Napoleon Bonaparte - Carl Hauptmann - E-Book

Napoleon Bonaparte E-Book

Carl Hauptmann

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Beschreibung

"Napoleon Bonaparte" ist eine monumentale Dramatisierung des Lebens des großen Korsen. Das Vorspiel stellt auf geschickte Weise die Eltern vor, die während der Revolution, die ihre Heimatinsel erschüttert, auf der Flucht sind. Beide bringen Eigenschaften zum Vorschein, die sich später im Sohn vervollkommnen und zur Geltung kommen sollen. Die Atmosphäre der inneren Unruhe und der äußeren Gefahr stimmt den Leser auf das stürmische Leben ein, das den Jungen erwartet, der friedlich in einem an einen Esel angehängten Korb schlummert, der seine Mutter in Sicherheit bringt. Der erste Teil des Dramas handelt vom Bürger Bonaparte und beginnt mit seiner Eroberung Josephines. Die triumphale Karriere Bonapartes im Mittelmeerraum verdeutlicht die unwiderstehliche Kraft seiner Persönlichkeit: Er überlistet die verschlagensten Diplomaten und begeistert mit seinem Mut und seiner Energie die ihm unterstellten Soldaten. Der zweite Teil dieses dramatischen Meisterwerkes fasst die Ereignisse, die den Werdegang des Kaisers und Eroberers bis zu seiner Abdankung prägten, wirkungsvoll zusammen, und das Nachspiel schildert sein tragisches Ende auf St. Helena. Der Esprit des Werkes kommt dem klassischen Ideal des historischen Dramas näher als kaum ein anderes Werk dieser Art. Carl Hauptmanns Auffassung von Bonapartes Charakter ist von tiefem menschlichem Mitgefühl durchdrungen. Er versteht ihn in seiner übermächtigen Stärke und in den Momenten der Schwäche, die seine Verwandtschaft mit dem einfachsten Sterblichen beweisen. Die zahlreichen Charaktere sind mit bemerkenswerter Genauigkeit skizziert.

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Seitenzahl: 421

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Napoleon Bonaparte

 

Teile 1 und 2

 

CARL HAUPTMANN

 

 

 

 

 

 

 

Napoleon Bonaparte, Carl Hauptmann

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849663643

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

ERSTER TEIL: BÜRGER BONAPARTE.. 1

VORSPIEL.. 1

ERSTER AKT.. 9

ZWEITER AKT.. 28

DRITTER AKT.. 49

VIERTER AKT.. 65

FÜNFTER AKT.. 78

ZWEITER TEIL: KAISER NAPOLEON... 94

ERSTER AKT.. 94

ZWEITER AKT.. 115

DRITTER AKT.. 136

VIERTER AKT.. 165

FÜNFTER AKT.. 185

NACHSPIEL.. 208

ERSTER TEIL: BÜRGER BONAPARTE

VORSPIEL

KAPITÄN BONAPARTE

MUTTER BONAPARTE

PRIESTER FESCH

LOUIS, PAOLETTA, LISA (KINDER)

WEINBAUER COSTA

EINE ALTE KORSIN

FRANCESCO, EIN ALTER HIRT

BONIFAZIO, EIN JUNGER HIRT

GUISEPPE UND ANDERE JUNGE HIRTEN

SBIRREN, EINE ART BERGGENDARMEN

Felsküste von Korsika bei Nacht und Sturm

Ein Hirtenjunge liegt auf einem Felsvorsprung: Da . . . ist ein Blutschein am Himmel . . . Mutter ... in Ajaccio träumen die Menschen jetzt böse Träume ... in Ajaccio geht jetzt in den Straßen das Erwürgen und der Totschlag um . . . in Ajaccio sinken die Wohnstätten der Verräter in Asche . . . (er ist aufgesprungen) ah . . . solch ein grober Stein . . . solch ein plumper, gemeiner Stein . . . Salicetti heißt er . . . hahaha . . . fort . . . springe zum Strande, du Verräter . . . wie heißt denn dieser Stein, Mutter? . . . Multedo heißt er . . . hinab in den Abgrund, du Verräter . . . hinab, du Arrhena . . . Verräter . . . hinab, ihr Bonapartes ... ihr Verräter! (er steht plötzlich still und horcht) wie es hallt! ... als wenn ein Rudel, Böcke in der Schlucht aufklimmt . . . da . . . wieder ... es rollen Steine . . .

Eine alte Korsin ist am Stabe aus der Höhle gekommen: Blöke nicht, Ziege . . . blödes Tier . . . sei stumm ... sei stumm . . . man muss auf der Hut sein ... Oh Bonifazio . . . Fluch über die räudigen Hunde! ... die den alten Inselherrn Paoli an die Königsmörder in Frankreich verraten wollten ... die den Alten auf die Mordbank Frankreichs ausliefern wollten . . . nun ist neu helle Blutsfeindschaft auf der ganzen Insel aufgebrannt gegen das mordsüchtig gewordene Frankreich . . . (plötzlich mit einem giftigen Eifer erzählend) aber wie die Racheschreie des ganzen Korsenvolkes auch die tollen Söhnlein jener Geiermutter, jener stolzen Letizia Bonaparte, verflucht hatten . . . Francesco sagt es ... da wäre unser greiser Inselherr immer noch gnädig gewesen ... da hätte der Alte an Mutter und Töchtern immer noch wieder wollen Gnade üben . . . "Herrin , wenn Ihr dem alten Korsenführer nur schreiben wolltet, dass Ihr den giftigen Verrat jener schamlosen Aufrührer missbilligt . . . dass Ihr mit den Verleumdungen nichts zu schaffen habt ... so wird Euch kein Haar gekrümmt werden . . . wird Euer Hab und Gut, Euer Weinberg und Eure Wohnstätte unversehrt bleiben" . . . und was schrieb diese stolze Letizia Bonaparte dem General zurück? . . . "Ich bin der Söhne Mutter. Ich habe ihnen meinen Lebensodem eingeblasen. Ich habe mich mit meinen Söhnen zur Untertanin Frankreichs erklärt . . . und werde es auch bleiben" . . . (Sie lacht grell auf.)

Der Hirtenjunge: Schweig, Mutter . . . der Alte der Insel schläft jetzt nicht ... er wird wach sein . . . und sein Statthalter Pozzo di Borgo ist ein junger, vornehmer Herr, wie die Bonapartes ... er wird seine Feuerschlünde schon auf die Franzosenfreunde zu richten wissen ... da ... ein Pfiff ... es ist Francesco, der tief im Tale gewesen . . . seit er von der Volksversammlung in Corte zurück ist, hat er geschlafen wie ein Erdkloß ... oh, schon gut . . . schon gut ... es ist gar keine Gefahr . . . nicht der Schatten von Gefahr . . . es ist wildes Gelächter in den Klippen ... es sind aufgescheuchte Geier, die in den Lüften schreien in der Finsternis . . . das Meer ist kochend ... die Sturmtrompete bläst tolle Gesänge auf ... die Franzosenfreunde werden es nicht wagen, am nächtigen Ufer zu landen . . . auch der verwegenste Bube nicht . . .

Eine Stimme aus der Schlucht ruft: Hirte! . . . Hirte!

Der Hirtenjunge: Mann . . . Soldat . . . was? . . . Jesus . . . was wollt Ihr? . . . oh heilige Jungfrau ... in solcher Nacht ... an unsrer einsamen Ziegenhöhle ... in solchem Wettersturm ... in solcher rasenden Luft . . .

Kapitän Bonaparte klimmt auf, rufend: Es ist ein gewaltiger Orkan . . . aber du und ich fürchten uns nicht ... du und ich müssen hüten und retten ... du deine Herde . . .

Der Hirtenjunge tut einen langen Pfiff.

Kapitän Bonaparte auf klimmend: Fürchte dich nicht . . . rufe niemand zu Hilfe . . . obgleich ich ein Soldat bin, bedrohe ich dich nicht . . .

