyndrom

Diagnose glutensensitives Reizdarmsyndrom

Behandlungsmöglichkeiten

Unverträglichkeitsreaktionen auf andere Getreide-Inhaltsstoffe

Nahrungsmittelallergien

Was ist eine Allergie, was sind Allergene?

Kreuzallergien und pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien

Wie kommt es zu Allergien?

(Nahrungsmittel-)Allergien behandeln

Eine Unverträglichkeit kommt selten allein

Wie kommt es zu Mehrfachintoleranzen?

Im Labyrinth der Verbote

Sinn und Unsinn von Vorschriften

Über Geschmack lässt sich (nicht?) streiten

»Verbesserte« Lebensmittel

Auswirkungen der »gesunden« Ernährung

Kombinationen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Was kann man tun?

Schritt 1: Magen-Darm-Erkrankungen ausschließen

Schritt 2: Eine Laktoseintoleranz muss abgeklärt werden

Schritt 3: Medikamentöse Behandlung

Schritt 4: Diätetische Behandlung

Fructose- plus Sorbitintoleranz

Laktose- plus Fructoseintoleranz

Histaminintoleranz und Glutamatunverträglichkeit

Histaminintoleranz mit Laktose- oder Fructoseintoleranz

Gluten-, Kasein- und Histaminunverträglichkeit

Allergie plus Unverträglichkeit

»Was kann ich überhaupt noch essen?«

Wie gelingt die Umsetzung im Alltag?

Häufige Fragen zu Intoleranzen

Fragen zu Intoleranzen allgemein

Fragen zur Fructoseintoleranz

Fragen zur Laktoseintoleranz

Fragen zu Zöliakie und Histaminintoleranz

Autorenvorstellung

Sachverzeichnis

Impressum

Wie entstehen Unverträglichkeiten?

Nehmen Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu, werden sie nur öfter diagnostiziert oder sind sie gar nur eine Modeerscheinung? Auch wenn es zunächst überraschend klingt: Hauptgrund für die wachsende Zahl von Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind einige Errungenschaften der modernen Zivilisation.

(© Holger Münch, Stuttgart)

Unser Verdauungssystem

Mit Essen und Trinken führen wir unserem Körper Brennstoff (Energie) und Baumaterial (für die Zellneubildung) zu. Der Verdauungsapparat hat dabei nicht nur die Aufgabe, die aus Speisen und Getränken stammenden »Rohmaterialien« so weit aufzubereiten, dass sie in den Körper aufgenommen werden können. Er muss auch die Aufnahme der Nährstoffe regeln und für die Ausscheidung der nicht verdaubaren Nahrungsreste sorgen.

Darüber hinaus muss der Darm den Rest des Körpers vor den Mikroorganismen (der sogenannten Darmflora) »abschirmen«, die in ihm leben. Deshalb sind auch die meisten immunkompetenten Zellen im Darm zu finden. Das Verdauungssystem hat keine Wahl: Es muss alles, was wir uns »einverleiben«, in irgendeiner Weise be- und verarbeiten. Wenn die Zusammensetzung oder die Auswahl der Nahrung nicht dem entspricht, worauf das System im Lauf der Evolution optimiert wurde, kann es zu Problemen kommen, die sich dann oft als Nahrungsmittelunverträglichkeiten äußern. Vor allem durch moderne Nahrungsmittelbestandteile bzw. Verarbeitungsmethoden sind solche Unverträglichkeitsreaktionen vorprogrammiert.

