NISAMI in Versen und Prosa - Sewil Fuchs - E-Book

NISAMI in Versen und Prosa E-Book

Sewil Fuchs

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Beschreibung

NISAMI (1141–1209) – der unerreichbare Stern der persischsprachigen Literatur zählt zu den bedeutendsten Epikern im islamischen Kulturkreis. Seine fünf Versromane – "Schatzkammer der Geheimnisse", "Chosrou und Schirin", "Leila und Madschnun", "Die sieben Gestalten" sowie "Das Alexanderbuch" – wurden zum Vorbild für die gesamte spätere Romantik im Orient. Doch wie bekannt ist das poetische Erbe des Dichters und Denkers aus Aserbaidschan im deutschen Sprachraum? In dieser Anthologie wird erstmals die deutschsprachige Rezeption der Werke Nisamis vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart präsentiert. Poetische und prosaische Übersetzungen bilden den ersten Teil, die nachfolgenden Teile enthalten Zitate und Essays.

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Seitenzahl: 157

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NISAMI

zum

880. Geburtstag

Autorin

Sewil Fuchs, 1956 in Baku/Aserbaidschan geboren. Studium der Fremdsprachenpädagogik an der Sprachenuniversität Baku.

Freiberufliche Übersetzerin für Deutsch/Russisch sowie Sprachdozentin. Forschungsschwerpunkte: Nisami-Rezeption in deutscher Sprache (1787–2021), Friedrich Bodenstedt und Mirsa Schafi Waseh.

NISAMI

in

VERSEN und PROSA

1798–2021

Zusammengestellt und herausgegeben

von

Sewil Fuchs

© 2021 Sewil Fuchs

Umschlagbild: Nisami-Denkmal in Gändschä (1946)

Bildhauer: Fuad Abdurachmanow (1917–1971)

Foto: Sewil Fuchs (2009)

Verlag & Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

   Paperback:    978-3-347-37830-8

   Hardcover:    978-3-347-37831-5

   e-Book:         978-3-347-37832-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I.   ÜBERSETZUNGEN (1798-2021)

