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Pah, Liebe und der ganze überflüssige Kram, darauf pfeift Jojo! Da kann ihre beste Freundin Lucilla noch so viele Kandidaten anschleppen, Jojo will nun mal keinen neuen Freund. Lieber nimmt sie Mathenachhilfe. Bei Felix, dem Mathegenie aus der Schnöselschule. Mathegenie und Schnöselschule – dafür sieht er echt überirdisch gut aus! Außerdem ist er total nett und superwitzig. Und nicht mal das Chaos, das an Jojo klebt wie Kaugummi, wirft ihn aus der Bahn. Ja, und wenn er sie von der Seite anguckt, kribbelt es irgendwie so komisch in Jojos Bauch ... Dynamisch, witzig und romantisch - der 17. Jojo-Band von Hortense Ullrich in der Reihe "Freche Mädchen - freche Bücher!"
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© Thienemann Verlag GmbH
Hortense Ullrich, redet gern, lacht gern und schreibt gern. Und zwar über alles, was das Leben an Lustigem und Komischem zu bieten hat. Sie schreibt einfach auf, was bei ihr zu Hause tagtäglich passiert. Allerdings nie die volle Wahrheit, denn die würde ihr ohnehin niemand glauben. Ihre Töchter Allyssa und Leandra sind die Vorbilder für Jojo und ihre Schwester Flippi. Jojos überbesorgte, kochunfähige Mutter hat rein zufällig große Ähnlichkeit mit der Autorin. Nur Hortense Ullrichs Mann und die beiden Hunde kommen ungeschoren davon. Noch. Acht Jahre verbrachte Hortense Ullrich mit ihrem Mann und ihren Kindern in New York, inzwischen lebt sie in Bremen.
Pah, Liebe und der ganze überflüssige Kram, darauf pfeift Jojo! Da kann ihre beste Freundin Lucilla noch so viele Kandidaten anschleppen, Jojo will nun mal keinen neuen Freund. Lieber nimmt sie Mathenachhilfe. Bei Felix, dem Mathegenie aus der Schnöselschule. Mathegenie und Schnöselschule – dafür sieht er echt überirdisch gut aus! Außerdem ist er total nett und superwitzig. Und nicht mal das Chaos, das an Jojo klebt wie Kaugummi, wirft ihn aus der Bahn. Ja, und wenn er sie von der Seite anguckt, kribbelt es irgendwie so komisch in Jojos Bauch ...
»Je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir: Er ist der Richtige!«
»Nein, Jojo, vergiss es. Dieses Grün steht dir einfach nicht.«
»Was?«
»Entschuldige, aber darüber haben wir schon öfter gesprochen. Finde dich damit ab. Du bist kein Mintgrüntyp.« Sie nahm mir den grünen Schal aus der Hand, den ich gedankenverloren vom Wühltisch genommen hatte, und warf ihn wieder zurück.
Okay, klar, damit musste ich rechnen. Meine beste Freundin Lucilla und ich waren im Einkaufszentrum, weil sie meinte, wir müssten unsere T-Shirt-Kollektion erweitern. Und wenn Lucilla T-Shirts aussuchte und anprobierte, dann war es schwer, mit ihr ein Gespräch jenseits der modischen Ins and Outs zu führen. Zumindest musste man es vorher ganz deutlich ansagen. Mein Fehler.
»Ich rede von Sven. Er ist der Richtige.«
»Oh, Gott sei Dank. Und ich dachte schon, ich muss dir diesen Schal ausreden.« An dieser Stelle stutzte Lucilla. »Was hast du gerade gesagt? Ich dachte tatsächlich, ich hätte den Namen Sven gehört.« Sie überlegte kurz, aber bevor ich etwas sagen konnte, schüttelte sie milde lächelnd den Kopf, »Ach was, Blödsinn«, und wandte sich wieder den fliederfarbenen Tops zu.
»Doch, doch, ich habe Sven gesagt. Ich weiß jetzt: Sven ist der Richtige. Freund. Für mich. Zusammen. Beziehung. Romantik?«
Irgendeines der Wörter musste zu ihr durchdringen.