Der Weg der Nahrung

Die Verdauung beginnt bereits im Mund. Durch das Kauen wird die Nahrung mechanisch zerkleinert. Gleichzeitig bilden die Speicheldrüsen Sekret, welches unter anderen das Verdauungsenzym Amylase enthält. Dieses hat die Aufgabe, die Kohlenhydrate in seine Zuckerbausteine aufzuspalten. Das ist der Grund, warum zum Beispiel Brot süßlich schmeckt, wenn man es lange genug kaut. Bei Stress wird weniger Speichel produziert, man bekommt einen trockenen Mund (es »bleibt einem die Spucke weg«). So kann es allein durch Stress schon im Mund zu einer ersten »Verdauungsstörung« kommen, die sich später mit Beschwerden im Bauch bemerkbar macht. Auch ein lückenhaftes Gebiss führt manchmal zu Unverträglichkeitsreaktionen: Weil nicht richtig gekaut werden kann, sind die Nahrungspartikel, die in den Verdauungstrakt gelangen, zu groß. Das erschwert ihre Aufspaltung und ruft so Beschwerden hervor.

Der Magen stellt nicht nur ein Reservoir für die aufgenommenen Speisen dar, sondern hat ebenfalls Verdauungsfunktionen: Er spaltet Eiweiße (mit Pepsin) und Fette (mit Lipasen) auf und verdaut sie auf diese Weise vor. Durch die Bildung von Magensäure werden die meisten Bakterien, die mit der Nahrung aufgenommen wurden, abgetötet.

Außerdem führt die Magensäure zur Zerstörung von eiweißhaltigen Allergenen und schützt so in gewisser Weise vor der Entstehung von Allergien. Diese notwendigen Eigenschaften der Magensäure werden häufig durch Säureblocker und Antazida (magensäurebindende Mittel) zunichte gemacht. Man nimmt an, dass ein Teil der Nahrungsmittelallergien auch auf den wachsenden Einsatz von immer wirksameren säureblockierenden Medikamenten zurückgeht. Der Magen sorgt außerdem dafür, dass der Speisebrei nur in so kleinen Portionen in den Darm gelangt, dass diese dort auch ausreichend aufgespalten werden können. Bei zu rascher oder zu langsamer Entleerung kommt es ebenfalls zu Beschwerden, die eventuell mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit in Zusammenhang stehen.

Die wichtigsten Verdauungsstationen sind Dünndarm und Dickdarm. Ihre Aufgaben sind allerdings so unterschiedlich, dass man fast von zwei verschiedenen Organen sprechen könnte.

Das menschliche Verdauungssystem

Der Dünndarm: zentraler Umschlagplatz

Im Dünndarm befinden sich normalerweise nur wenige Bakterien: etwa 100 bis maximal 100 000 pro Milliliter Darminhalt. In den Dünndarm schütten Gallenblase und Bauchspeicheldrüse Verdauungssäfte aus, die Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße (Proteine) aus der Nahrung in ihre Bestandteile zerlegen. Anschließend sorgen verschiedene »Pumpen« in der Darmwand dafür, dass diese Bausteine aus dem Darm in die Lymphe oder Blutbahn transportiert werden und so dem Körper für den Stoffwechsel zur Verfügung stehen. Dieser Vorgang heißt Resorption.

Störungen der Gallenblasen- oder der Bauchspeicheldrüsenfunktion führen manchmal zu Verdauungsproblemen, die denen einer Nahrungsmittelunverträglichkeit ähneln. Substanzen, die im Dünndarm nicht aufgespalten werden können, und Nahrungsbestandteile, welche die Transporter nicht wegzuschaffen vermögen, gelangen als »Ballaststoffe« in den Dickdarm. Diese nicht aufgenommenen Nahrungsmittelbestandteile stellen oft die Wurzel für die Entstehung von Beschwerden dar.

Der Dickdarm als »Nachbrenner«

Aufgabe des Dickdarms ist es, die ankommenden Rest- oder Ballaststoffe durch Vergärung (Fermentation) mithilfe der Darmbakterien weiterzuverarbeiten sowie bakterielle Abbauprodukte zu entgiften oder so aufzuarbeiten, dass noch verwertbare Stoffe entstehen. Während des Fermentationsprozesses im Dickdarm werden Gase gebildet, die man als Blähungen (Meteorismus) verspürt. Je mehr Nahrungsmittelbestandteile im Dickdarm ankommen, desto ausgeprägter ist die Gasbildung. Gleichzeitig entstehen im Rahmen der Fermentation kurzkettige Fettsäuren, die Wasser in den Darm »ziehen« und so das Symptom Durchfall hervorrufen.