Joseph von Hammer-Purgstall

Die Trennung

Sieh nicht beständig fremde Fehler

Friedrich Rückert

Die Aussteuer der Kauzentochter

Die Rätsel der Turandot in symbolischer Fassung

August von Platen

Eingang von Iskander-Nameh

Franz von Erdmann

Erzählung von der Tochter des russischen Herrschers

Georg Friedrich Daumer

Die Erzählung vom Herrn Jesus

Wilhelm Bacher

Aus dem Alexanderbuch

Sprüche

Anton Edmund Wollheim da Fonseca

Aus dem Heft-peikar

Ottokar Freiherr von Schlechta-Wssehrd

Herr Jesus und der Hund

Solamen miseris

Hellmut Ritter

Aus Chosrau und Schīrīn

Rudolf Gelpke

Madschnun dichtet vor Leila

Die Menschen erfahren den Tod von Madschnun

Martin Remané

Farhâd und Schîrîn

Jan Rypka

Das Sprichwort in Niẓāmīs Lajlī va Magnun

Johann Christoph Bürgel

Aus Chosrou und Schirin

Annemarie Schimmel

Gebet der Schirin

Esmail Mietag

Nizamis Weisheiten

Rosemarie Kuper

Aus dem Diwan des Nizami

Monolog der Fitne: Sieg der Liebe im Kampf um Gleichberechtigung

Renate Würsch

Die alte Frau und Sultan Sanǧar

Jan Weinert

Aus dem Diwan des Nizami

Reinhart Moritzen

Die Geschichte von Fitnä und ihrem Schah Bahram

Aus dem Diwan des Nisami

II.  ZITATE (1818–2021)

Joseph von Hammer-Purgstall, 1818

Johann Wolfgang von Goethe, 1819

Heinrich Heine, 1824

Joseph von Hammer-Purgstall, 1842

Wilhelm Bacher, 1871

Hermann Ethé, 1887

Julius Hart, 1887

Theodor Nöldeke, 1890

Johannes Scherr, 1899

Paul Horn, 1901

Hellmut Ritter, 1927,1934

Georg Jacob, 1934

Rudolf Gelpke, 1957-1959

Jan Rypka, 1959

Rudolf Gelpke, 1963

Annemarie Schimmel, 1963

Johann Christoph Bürgel, 1974

Friedrich Ohly, 1982

Johann Christoph Bürgel, 1986,1997

Karl Richter, 1998

Wilfried Fuhrmann, 2021

III. ESSAYS (1997–2021)

Johann Christoph Bürgel

Nizami

Die sieben Gestalten

Michael Heinemann

Diesseits der Liebe: Zur Funktion der Musik in den Dichtungen von Nizami

Horst Lohse

Tanz als Traum-Vision: Mein Ballett „Mahan“ auf den Spuren von Nizami

Fritz Rainer

Nizamis Poesie als Inspiration und Impuls für eine inszenierte und musikalische Aufführung „Die sieben Schönheiten“

Wilfried Fuhrmann

Nizami Gencevi – lebendig seit 880 Jahren

ANHANG

Autoren- und Schriftenverzeichnis

18.–19. Jahrhundert

20. Jahrhundert

21. Jahrhundert

Alphabetisches Autorenverzeichnis

Vorwort

Wunderlichstes Buch der Bücher

Ist das Buch der Liebe;

Aufmerksam hab’ ich’s gelesen:

Wenig Blätter Freuden,

Ganze Hefte Leiden,

Einen Abschnitt macht die Trennung.

Wiedersehn! ein klein Capitel

Fragmentarisch. Bände Kummers

Mit Erklärungen verlängert,

Endlos ohne Maas.

O! Nisami! – doch am Ende

Hast den rechten Weg gefunden;

Unauflösliches wer löst es?

Liebende sich wieder findend.

Als „wunderlichstes Buch der Bücher“ bezeichnete Goethe Nisamis Dichtung 1819 in seinem West-östlichen Divan und schrieb: „… so wäre jetzt eine prosaische Übersetzung des Schahname und der Werke des Nisami immer noch am Platz. Man benutzte sie zur überhineilenden, den Hauptsinn aufschließenden Lectür, wir erfreuten uns am Geschichtlichen, Fabelhaften, Ethischen im Allgemeinen und vertrauten uns immer näher mit den Gesinnungen und Denkweisen, bis wir uns endlich damit völlig verbrüdern könnten“.

140 Jahre später vermerkte der schweizerische Orientalist Rudolf Gelpke über den Dichter und Denker des 12. Jahrhunderts: „In seinen großen Versromanen, die in Europa zu Unrecht noch kaum bekannt sind, gestaltet er mit höchster Sprachkunst und psychologischer Meisterschaft Stoffe aus der persischen und arabischen Sagenwelt.“

Doch wie bekannt ist Nisami Gändschäwi (1141–1209), der Klassiker der persischsprachigen Literatur, heute im deutschen Sprachraum? Diese Frage war für die Verfasserin vorliegender Arbeit der Anlass zu Nachforschungen, deren Ergebnis die folgende Sammlung ist. In dieser Anthologie wird erstmals die deutschsprachige Rezeption der Werke Nisamis vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart präsentiert.

Poetische und prosaische Übersetzungen bilden den ersten Teil, die nachfolgenden Teile enthalten Zitate und Essays.

Alle Beiträge sind chronologisch gegliedert und in der Originalschreibweise angegeben. Im Autoren- und Schriftenverzeichnis finden sich die Lebensdaten der zitierten Autoren und die bibliographischen Angaben der abgedruckten Texte.

Möge das poetische Erbe des Dichters und Denkers aus Aserbaidschan viele Leser genauso inspirieren, wie es im Morgenland seit mehr als 800 und im Abendland bereits seit über 200 Jahren der Fall ist.