Ja, eins schaffte es. Sie legte das fliederfarbene Top wieder ins Regal, drehte sich zu mir und sah mich fragend an. »Du sprichst von dem Sven, von dem du dich getrennt hast, weil du meintest, ihr passt einfach nicht zusammen? Der Sven, von dem du meintest, er versteht dich nicht? Der Sven, der jetzt mit einem anderen Mädchen zusammen ist? Und überhaupt, was hat das alles mit Romantik zu tun?!«
Das waren jetzt eine Menge Fragen. Die letzte ignorierte ich sicherheitshalber. »Ja!«
Viele Fragen – eine Antwort.
»Im Ernst?!«
»Ja, im Ernst. Wir sind füreinander bestimmt. Manchmal muss man ein paar Umwege machen, um das so richtig zu begreifen.«
»Na ja, Sven scheint mit seinem Umweg aber glücklich zu sein«, warf Lucilla zögernd ein.
Ich hasste es, wenn sie meine Metaphern gegen mich benutzte. »Was soll das denn heißen?«
»Wie du dich vielleicht erinnerst, ist Sven jetzt mit Susanne zusammen. Und die beiden scheinen echt glücklich zu sein. Ich meine, sie mögen sich, verstehen sich gut, kein Streit, kein Chaos …«
Ich sah Lucilla böse an. »Und was willst du damit sagen?«
»Pfffff.« Lucilla hob die Arme und machte eine Geste, die vom Fliegenverscheuchen bis zum Flugzeugeinweisen alles bedeuten konnte.
»Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«
»Auf der Seite der Liebe!«, schmetterte mir Lucilla entgegen.
Ja, jetzt waren wir auf einer Wellenlänge! »Dann auf in den Kampf!«, schmetterte ich zurück.
Lucilla kniff die Augen zusammen und fixierte mich. »Nein, Jojo, ich glaube, das hast du missverstanden. Ich halte es für keine gute Idee. Das mit Sven. Und dir.«
»Ach, und warum nicht?«
Lucilla holte tief Luft. »Sieh mal, das ist wie mit dem mintgrünen Schal. Er ist vielleicht wunderbar, aber er passt nicht zu dir, weil du kein Mintgrüntyp bist. Und stell dir vor, er hätte jemanden gefunden, mit dem er echt glücklich ist, jemanden, der nicht versucht, etwas Quietschgelbes zu ihm zu tragen. Wäre es nicht falsch, ihn von dort wieder wegzureißen?«
Mir schwirrte der Kopf. Nichts war schwieriger zu verstehen, als wenn Lucilla versuchte, mithilfe von Bildern Dinge zu erklären. Um sie zu vereinfachen.
»Was willst du damit sagen?« Mein Blick wurde vorsichtshalber etwas finster. Ich wusste zwar nicht genau, was mir Lucilla sagen wollte, aber es klang nicht so, als würde ich es mögen.
»Du und Sven – vergiss es. Der Junge ist glücklich mit seiner Freundin.«
Ja, ich wusste es. Ich würde es nicht mögen. Aber ich war nicht bereit, jetzt schon aufzugeben. Außerdem war ich davon überzeugt, dass ich recht hatte.
»Und wenn er es nicht ist?«
»Was?«
»Glücklich!«
»Jojo, er sieht aber glücklich aus«, seufzte Lucilla.
»Pah! Äußerlichkeiten. Seit wann zählt denn der Schein?«
»Seit … na ja …« Lucilla ging wieder dazu über, Flugzeuge einzuweisen. »… seit… schon immer!?«
»Nun, der Schein trügt! Und das werde ich dir beweisen.« Ich versuchte, so viel Würde wie möglich in die beiden Sätze zu legen. Das wäre mir besser gelungen, wenn ich mich dabei nicht auf einem Stapel Tops aufgestützt hätte. Der Stapel tat, was ein Stapel eben tut, wenn man sich unvermutet auf ihn stützt: Er schwankte und fiel zur Seite.
Eine Verkäuferin schielte zu uns rüber und ihre Kollegin machte sich auf den Weg zu uns.
»Okay, wenn ich mich darauf einlasse, versprichst du mir, dass du dann aufhörst, die Kleider zu schubsen?«, flüsterte mir Lucilla zu.