Der Hirtenjunge: Nein nein nein ... ich rufe nur Francesco . . . Rat und Hilfe willst du? ... so wird Francesco Rat wissen ... ich sehe immer nur den Wolken zu . . . habe den Blick im weiten Meere ...er hat auf Menschendinge seinen Blick gerichtet ... e r ist erfahren . . . Francesco . . . Francesco ... ein einsames Boot ist hier in der Schlucht kühn gelandet ... ein einsamer Soldat hat es gewagt, ans steinige Ufer anzusteigen in dieser tollen Nacht . . . (Er ist in der Höhe verschwanden.)

Kapitän Bonaparte kommt immer näher.

Die alte Korsin, die sich unterdessen am Feuer niedergelassen hatte , es neu aufschürend, hockt reglos, misstrauische Blicke werfend.

Ein alter, weiß behaarter Hirte, die Büchse im Arm, erscheint mit dem Hirtenjungen.

Der Hirtenjunge: Er muss in Not sein . . .

Kapitän Bonaparte: Saht ihr nicht auf euern Felsenpfaden ein Weib mit Kindern vorüberfliehen?

Der Hirtenjunge halblaut zum Alten: Ein Weib mit Kindern . . . Francesco . . .

Der alte Hirte langsam und zögernd: Verhüte der Himmel, dass Weiber und Kinder in dieser Nacht durch Felsen und Sturm irren müssen . . . die Männer ducken sich am Feuer nieder . . . dich zerreißen Furcht und Ängste . . . erzähle, wer du bist . . .

Kapitän Bonaparte: Ihr kennt mich, wenn ich an Euer Feuer trete . . .

Der Hirtenjunge halblaut zum Alten: Francesco ... es ist ein Bonaparte aus Ajaccio . . .

Kapitän Bonaparte: Ich bin der Kapitän Bonaparte . . .

Der alte Hirte: Oh mein Gott ... ein Bonaparte aus Ajaccio ... ist es möglich? ... so wittere in die Luft ... du kannst es riechen . . . blicke fern ins Meer ... du kannst die Rachefurie lohen sehen ... am Horizonte dort . . . Eure Heimstätte ist jetzt ein jäher Rachebrand . . . Euer Weinberg in Ajaccio soll zu Schutte werden . . . die Spuren Eurer Tritte sollen verwischt sein von der Insel . . .

Kapitän Bonaparte: Also eilt Euch . . . die Stunde ist gefährlich wie sonst keine . . . sucht auf den Hirtenpfaden die Flüchtlinge, die aus der Hauptstadt vertrieben sind ... sie müssen hier vorüberfliehen . . .

Der Hirtenjunge hat wieder einen langen Pfiff ausgestoßen.

Junge Hirten kommen aus den Felsen nieder.

Der Hirtenjunge, ihnen entgegenrufend: Guiseppe . . . Amando . . . Seraphino . . . springt doch . . .

Der alte Hirte ruft ihnen zu: Ein Bonaparte aus Ajaccio . . . der Kapitän . . . kommt um Hilfe . . . Weiber und Kinder zu retten . . .

Kapitän Bonaparte: Solange es noch Nacht ist, sucht auf allen Saumpfaden ... in den Klüften ... die Mutter und die Kleinen streben Calvi zu erreichen . . . der Kommissar und Bruder Joseph halten Calvi . . . Ajaccio ist verloren . . . eilt euch . . . eilt euch!

Die jungen Hirten laufen nach links auseinander.

Die alte Korsin hat unterdessen ein Ziegenfell neben das Feuer gelegt.

Kapitän Bonaparte wirft sich darauf nieder: Sie müssen hier vorüber . . . gejagt von Rozzos Häschern . . , denn euer Statthalter Pozzo di Borge ist die Seele des wilden Freiheitshasses, der jetzt das Volk zerreißt ... er ist ein stolzer, reicher Edelmann ... ein hochmütiger Herr ... er hasst das Volk . . . hasst jetzt die Bonapartes noch heißer wie der greise Inselabgott . . .

Der alte Hirte: Bist du nicht auch einer von denen ... die den alten Inselführer an Frankreich verrieten? . . .

Kapitän Bonaparte: Nein . . . verraten ist mir fremd ... ich bin Soldat . . . den Alten liebte ich mehr wie meinen Vater . . . wenn ich ihn jetzt bekämpfe, hat das scharfe Gründe . . . die Freiheit gilt mir über diesen Alten ... ich bin durchnässt . . . bedecke mich ein wenig . . .

Der alte Hirte zieht seinen Pelzflausch aus und breitet ihn über den Kapitän. Dann sagt er: Du bist in unserer Klippenschlucht gelandet?

Kapitän Bonaparte: Im Ruderboote . . . wie es eben ging.

Der alte Hirte: War noch ein Zweiter mit dir?

Kapitän Bonaparte: Ja gewiss . . . ein harter Seemann, der das Boot geführt ... ich packte fest die Felsen . . . sprang ans Ufer . . . er platschte jäh ins Meer zurück . . . nicht anders . . . was lachst du? . . .

Der alte Hirte: Ich lache, weil du kühn bist . . . sicher blickst . . . rasch Wege findest . . . dich vor niemand fürchtest . . . und also Gott dich schützen wird . . .

Kapitän Bonaparte horchend: Was ist es? . . . verfluchter Lärm!

Der alte Hirte: Der Sturm schreit in den Schluchten.

Kapitän Bonaparte hat sich zurückgelegt und die Augen geschlossen.

Der alte Hirte: Du sagst, die Inselfreiheit war gefährdet?

Kapitän Bonaparte fährt auf: Gefährdet? . . . sie ist hin . . . das Volk ist blind ... du glaubst natürlich auch, der Alte hielte die Freiheit in der Hand . . . das tat er einst . . . das tut er nicht mehr . . . der General ist alt . . . hat nicht mehr Mut . . . begreift das Neue nicht . . . Ihr seid betrogen . . . frei heißt mit Frankreich gehen . . . und wenn die Freiheitsfreunde toll geworden . . . der Wahnsinn wird nicht dauern . . . glaubt es mir . . . doch gegen Frankreich heißt mit den Tyrannen . . . der Schurke Pozzo sieht das . . . weiß das ... tut das . . . betrügt euch jämmerlich . . . wie ich es hörte, dass sich das Inselvolk von Frankreich losgesagt , . . Frankreich verflucht ... ich hörte es in Calvi ... da hieß ich gleich die Flotte vorwärts segeln . . . und landete mit fünfzig Mann im alten Sarazenenturm vor Ajaccio ... ich dachte die Hauptstadt zu erobern . . . ich wollte die Garden des alten Generals und dieses ehrsüchtigen Pozzo rasch aus der Festung treiben ... ich beschoss die Festung mit Kanonen ... indessen auch die Schiffe vor dem Hafen manövrierten und ihre Kugeln streuten ... ich wollte mich zum Herrn der Insel machen . . . den alten Führer stürzen . . . Pozzo greifen ... die Freiheit wollt ich retten ... oh begreift es . . . (eine Weile Stille) doch alles das war Wahn . . . der Sturm war stärker ... er trieb die Schiffe ab . . . zwang sie ins offene Meer ... so saßen wir zum Schluss im alten Turm gefangen . . . nur ein Häuflein . . . fünfzig Mann . . . erwäge meine Ängste . . . Mutter, Kinder noch in der Hauptstadt drinnen . . . und ich wusste, dass jetzt der Hass noch unversöhnlicher entfesselt war . . . der Fluch noch heißer schrie nach ihrem Leben . . . Gott weiß, es war noch gestern ... oh du Herr . . . was ich nicht alles tat in diesen Stunden! ... ist nicht mein Haar ganz weiß? . . . (er schläft fast) am Ende entdeckte ich mich draußen in der Meerflut ... im Nachtgrau . . . schwamm hinaus zu einem Schiffe . . . erreicht es wirklich . . , bin an den Küsten dann entlang gesteuert . . . ausspähend immer . . . Mutter . . . Kinder ... ich sandte euch doch Costa . . . dass er am großen Tore nächtlich poche . . . euch wecke . . . euch auf die Beine stelle . . . für die Flucht auf sicheren Wegen . . . her zu dieser Stelle . . . Mutter . . . Kinder . . . kommt! . . .

