Nothing less - Anna Todd - E-Book

Nothing less E-Book

Anna Todd

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Landons Leben in New York ist ein ziemliches Abenteuer, und er ist hin- und hergerissen zwischen zwei Frauen. Mit einer verbinden ihn eine lange Geschichte und viele besondere Erfahrungen. Die andere zieht ihn magisch an und fasziniert ihn auf eine Art und Weise, die ihn irritiert. Doch für wen soll er sich entscheiden? Ist es seine Geschichte, die zählt, oder sein Instinkt?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 406

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DAS BUCH

Bad Guy oder Mr. Nice?

Landons Leben in New York ist ein abgefahrenes Abenteuer. Immer noch steht er zwischen zwei ganz unterschiedlichen Frauen. Mit Dakota verbinden ihn die Vergangenheit und viele besondere Erfahrungen. Nora zieht ihn magisch an und fasziniert ihn auf eine Art und Weise, die ihn irritiert. Doch für wen soll er sich entscheiden? Ist es seine Geschichte, die zählt, oder sein Verlangen?

DIE AUTORIN

Anna Todd lebt gemeinsam mit ihrem Ehemann in Los Angeles. Sie haben nur einen Monat nach Abschluss der Highschool geheiratet. Anna war schon immer eine begeisterte Leserin und ein großer Fan von Boygroups und Liebesgeschichten. In ihrem Debütroman AFTER PASSION konnte sie ihre Leidenschaften miteinander verbinden und sich dadurch einen Lebenstraum erfüllen.

LIEFERBARE TITEL

After passion

After truth

After love

After forever

Before us

Nothing more

ANNA TODD

NOTHING

less

Roman

Band 7 der AFTER-Serie

Aus dem Amerikanischen von

Anja Mehrmann und Sabine Schilasky

WILHELMHEYNEVERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe Nothing Less erschien bei Gallery Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Zitat [hier]:

Joanne K. Rowling: Harry Potter und die Kammer des Schreckens.

Aus dem Englischen von Klaus Fritz. Hamburg: Carlsen 2000, S. 343

Deutsche Erstausgabe 01/2017

Copyright © 2016 by Anna Todd, vertreten durch Wattpad

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: Zero Werbeagentur, München

Umschlagabbildung: © FinePic, München

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN: 978-3-641-19070-5V003

www.heyne.de

Für alle Landons dieser Welt,

die immer zuerst an die anderen denken.

Das Karma ist auf eurer Seite <3

Playlist Landon

Years & Years – Without

Nelou – Echo

Halsey – Ghost

Zayn – TiO

Jess Glynne – Take Me Home

Arcade Fire – Crown of Love

Kevin Garrett – Control

John Mayer – Assassin

Bon Iver – I Can’t Make You Love Me

One Direction – What a Feeling

Emily Wolfe – Never Let Me Go

Ruelle – War of Hearts

John Mayer – Edge of Desire

Nick Jonas – Chainsaw

Zayn – wRoNg

The Weeknd – As You Are

One Direction – Something Great

Nick Jonas – Unhinged

Mads Langer – Death Has Fallen in Love

Mads Langer – Last Flower

Taylor Swift – I Know Places

Young the Giant – Cough Syrup

Zayn – iT’s YoU

Emily Wolfe – Heavy

One Direction – Wolves

Prolog

Die nicht allzu ferne Zukunft …

»Daddy?«, erklingt eine zarte Stimme in der Dunkelheit des Schlafzimmers.

Ich beuge mich zur Seite, schalte die Nachttischlampe ein und blinzle im plötzlichen Licht.

»Adeline? Was ist los?« Ich setze mich auf und ziehe die Bettdecke bis zur Brust hoch, weil mir einfällt, dass ich darunter nichts anhabe. Dann sehe ich zu meiner Frau rüber, die nackt neben mir liegt, auf dem Bauch ausgestreckt wie üblich.

Eine kleine Hand reibt über verschlafene braune Augen. »Ich kann nicht schlafen.«

Erleichterung überkommt mich. »Hast du schon Schäfchen gezählt?«, frage ich. In letzter Zeit hat sie oft Probleme mit dem Schlafen, und ich versuche, mir deshalb keine allzu großen Sorgen zu machen. Der Arzt sagt, dass es ihr einfach schwerfällt, nachts ihre wilden Fantasien abzustellen, was in ihrem Alter ziemlich normal ist.

Adeline nickt. »Und Ponys. Ich habe auch Ponys gezählt. Ein blaues, ein rotes und ein mürrisches gelbes.«

Ich muss mir das Lachen verkneifen. »Ein mürrisches gelbes Pony?«

»Ja. Das hat dem blauen die Kekse geklaut.«

Die Mom meines kleinen Mädchens regt sich im Schlaf, wacht aber nicht auf. Ich ziehe die Decke über ihren nackten Rücken, für den Fall, dass sie sich umdreht.