»Ich habe sie nicht geschubst, die sind schlecht gestapelt«, verteidigte ich mich empört.
»Bitte, Jojo, das hier ist mein Lieblingsladen«, flehte mich Lucilla an.
»Gibt es ein Problem?« Die Verkäuferin hatte uns inzwischen erreicht.
»Nein, nicht im Geringsten.« Lucilla schüttelte heftig den Kopf. »Wir haben nur eine kleine Farbdiskussion.«
»So?« Die Verkäuferin sah uns mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Ja.« Lucilla nickte. »Mintgrün«, sagte sie und sah dann demonstrativ zu mir herüber.
Die Verkäuferin musterte mich. »Definitiv nicht der Typ dazu«, gab sie ihr vernichtendes Urteil ab.
»Genau meine Rede!« Lucilla und die Verkäuferin waren gerade dabei, beste Freundinnen zu werden.
»Also, ich finde, das kann man so pauschal nicht sagen«, schmollte ich.
»Doch, Schätzchen, in deinem Fall schon!« Die Verkäuferin nickte und ging.
Lucilla sah mich bedeutungsvoll an.
»Vielleicht habt ihr mit der Farbe recht, aber was Sven anbelangt, täuschst du dich. Wir passen perfekt zusammen. Ohne mich ist er unglücklich – auch wenn er es vielleicht nicht weiß. Du wirst schon sehen.«
Lucilla warf einen leidenden Blick zu ihrer neuen Freundin, die daraufhin die mintgrünen Schals vom Wühltisch zupfte und in Sicherheit brachte.
Ich war mir hundertprozentig sicher, dass Sven nicht glücklich mit seiner Freundin Susanne war. Auch wenn es vielleicht so aussah und mir erst mal keiner glaubte. Aber ich hatte recht. Und das würde ich beweisen.
Leider war mir nur noch nicht klar, wie man so etwas beweisen konnte.
Da ich das alles möglichst schnell angehen wollte – in Svens Interesse, versteht sich –, war ich sogar bereit, mir elterlichen Rat zu holen.
Wie meist fiel meine Wahl auf Oskar. Er ist schon lange mit meiner Mutter zusammen und hat es tatsächlich nach harten Kämpfen geschafft, sie dazu zu überreden, ihn zu heiraten. Das spricht absolut für ihn. Außerdem ist er immer derjenige, der selbst im größten Chaos noch einigermaßen den Überblick und vor allem auch die Nerven behält. Und er kann kochen, im Gegensatz zu meiner Mutter. Also alles in allem ein absoluter Glücksfall für unsere Familie.
Jetzt war Oskar gerade damit beschäftigt, Frühstück für meine nervige kleine Schwester Flippi und mich zu machen. Flippi ist eine Herausforderung des Schicksals. Man stelle sich einfach eine nette, aufmerksame, höfliche kleine Schwester vor, jemand, mit dem man gerne zusammenlebt – Flippi ist das absolute Gegenteil.
Aber selbst mit ihr kommt Oskar prima zurecht.
»Okay, einmal Gummibärchenomelett mit Apfelschnitzen.« Und genau das ließ er aus der Pfanne auf Flippis Teller rutschen.
Flippi beäugte es misstrauisch. Nicht etwa wegen der Gummibärchen, sondern wegen der Apfelschnitze. »Ich glaube, das sind zu viele«, reklamierte sie auch sofort.
»Echt?« Oskar tat überrascht. »Hm, wie wäre es, wenn du dir zum Ausgleich ein paar Cornflakes drüberstreust?«
»Aber die mit Schokogeschmack«, lautete Flippis Gegenforderung.
Oskar dachte kurz nach, dann nickte er. »Einverstanden.«
Die beiden schüttelten sich die Hände, Flippi warf ein paar Schokocornflakes über das Omelett und dann fing sie an zu essen.