Im Enddarm (Rektum) wird der Stuhl schließlich eingedickt, indem ihm noch so weit wie möglich Wasser entzogen wird.

Im Dickdarm leben schätzungsweise 1014–1015 Bakterien, das sind ca. 1,5 Kilogramm (Trockenmasse). Damit kommen auf jede menschliche Körperzelle 10–100 Bakterien im Darm. Die Stoffwechselaktivität der im Dickdarm lebenden Bakterien ist so bedeutend, dass man fast von einem »Organ Stuhl« sprechen kann. In jedem Fall stellt der Stuhl ein eigenes »Ökosystem« dar, welches im funktionellen Gleichgewicht mit dem menschlichen Organismus stehen muss, damit keine Krankheiten entstehen. Dieses Gleichgewicht gerät in Gefahr, wenn aus dem Dünndarm zu große Mengen nicht resorbierter Stoffe in den Dickdarm gelangen und die Darmbakterien daraus Substanzen produzieren, die die Darmschleimhaut schädigen. Noch schlimmer ist es, wenn sich die Bakterien so stark vermehren, dass sie sich bis in den Dünndarm ausbreiten und dort mit ihren Stoffwechselprodukten Schaden anrichten (siehe SIBOS Seite ▶ 9). Hier liegt eine weitere mögliche Ursache für die Entstehung von Verdauungsbeschwerden.

Einflüsse auf das Ökosystem Darm

Eine zu hohe Nährstoffzufuhr kann das Ökosystem Darm empfindlich beeinflussen, wenn die Resorptionskapazität des Darms überfordert wird und damit praktisch alle Nahrungsmittel zu »Ballaststoffen« werden (siehe Kapitel »Ballaststoffe – schlechter als ihr Ruf?« Seite ▶ Ballaststoffe – schlechter als ihr Ruf?). In diesem Fall sprechen Mediziner vom »Overfeeding Syndrome«, das jedoch nicht mit »Überernährung« verwechselt werden darf:

Beim Overfeeding-Syndrom wird mehr gegessen, als der Darm resorbieren kann. Die Folge sind Reizdarmsymptome (ohne dass dabei unbedingt Übergewicht auftreten muss). Auf das Thema Reizdarm kommen wir später noch ausführlicher zu sprechen (Seite ▶ Was ist das Reizdarmsyndrom?).

Bei der Überernährung wird mehr gegessen, als der Körper zur Aufrechterhaltung seines Energiehaushalts braucht. Die Folge ist Übergewicht (ohne dass dabei Reizdarmsymptome auftreten müssen).

Resorptionsstörungen

Hinter dem Fachbegriff »selektive Malabsorptionssyndrome« verbergen sich Resorptionsstörungen für einzelne Nahrungsmittelbestandteile; sie bilden häufig den Ausgangspunkt für eine vermehrte Empfindlichkeit gegenüber vielen Nahrungsmitteln. Grund dafür ist, dass der nicht resorbierte Nahrungsbestandteil fast immer zu einer Fehlbesiedelung des Darms mit den Mikroorganismen führt, die diesen Nährstoff bevorzugt verarbeiten (siehe Reizdarmsyndrom Seite ▶ Was ist das Reizdarmsyndrom?). So führt eine Fettresorptionsstörung beispielsweise zum Wachstum von fettverbrauchenden Bakterien; übel riechende voluminöse und schmierige Fettstühle sind die Folge, der Arzt spricht von »Steatorrhö«.

Bei einer Kohlenhydratresorptionsstörung vermehren sich vor allem die zuckerverwertenden Bakterien; Folgen sind Blähungen, schwimmende Stühle und Durchfall, medizinisch: »Diarrhö«. Steht eine Eiweißverdauungsstörung im Vordergrund, kommt es zu übel riechenden, aber nicht schmierigen Stühlen, Fachbegriff: »Kreatorrhö«.