Der alte Hirte: Ein rätselhafter Mensch . . . ist eingeschlafen . . . wie er befiehlt, als wäre er der Herr! . . . und wie sie alle sprangen . . . Guiseppe . . . Amando . . . Seraphino . . . gleich waren sie bereit . . . liefen wie Hunde in die Nacht, ihm seine Zicklein suchen . . .

(Von links aus der Höhe erscheint eilig einer der jungen Hirten.)

Der alte Hirte: Kapitän!

Hirte Guiseppe: Rettet Euch . . . Rettet Euch!

Der alte Hirte: Rettet Euch, Kapitän . . . springt ins Meer . . . springt vom Felsen ins Meer!

Kapitän Bonaparte verschwindet sofort mit einem Sprang vom Felsen.

Der alte Hirte: Dass dich der Heilige durch die Wellen trage ... er springt wie eine Ziege . . . schwimmt schon draußen . . .

Eine Rotte finsterer Männer, bis an die Zähne bewaffnet, steigt aus der Höhe einzeln hernieder und findet sich auch auf verschiedenen Wegen von links herzu.

Die alte Korsin hat sich erhoben: Jesus . . . Jesus . . . Gottes Sohn und Heiland . . . wen wollt ihr denn hier fangen? . . .

Der Führer der Sbirren: Im Namen des General Paoli, des alten Führers der Korsen, und des Generalstatthalters der Insel, Rozzo di Borge . . . macht eure Büchsen fertig . . .

Einige der Sbirren dringen mit einer Fackel in die Höhle ein.

Die alte Korsin: Es werden Ratten aus der Höhle springen . . . ehe ich Verräter in der Höhle bärge, verbärge ich den Teufel . . . liebe Herren . . . mit Fluchen schließt jetzt ein Korsenweib die Lider zu . . . und auch vom Lager auf schreckt es mit Fluchen, das aus dem gotteslästerlichen Maule ausfährt . . . Fluch den Arrhenas . . . Fluch den Bonapartes! (sie lacht plötzlich toll) sucht nur gehörig . . . sucht in allen wassertriefenden Schlupfen . . . wir haben doch die stolzen Herren und Damen aus der Hauptstadt am Bauch der Ziegen festgebunden . . . hahaha . . . heraus aus diesem finsteren Felsenloche, drin nur die Armut seufzt . . . heraus, sage ich ... stört die Herde nicht im Schlafe! . . . Mannsvolk, verfluchtes . . . hochfahrendes . . . verstocktes . . . das sich wie Hunde nur immer um den größten Knochen streitet, indes das Weibsvolk hin kriecht wie das Vieh . . . dass euch der Bock auf seine Hörner nähme und euch ins Meer würfe . . . Läusebrut . . . Pack, verfluchtes! . .

Die Rotte der Sbirren hat sich unterdessen gesammelt.

Der Führer: Das ist der Pfad nach Calvi . . .

Der alte Hirte: Ganz gewiss ...

Die Rotte im Abmarschieren dumpf: Fluch den Arrhenas! . . . Fluch den Bonapartes! . . . (Ab)

Der erste Hirtenjunge kommt scheu beobachtend und dann sprungweise von links oben aus den Felsen. Nachdem die Tritte der Sbirren verhallt sind, eilt er ans Feuer: Oh Francesco ... oh Mutter ... die Schutzflehenden steigen bald hernieder ... ein hohes, bleiches Weib . . . und kleine Kinder ... ein Priester ist auch dabei . . . das Maultier geht sorglich mit den Körben, darin die Kleinsten schlafen . . . Tag und Nacht sind sie gewandert . . . verfolgt von Angst ... bis ins Mark erschreckt von der Nähe ihrer Rächer . . . ihre Füsse bluten ... sie haben die Feuersbrunst ihrer Heimstatt hinter sich gelassen, wie Lot und seine Töchter . . . und haben nicht zurückgeblickt . . .

Unterdessen ist auch der junge Hirte Amando von links aus den Felsen gesprungen, den Sbirren nachhorchend. Dann tut er einen Hirtenpfiff zurück.

Der alte Hirte: Narr, der du bist! . . . lass die Häscher erst in die Schlucht ganz untertauchen, dass der Wassersturz ihre Ohren taub macht . . .

Im nächsten Augenblick erscheint links oben in den Felsen ein Priester, der zögernd stehenbleibt. Zurücksprechend: Gütiger Himmel . . . das Leben ist jetzt mühsam . . . komme, Schwester . . .

Hinter ihm schreitet die Mutter Bonaparte mit Wanderstab. Neben ihr geht ein Maultier. Die etwa fünfzehnjährige Lisa ebenfalls daneben schreitend. In den Maultierkörben sitzen zwei Kinder.

Die Hirten alle haben sich nun erhoben, erwarten nur reglos das Niedersteigen der Flüchtlinge.

Priester Fesch: Seid ihr barmherzig?

Der alte Hirte: Heilig ist das Gastrecht... der es je verletzte, galt auf unsrer Heimatinsel vor Gott und Menschen gleich dem Kain . . .

Mutter Bonaparte: Gebt uns ein wenig Nahrung . . . glücklich, wer helfen kann dem, der in Not ist, ohn' andern Grund als Liebe . . . füllt unsre Ziegenschläuche , wenn ihr gut seid und menschlich . . .

Lisa: Mutter, ich habe tief geschlafen . . .

Mutter Bonaparte: Nun, das merkt man.

Lisa: Zu trinken gibt es auch? . . . (nachdem sie getrunken hat) wo sind wir?

Mutter Bonaparte: Bei guten Hirten, die uns Hilfe schenken aus Menschlichkeit . . .

Paoletta: Wo ist denn Costa?

Mutter Bonaparte: Er kehrt gleich wieder ... er späht ins Meer nach Hilfe aus . . .

Paoletta: Und werden wir denn noch vom Tod gerettet? . . . und Calvi noch erreichen? . . . Joseph und Napoleon auch wirklich finden? . . .

Der Hirtenjunge beginnt mit einem Tuche vom Felsen ins Meer zu winken: Winkt doch! . . .

Der alte Hirte: Winkt doch! . . . winkt doch!

Mutter Bonaparte: Was ist es? ... ist es Rettung? . . .

Costa kommt eilig: Ja ja ... es ist ein Freundesschiff ... ich sehe es genau . . . obwohl das Meer noch grau ist ... die Trikolore weht.

Mutter Bonaparte: Oh mein Gott! . . . Kinder! ... oh, wir sind in Not! . . .

Der Hirtenjunge: So winkt doch . . . winkt doch!

Mutter Bonaparte: Ihr redet Wahn . . . ein Freundesschiff . . . ein Trugbild . . .

Priester Fesch: Es zieht mit vollen Segeln immer näher ... es ist ein Freundesschiff . . . ich seh's genau.

Bauer Costa: Matrosen sitzen in der Takelage . . . und harren des Befehls . . .

Der alte Hirte: Ein einzelner Mensch auf Deck.

Priester Fesch: Der hierher starrt . . . sein Fernglas ausgereckt . . .

Der alte Hirte: Und dessen Blick sich an die Felsen festsaugt . . .

Die beiden jungen Hirten: Das Schiff . . . das Schiff . . . seht doch das schöne Schiff! ... im Morgengrau der Schlucht kommt es noch näher . . .

Mutter Bonaparte, die mit den Kindern niedergekniet ist: Oh, Kinder . . . betet . . . betet!

Priester Fesch ist ebenfalls zu ihnen getreten und niedergekniet: Oh heiliger Gott, der du den Schwachen hilfst, den Angsterfüllten . . . hilf uns! . . . rette uns! . . .

Eine dumpfe Stille, während Costa und die Hirten leidenschaftlich mit Tüchern winken.

Der alte Hirte: Es zieht mit vollen Segeln dicht heran . . .