Ich schüttelte mich. Dabei war das noch ein eher harmloses Rezept. Sie hatte auch schon Nutellabrot mit Kartoffelchips auf ihre Speisekarte gesetzt oder Hotdogs mit Marshmallows. Das Wichtigste ist bei ihr eigentlich immer der Ekelfaktor. Deshalb liebt und züchtet sie auch Schnecken. Zum Glück hat meine Mutter sich in dieser Hinsicht einmal durchgesetzt und das Schneckenterritorium strikt auf Flippis Zimmer begrenzt. Ich glaube, dafür ist ihr sogar Oskar dankbar.
»Und was möchtest du?« Oskar lächelte mich an.
Ich entschied mich für einen Marmeladentoast.
»Aber mit Apfelschnitzen«, krähte Flippi mit vollem Munde dazwischen.
»Nein. Mit Marmelade«, sagte ich. »Ich esse was Normales.«
»Du isst etwas Langweiliges, Fantasieloses«, korrigierte mich Flippi.
»Wieso kümmerst du dich nicht einfach um deinen Kram?«
»Weil mir die Ernährung meiner großen Schwester am Herzen liegt«, flötete Flippi mit treuem Augenaufschlag und wechselte dann zu einem sehr bestimmten Ton: »Oskar, sie nimmt Apfelschnitze.«
»Oskar!« Ich sah Oskar empört an.
»Jojo, macht’s dir was aus?« Oskar sah mich bittend an. »Du isst doch gerne Äpfel.«
Das stimmte sogar, ich wollte mir nur nicht von meiner kleinen Schwester vorschreiben lassen, wann und wo ich welche zu essen hätte. Auf der anderen Seite wollte ich Oskar natürlich auch nicht das Leben schwer machen. »Okay, aber ich habe dann etwas gut«, raunte ich ihm zu.
Er nickte dankbar und fing an, einen Apfel zu schneiden, während er auf den Toast wartete.
Mir fiel wieder mein ursprüngliches Problem ein. »Sag mal, wenn jemand unglücklich ist, wie merkt man das?«, fragte ich Oskar.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, also jemand ist unglücklich, aber er sagt nichts. Wie merkt man dann so etwas?«
»Unglücklich weshalb?«
»Unglücklich in einer Beziehung«, konkretisierte ich.
Oskar stutzte kurz, dann fiel ihm der Apfel aus der Hand. »Wie kommst du denn jetzt darauf?«, fragte er panisch. »Du meinst so eine Beziehung wie verheiratet oder so?«
»Äh … na ja … also …« Was wollte er denn jetzt?
»Hat sie was gesagt?«
»Wer?«
»O mein Gott, vielleicht war es doch ein Fehler!«
»Was?«
»Ich muss dringend was tun.«
»Warum?«
Oskar lief auf und ab und war völlig von der Rolle. »Wenn sie schon mit den Kinder darüber redet … Wir hätten nicht heiraten sollen … Warum habe ich es nur zugelassen, ich Esel! Ich hätte es wissen müssen … Hoffentlich ist es noch nicht zu spät …« Mit dem letzten dieser Sätze, die keinen Sinn ergaben, stürmte er aus der Küche.
Ich sah ihm völlig verwirrt nach. Ich meine, ehrlich, wenn er meine Frage nicht beantworten will, kann er es doch einfach sagen und muss nicht so eine Show abziehen, oder?!
»Super, Einstein!«, fauchte mich Flippi an. »Hatten wir uns nicht geeinigt, dass wir Oskar mögen und er gut für uns und unsere Mutter ist?«
»Ja, sicher.« Irgendwie war mir immer noch nicht so klar, was hier gerade gespielt wurde.
»Und warum torpedierst du dann die Beziehung von Mami und Oskar?«
»Tu ich doch gar nicht.« Ich war mir keiner Schuld bewusst. Man wird ja wohl noch eine Frage stellen dürfen. Auf die ich immer noch keine Antwort hatte – nach Oskars dramatischem Abgang.
Dummerweise war jetzt außer Flippi niemand mehr da, den ich fragen konnte. Ich holte tief Luft. »Woran erkennt man, dass jemand unglücklich ist?« Wow, ich stellte die Frage tatsächlich meiner kleinen Schwester!
»Das ist einfach …« Flippi zuckte die Schultern.
Ich sah sie erwartungsvoll an.
»Man fragt!« Damit stand sie auf und ging.