Resistente Stärke

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt: In industriell vorgefertigter Nahrung und bei der Verarbeitung von Lebensmitteln in Großküchen (mit langem Warmhalten der Speisen oder wiederholten Kühl- und Auftauprozessen) entstehen Vernetzungen von Stärkemolekülen, die sogenannte resistente oder modifizierte Stärke. Diese kann vom menschlichen Verdauungssystem ebenfalls nicht oder nur schlecht aufgespalten werden und stellt somit einen Ballaststoff dar. Resistente Stärke wird in letzter Zeit – vor allem Milchprodukten – absichtlich bei der Herstellung zugefügt.

In »Wikipedia« kann man auch den Grund dafür nachlesen: »Modifizierte Stärken werden in der Lebensmittelindustrie eingesetzt, da sie gegenüber natürlicher Stärke bessere Hitzestabilität, Säurestabilität, Scherstabilität sowie ein besseres Gefrier- und Auftauverhalten zeigen.« Das Problem ist nur, dass sie – im Gegensatz zur natürlichen Stärke – nicht verdaubar sind. Wir haben es also mit einem für die Ernährung wertlosen Nahrungsmittelbestandteil zu tun, der überdies für eine nachhaltige Störung des »Ökosystems Darm« sorgt und damit den Weg für Nahrungsmittelunverträglichkeiten bahnt.

Den Verbraucher stärken

Diese modifizierten Stärkemoleküle nützen allein dem Hersteller und dem Handel, aber nicht dem Konsumenten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in der Lebensmittelproduktion nur noch auf Preisgestaltung, Lagerbarkeit und Transportfähigkeit Wert gelegt wird, aber nicht mehr auf Verträglichkeit und Nutzen eines Produkts. Nachdem diese Entwicklung – in meinen Augen – bereits so dramatische Ausmaße angenommen hat, dass die Folgen nicht mehr von Ärzten und Ernährungsexpertenn aufgefangen werden können, sind dringend Gesetzesänderungen nötig:

Wir brauchen die Beweislastumkehr. Das heißt, bei Auftreten von gesundheitlichen Schäden darf die Beweislast in Zukunft nicht mehr beim Konsumenten liegen (dass ihn ein bestimmtes Nahrungsmittel krank gemacht hat), sondern die Beweislast muss beim Hersteller liegen (dass eine bestimmte Krankheit nicht durch sein Produkt verursacht worden ist). Mit dieser gesetzlichen Änderung würden zahlreiche Nahrungsmittelunverträglichkeiten binnen kürzester Zeit verschwinden, da die Hersteller gefährliche Nahrungsmittel gewiss alsbald aus den Regalen nähmen, um nicht regresspflichtig zu werden.

Ich kann Leserinnen und Leser an dieser Stelle nur nachdrücklich ermutigen, als Lobbyisten in eigener Sache aufzutreten und diese Idee, dieses Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die zuständigen EU-Kommissare vielleicht doch noch besinnen und im Sinne des Volkes handeln und nicht im Sinne der Lebensmittel- und Agrarindustrie.

Einflüsse auf die Darmflora

Wie stark sich die im Dickdarm ansässigen Bakterien, Pilze und Parasiten vermehren, hängt in erster Linie von den vorhandenen Nährstoffen ab. Das Nährstoffangebot wiederum hängt davon ab, was der Mensch an Nahrung zu sich nimmt und was er davon aus dem Darm aufnehmen (resorbieren) kann.