Bauer Costa: Jetzt wendet es geschickt.

Mutter Bonaparte, aus ihrem Gebet aufschreiend: Du Vater der Geängstigten ... du Gott der Liebe . . . verlass uns jetzt nicht, Gott . . . wir sind in Not!

Der Hirtenjunge: Die Wogen sind gewaltig ... hei!.. . nur seht! . . .

Der alte Hirte: Jetzt kommt das Schiff in guten Felsenschutz . . .

Der Hirtenjunge: Sie werden gleich die bauschigen Segel reffen . . . und die Schaluppe niederlassen ...

Der alte Hirte: Da!

Mutter Bonaparte, aus ihrem Gebet auffahrend: Es ist ein Wahn ... es ist kein Freundesschiff ... es ist ein Truggebilde . . . heiliger Gott!

Der alte Hirte: Zwei Männer springen in die Schaluppe . . . und jetzt . . . jetzt schießt das kleine Fahrzeug durch die wilden Wogen zum Strande her.

Mutter Bonaparte und die Kinder mit dem Priester Fesch haben sich vom Knien und Beten keinen Augenblick abgewandt.

Der alte Hirte springt jetzt in die Schlucht hinab. Nach kurzer Zeit erscheint er wieder, mit ihm aus der Schlucht auf klimmend der Kapitän Bonaparte.

Mutter Bonaparte und der Priester verharren im Gebet, obwohl sie den Kapitän bereits sehen. Die Kinder wollen ihm entgegeneilen.

Kapitän Bonaparte, schon von der Ferne abwehrend: Rasch durch die Schlucht hernieder . . . kein Besinnen . . . nur eilt euch . . . rasch ... es rollen Steine nieder . . . gebt Acht auf jeden Schritt . . .

Mutter Bonaparte: Du kommst uns retten . . . mein Napoleon!

Kapitän Bonaparte: Stumm wie die Felsen seid ihr ... keine Worte! ... die Häscher sind betrogen . . . hahaha . . . der Morgenhimmel sieht die Rettung, Mutter ... Ich habe eine Handvoll Brombeeren gepflückt ... da ... im Morgenscheine blinkten sie ... (Er hat sie den Kindern hastig in den Mund gesteckt, ehe er die beiden Jüngsten in die Arme nimmt.) rasch . . . ihr Hirten bleibt zurück . . . und auch du, Costa . . . damit kein Lärm entsteht . . . hab Dank, Francesco . . . Dank euch kühnen Hirten ... oh Costa! (Er hat die Kinder plötzlich auf die Erde gestellt, springt zurück und umarmt Costa.) Hab Dank . . . du . . . echter Costa! . . . (Er springt wieder fort, hat die Kinder neu aufgenommen, und alle verschwinden in der Schlucht.)

Die Hirten und Costa blicken den Verschwindenden nach. Es bleibt eine Weile tiefe Stille.

Der alte Hirte: Jetzt stößt das kleine Segel durch die Wogen . . . das Schiff harrt ihrer, sie hinauszuführen vom alten Felsenstrande fort . . . ins Weite . . .

Die alte Korsin mit ihrem Stab: Jetzt fliehen sie aufs Meer . . . gescheuchte Wölfe . . . Landflüchtige sind es jetzt . . . sind Heimverjagte . . , auch unsre heilige Jungfrau mit dem Kindlein, die irrte so geängstigt durch die Welt . . . gebenedeit sei euer Schmerzensweg zur Rettung, die euch not tut . . . großer Gott! . . . der Weg ist hoffnungslos . . . aus jedem Stein eurer Mutterinsel gellt es auch schaurig nach . . . Fluch den Arrhenas! . . . Fluch den Bonapartes!

Der Vorhang fällt

ERSTER AKT

GENERAL BONAPARTE

BÜRGERIN BEAUHARNAIS

BÜRGER DIREKTOR BARRAS

GENERAL MIRANDA

BÜRGER TALLEYRAND

GENERAL AUGEREAU

KAPITÄN MARMONT

KAPITÄN JUNOT

OBERST BERTHIER

KAPITÄN DUROC

KAPITÄN MURAT

BÜRGERIN TALLIEN

BÜRGERIN CHATEAU-REGNAULT

BÜRGER TRENIS

DER BLEICHE MENSCH IN KETTEN

LUISE, ZOFE

MODEDAMEN / GECKEN / JUNGE MÄDCHEN

DIENER /WACHEN

EIN ALTER DIENER

ERSTE SZENE

Salon im Hause der Bürgerin Beauharnais in Paris

General Bonaparte, den Hut in der Rechten, ist allein im. Zimmer. Dämmerstunde im Winter. Er wartet mit sichtlicher Ungeduld. Nach einer Weile klingelt er.

Ein alter Diener erscheint.

Bonaparte: Nun . . . wie steht es?

Der alte Diener: Die Bürgerin Beauharnais bittet nur noch um eine kleine Weile.

Bonaparte: Ist denn die Dame jetzt wirklich daheim?

Der Diener: Oh gewiss . . . ganz gewiss Bürger General . . . nur ein wenig durchnässt . . . leider ein wenig durchnässt.

Bonaparte: Heimgekehrt? . . . vom Frühstück beim Bürger Direktor Barras?

Der Diener: Vom Frühstück beim Bürger Direktor Barras . . .

Bürgerin Beauharnais erscheint bereits, heiter, dahinter ihre Zofe, die noch am Kleide ordnet: Bonaparte . . . aber es ist kalt hier . . . bringe mir noch meinen Umhang, Luise . . . ein rechtes Wintergestöber in dem neuen Paris, das eure Kanonen uns geschaffen haben . . . nur gleich dicht an das Feuer heran . . . huh . . . hier ist es behaglich . . . nicht? . . . aber Sie machen immer ein entsetzlich strenges Gesicht, Bürger General . . . wollen Sie mich wieder ängstigen mit Ihrer bleichen Miene? . . . warum staunen Sie mich nur an? . . . warum sprechen Sie noch immer kein Wort? . . . warum sind Sie überhaupt oft so hart wie ein Stein? . . .

Bonaparte: Weil es mich innerlich drängt mit unerbittlichen Vorstellungen, die mir keinen Ausweg lassen ... die mich bestürmen zum Entschluss und zum Tun . . . Josephine ... Sie waren aus?

Bürgerin Beauharnais lachend: Ein Verhör soll es geben? . . . nein, hören Sie nur im Ernst, Bürger General ... ich war soeben in einer großen Gesellschaft . . .

Bonaparte: Beim Bürger Direktor Barras . . .

Bürgerin Beauharnais: Ja . .. beim Bürger Direktor Barras . . . und hörte da leidenschaftliche Reden von großen, zukünftigen Dingen . . .

Bonaparte: Von welchen großen, zukünftigen Dingen? ... die der Bürger Direktor Barras und seine Helfer je anders tun könnten, als mit großen Worten? . . . erbittern Sie mich nicht mit diesem Bürger Direktor Barras . . . der Bürger Direktor Barras kennt nichts anderes, als die Leidenschaft des bunten Scheines, des Genusses und des persönlichen Vorteils . . . darin endigen bei ihm seine mächtigsten Träume ... er liebte es schon als Bürgervertreter seiner Provinz, bei jeder Gelegenheit in purpurner Robe, scharlach'nem Mantel und trikolorer Feder zu erscheinen ... er weiß nichts von dem Fanatismus für große Aktionen . . . nichts von dem Fanatismus der sicheren Herrschaft über Menschen und Dinge zu großen Zwecken . . . sein Regieren endigt im selbsteigenen Behagen . . . wenn Sie es überhaupt Regieren nennen wollen, dieses provisorische Verwalten eines Volksgetrümmers . . . eines Torso . . . einer völligen Zerrissenheit, worin die überhitzten Glieder einander mühselig suchen und noch immer nicht finden können . . . sehen Sie, mir ist dieses Elend heilig . . . ich denke fortwährend über alle diese Dinge nach . . . wenn ich immer bereit bin, zu allen Entschließungen Stellung zu nehmen, so kommt es daher, dass ich heimlich tausendmal darüber nachgedacht habe ... ich erwäge stets alles, was kommen kann . . . es ist nicht das Genie, das es mir plötzlich eingibt ... es ist meine vorherige Überlegung . . . mein Nachdenken . . . mein Sinn und mein Fanatismus ist Arbeit ... ich arbeite immer . . . beim Essen ... im Theater . . . nachts treiben mich Pläne aus dem Bett . . . und ich stehe plötzlich auf, um in der Helligkeit zukünftiger Vorstellungen zu leben . . .