Na toll.
Ich hatte Lucilla heute Mittag zu verdeckten Ermittlungen bestellt. Ich hatte mir überlegt, dass wir uns zunächst mal ein Bild von der Sven-Susanne-Beziehung machen sollten. Ganz unauffällig, versteht sich.
Lucilla sollte mich abholen und wir würden die beiden dann ein wenig beschatten, um zu sehen, wie sie sich benehmen, wenn sie allein sind. Na ja, allein war jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber eben allein unter Menschen, die sie nicht kannten und denen sie nicht das perfekte Paar vorspielen mussten.
Vorher trug sich aber noch etwas echt Befremdliches bei uns zu Hause zu. Flippi und meine Mutter waren in der Küche und Lucilla und ich wollten nur kurz Tschüss sagen, als Oskar hereinkam.
Er hatte einen Arm voller Rosen und strahlte meine Mutter an. »Wie schön, dich zu sehen!«, schmetterte er.
»Ich wohne hier«, antwortete meine Mutter irritiert, ohne den Blick von den Rosen abzuwenden. »O nein!«, stöhnte sie dann. »Sag bloß nicht, die haben den Plan schon wieder geändert und geben jetzt den Rosenkavalier!« Meine Mutter arbeitet als Kostümbildnerin im Theater.
Genau wie Oskar, nur dass er dort keinen Job als Kostümbildner, sondern als Bühnenbildner hat.
»Nein, haben sie nicht«, beruhigte er sie schnell.
»Okay, dann …« Meine Mutter versuchte immer noch, den Sinn dieser Roseninvasion zu ergründen. »Hast du einen Blumenladen ausgeraubt?«
Wow, meine Mutter und Humor! Das kam selten vor. Oder meinte sie das ernst?
Auch Flippi sah auf. Allerdings war sie weniger an dem Anflug von Humor seitens meiner Mutter interessiert, sondern an Oskars Antwort. Würde er Ja sagen, stiege er in ihrer Achtung um ein paar Plätze.
»Nein.« Oskar schüttelte den Kopf. »Hätte ich das tun sollen?«, fügte er unsicher hinzu. Auch er kannte die humorvolle Seite meiner Mutter nur flüchtig.
Flippis Kopf flog herum und sie sah meine Mutter erwartungsvoll an.
»Himmel, nein!«, stellte meine Mutter schnell klar.
Flippis Interesse erlosch.
Allerdings war die Frage meiner Mutter noch nicht beantwortet. »Also?«, fragte sie und deutete auf den Strauß.
»Oh, die sind für die Dame meines Herzens!«, strahlte Oskar und hielt ihr den Strauß hin.
»O mein Gott!«, entfuhr es meiner Mutter. Sie sah ziemlich erschrocken aus. »Hab ich was vergessen? Feiern wir irgendwas? Kommen Gäste?«
»Nein, nein«, versuchte Oskar, sie zu beruhigen.
»Ich weiß es! Der Hochzeitstag! Ich habe unseren Hochzeitstag vergessen …«, jammerte meine Mutter.
»Nein, darum geht es nicht.«
Beide schienen zunehmend verzweifelt.
»Ich wollte dir wirklich einfach nur ein paar Blumen mitbringen«, erklärte Oskar kleinlaut und sah dabei den Strauß an, als wollte er ihn am liebsten in seine Atome zerlegen.
»Hm, einfach so?« Meine Mutter war misstrauisch. »Irgendeinen Grund muss es doch geben?«
»Na, den, dass ich dich liebe, dass ich will, dass du dich freust und nicht unglücklich bist«, stammelte Oskar nun völlig aus dem Konzept gebracht.
»Und wieso sollte ich unglücklich sein?« Die Verwirrung meiner Mutter wich jetzt einem gewissen Misstrauen.
»Sollst du ja gar nicht. Ich wollte einfach nur etwas Nettes tun.«
»Ach. Und warum mähst du da nicht den Rasen oder bringst den Müll raus?«
»Das würde dich glücklicher machen?«
»Was hast du bloß dauernd mit diesem Glücklichsein?« Meine Mutter sah Oskar jetzt an, wie sie Flippi und mich immer ansieht, wenn sie das Gefühl hat, sie ist einer Schandtat auf der Spur und kurz davor, uns zu überführen.
