9,99 €
Die 11-jährige Neele zeichnet gerne in ihr Tagebuch, denn sie träumt davon, eines Tages eine Künstlerin zu sein. Genau wie ihre Tante Fanny, die Käse liebt und immer geradeheraus sagt, was sie denkt. Tante Fanny ist ganz anders als Neeles Mama, die dauernd Diät hält und genervt seufzt. Aber jetzt hat Tante Fanny ihre Lebensfreude verloren und malt keine Bilder mehr. Außerdem fühlt Neele sich von ihrer besten Freundin Nour im Stich gelassen, weil die in der Schule nur noch mit den Pferdemädchen abhängt. Manchmal kommt es Neele so vor, als wäre sie ein Aquarium voller Tränen. Dann muss sie sich schnell auf dem Schulklo einschließen, um einige Tränen loszuwerden. Überhaupt ist Neele filmreif gut im Weinen. Ob sie später vielleicht nicht nur eine berühmte Künstlerin, sondern auch ein Filmstar werden sollte?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 45
Veröffentlichungsjahr: 2022
Kristina Sigunsdotter / Ester Eriksson
Neele Nilssons Geheimnisse
Aus dem Schwedischen von Franziska Hüther
Wir bedanken uns sehr herzlich bei dem Swedish Arts Council für die Übersetzungsförderung für dieses Buch.
© Atrium Verlag AG, Imprint WooW Books, Zürich 2022
Alle Rechte vorbehalten
© Kristina Sigunsdotter (Text), Ester Eriksson (Illustrationen) und Natur & Kultur (Originalverlag), Stockholm 2022
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Humlan Hanssons hemligheter.
Aus dem Schwedischen von Franziska Hüther
Published by agreement with Koja Agency, Stockholm
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.
ISBN978-3-96177-587-3
www.WooW-Books.de
www.instagram.com/woowbooks_verlag
Ich heiße Neele Nilsson, bin elf Jahre alt und gehe in die 5c. Ich habe eine beste Freundin, die Nour heißt und in die 5b geht. Mein Leben ist ziemlich gut, außer dass ich gerade Windpocken hatte.
VERGISS, was ich eben geschrieben habe! Ab jetzt gilt Folgendes:
Ich heiße Neele Nilsson, bin elf Jahre alt, und mein Leben ist eine KATASTROPHE. Hatte EINHUNDERT juckende Windpocken und konnte ZWEI Wochen nicht in die Schule. Als ich zurückkam, hatte meine beste Freundin Nour angefangen, mit den Pferdemädchen abzuhängen. Jetzt tut sie so, als ob es mich nicht gibt. Ich hasse die Schule, und ich hasse mein Leben.
Am Freitag sollten wir in Kunst ein Selbstporträt zeichnen. Erst wollte ich einhundert Windpocken malen, aber dann habe ich stattdessen mich selbst als Maulwurf gezeichnet. Soll ein sehr einsames Tier sein, hab ich gehört. Unsere Kunstlehrerin Pekka meinte, ich hätte es falsch gemacht, so würde man kein Selbstporträt zeichnen. Also musste ich ein neues malen.
Die Familie war zum Sonntagsessen da. Opa, Opas Lebenspartnerin Bobba und Tante Fanny. Wie immer haben sie sich nur über langweiligen Kram unterhalten. Wieso reden die Erwachsenen andauernd über Dinge, die sie nicht mögen? Krankheiten zum Beispiel, Lebenskrisen und den Weltuntergang.
Tante Fanny war die ganze Zeit still. Das ist sie meistens, wenn wir uns zum Sonntagsessen treffen. Normalerweise geben wir uns heimlich Zeichen, wenn die anderen ganz besonders langweilig sind, aber diesmal hat sie nur auf die Tischdecke gestarrt. Tante Fanny ist Künstlerin, genau wie ich es werde, wenn ich mal groß bin. Ich habe gesehen, dass sie etwas auf ihre Serviette gezeichnet hat. Ein Pferd mit wilden Augen und ein Mädchen mit langen Beinen.