Bürgerin Beauharnais: Stille halten sollen Sie . . . mir die Spitzenärmel knöpfen und ganz sanft sein!

Bonaparte müht sich: Wissen Sie, Josephine . . . dass man in Ihrer Nähe verzweifelt ... ja ja doch ... es geht schon . . . dieser verfluchte Knopf ist kaum mit der Lupe zu sehen . . . (Er küsst ihr den Arm und erhebt sich wieder, indem, er unentschlossen dasteht.)

Bürgerin Beauharnais lächelt ihn an.

Bonaparte: Es ist vollkommen wahr, was ich sage ... in Ihrer Nähe muss man verzweifeln . . . Sie lieben auch nur Glanz und Genuss . . . was lohnt Ihnen ein Mensch, wie ich bin . . . was begreifen Sie von einem Leben, wie dem meinen? . . . das Kartätschengeschäft in der neu aufgewühlten Hauptstadt im vorigen Herbst hatte mich eine Stunde berühmt gemacht ... so geruhten auch die vornehmen Damen einen Blick auf den landflüchtigen General aus der Provinz zu werfen, der ihnen die Ruhe wiedergegeben hatte . . . das war so eine flüchtige Gnade von oben . . . glauben Sie denn auch, dass ich zum Gendarmeriegeneral geboren bin . . . oder zum Polizeimeister in der Hauptstadt, der harmlose Bürger gern mit Kanonen bändigt? . . . das ist ja ein lächerliches, gemeines Dasein, was ich jetzt in diesem großen Babel und in diesem blutleeren Frankreich führe . . . finden Sie nicht? . . . könnte ein Weib wie Sie je daran denken? . . .

Bürgerin Beauharnais: Soll ich einstimmen in Ihren Klagegesang, Bürger General? . . . aber da werden Sie womöglich noch missmutiger, als Sie schon sind, und zertrümmern mir einen Tisch . . . um Gotteswillen, Bürger General! . . . Ihre Augen blicken schrecklich . . . und Sie können so sanft aussehen, wie die Schwermut selber . . . lachen Sie doch einmal . . . ohne Lachen könnte ich nicht leben. Bonaparte . . .

Bonaparte: Ja ja ja . . . gehen Sie nur zurück zum Bürger Direktor Barras, der diese Chimäre von Staat von üppigen Tafeln aus mit Lachen regiert!

Bürgerin Beauharnais: Pfui, Bonaparte!

Bonaparte: Auch was ich jetzt sagte, ist wahr . . . aber ich will trotzdem lachen, wenn Sie es befehlen . . .

Bürgerin Beauharnais: Sie sind ein Sonderling, Bonaparte ... es ist etwas so Ernstes und Heißes in Ihnen . . . etwas so Unzufriedenes und Freudloses . . . und lächerlich Gewissenhaftes . . . Hartes . . .

Bonaparte: Gott Vater! . . . können Sie das noch wunderbar finden, dass in der allgemeinen Entfesselung raubsüchtiger Triebe dieser Zeit meiner Seele ein Panzer wuchs wie aus Stein . . . ach was, Josephine . . . ich bin nur glücklich, dass all die Wirren an Ihnen so spurlos vorübergegangen sind . . . dass bei Ihnen noch immer nur die Anmut und die Sanftheit wohnt . . . dass sich jedenfalls in Ihren Mienen gar nichts von all den jämmerlichen Nöten dieser Jahre eingeprägt hat . . .

Bürgerin Beauharnais: Prägen sich derartige Mienen erst von außen ein, lieber General? . . . waren Sie nicht von Geburt an schon so finster?

Bonaparte: Meinetwegen ... ja ja ja . . . ich sah immer aus wie ein Wüterich . . . (Er geht in einer gewissen Enttäuschung schweigend hin und her.)

Bürgerin Beauharnais beobachtet ihn einigermaßen bestürzt. Nach einer Weile sagt sie: Der Abend schleicht jetzt früh herein . . .

Bonaparte leise: Lassen Sie ihn kommen, ich habe es gern, wenn Ihre Wangen blass und schemenhaft werden . . . und ich den Ton Ihrer Stimme noch tiefer höre . . .

Bürgerin Beauharnais ist aufgesprungen und ans Fenster getreten: Sehen Sie nur, wie der Regen jetzt schneeweiß geworden ist ... der Winter sinkt in großen, weichen Flocken herab und hüllt Paris ganz ein.

Bonaparte starrt hinaus.

Bürgerin Beauharnais: Ist es nicht himmlisch . . . diese Winterruhe, die plötzlich draußen alles stumm macht? . . . nein ... es ist ordentlich bedrohlich . . . (sie ruft) Luise!

Bonaparte: Lass dieses Frauenzimmer draußen ... ich bitte dich ... es soll dunkel bleiben ... es schadet nichts . . . dein Gesicht seh' ich genug ... ich kann im Dunkeln noch alles erkennen, was ich erkennen will . . . und diese Stunde will ich es erkennen, was ich erkennen muss.

Bürgerin Beauharnais: Was ist Ihnen . . . was haben Sie heute, General?

Bonaparte: Du warst heute bei Barras . . .?

Bürgerin Beauharnais: Gewiss ... ich war heute zum Frühstück bei Barras . . . auch Rewbell und Letourneur waren da . . . auch Carnot war da . . . aber du willst es ja nicht hören . . . du lachst ja darüber, wenn ich sage, dass sie von großen Dingen sprachen ... es war eine äußerst hitzige Unterhaltung an der Tafel . . . über große, zukünftige Dinge . . . glaube es mir nur . . . das Direktorium scheint fast entschlossen, den Krieg gegen die verbündeten Feinde der Republik endlich mit aller Kraft neu zu beginnen ... so solltest du hübsch vorsichtig sein, die Namen der Direktoren so verächtlich zu gebrauchen.

Bonaparte: Warum? . . . rühmten sie mich?

Bürgerin Beauharnais: Hören Sie mich nur erst einmal ganz ruhig an . . . obwohl ich nur ein Weib bin, habe ich doch ein lebhaftes Gefühl für die Aussichten auf Ruhm ... ich habe die Ohren gespitzt wie ein Mäuschen . . . und sage es Ihnen genau, wie es aus dem entschlossenen Munde Carnots kam ... er rühmte Euch ... ja natürlich . . . sehr . . . wiederholt ... er sprach leidenschaftlich von einem endlichen Wiederbeginn des Krieges in Italien . . .

Bonaparte: Entwickelte er nicht vor der vollen Tafel einen ganzen, kühnen Kriegsplan für den Angriff gegen das kaiserliche Heer in Italien?. . . nannte er meinen Namen dabei? ... ich habe diesen Plan eines neuen Angriffs in Italien gegen den Kaiser in meinen Nächten ersonnen . . . und ich bin nur gespannt, ob der Neid der Regierungsmänner nun auch weiter zulassen wird, dass ich meinen Plan wirklich ausführen kann . . . aber im Grunde ist mir das sehr gleichgültig ... ich habe keine Protektion nötig, um vorwärts zu kommen . . . die Männer, die jetzt Frankreich regieren, werden eines Tages froh sein, wenn ich sie unter meine Protektion nehme ... ich habe meinen Degen an der Seite . . . und meine Ideen in meinem Kopfe sind klar ... ich werde meine Wege ausfinden und werde noch große Dinge tun . . . dazu fühle ich mich berufen . . .