Sewil Fuchs, im August 2021

I. ÜBERSETZUNGEN (1798-2021)

Joseph von Hammer-Purgstall

Die Trennung

Ferhad an Schirin

Die Trennungsstunde hat geschlagen;

Mit Seufzern und mit lauten Klagen

Gedenk ich Dein.

Schirin, darf es Ferhad wohl wagen,

Mit Liebesflehen Dir zu sagen:

Gedenke mein!

O ja! Er darf es ohne Scheuen;

Er darf sich ja des Himmels freuen,

Geliebt zu seyn.

Darum, Du Schöne, Honigsüße!

Du Spenderin der Huri’sküsse:

Gedenke mein!

Gedenke mein in Augenblicken,

Wo Dich Natur und Kunst entzücken,

Mit ihren Weih’n!

Wenn Ideale vor Dir stehen,

Und Deine Würdigung erflehen,

Gedenke mein!

Wenn sich des Morgens Thore röthen,

Wenn Abends Nachtigallen flöten,

Im Mondenschein;

Wenn Geister durch die Flieder rauschen,

Wenn alle Sfären funkelnd lauschen,

Gedenke mein!

Und findest Du bald durch Vergleichen;

Daß Tausende mich überreichen,

An That und Schein;

Wird dann Dein Tadel mir beschieden,

So schelte mich! – ich bins zufrieden:

Nur denke mein!

Wenns Dir gefällt mit Deinen Küssen

Das Leben Andrer zu versüßen

Im Herzverein:

Umschlossen selbst von fremden Armen,

Schirin! Schirin! – nur aus Erbarmen

Gedenke mein!

Wenn aber nach des Schicksals Willen,

Ich bald entschlafen bin im stillen

Cypressenhain;

Dann kannst nur Du ein a n d e r s Leben

Mir durch Erinn’rung wiedergeben;

Gedenke mein!

Die Trennungsstunde hat geschlagen;

Mit Seufzern und mit lauten Klagen

Gedenk’ ich Dein.

O ja, Schirin! Ferhad darfs wagen

Mit Zuversicht sich selbst zu sagen:

Sie denket mein!

Schirin an Ferhad

Die Trennungsstunde hat getönt,

Von Dir mit Seufzern ausgestöhnt,

So wehmuthsvoll, so trübe!

Ach! Deine Zweifel lasten schwer;

Ich denke Dein, – was willst Du mehr?

Ich denke Dein mit Liebe.

Bey Fantasie und Sinnenspiel,

Bey Zart, und Hoch, und Tiefgefühl,

Bey jedem süßen Triebe;

Im Cedernthal, im Rosenhain,

Beym Morgenroth, beym Mondenschein

Gedenk ich Dein mit Liebe!

In meiner Freude goldner Spul,

Ist meiner Wonne Polsterstuhl

Im Hof: und Weltgetriebe,

Was anders als Dein holdes Bild,

Wie Engelsmienen sanft und mild

Gemalt von warmer Liebe?

Eh’ rollt sich zu des Aethers Plan,

Eh’ strömen Meere himmelan,

Und Wasser bleibt im Siebe;

Eh’ ändern Sonnen ihren Lauf,

Eh’ daß ich könnte hören auf,

Zu denken Dein mit Liebe!

Wenn selbst das schwere Rad der Zeit

Des Weltenbaues Achse heut

In Schutt und Graus zerriebe,

Ich dächte Dein auch fernerhin,

So lang ich noch ein Stäubchen bin,

Mit unzerstörter Liebe.

Kühn mag sich unserm Talisman

Die schwarze Nacht des Nichtseyns nah’n!

Gefreyet vor dem Hiebe

Der ewigen Vernichtung,

Wird blühen die Erinnerung

Von uns mit frischer Liebe.

Gesetzt, es kämpfe ein Orkan

Von Wollust Deine Sinnen an,

Ein fremder Hauch zerstiebe

Mein armes Bild wie leichte Spreu,

Vergesse mich, Ferhad! – es sey!

Vergiß mich nur mit Liebe.