Die Mikroorganismen im Darm leben vor allem von den Nahrungsbestandteilen, die nicht resorbiert werden. Diese nicht resorbierten Bestandteile werden als »Ballaststoffe« bezeichnet. Nachdem bei Fructose- bzw. Laktoseunverträglichkeit die Substanzen Fructose (Fruchtzucker) bzw. Laktose (Milchzucker) nicht resorbiert werden können, müssten diese eigentlich als Ballaststoffe gelten – allerdings nur bei den betroffenen Individuen. Das heißt, dass sich der Begriff »Ballaststoff« gar nicht genau definieren lässt. Das heißt aber auch, dass eine Substanz bei einem Menschen Ballaststoffcharakter besitzt, bei einem anderen aber nicht. Viele Ernährungsratgeber und sogenannte Experten lassen diese wichtige Tatsache außer Acht.

Wissen

Eiweiß und Histaminintoleranz

Vor allem bei der Histaminintoleranz kann der Autodigestionsmechanismus eine bedeutende Rolle spielen, da die anfallenden Proteine meist reichlich Histidin enthalten, eine Aminosäure, die von den Bakterien zu Histamin abgebaut wird. Aber auch andere Aminosäuren mit einer ähnlichen chemischen Struktur können zu »biogenen Aminen« (siehe Seite ▶ ) umgewandelt werden und Symptome ähnlich einer Histaminintoleranz verursachen.

»Zellschrott« als Nahrungsquelle

Als weitere Nährstoffquelle dienen den Bakterien abgeschilferte Zellen der Darmschleimhaut. Diese hat eine enorm hohe Regenerationsrate und kann sich innerhalb von 48 bis 72 Stunden völlig erneuern. Wie schnell sie sich regeneriert, hängt davon ab, ob viel oder wenig resorbiert werden muss und ob entzündliche Prozesse stattfinden. Diese Nahrungsquelle für Mikroorganismen im Darm wird regelmäßig unterschätzt, aber sie ist eine Erklärung dafür, dass manche Menschen Symptome entwickeln, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten ähneln, obwohl sie gar nichts essen oder nur Wasser trinken.

Sowohl bei Darmerkrankungen als auch im Rahmen von Unverträglichkeitsreaktionen kann es zu anhaltenden Entzündungsprozessen kommen, die zu einer raschen Abschilferung der Schleimhautzellen sowie zur Exsudatbildung (Übertreten von Blutplasma in den Darm) führen. Auf diese Weise gelangen große Mengen Eiweiß in den Darm, wo sie abgebaut und wiederverwertet werden; diesen Vorgang nennt man auch »Selbstverdauung« (Autodigestion). Pro Kilogramm Körpergewicht wird schätzungsweise ein Gramm Eiweiß pro Tag allein auf dem Weg der Selbstverdauung verstoffwechselt! Zum Vergleich: Über die Nahrung nehmen wir ein bis zwei Gramm Eiweiß pro Tag und Kilogramm Körpergewicht zu uns. Das heißt etwa ein Drittel unserer Eiweißversorgung stammt aus der »Selbstverdauung«.

Was Fasten bewirkt

Eine hohe Nahrungszufuhr geht mit einer gesteigerten Umsatzrate des Darmepithels einher, während Fastenperioden diese Zellen in eine Art »Ruhephase« versetzen und so die Umsatzrate wieder herunterregulieren. Wenn Infektionen oder entzündliche Prozesse in der Darmschleimhaut während des Fastens abheilen, kommt es zwangsläufig zu einer vermehrten Regeneration. Übermäßige Nahrungszufuhr führt darüber hinaus auch zu einer höheren Abschilferungsrate der Darmschleimhaut mit vermehrtem Wachstum oft unerwünschter Bakterien, was ebenfalls die Entstehung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten begünstigen kann. Manchmal kommt es aus diesem Grund nach Heilfastenperioden zu einer Besserung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Hemmende Faktoren

Umgekehrt gibt es eine Reihe wachstumshemmender Faktoren, die das Ökosystem Darmflora regulieren. Einerseits bildet der Mensch selber antimikrobielle Substanzen, andererseits stellen die Mikroorganismen der Darmflora im Kampf ums Überleben bakterizide und fungizide Substanzen her, die auf die Konkurrenz wachstumshemmend wirken.