Bürgerin Beauharnais: Huh ... er hat ein Selbstgefühl, wie ein nasser Schwamm Wasser ... wo man ihn drückt, fließt er davon über . . .

Bonaparte: Du hast recht, Josephine . . . ich will jetzt wirklich einmal schweigen ... ich will dich anhören, was du von Barras zu erzählen hast . . . und von dem neuen Kriege in Italien, der Tag und Nacht vor meiner Seele steht . . . wenn Carnot meinen Namen nannte, bin ich es zufrieden . . . Carnot will * mir wohl ... es ist mein Plan, den er kennt und verficht ... so ist doch Aussicht, dass sie mich in Rechnung ziehen, wenn sie den Führer wählen . . . bin ich jetzt zahm genug? ... oh Josephine . . . wie der Schein über deine Wangen flackert und dein Gesicht vergoldet . . . das seh' ich so verzehrend gern . . . leg deine Hände nicht auf deine Augen . . . deine Blicke gehören dazu ... ja ja, jetzt sehe ich alles . . . und ich darf es weiß Gott gewiss nicht mehr lange so sehen . . . denn ich werde davon allmählich ganz schwach in meinen Entschließungen . . . wenn ich deiner nicht endlich ganz sicher werde . . . Josephine ... du musst mich völlig begreifen ... du musst mich endlich lieben, wie ich dich liebe ... es ist in mir ein reißendes Feuer ... ich kann es ganz gewiss nicht mehr lange ertragen, dass du so hinlebst ohne alle Leidenschaft ... so nur hindurch rauschend in Anmut ... all diesen Männern der Macht zulächelnd . . . ewig heiter . . . ewig umschwärmt von all den Gecken ... du müsstest endlich wissen, dass ich kein Mann bin, der nach dem Ruhme der Salons sich sehnt ... du müsstest wissen, dass mein Blut nach dir schreit ... du müsstest es verschmähen, einen wahren Liebhaber am Narrenseile herumzuführen ... ich bin kein Phantast, der von ferne aushält und mit Brosamen der Koketterie zufrieden ist . . . verstehe mich endlich . . .

Bürgerin Beauharnais: Ihr Korsen seid alle zu blutig ernst . . .

Bonaparte: Ihr Korsen . . . ja ja . . . Ihr Korsen . . . Frankreich braucht in seinen jetzigen Ängsten sehr notwendig ein paar Korsen, wenn es seine Bürgerfreiheit erst einmal nach außen völlig sichern will . . . der blutige Ernst fehlt seinen Führern . . . Frankreichs Führer sind einstweilen gewissenlose Abenteurer, die dir freilich besser gefallen wie ich ... nenne mich nur gleich einen Barbaren ... du bist eine vornehme Frau ... du hast immer die ruhig vornehme Haltung, wie sie der alten, französischen Gesellschaft so wohl stand . . . und ich bin ein Barbar, landflüchtig und finster . . .

Bürgerin Beauharnais: Um Gotteswillen, ziehe nicht den Dolch und tue mir etwas an . . .

Bonaparte in Gedanken lachend: Ihr Korsen . . . ja ja . . . Ihr Korsen , . . Frankreich braucht sehr notwendig ein paar Korsen . . . seine Armeen an den Grenzen sind verwahrlostes Gesindel . . . haben weder Schuh . . . noch Kleider . . . noch Führer, die sie wirklich zusammenhalten ... die Armeen der Republik können hauptsächlich die Marseillaise singen . . . sonst sind es armselige Haufen.

Bürgerin Beauharnais: So könnten Sie dort ein schönes Feld der Tätigkeit finden und würden nicht mehr in dieser Atmosphäre von Parfüms und Luxus leben müssen . . .

Bonaparte: Josephine . . . wenn ich nicht in deinen Worten jetzt etwas mehr entdecke, als diese leeren Spielereien der Salons ... ich schwöre es dir ja ... es ist mir eine Kraft aufgegangen in der Leidenschaft, die du mir einflößt . . . Josephine ... du liebst mich doch ... du hast einen unwiderstehlichen Hang zu mir . . . sprich es . . . erlöse mich aus diesem Aufruhr ... du brennst im Verlangen nach mir, wie ich nirgend mehr Ruhe finde vor diesem verzehrenden Gefühl . . . sprich es endlich . . .

Bürgerin Beauharnais: Solche großen Stücke bildest du dir ein ... und denkst, dass ich dir auf einen solchen wilden Angriff womöglich gleich um den Hals stürzen müsste.

Bonaparte: Nein . . . gar nichts sollst du weder sagen noch tun . . . (er geht auf und ab) du sollst es nur jetzt ganz entschlossen überlegen, wie du an mir handeln kannst ... ja ... tu es jetzt . . . Josephine!

Bürgerin Beauharnais ist ernst geworden.

Bonaparte: Josephine ... tu es jetzt!

Bürgerin Beauharnais: Heute schon? . . . nicht morgen? . . .

Bonaparte: Jetzt . . .

Bürgerin Beauharnais: Jetzt? . . . du, Quälgeist ... ja mein guter Gott . . .

Bonaparte: Es ist ganz dunkel geworden, Josephine ... ich sehe nicht einmal mehr, was du für ein Gesicht machst . . . und wenn du dich jetzt belügst, so tust du es nur vor dir selber . . .

Bürgerin Beauharnais: Du willst mich um jeden Preis heiraten?

Bonaparte: Ich brauche dich . . . deine Liebe muss mit mir sein . . . dann werde ich endlich klar wissen, dass ich zu mehr berufen bin, als in der aufrührerischen Hauptstadt Diktator zu spielen . . . haha . . . ein Korse . . . ja ja . . . ein Schwelger bin ich nicht ... ein Korse bin ich ... und ich werde ein Zauberer sein, wenn deine Leidenschaft mich ausfüllt ... da kenne ich keine Grenzen mehr ... ich werde Wunder tun können, wenn die Feuerkraft mich ausfüllt, die von dir kommt . . . und die ich bisher nicht gekannt habe, Josephine . . . (Er hat ihre beiden Armgelenke umgriffen and fällt plötzlich vor ihr nieder.)

Bürgerin Beauharnais: Bonaparte ... du bist wie ein Rasender ... du nimmst mir die Besinnung ... du lässt mir keine Zeit ... du berauschst mich mit deinen Verheissungen ... du versengst mich ganz . . .

Bonaparte hat den Kopf in ihren Schoss gelegt.

Bürgerin Beauharnais: Was tust du nur? . . . Bonaparte . . . (ein wenig belustigt) was du für einen großen Kopf hast! . . . (sie zieht den Kopf an ihre Brust) soll ich dich lieben, mein Geliebter? . . . natürlich muss ich dein sein . . . oh, ich kann mich kaum besinnen . . . Bonaparte . . . du versengst mir meine Seele . . . (Eine Weile Stille.)

Bonaparte erhebt sich plötzlich, geht eine Weile hin und her, dann klingelt er.

Bürgerin Beauharnais: Bonaparte . . . ich bebe noch . . . nicht, nicht doch! ... du bist unvorsichtig vor dem Mädchen.

Bonaparte, wie die Zofe erscheint: Bringen Sie Licht . . .

Die Zofe, die mit Licht erschienen war, zündet sogleich einige Armleuchter an.

Bonaparte geht unterdessen stumm einige Male auf und ab.

Bürgerin Beauharnais sitzt und starrt vor sich hin.

Die Zofe wirft neugierige Blicke nach Beiden und entfernt sich wieder.

Bürgerin Beauharnais: Warum rufst du jetzt das Mädchen, dass es gleich alles merken muss, was hier vorgeht?

Bonaparte ohne zu hören: Oh du berauschende Josephine ... ich gehe sofort zu Barras ... ich melde es ihm sogleich, dass ich dich zum Weibe nehme . . . obwohl er es sich längst selbst sagen wird . . . und du, sage es deinen Kindern! . . . was werden die für Augen machen, wenn sie es hören? . . .

Bürgerin Beauharnais zieht seine Hand an sich, legt sie an ihre Brust und küsst sie dann leidenschaftlich: Oh Bonaparte . . .