Die Trennungsstunde hat getönt,

Von Dir mit Seufzern ausgestöhnt,

So wehmuthsvoll, so trübe!

Ach! Deine Zweifel drückten schwer,

Ferhad! – Nun zweifelst du nicht mehr;

Du denkest mein mit Liebe!

1798

Sieh nicht beständig fremde Fehler

Sieh nicht beständig fremde Fehler,

Auf deinen Kragen senk den Blick;

Wenn dir ein Spiegel kommt zur Hand,

Zerbrech’ ihn eh’ du dich anbethest.

Schmück wie der Frühling dich nicht selbst,

Damit der Herbst dich nicht entblättre.

Der eignen Fehler Kleid ist eng,

Darum hüllst du dich in neun Schleyer.

Wie soll der Reif zum Ringe taugen,

Wenn er kein Schild zum Siegel hat.

Der Pleias Halsband ist für Hunde

Und des Messias Last für Eseln.

Was ist das Reich, das voll von Motten?

Was ist die Welt voll Diebesfrucht?

Die ganze Welt so alt als neu,

Sie tauget nicht der Körner zwey.

Hier iß nicht von der Welt, sieh auf!

Den Antheil N i s a m i ’ s verschütt’!

1818

Friedrich Rückert

Die Aussteuer der Kauzentochter

Des Sultan’s Mahmud Sittenmeister

Versteht der Menschen und der Geister,

Versteht der Vögel Sprachen auch.

Das zeigt’ er, als im Abendhauch

Sie von der Jagd nach Hause ritten.

Zwei Kauze unterhalten sich im Strauch;

Was sagen sie? Der Meister läßt sich bitten,

Und horcht. „Was ists! berichte mir!“

Ich darf nicht alles wiedersagen.

„Warum?“ Sie sprachen auch von dir.

„Kein Wort sollst du mir unterschlagen.“

Wohlan! der eine Kauz (Gott schirme deinen Thron!)

Hat einen hoffnungsvollen Sohn,

Der andre schmuck ein Töchterlein,

Und heiratsfähig beide schon;

Die Väter kamen überein,

Daß sie ein Pärchen sollen seyn.

Der eine spricht: Ich bin’s zufrieden,

Wenn fünfzig wüste Dörfer zur

Aussteuer sind der Braut beschieden.

Was, spricht der andre, fünfzig nur?

Fünfhundert, Bruder, kann ich geben;

Gott schenke nur dem Sultan Leben,

Und wüste Dörfer gibts auf jeder Flur.

***

Merkt sich der Sultan die Betheurung?

Und wird er aus dem Sinn den neuen Krieg

sich schlagen,

Um nicht mehr Dörfer zur Aussteurung

Der Kauzentochter beizutragen?

1837

Die Rätsel der Turandot in symbolischer Fassung

Die Meisterin anmut’ger Spielerinnen

Begann das Spiel nun hinterm Vorhang drinnen.

Zwei Perlchen löste sie vom Ohrgehange,

Und gab sie einer Zofe zum Empfange:

„Bring unserm Gaste dieses hier in Eile,

Und bring zurück was Antwort er erteile.“

Die Botin hin zum Gaste kam geschwinde

Und zeigt ihm ihr gebrachtes Angebinde.

Der Mann die Perlchen legt’ auf Geisteswage,

Und merkte wohl, was ihr Gehalt besage.

Von andern Perlen, die dazu sich schickten,

Legt’ er drei gleiche zu den zwei geschickten,

Gab sie der Botin, die die Sendung brachte,

Daß sie zur Senderin den Rückweg machte.

Das Steinherz dort, als sie die fünf sah liegen,

Nahm den Gewichtstein und begann zu wiegen.

Als sie so und so viel fand an Gewichte,

Rieb sie die Perlen an dem Stein zu nichte;

Darauf sie eine Hand voll Zucker sprengte,

Und Perl’ und Zucker durcheinander mengte.