Zu den körpereigenen antimikrobiellen Substanzen gehören Antikörper, die mit dem im Darm gebildeten Schleim ausgeschieden werden (siehe slgA Seite ▶ 10). Über die Darmschleimhaut auswandernde weiße Blutkörperchen stellen ebenfalls eine wesentliche Abwehrlinie des Körpers dar. Darüber hinaus gibt es noch weitere vom Körper selbst gebildete Stoffe, die sogenannten Defensine, die wie Antibiotika wirken und damit das Wachstum der Mikroorganismen im Darm beeinflussen.

So kann ein Mangel an Defensinen wahrscheinlich zum vermehrten Wachstum von Mycobacterium avium paratuberculosis (dem Erreger der Paratuberkulose) und in der Folge zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie etwa Morbus Crohn führen. Oft gehen dem Ausbruch dieser Erkrankung Nahrungsmittelunverträglichkeiten voraus. Deshalb sollten Patienten mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten von ihrem Arzt regelmäßig untersucht werden, insbesondere wenn eine Nahrungsmittelunverträglichkeit trotz eingehaltener Diät wieder schlechter wird,

Auch Antikörpermangelsyndrome können zu einer Störung des »Ökosystems Darm« führen und müssen bei der Abklärung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten in Betracht gezogen werden.

In eigenen Studien konnten wir zeigen, dass das »Glückshormon« Serotonin, das im Nervensystem des Darms in großen Mengen gebildet wird, dort pilz- und bakterientötende Wirkung an den Tag legt. Antidepressiva, die in den Serotoninstoffwechsel eingreifen, entfalten ebenfalls eine hemmende Wirkung auf das Wachstum von Pilzen und manchen Bakterien, so dass ihre Wirkung beim Reizdarmsyndrom wahrscheinlich nicht nur »rein psychisch« ist.

Folgen einer »Fehlbesiedelung«

Als »small intestinal bacterial overgrowth syndrome« (SIBOS) bezeichnet man massives Bakterienwachstum im Dünndarm, wo normalerweise kaum Keime vorkommen. Zu einer solchen Fehlbesiedelung kann es kommen, wenn die Ileozökalklappe undicht ist. Die Ileozökalklappe ist eine Schleimhautfalte, die verhindert, dass Dickdarminhalt in den Dünndarm gelangt. Blähungen, wie sie zum Beispiel bei der Fructosemalabsorption vorkommen, führen im Dickdarm zu einer Drucksteigerung, durch die die Ileozökalklappe aufgedrückt werden kann und damit undicht wird. Das ermöglicht es Bakterien, vom Dickdarm her in den Dünndarm einzudringen und immer weiter nach oben zu wandern. Außerdem können Motilitätsstörungen des Darms (verlangsamte Peristaltik), wie sie bei psychischen Erkrankungen oder nach der Einnahme bestimmter Psychopharmaka auftreten, die Entstehung einer Fehlbesiedelung begünstigen; dasselbe gilt für Medikamente, welche die Magensäurebildung hemmen oder neutralisieren.

Das Bakterienwachstum im Dünndarm kann über den Wasserstoffanstieg im Atem leicht nachgewiesen werden (siehe H2-Atemtest Seite ▶ Der H2-Atemtest). Bei betroffenen Patienten treten nach dem Verzehr schlecht resorbierbarer Kohlenhydrate fast immer Beschwerden auf. Typische Symptome sind Appetitlosigkeit und »unerklärliche«, vor allem morgens auftretende Übelkeit. Auffällig ist, dass diese Patienten oft leicht erhöhte Entzündungswerte aufweisen.