Dann sehe ich wieder meine Tochter an, die meine Augen hat, und kann mich nur über ihre lebhafte Fantasie amüsieren. Sie ist so kreativ für ihr Alter, erzählt dauernd Geschichten von Prinzessinnen, Kobolden und anderen Fantasiewesen.

Lächelnd strecke ich ihr eine Hand entgegen, und sie klemmt ihren Teddy unter den anderen Arm, bevor sie meine Hand nimmt. Der arme Stoffteddy fällt fast auseinander, denn außer in die Schule geht sie nirgends ohne ihn hin, und an manchen Tagen finde ich ihn sogar in meiner Tasche, wenn ich in der Schule ankomme.

»Wie wäre es, wenn wir uns in die Küche setzen und du mir erzählst, wie es weitergeht?«, schlage ich vor.

Sie nickt, und ich küsse Adelines Hand, ehe sie sie zurückzieht. »Ich bin in einer Minute bei dir, Süße«, sage ich, damit ich mir etwas überziehen kann.

Adeline sieht hinüber zu ihrer Mom, dann wieder zu mir und geht zur Tür. Dort dreht sie sich um. »Können wir dabei einen Keks essen?«, fragt mich die kleine Feilscherin.

Auch da ist sie wie ich: Immer will sie etwas Süßes.

Ich blicke zur Uhr auf dem Nachttisch. Es ist halb eins, und sie muss morgen in die Schule. Da ich ihr Lehrer bin, sollte ich ihr eigentlich keine Süßigkeiten mitten in der Nacht erlauben …

»Bitte, Daddy?«

Sechs Stunden vorm Aufstehen sollte ich wirklich keinen Zuckerschub unterstützen. Ihre Mom bringt mich um, aber letztlich würde sie auch nachgeben. Diese großen braunen Augen und der Teddybär in ihren Armen – sie wird nicht für immer ein Kind sein.

Adeline wartet.

»Hol mir auch einen. Bis du die Kekse für uns aus dem Glas ausgesucht hast, bin ich da«, antworte ich.

Sie grinst, als hätte sie nie an meinem Ja gezweifelt.

»Die kleinsten Kekse, die du finden kannst, okay?«, wiederhole ich schmunzelnd.

Sie nickt und geht aus dem Schlafzimmer. Ich stehe auf und hebe meine Jogginghose vom Boden auf.

»Weichei«, murmelt meine Frau verschlafen.

Ich ziehe die Jogginghose hoch. »Du bist wach?«, frage ich mit gespielter Überraschung.

Sie rollt sich herum und hebt die Arme über den Kopf, sodass die Decke bis zu ihren Hüften rutscht. »Natürlich«, antwortet sie mit einem schläfrigen Lächeln auf ihrem schönen Gesicht.

»Feigling«, necke ich sie.

»Umfaller.« Sie grinst, und ich bemühe mich, nur ihr Gesicht anzusehen. Wenn ich mir erlaube, ihre nackten Brüste zu bewundern, schaffe ich es nie aus diesem Zimmer.

Sobald ich angezogen bin, beuge ich mich übers Bett, ein Knie auf die Kante gestützt, und küsse sie sanft auf die Stirn. Ihre Augen sind schon wieder geschlossen, als ich mich aufrichte, die Lippen sind zu einem wohligen Lächeln geformt.

In der Küche hält Adeline ihren Teddy in einer kleinen Hand und einen großen Keks in der anderen.

»Der sieht nicht auswie der kleinste Keks«, sage ich, öffne den Kühlschrank und nehme die Milch heraus.

Adeline lächelt, und ihre Zunge spitzt zwischen den fehlenden Zähnen heraus. Sie wird viel zu schnell groß.

»Ich dachte, du hast gesagt, die größten«, schwindelt sie.

1

Landon

Ich habe Ellens Geburtstagskuchen schon in den Händen und will ihn nach unten tragen. Nora steht an der Tür und winkt Posey und Lila zum Abschied. Ich sehe, wie sie ihre Socken mit dem Pizza-Muster in ein Paar schlichte weiße Sneaker schiebt.

»Bist du so weit?«, frage ich und stelle die Torte auf dem Tisch am Eingang ab.

Sie nickt.

Seit unserem Gespräch im Badezimmer ist sie still, und ich weiß nicht, wie wir da jetzt wieder anknüpfen sollen. Ich habe versprochen, dass ich nicht versuchen würde, sie zu therapieren, nicht darauf dränge, ihre Geheimnisse zu erfahren oder ihr den Ballast abzunehmen. Immer wieder hat sie mich gewarnt, dass sie nicht gut für mich ist und nicht die sein kann, die ich brauche.

Aber wie kann das stimmen, wenn ich gar keine Ahnung habe, was ich brauche?