Das ließ sie hin zum Gast in Eile bringen;

Der wußt’ auch dieses Rätsel zu durchdringen,

Ließ von der Dien’rin ein Glas Milch sich reichen,

Vermischte Beides, und gab ihr dies Zeichen.

Die Dienerin dahin zur Herrin eilte,

Der sie den mitgebrachten Fund erteilte.

Die nahm die Milch und trank bis auf die Neige,

Die Neige knetete sie dann zum Teige;

Sie legt’ ihn auf die Wage wie zuvor,

Und fand, daß es kein Haar Gewicht verlor.

Gleich zog sie ihren Reif vom Finger nieder,

Und gab zu tragen ihn der Botin wieder.

Der Kluge nahm ihn von der Zofe Händen,

Und steckt’ ihn an, ohn’ ihn zurückzusenden.

Er gab ihr ein Juwel, das Nachts die Zelle

Der Welt erleuchtete mit Tageshelle.

Das Mägdlein, wie ein Kind aus Himmelsreichen

Trug das Juwel hin der Juwelengleichen.

Die Herrin hielt’s auf ihrer Hand nicht lange,

Brach auseinander ihres Busens Spange,

Wo ein Gestein sie fand, ein gleichgejochtes,

Ein Nachtlicht mit dem andern gleiches Dochtes;

Auf einen Faden zog sie die zwei Flinder,

Die beiden völlig eins, nicht mehr noch minder.

Die Botin trug die Schätze hin zum Meere,

Hin die Pleiaden zur der Sonnensfäre.

Der Kluge, da den Blick darauf er wante,

Das Zwiegespann nicht von einander kannte,

Und außer Zweiheit zwischen diesen Beiden

An Glanz und Pracht nichts fand zu unterscheiden;

Nahm eine Glaskorall’ aus Dienerhand,

Weil gleich den zweien sich kein drittes fand;

Aufs Kleinodpaar legt’ er das Glas geringe,

Und gabs der Botin, daß sie hin es bringe.

Die Holde sah Juwel und Glas im Bund,

Versiegelte mit Lächeln ihren Mund;

Sie nahm mit Sinn das Glas und die Juwelen,

Der Hand es, sie den Ohren zu vermählen.

Zum Vater sprach sie: „Auf, das Werk beschicke!

Zu lange war ich spröde meinem Glücke.

O sieh mein Glück, wie freundlich sichs erwiesen,

Daß mirs zur Wahl gab einen Freund wie diesen

Solch ein Genosse ward mir, dem entsproßen

In Land und Reich ist keiner zum Genoßen.

Denn weise bin ich, und der Freund ist weise,

Mein Witz steht seinem Witze nach im Preise.“

Der Vater, freudig ob der frohen Kunde,

Sprach zur Peri: „O du mit Engelsmunde!

Was ich von Frag und Antwort hier vernommen,

Ist unter Schleiern mir verhüllt gekommen;

Was da erging von heimlichen Geschichten,

Das mußt Du eins ums andre mir berichten.“

Das zarte Reis mit tausend Schmeicheleien

Hub an dem Rätseldunkel Licht zu leihen.

Sie sprach: „Da mir zuerst der Sinn entglommen,

Vom Ohrgehäng die Perlchen ich genommen,

Sagt ich ihm durch die beiden Perlchen leise:

Zwei Tag ist Menschenleben; nutz es weise!

Er, wie er fügte drei zu zweier Stelle,

Sprach: Wenn auch fünfe, doch vergehn sie schnelle:

Ich, als ich Zucker zu den Perlen führte,

Und beides mit einander rieb und rührte,

Sprach: Leben ist versetzt mit niedern Trieben,

Wie Perlen die mit Zucker sind zerrieben;

Durch Zauberkunst und Alchimie die beiden

Vermischen, wer vermag sie wohl zu scheiden?

Er, als er Milch auf das Gemisch ließ wogen,

Daß eins zurückblieb, eins ward aufgesogen;

Sprach: Wenn sich Zucker mag den Perlen mischen

Ein Tröpflein Milch genügt ihn wegzuwischen.