Wissen

Milch, Reis und Morbus Crohn

Für den mutmaßlichen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Morbus Crohn spielt die moderne Landwirtschaft eine wesentliche Rolle: Nachdem in der Milchwirtschaft fast nur noch Hochleistungsrinder zum Einsatz kommen und diese anscheinend anfälliger für Paratuberkulose sind, lässt sich in den meisten – auch in den pasteurisierten – Milchen genetisches Material des Krankheitserregers Mycobacterium avium paratuberculosis (MAP) nachweisen.

Nachdem wir selbst ein Labor beauftragt hatten, 40 Packungen pasteurisierter Milchproben auf MAP zu untersuchen, wurde uns mitgeteilt, 70 Prozent der Proben seien infiziert. Kurz darauf ging das Labor (unerklärlicherweise) in Konkurs, sodass wir keinen schriftlichen Befund mehr bekommen konnten und dieses Ergebnis daher nur als »Vermutung« gelten darf. Würden sich diese Zahlen aber bestätigen, wäre das eine weitere Erklärung für die extreme Zunahme von Nahrungsmittelunverträglichkeiten – und eine Katastrophe.

Zu denken geben sollte uns aber auch, dass Morbus Crohn in letzter Zeit sogar schon bei Säuglingen auftritt, ein völlig neues Phänomen. Ein Mitarbeiter eines großen Herstellers für Babynahrung teilte mir hinter vorgehaltener Hand mit, dass hart an diesem Problem gearbeitet werde. Man vermute, die Erreger stammten aus Reispulver, das aus dem Fernen Osten eingeführt wird.

Wenn Kohlenhydrate (wie zum Beispiel Fructose) nicht resorbiert werden können, vermehren sich die Bakterien im Dickdarm sehr stark und bilden viel Gas. Dadurch kann die Ileozökalklappe zwischen Dick- und Dünndarm undicht werden, Bakterien gelangen in den Dünndarm und produzieren dort ebenfalls Gas.

Darm und Immunsystem

Die Bakterienflora im Darm wird durch die verschiedenen Nahrungsmittel bei jedem Menschen anders beeinflusst. Die Unterschiede hängen aber nicht nur von der Art der Bakterienbesiedelung und von der Fähigkeit des Darms ab, verschiedene Nahrungsmittelbestandteile aufzunehmen, sondern auch ganz wesentlich von den Abwehrmechanismen, die dem Darm zur Verfügung stehen.

Der Darm stellt die größte Kontaktfläche des Menschen zur Umwelt dar. Während die Haut 1,5–2 Quadratmeter Oberfläche aufweist, hat der Darm eine Oberfläche von 200–400 Quadratmetern! Die Darmwand ist sozusagen die größte Grenze zwischen innen und außen, darum hat das Immunsystem die meisten seiner Abwehrzellen (ca. 80 Prozent) im Darm »postiert«. Eine wahre Armee von Abwehrzellen steht hier bereit, um Mikroorganismen oder Nahrungsmittelbestandteile, die dem Körper gefährlich werden können, unschädlich zu machen. Das hat aber nicht nur Vorteile, denn bei jeder Abwehrreaktion (die wir als »Entzündung« wahrnehmen) werden nicht nur feindliche Mikroorganismen zerstört, sondern auch körpereigenes Gewebe.

Die gute Abwehrlage im Darm stellt also ein zweischneidiges Schwert dar: Einerseits bewahrt sie den Körper vor Infektionen, andererseits kann sie die Darmschleimhaut schädigen. Das sollte man bedenken, wenn wieder einmal ein Lebensmittelhersteller damit wirbt, dass sein Nahrungsmittel das »Immunsystem stärkt«. Vorausgesetzt, die Behauptung trifft zu, können also auch ganz andere als die erwünschten Effekte eintreten.