Ich weiß nur, dass ich gern mit ihr zusammen bin und sie noch besser kennenlernen möchte. Für mich ist es okay, das Ganze langsam angehen zu lassen; die besten Geschenke sind normalerweise die, auf die man am längsten warten muss.

Ich nehme den Kuchen wieder, gehe schweigend zum Fahrstuhl und drücke den Knopf. Das Rauschen und Rumpeln des Aufzugs sind die einzigen Geräusche im stillen Flur.

Als wir in die kleine Kabine gehen, stellt sich Nora in die hinterste Ecke.

Ich lasse ihr den Raum und versuche, sie nicht anzusehen, solange sie mich anschaut. Zwar spüre ich ihren Blick auf mir, aber ich fühle auch deutlich, dass sie heute nicht mehr reden will.

Meine Arme kommen mir trotz des Kuchens leer vor, so als fehlte ihnen etwas. Vielleicht Nora? Mit jeder Sekunde in ihrer Nähe scheine ich mehr Kontrolle über meinen Körper zu verlieren. Nora fasst sich an ihren Zopf, und mein Blick begegnet ihrem. Der Fahrstuhl hat sich noch keinen Millimeter bewegt. Ich kann nicht mal schätzen, wie lange wir hier schon stehen, doch mir kommt es vor wie Minuten, dabei könnten es auch nur Sekunden sein.

Ihr Blick hält meinen fest, betrachtet mich prüfend, als versuche sie, mich zu verstehen.

Ich bin nicht der mit den Geheimnissen, will ich ihr am liebsten sagen.

Ich denke an Dakota und letzte Nacht. Daran, wie beschämt und verlegen ich war, als ich nicht konnte. Und wie ich hinterher im leeren Badezimmer stand, weil meine Ex über die Feuerleiter verschwunden war. Es war nur eine Nacht, und jetzt bin ich hier bei Nora und will ihr nah sein.

Offenbar habe ich wohl doch Geheimnisse.

»Ist der kaputt?«, fragt Nora, und ich werde kurz panisch, weil ich denke, dass sie von meinem Schwanz redet.

Als mir klar wird, dass sie den Aufzug meint, muss ich fast lachen.

»Weiß ich nicht.« Ich drücke noch einmal auf den Knopf fürs Erdgeschoss. Jetzt bimmelt der Aufzug, und die Tür öffnet und schließt sich wieder. Dann setzt er sich in Bewegung, und ich zucke mit den Schultern. Hatte ich vergessen, den Knopf zu drücken? Ich weiß es nicht mehr.

Als wir unten ankommen, warte ich, dass Nora als Erste aussteigt. Ihr Ellbogen berührt meinen Arm, und ich trete zurück, um ihr Platz zu machen. Meine Haut ist warm, und einen Augenblick lang wünsche ich mir, ich könnte in einer anderen Wirklichkeit leben. In einer Dimension, in der ich Nora anfassen und festhalten darf. In jener Welt vertraut Nora mir und zeigt mir Seiten von sich, die niemand sonst kennt. Sie könnte einfach lachen, ohne zu zögern, und würde nicht mehr versuchen, irgendwas zu verbergen. Aber mit jedem stummen Schritt durch die Eingangshalle wird diese imaginäre Welt wieder blasser.

»Ich habe kein Geschenk für Ellen besorgt«, erinnere ich mich laut.

Nora dreht sich um und wird langsamer, bis ich neben ihr bin. »Sicher reichen der selbst gebackene Kuchen und die Zeit, die du ihr schenkst.« Sie holt tief Luft. »Mir würde so ein Geschenk gefallen«, sagt sie und geht weiter.

Wenn sie solche Sachen sagt, verwirrt mich das nur noch mehr.

»Aber du magst doch keine Geburtstage.« Ich erwarte zwar keine Erklärung, hoffe aber auf zumindest eine Andeutung. Sie hat nächste Woche Geburtstag, und ich musste ihr versprechen, dass ich nichts für sie vorbereite.

In letzter Zeit verlangt sie mir eine Menge Versprechen ab. Ich kenne sie erst ein paar Wochen und habe ihr schon zu viel versprochen.

»Nein.« Nora öffnet die Tür und hält sie mir auf.

Statt nach dem Grund zu fragen, beschließe ich, über meine schönsten Geburtstagserinnerungen zu reden. »Als ich noch klein war, hat meine Mom zu meinem Geburtstag immer einen Riesenaufstand gemacht. Die ganze Woche wurde gefeiert. Sie hat mir alle meine Lieblingsgerichte gekocht, und wir sind jeden Abend lange aufgeblieben.«

Nora sieht zu mir auf. Wir nähern uns der Tür des Eckladens. Ein Paar geht Hand in Hand an uns vorbei, und ich frage mich unwillkürlich, ob Nora schon jemals einen festen Freund hatte. Es macht mich irre, dass ich nichts über sie weiß. Sie ist fünfundzwanzig, also muss sie doch schon Beziehungen gehabt haben.