Ich, als ich sog die Milch aus seiner Schal’,

Erklärte mich als Säugling ihm zumal;

Und als ich meinen Fingerreif ihm sante,

Zu seiner Braut ich mich bereit bekannte.

Da ließ er im Juwel den Gruß mir reichen:

Wie dies Juwel, sind ich nicht meinesgleichen.

Doch als ich zum Juwel das gleiche stellte,

Zeigt ich, daß ich mich ihm als gleich gesellte.

Er, der beim Prüfen dieser zwei Juwele

Erkannte, daß der Welt ein drittes fehle,

Legt er die blaue Glaskoralle bei,

Daß abgewendet böses Auge sei.

Indem ich nun anlegte die Korallen,

Erkor ich seine Liebe mir vor allen.

In meiner Brust ist seiner Liebe Platz,

Und unter seinem Siegel ist mein Schatz.

Für ihn hab ich mit den fünf Rätselfragen

Der Sultanswürde Fünfmusik geschlagen.“

Der Schah, als es das Rösslein sah gezähmet,

Dem unbequemen Geißelschwung bequemet;

Bereitet er zu der Vermählung Festen

Soviel er fand des köstlichsten und besten;

Er saß zu ihrer Hochzeit Zuckerspende,

Gab Sohres Brautschatz in Suheiles1 Hände.

1890

August von Platen

Eingang von Iskander-Nameh

Aus dem Persischen des Nisami

O Herr, dem die Herrschaft der Welt angehört,

Und dem mein Gemüt hier Gehorsam beschwört,

Du schirmst, was erhöht ist, du schirmst was gering,

Das Weltall, es ist nicht, du bist jedes Ding.

Es zeigt uns die Schöpfung, was hoch ist und tief,

Du bist’s, dessen Allmacht hervor Alles rief.

Du Allwisser bist’s, der, was Nacht ist, erhellt,

Dein Kiel ist die Weisheit, dein Schreibbuch die Welt.

Dem Zeugnisse, daß du der Wahrhaft’ge seist,

Verlieh schon am Anfang Beweiskraft der Geist.

Den Geist hast du lichtvoll zum Blitz uns gemacht,

Die Welt für den Anfang zum Sitz uns gemacht.

O du, der den Sternhimmel anzündetest,

Die Erd’ uns als Herberge bloß gründetest,

Ein Tröpflein erschufst du zum Meerwasserschwall,

Den kostbar’n Juwel bildet dein Sonnenball.

1839

Franz von Erdmann

Erzählung von der Tochter des russischen Herrschers

Es war, sprach sie, in Russlands weitem Landsbereich

Dir eine Stadt, an äusserm Glanz Jungfrauen gleich.

Ein Padischah, dem sie den sichern Sitz gewährt,

Hatt’ eine Tochter, die, in Weichlichkeit ernährt,

Durch zartes Augenspiel in jedes Herz sich schlich,

An Wangen rosenroth, der hohen Ceder glich;

Die schöne Wange war als Mond herztödtender,

Die süsse Lippe war als Zucker lieblicher.

Als Venus hatt’ das Herz von Jupiter entlehnt,

Durch ihrer Kerze Schmelz sie Zucker ausgedehnt.

Der feine Zucker sollt’ von ihres Zuckers Fein

Engherziger als ihres Gürtels Umfang seyn.

Zum Unmuth führte nur der Locken Moschusborn,

Und ihres Rihan – Gartens Rose war ein Dorn.

Des Antlitzs Frische wich des Frühlings Frische Zug,

Und ihrer Farbe Schön des Pinsels eitler Trug.

Narcissen Schlummer war des Blickes Trunkenheit,

Und ihres Kaufes Dirm der Nasrin Lieblichkeit.

Von hohem Wuchs, der Ceder in dem Garten gleich,

Ihr Antlitz, wie der Lampe Licht an Flamme reich!