Neben den Abwehrzellen gibt es noch Antikörper, die von der Darmschleimhaut produziert und mit dem Schleim ausgeschieden werden. Sie werden als sIgA bezeichnet (die Abkürzung steht für »sekretorisches Immunglobulin vom Typ A«) und spielen eine wichtige Rolle beim Schutz vor Infektionen. Weitere Abwehrfaktoren sind Komplementfaktoren und die bereits erwähnten Defensine (antimikrobiell wirkende Peptide); auch sie werden im Darm produziert und können sowohl schützende als auch schädigende Wirkung zeigen. Die Abwehrmechanismen im Darm gehören zu den kompliziertesten im ganzen Körper und werden in ihren Funktionen auch von Spezialisten noch nicht wirklich verstanden. Es würde daher den Rahmen dieses Buches sprengen, hier ins Detail zu gehen.

Es gibt kein starkes und kein schwaches Immunsystem!

Das Abwehrsystem im menschlichen Körper (und damit auch im Darm) befindet sich entweder im Gleichgewicht oder nicht im Gleichgewicht – und dieses Gleichgewicht ist in jeder Situation, zu jeder Tageszeit und nach jeder Mahlzeit ein anderes. Man kann sich das wie bei einer einfachen Balkenwaage mit zwei Waagschalen vorstellen: Egal, ob die Waagschale links oder rechts tiefer steht, in beiden Fällen ist das Gleichgewicht gestört. Und genauso ist es beim Immunsystem des Darms: Sowohl überschießende als auch zu schwache Antworten auf Reize, die von Mikroorganismen oder Nahrungsmittelbestandteilen ausgehen, führen zu einer Störung des Gleichgewichts und damit zu Krankheit.

Wissen

Schwangerschaft und Immunsystem

Normalerweise können milde Entzündungsreaktionen vom menschlichen Körper gut weggesteckt oder ausgeglichen werden. Auf schwangere Frauen, die zu Frühaborten (Fehlgeburten in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen) neigen, trifft das allerdings nicht zu. Frühaborte sind oft als »Abstoßungsreaktion der Mutter gegenüber dem ungeborenen Kind« zu werten. Das heißt, hier muss das Immunsystem eher gedämpft als stimuliert werden. Schwangeren rate ich daher ab, Nahrungsmittel zu konsumieren, die angeblich das Immunsystem stärken sollen. Aber auch für alle anderen Menschen sind solche Nahrungsmittel entbehrlich.

Die in der Werbung gerne beschworene »Stärkung« des Immunsystems ist allein schon deshalb unsinnig, weil niemand weiß, bei wem die Waagschale tiefer oder höher hängt (um in diesem Bild zu bleiben). Und das Immunsystem ist viel komplizierter als eine Waage mit zwei Armen. Ein Mobile mit vielen Hundert untereinander verbundenen Armen und Waagschalen träfe es besser. Ein solches Gebilde vor Augen, kann man sich leicht vorstellen, dass jedes bewusste Eingreifen in ein so kompliziertes System eher Schaden als Nutzen bringt.

Eine »Stärkung« oder Stimulation des Immunsystems bedeutet in Wirklichkeit, die Wahrscheinlichkeit für eine Entzündungsreaktion zu erhöhen. Wann immer Sie in der Werbung hören: »Das Nahrungs(ergänzungs)mittel XY stärkt Ihr Immunsystem«, sollten Sie die Aussage für sich übersetzen in: »Dieses Nahrungs(ergänzung)mittel ist entzündungsfördernd.«

Um bei dem Vergleich mit dem Mobile zu bleiben: Sie werden es kaum schaffen, ein Mobile, das ein Luftzug ins Schwanken gebracht hat, durch »regulatorische Eingriffe« mit Ihren Händen zu beruhigen. Am besten ist es, die Zeit für sich arbeiten zu lassen, störende Einflüsse auszuschalten und zu warten, bis es sich beruhigt hat. Das Gleiche gilt auch für den Darm. Bei massiven Störungen muss man aber zum Arzt gehen, damit dieser störende Einflüsse beseitigt – sofern das möglich ist. Aber jeder Versuch, ein gesundes System noch »gesünder« zu machen, kann nur das Gegenteil zur Folge haben. Das gilt auch für sogenannte »gesunde Nahrung«.

Nur Verträgliches ist gesund