»Ich … äh … nichts. Ich geh dann mal den Rasen mähen«, gab Oskar auf und schlurfte mit seinen Rosen nach draußen.
»Irgendwas ist da doch im Busch!«, murmelte meine Mutter und beobachtete Oskar durch das Fenster, wie er die Rosen auf den Buchsbaum legte und den Rasenmäher aus dem Schuppen holte.
»Aber das war schon richtig romantisch, das müssen Sie zugeben«, mischte sich jetzt Lucilla ein.
»Ja, aber warum?«, überlegte meine Mutter. »Willst du einen Tee?«
»Nein, wir müssen los«, sprang ich dazwischen und zerrte Lucilla aus der Küche, bevor sie jetzt noch mit meiner Mutter irgendwelche Szenarien entwickeln konnte.
»Wir haben eine Aufgabe«, erklärte ich Lucilla, als wir draußen standen.
»Ich wünschte, wir könnten uns das sparen«, seufzte sie.
»Was soll das denn heißen?«, fauchte ich sie an. »Wir reden hier von meiner Zukunft.«
»Wow, bist du dramatisch!«
Dass Lucilla diesen Satz mal zu mir sagen würde, hätte ich auch nie gedacht. Ich ignorierte ihn daher.
»Okay, Sven hat heute etwas länger Unterricht, wir müssten ihn also an der Schule abfangen können.«
Lucilla warf mir einen Blick zu. »Und woher wissen wir das?«
»Recherche!«, sagte ich knapp. Ich hatte gestern nämlich schon ein wenig Vorarbeit geleistet und mir Svens Stundenplan besorgt.
»Du verfolgst ihn?«
»Nein, das tun wir jetzt zusammen.«
Irgendwie brauchte Lucilla heute ein wenig Motivation. »Na, komm schon. Bestimmt gibt es irgendeinen Hollywoodstar, der sich aus Versehen von seinem Freund oder seiner Freundin getrennt hat und dann festgestellt hat, dass es ein Fehler war und sie beide doch füreinander bestimmt waren.«
Lucilla überlegte.
Wieso war mir das aber auch nicht früher eingefallen? Lucilla ist ein wandelndes Klatschlexikon, was die Schönen und Reichen aus Hollywood anbelangt. Üblicherweise ist sie es, die stets eine Parallele zu irgendwelchen Filmstars zieht.
»Nein, ich glaube nicht«, schüttelte sie den Kopf.
Hätte klappen können.
Inzwischen waren wir aber auch schon an Svens Schule angekommen. Ich zog Lucilla hinter einen dicken Baumstamm und fing an, den Ausgang zu beobachten.
Es wäre einfacher, wenn Sven feuerrote Haare hätte oder zwei Meter zwanzig groß wäre. Dann hätte ich ihn unter den Menschenmassen, die aus der Schule strömten, leichter ausmachen können. So verrenkte ich mir den Hals und sah ganz gehetzt hin und her, damit er auch ja nicht entwischen würde.
»Na, erkennst du ihn nicht?«
»Blödsinn. Ich würde ihn mit geschlossenen Augen jederzeit und überall erkennen. Schließlich sind wir füreinander bestimmt«, zischte ich durch die Zähne, während ich mich auf die Zehenspitzen stellte, weil gerade eine Gruppe Jungs vorbeiging, die mir die Sicht nahm. Musste wohl die Basketballmannschaft sein, so riesig wie sie waren.
»Ach wirklich?« Jetzt klang Lucillas Stimme irgendwie belustigt.
»Du glaubst mir nicht?«
»Nein!«
»Und warum nicht?«
»Weil er gerade auf der anderen Seite mit Susanne vorbeigegangen ist.«
Murks! Da passt man mal einen Moment nicht auf. Vielleicht hat er ja einen neuen Haarschnitt oder ein völlig neues Outfit oder …
»Übrigens war er ganz leicht zu erkennen. Es war der Junge, der eng umschlungen und verliebt mit einem Mädchen aus der Schule kam und sehr glücklich aussah.«
»Ach was! Vermutlich war er nur froh, dass die Schule vorbei ist.« Ich zog Lucilla mit mir. »Los, sonst verlieren wir sie.«
Möglichst unauffällig folgten wir den beiden.