Es war der Rose Glanz der Diener Wege Staub,

Die Rose Gürtel für der Unterhaltung Raub;

Zu ihrer Schönheit, Zucker lächelndem Gespräch

Gesellte sich des hohen Geistes Lichtgepräg.

Ihr Wissen war mit allen Fächern ausgeschmückt,

Aus jeder Wissenschaft ein Blättchen eingerückt;

Gelesen hatt’ der Weltenbücher Täuschung sie,

Geheimes Wissen, gleich der feinen Ironie;

Zog über’s Antlitz sie der Locken Schleier hin,

Erwog im Ernste sie des schweren Buches Sinn.

Als ihrer Brust Gewölb’ was überdies erschien,

Vermocht ein trefflich Paar jedweden anzuziehn!

Als nun der laute Ruf die ganze Welt durchprangt,

Es sey Riszwani Hur aus Behescht angelangt.

Es habe Sonn und Mond ein Töchterchen erzeugt,

Und Venus den Merkur mit ihrer Milch gesäugt,

Da wurden alle gleich von Lieb’ zu ihr entbrannt

Und Werber ohne Zahl um ihre Hand gesandt.

Der strebt’ durch Macht, der wiederum durch Gold

zum Zweck,

Doch sie verbarg ihr Gold in einem Machtversteck.

1844

Georg Friedrich Daumer

Die Erzählung vom Herrn Jesus

Herr Jesus auf gewohnter Wanderung

Ging einst auf einen Markt hin. Da lag

Ein todter Hund und viele Leute standen

Um ihn herum, wie Geier um ein Aas.

Sie schmähten Alle die verworfne Leiche,

Es war zu gross kein Schimpf, zu stark kein Ausdruck

Den Aufgebrachten über alle Maassen

Ob einer so höchst ungefugen Schau,

Ob eines so höchst widrigen Geruches.

Herr Jesus aber trat heran und sprach

Sanftmüthigen Tones so: „Die Zähne seht,

Die herrlichen, sie sind so weiss, wie Perlen!“

Mit Tiefbeschämung trifft sie diese Rede,

Die Meister in Beschimpfung allumher;

Sie sind, wie Muscheln, welche, die Gewalt

Der Flamme fühlend, durch und durch erglüh’n.

1853

Wilhelm Bacher

Aus dem Alexanderbuch

Das Alter hatte sich Nizami schon mit Abnahme der Leibeskräfte fühlbar gemacht und sehr rührend beschreibt er dasselbe in einem der Einleitung des Alexanderbuches eingefügten Abschnitte. Dieser enthält auch einige Verse, welche die sinnig gläubige Anschauung des Dichters von der Unsterblichkeit bekunden:

Viel meines Gleichen schon im Grabe schlummern

Und keiner denkt daran, dort ruhe jemand.

Erinn’re du dich mein, o junge Wachtel1,

Aus dessen Schollen Gras du sprossen siehest

Und dessen einfach Mal längst eingestürzt ist,

Da seine Erde Wind und Wetter fortträgt,

Indes kein Zeitgenossen mein mehr denket!

Berühr’ dann meines Erdenstaubes Trümmer,

Dabei an meine reine Seele denkend.

Und lässt du Thränen mir zu Ehren fliessen,

Will ich vom Himmel Licht auf dich ergiessen;

Was immer auch du im Gebet erflehest,

Ich wirke, dass es stets Erhörung finde.

Du preisest mich, ich will dich wieder preisen,

Du kömmst, ich komm’ hinab aus Himmelshöhen.

Denk’ mich als Lebenden, wie du es selbst bist,

Kömmst du zu mir, bin ich als Geist dir nahe.

Nicht wähn’, ich könnte nicht mehr Umgang pflegen,

Denn siehst du mich auch nicht, so sehe ich dich.

1871

Sprüche

1.

Gerätst du in die Mitte zweier Feinde,

Mach, daß sie zankend auseinandergehen.

Hetz’ auf den Wolf den Tiger dir zum Heile,

Aus zweier Steine Reibung ziehst das Mehl du.

2.

Schatzkammern legt man an des Goldes halber,