Bonaparte: Angebetete Frau . . . nicht! . . . nicht! . . . übst du nicht nur Gnade? ... es sind wie Ketten zerbrochen in mir ... ich habe das Gefühl nie gekannt ... es ist wie eine Wiedergeburt . . . (zur Tür gehend) ich gehe sofort zu Barras . . . (Ab.)

ZWEITE SZENE

Im Hause des Bürger Direktor Barras. Eine große Rotunde mit einem brennenden Kamin an der Wand links. Die Tür neben dem Kamin führt in den Garten. Tiefer sieht man Festräume, die erleuchtet sind. Auch in der rechten Wand eine Tür, aus der Licht fällt. Ein paar Diener stehen an der Tür. Man hört eine Männerstimme aus den tieferen Sälen singen.

Bürger Talleyrand und General Miranda kommen langsam aus der Tiefe.

General Miranda: Bitte, nach Ihnen!

Bürger Talleyrand: Wie Sie befehlen! . . . (Sie kommen in die Rotunde.) Ja ja ja ja ... jetzt klirren wieder die Sporen und blitzen neu die schönen Uniformen . . . und die Damen rauschen in den erleuchteten Gemächern herum . . .

General Miranda: Was alles schon einmal nicht mehr rauschte und blitzte . . . nur in Angstschweiß gebadet sich hinter die Türen verbarrikadierte ... in Kellerlöcher kroch . . . Tage in rußigen Schornsteinen hockte . . . und es manchem doch nichts half . . .

Bürger Talleyrand: Ah, pah . . . Erinnerungen! . . . Erinnerungen! . . . heute weht ein eisiger Hauch in der Luft wie am ersten Tage

Nordwind . . . die Soldatenzucht kommt wieder an die Reihe . . .

General Miranda: Begreifen Sie eigentlich, warum die Bürger Direktoren noch immer nicht erscheinen? . . .

Bürger Talleyrand: Nein ... ich begreife es auch nicht ... wo doch der Bürger Direktor Barras das Fest selbst arrangiert hat, um den Knirps Bonaparte zu ehren . . .

Kapitän Junot ist eilig an der Saaltür erschienen und hat sich suchend umgeblickt. Sofort wieder ab.

General Miranda: Dieser junge Mann heißt, glaube ich, Junot ... es ist einer von den jungen Strebern, die dem unheimlichen, bleichen Gesellen immer am Rockzipfel hängen . . .

Bürger Talleyrand: lh der Tausend . . . es ist alles Maschinenwerk in dieser Welt . . . die Menschen . . . das Glück ... die Umwälzungen . . . die Weiberlaunen ... es schwankt auf . . . es schwankt nieder ... es wird niemals irgendwo wirklich stillstehen . . .

Man hört Bravorufe und Händeklatschen einer großen Gesellschaft. Danach erscheinen in der Tiefe einige Gecken und modische Damen, die sehr lachen. Dahinter auch Männer in Uniform, vornehme Frauen, duftige Mädchen.

Ein Geck zu Talleyrand: Können Sie solches Gebrüll lange ertragen? . . .

Ein andrer Geck: Dieser Garat ist ein reines Violoncell ... er kann nicht nur näseln wie eine Darmsaite ... er singt auch wie eine Koloratursängerin . . . oder er kräht wie ein Hahn.

Ein andrer Geck: Diese Späße sind lächerlich . . .

Eine Modedame: Erlauben Sie einmal, Bürger . . . Garat ist ein Künstler ... er hat ein ganzes Orchester im Leibe . . . und trägt dazu die Solostimmen vor, als ob er Mann und Weib in einem wäre ... er kann weiß Gott eine ganze Oper auf einmal singen . . .

Ein Geck: Mir ist Musson lieber ... die Possenreißer sind ehrliche Leute ... sie machen die Blöden lustig . . . und heilen von Gewissensbissen . . .

Ein andrer Geck: Ach wo . . . von Gewissensbissen redet niemand mehr in dem neuen Paris.

Eine Gruppe junger Mädchen drängt sich durch.

Eins: Husch . . . husch . . . husch!

Ein andres: Ist es euch nicht so, als ob uns alle Einer im Banne hielte?

Ein andres: Husch . . . husch . . . husch!

Einige, die nachdrängen: Verstecken . . . nur verstecken . . . nur verstecken!

Ein andres: Einer, der heute noch gar nicht erschienen ist . . .

Ein Geck: Meinen Sie die neue Direktorialregierung, Lisette?

Ein andrer Geck: Ha ha ha ha . . . hundert Köpfe schlug man ab . . . fünfundzwanzig wuchsen . . . fünfundzwanzig schlug man ab . . . fünf lecken neu mit der ehernen Zunge . . .

Eine der Damen, indem, sie alle in die Nebenräume verschwinden: Pfui ... an solche Schrecken denkt niemand mehr in dem neuen Paris . . .

Junot, ein junger Kapitän, kommt in die Rotunde.

Marmont, ein junger Kapitän, gleich dahinter: Begreifst du, dass weder der Hausherr, noch die andern Direktoren, noch Bonaparte erscheint? . . . wo es doch das Fest sein soll, das der Bürger Direktor Barras dem Chefgeneral und seinem Weibe zu Ehren veranstaltet . . . (Sie zünden sich beide Zigaretten an den Leuchtern am Kamin an.)

Junot: Am Spätnachmittag ist der Kurier von der Alpenarmee eingetroffen ... ich sage dir, dieser Idiot, der General Scherer, wird natürlich unsere Aussichten wieder blöde vereiteln ... ist es nicht furchtbar kalt hier in diesen Räumen? . . . (zum Diener) wollen Sie nicht das Feuer schüren?

Der eine Diener: Es sind Scheite genug im Kamin, Marquis.

Marmont: Hier sind noch keine Marquis . . . wir sind nur Bürger.

Die beiden Offiziere lachen einander verständnisvoll an.

Der eine Diener trocken für sich: Hier sind noch keine Marquis . . . nur einesteils Bürger, die den Genuss haben . . . und andernteils Bürger, die die Plage haben . . . (Er lacht kurz.)

Ein Mädchen in einer Gruppe: Aus dem Blumenhause kommt ein betäubender Geruch . . .

Ein anderes Mädchen: Ist es euch nicht so, als ob uns alle Einer im Banne hielte?

Ein anderes Mädchen: Alles umwirbelt mich ... oh ... oh ... oh ... haltet mich! . . . haltet mich! . . . haltet mich!

Marmont: Ihr solltet eure Reize in Tücher hüllen ... es ist sehr kalt in diesen Räumen . . . eure Herzen könnten sonst vollends zu Eis erstarren . . . (Großes Gelächter, indes von rechts eine Tanzmelodie einsetzt.)

Alle Kavaliere, auch Marmont und Junot, entführen die Mädchen zum Tanz.

Bürgerin Bonaparte erscheint, begleitet von Bürgerin Tallien und Bürgerin Chateau-Regnault: Findest du es nicht verrückt, dass sie uns ein Fest arrangieren . . . und dann aus ihrer Sitzung stundenlang nicht mehr herausfinden?

Bürgerin Tallien: An dieses Feuer hier? . . . huh . . . nein . . . das Feuer im Gefängnis kommt mir vor die Augen . . . weißt du es noch. Josephine? . . . worum wir Stunde um Stunde, Tag um Tag ruhelos und totenbleich herumgingen . . .

Bürgerin Bonaparte, sich am Kamin niederlassend: Törichtes Kind, das du bist . . . wo könnte ich heute noch an das Kaminfeuer im Gefängnis denken, wo ich Bonapartes Weib bin . . . siehst du . . . so ist er . . . entweder er sitzt über Karten und Plänen . . . hahahaha ... er brütet und brütet . . , und ist verzehrt von seinen Ideen, obwohl er mich erst gestern geheiratet hat . . . oder er ist unbezähmbar ... er ist sinnlos ... er ist wie ein Büßer vor seinem Heiligtum . . . und ich muss mich ihm ewig nur sanft hingeben wie ein Lamm, wenn ich seine Gluten nicht noch wilder anfachen will . . .