Und auf einmal, mitten in einem Gespräch über die Ehekrise von irgendeinem entfernten Verwandten, hat sie einfach losgeschrien. Dann hat sie ihr Weinglas gegen die Wand geworfen. Das gab einen riesigen roten Fleck. Er ging nicht mehr weg, deshalb hat Papa ein Bild darübergehängt. Schade um den hübschen Fleck. Er sah aus wie ein alter Baum. So einer mit hohlem Stamm, in dem man Geheimnisse verstecken kann.
Als alle gegangen waren, wollte ich wissen, wieso Tante Fanny geschrien hat. Papa meinte, ich solle mir keine Gedanken darüber machen. Sie wolle bloß Aufmerksamkeit bekommen. Mama hat geseufzt. Mamas Seufzen ist mein Hass-Geräusch. Jeden Morgen, wenn wir uns zum Frühstücken an den Tisch setzen, schaut sie erst mich und dann Papa an, und dann seufzt sie. Das tut sie schon, solange ich denken kann. Sie seufzt sogar, wenn wir Besuch kriegen. Vor allem, wenn Tante Fanny kommt. Da ist es ein extra seufziger Seufzer.
Ich verstehe nicht, was Mama gegen Tante Fanny hat. Ich mag sie total gern. Als ich klein war, hat sie oft auf mich aufgepasst. Wir haben immer zusammen Kunst gemacht. Einmal haben wir einen Eimer mit schwarzer Farbe in der Garage gefunden und in unserem Garten eine Installation angefertigt. Wir haben alle Blumentöpfe und Bäume schwarz angemalt. Tausend Jahre Schwarz haben wir unser Werk genannt. Mama und Papa wurden so wütend, dass sie einen ganzen Abend nicht mit mir geredet haben. Danach durfte Tante Fanny nicht mehr auf mich aufpassen.
Heute hatten wir Geräteturnen. Das haben wir fast andauernd, weil unsere Sportlehrerin Ann-Louise ganz versessen auf Geräteturnen ist. Ihre Augen leuchten richtig, wenn sie die Sprossenwand hochklettert und uns Anweisungen zuruft, wo was hinsoll. »Barren hierhin, Schwebebalken dahin, Trapez hier rüber, Sprungkasten da rüber!« Einmal hat sie sich so reingesteigert, dass ihr Gesicht ganz lila wurde und sie von der Sprossenwand steigen und sich mit dem Kopf zwischen den Beinen hinsetzen musste, um nicht ohnmächtig zu werden.
Ich hasse Geräteturnen. Vor allem hasse ich, dass einem alle in der Klasse, inklusive Ann-Louise, dabei zugucken, um zu sehen, ob man runterfällt. Mütze und ich haben uns geweigert mitzumachen, deshalb mussten wir stattdessen Tischtennis spielen. Mütze roch nach Schweiß.
Meine Laune wurde etwas besser, als wir Pfannkuchen zum Mittagessen bekamen. Mein Lieblingsessen. Am liebsten mag ich Pfannkuchen mit Apfelmus, aber in der Schule kriegen wir Preiselbeeren dazu, das ist auch okay.
In der Essensschlange stand ich hinter Schnuckel-Frans aus der 5a. Seine Jacke roch nach Benzin. Das kommt daher, dass er mit seinem schnuckeligen großen Bruder auf dem Moped zur Schule fährt. Wenn ich fünfzehn bin, werde ich auch ein Moped haben. Apfelgrün mit Gepäckbox.
Als wir in der Kantine saßen, sah ich die Pferdemädchen durchs Fenster. Sie galoppierten nur in Unterhosen über den Schulhof, lachten und wieherten. Nour war nicht dabei, und ich glaube, ich weiß, wieso. Sie hat einen Leberfleck hinten auf ihrem rechten Oberschenkel, direkt unter der Pobacke, für den sie sich schämt.