Sven hatte die ganze Zeit den Arm um Susanne gelegt. Meine Güte, konnte er sich denn nicht alleine auf den Beinen halten und brauchte eine Stütze?
Lucilla sah mich bedeutungsvoll an.
»Vielleicht hat er sich ja den Knöchel verstaucht …«
Dann strich er ihr übers Haar.
Wieder ein bedeutungsvoller Blick von Lucilla.
»Vielleicht saß eine Spinne in ihrem Haar.«
Und jetzt küsste er sie.
»Okay, was fällt dir dazu ein? Ist er gestolpert und zufällig dort gelandet? Braucht sie Mund-zu-Mund-Beatmung?«
Ich verdrehte die Augen. »Das ist so was wie ein Reflex. Wenn man einen Freund oder eine Freundin hat, küsst man sich eben. Ganz einfach. Hat gar nichts weiter zu sagen.«
»Das meinst du jetzt nicht in echt, oder?«
»Na ja, also …«
»Jojo, gib es zu: Die beiden sind ein glückliches Paar. Sie sind verliebt, und zwar ineinander!«
»Was denn? Das schließt du aus den zehn Minuten, die wir sie jetzt gesehen haben?«
»Das waren sehr glückliche zehn Minuten!«, sagte Lucilla mit Nachdruck.
»Scheinbar!«, sagte ich mit mindestens ebenso viel Nachdruck.
»Ach, Jojo, wirklich«, seufzte Lucilla. »Den beiden geht es gut. Sven ist längst über dich hinweg. Und mit Susanne hat er eine gute Wahl getroffen.«
»Was soll das denn bitte heißen?«, blaffte ich.
»Die Sache ist durch, vergiss es. Du hast dich von Sven getrennt und jetzt ist er mit Susanne zusammen. Lass uns das Ganze vergessen. Wir finden einen anderen netten Jungen für dich.« Sie überlegte kurz. »Es wird zwar nicht einfach, aber wir versuchen es. Aber Sven ist nicht mehr auf dem Markt.«
Sie überzeugte mich nicht.
»Nein, Lucilla, nein. Du hast unrecht. Es sind die kleinen Dinge, auf die man achten muss. Das hier«, ich deutete in Richtung Sven und Susanne, während ich weiter auf Lucilla einredete, »das hier hat gar nichts zu bedeuten.«
Jetzt blickten wir beide zu Sven und Susanne hinüber.
Sie hielten sich eng umschlungen und küssten sich schon wieder.
Lucilla sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.
Ich blieb dabei: Es hat nichts zu bedeuten! Sven ist nach wie vor in mich verliebt. Auch wenn er es nicht weiß!
Eben war ich so leichtsinnig gewesen, noch mal kurz im Wohnzimmer vorbeizuschauen. Hätte ich das mal besser gelassen: Ich bin mitten in einem völlig absurden Krisengebiet gelandet.
Dabei hatte mich Flippi gewarnt. Ich traf sie nämlich im Flur, als sie gerade in ihr Zimmer flüchtete. »Geh da besser nicht rein«, riet sie mir und machte eine Bewegung mit dem Kopf in Richtung Wohnzimmer.
»Warum?«
Sie verdrehte die Augen. »Lass es einfach.«
»Aber warum?«
Sie sah mich an, schüttelte den Kopf und klopfte mir dann ganz mitleidig auf die Schulter. »Sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Und zwar ohne Bezahlung.« Damit ging sie und ließ mich in einer völligen Verwirrung zurück.
Ohne Bezahlung war tatsächlich eine außergewöhnliche Sache. Normalerweise verlangt Flippi immer Geld für irgendwelche Gefälligkeiten. Selbst wenn man sie nach der Uhrzeit fragte, folgen erst mal langwierige Verhandlungen über die Höhe ihres Honorars.
Was also steckte dahinter, dass sie kein Geld für die Information haben wollte?