Bürgerin Tallien: Oh, Josephine! ... ist er toll wie ein Wolf?

Bürgerin Bonaparte, unterdessen sich alle drei Damen einen Augenblick gesetzt haben: Belauscht uns nicht jemand? . . . wenn es jemand ist, ist nur er es ... er wäre imstande und machte mir schon heute eine Szene, wo er mich kaum diese eine Nacht in seinen Armen gehalten und mit seinen Liebkosungen fast zerstört hat.

Bürgerin Tallien hat sich erhoben: Bürger .. .

Der eine Diener: Zu Ihren Befehlen, Marquise.

Bürgerin Tallien: Hörst du, Josephine, wie er mich nennt? . . . hier sind noch keine Marquisen . . . hier sind nur Bürgerinnen . . .

Der eine Diener: Zu Ihren Befehlen, Bürgerin . . .

Bürgerin Tallien: Ist jemand in der Nähe, der uns belauschen könnte?

Der Diener: Niemand, Bürgerin . . . obwohl die hohen Würdenträger und der Chefgeneral noch nicht aus der Sitzung erschienen sind, geht die Gesellschaft bereits um die Buffetts . . . und der Saal nebenan . . . und auch der Wintergarten ist ganz leer geworden . . . niemand . . .

Bürgerin Chateau-Regnault: Oh, Josephine ... es ist sicherlich ein großer Augenblick . . . heute werden sich die Bürger Direktoren von Bonapartes Ideen fortreißen lassen . . . Adjutant Duroc sagte es eben . . . auch der Bürger Talleyrand sagte es offen. Bonaparte allein fühle eine Mission ... es schauert mich ganz, wenn ich an die Funken denke, die in Bonapartes Augen glimmen . . . ich beneide Sie, Josephine . . . Bonaparte ist wirklich ein Mensch, bei dem sich Gott wieder einmal etwas gedacht hat, ehe er ihn schuf.

Ein Diener ist aus den tieferen Sälen herzugetreten.

Bürgerin Bonaparte: Bürger . . .

Der neue Diener: Zu Befehl, Bürgerin . . .

Bürgerin Bonaparte: Saht Ihr jetzt den General Bonaparte?

Der Diener: Er ist wieder in die dunkle Nacht hinausgelaufen . . .

Bürgerin Bonaparte erhebt sich: Nun siehst du es ... er ist von Sinnen . . . läuft bei dieser Kälte womöglich ohne Hut und Mantel gleich wieder hinaus. (Sie sind im Begriff zu gehen.)

Der Diener: Ja ... sehr wohl . . . wie er hereintrat . . . der Bürger Direktor Barras und der Bürger Direktor Rewbell waren noch in einem lebhaften Disput . . . aber e r war ganz stumm . . . sah sich nur plötzlich um, wie ein Mensch, der um etwas trauert . . . lief an die Saaltür, wo man speiste . . . und lief hinaus . . . durch eine der Glastüren nach dem Garten sogleich wieder hinaus . . . (Die Damen ab.)

Marmont kommt mit Junot: Bonaparte ist sogleich wieder in die Nacht hinausgelaufen.

Berthier, ein etwas älterer Oberst, erscheint eilig: Pst . . . gute Aussichten . . . gute Aussichten, Freunde.

Duroc, ein junger Kapitän, eilt hinterdrein: Warum ist der Bürger Direktor Carnot nicht mit erschienen?

Bert hier: Weil Carnot ein gelehrter Stubenhocker ist . . . Kinder, ich sage euch ... es muss hitzig und toll zugegangen sein in der Sitzung . . . Bonaparte ist in den Garten hinausgelaufen, um sich abzukühlen ... die Räte sagen, sie hätten sein Gesicht nicht wieder erkannt, als er endlich seiner Aussichten für den Angriff in Italien ganz sicher wurde.

Murat, der Husarenkapitän, hatte sich von rechts eilig zu der Gruppe hinzu gefunden: Wieso sind Bonapartes Aussichten sicher geworden?

Berthier: Pst . . . schweigt und hört . . . und lest euch das ... es ist die Proklamation an die Soldaten der italienischen Armee . . . Bonaparte hatte sie schon seit Tagen fertig in der Tasche . . . heute ist der Kurier von der Alpenarmee endlich eingetroffen . . . Scherer hat Bonapartes Kriegsplan verworfen ... hat Carnot diktatorisch erklärt: der Mann, der diesen unsinnigen Kriegsplan ersonnen hat, möge ihn auch ausführen! . . . hahaha . . . jetzt wird dieser Mann ihn auch ausführen . . . Barras und Carnot haben sich soeben entschlossen, Bonaparte an Scherers Stelle zum Obergeneral der italienischen Armee zu ernennen . . . diese Nacht . . . jetzt eben ... ihr begreift es noch nicht . . . aber es ist die volle Wahrheit . . .

Bürger Direktor Barras, am Arm die Bürgerin Bonaparte und darum ein Kreis anderer Damen und Herren erscheinen unterdessen aus den tieferen Räumen. .

Berthier: Lasst euch ja nichts merken!

Duroc zu Junot: Ich muss eine Weile in die Kälte hinaus, dass ich wieder zu mir komme . . .

Junot und die andern lebhaft: Du bist verrückt . . . Bonaparte ist draußen ... du willst doch nicht jetzt seine Wege kreuzen . . .

Bürger Direktor Barras, indem sich viele neigen und sich ein Cercle bildet: Ich bin durchaus gewöhnt, eine große Verantwortung auf mich zu nehmen, wenn ein Unternehmen die innere Notwendigkeit besitzt, um es mit vollem Enthusiasmus durchzuführen . . .

Bürgerin Bonaparte: Soll es nun wirklich einen neuen, unbarmherzigen Angriffskrieg geben, Bürger Direktor?

Bürger Direktor Barras: Ja, meine Liebe . . . Frankreich ist nun einmal der verfehmte Prometheus unter den Völkern geworden, der das Feuer der Freiheit von dem Altare der Götter zu rauben wagte . . . nun müssen wir, die wir jetzt Frankreichs Geschicke leiten, uns dieser thronenden Götter hart erwehren, die das Feuer der Freiheit als ihr ausschließliches Privileg ansahen und es auf unsern bürgerlichen Herden wieder ersticken möchten . . , wir müssen diese Mission fühlen . . . wir müssen sie hochhalten . . . und müssen das göttliche Feuer mit kühnem Mute auf dem ganzen Kontinente weiter tragen . . .

Einer der Umstehenden: Es geht doch zunächst wieder gegen den Kaiser in Wien?

Bürger Direktor Barras: Im Grunde hat die Bürgerfreiheit nur einen gewaltigen Feind . . . das ist die alte Aristokratie von England . . . aber wir müssen erst auf dem Kontinente festen Fuß fassen . . . wir müssen zunächst Österreich zu einer Macht zweiten Ranges erniedrigen . . . unsre Ideen müssen erst in ganz Europa Raum gewinnen . . . und ihre Kraft erproben . . . nun . . . wir werden jetzt bald erfahren, wie unsre Kriegsleute uns helfen können, die schweren Kämpfe der Zukunft für die Freiheit siegreich zu tun.

Bürger Trenis ist von rechts erschienen. Man ruft durcheinander: Die Gavotte . . . Trenis, die Gavotte!

Junge Männer und Frauen umringen Trenis. Er macht einige elegante Tanzbewegungen. Man führt ihn im Triumph in die tieferen Säle und ruft durcheinander: Die Gavotte . . . Trenis, die Gavotte!

Auch Barras und die Bürgerin Bonaparte gehen lachend und Hände klatschend hinterdrein.

Während die Musik der Gavotte und heiteres Durcheinanderrufen ferner klingt, wird vom Garten her an der linken Tür gerüttelt und geklopft. Ein Diener springt hin, um die Tür aufzuschließen und aufzutun.

General Bonaparte erscheint.