»Sie hat immer diese Cupcakes in Eiswaffeln gebacken und in die Schule gebracht. Sie dachte, dann würden die anderen Kinder mich mögen, aber sie haben sich nur noch mehr über mich lustig gemacht«, erzähle ich. In meinem ersten Jahr an der Highschool wollte keiner in meiner Klasse die Kuchen mit den bunten Streuseln auch nur anrühren.

Keiner außer Dakota und Carter. Wir drei bemühten uns, so viele wie möglich auf dem Heimweg zu essen, damit meine Mom glaubte, alle hätten die Kuchen super gefunden und meinen Geburtstag mit mir gefeiert.

Als wir an unserer Straße ankamen, waren noch fünf übrig. Am Ende ließen wir die restlichen Kuchen auf einem Holzstück am Rand der Kippe – einem kleinen Waldstück, in dem Drogensüchtige und sonstige Pechvögel campierten: leere Mägen und leere Leben. Wir haben uns eingeredet, dass wir wenigstens fünf von ihnen an dem Tag sattbekommen hatten.

»Ich hätte einen gegessen«, sagt Nora und sieht an mir vorbei.

Sie erzählt nicht, warum sie ihren eigenen Geburtstag hasst. Das hätte ich auch nicht erwartet. Das war nicht der Grund, weshalb ich ihr etwas aus meiner Vergangenheit erzählt habe.

Nora öffnet die Ladentür, die kleine Glocke läutet. Dann folge ich ihr nach drinnen und lächle, als Ellen uns mit dem Kuchen in der Hand sieht und sich anstrengen muss, um nicht zu strahlen.

2

»Wir haben so viel Kuchen übrig«, sagt Nora, als wir wieder zu Hause sind, und hebt eine Plastikgabel an den Mund.

Kleine Teigkrümel und grüne Glasur rieseln auf den Tresen zwischen uns. Wie sich herausgestellt hat, mag Ellen eigentlich nichts Süßes. Und sie hat uns erklärt, dass sie auch keine Blumen mag, als ich sagte, ich hätte ihr wohl lieber die kaufen sollen. Aber keinen Kuchen? Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, aber ich esse ihn gern für sie.

Obwohl sie die meisten Sachen hasst, hatte sie trotzdem Spaß mit uns. Und so sehr sie sich auch bemüht hat, nicht zu grinsen – es hat nicht geklappt. Nora hatte das Schild in der Ladentür auf GESCHLOSSEN gedreht, und wir haben »Happy Birthday« gesungen. Dabei haben wir festgestellt, dass ich ein furchtbarer Sänger bin. Aber selbst ohne richtige Melodie oder Kerzen haben wir Ellen spüren lassen, dass uns ihr Geburtstag nicht egal ist.

Nora hat einen Pop-Sender auf ihrem Handy gestreamt, und Ellen hat mehr mit ihr geredet als jemals mit mir. Unsere improvisierte Party ging nur ungefähr eine halbe Stunde, dann wurde Ellen nervös, weil der Laden geschlossen war. Ich hatte auch das Gefühl, dass sie nicht mehr über sich sprechen wollte, was ein Jammer ist. Ich stelle oft fest, dass die Leute, die ungern über sich selbst reden, die sind, mit denen ich mich am liebsten unterhalte.

»Mehr für uns«, sage ich, nehme mir eine frische Gabel vom Tresen und steche mir eine Ecke vom Kuchen ab. Nora sitzt auf dem Stuhl neben mir, ein Bein auf der Sitzfläche angewinkelt. Die kleinen Pizzastücke auf ihren Socken sind schräg und anbetungswürdig zugleich. Ich strecke einen Arm aus und tippe ihr auf den Fuß.

»Was hat es eigentlich mit denen auf sich?«, frage ich.

Sie leckt sich die Lippen. »Das Leben ist zu kurz, um langweilige Socken zu tragen«, antwortet sie achselzuckend und nimmt noch eine Gabel voll Kuchen.

Ich sehe auf meine Socken, die weiß sind, mit Grau an den Fersen und Zehen. Sie sind langweilig. Und vor allem sind es Kniestrümpfe. Kein Mensch trägt mehr Kniestrümpfe.

»Ist das dein Lebensmotto?«

Sie nickt. »Eins von mehreren«, sagt sie mit vollem Mund.

Da ist Kuchenglasur an ihrer Lippe, und ich wünschte, wir wären in einer romantischen Komödie, wo ich sie einfach mit dem Finger wegwischen könnte. Nora würde ganz verträumt schauen, und wir beide hätten Schmetterlinge im Bauch, während sie sich an mich lehnt.

»Du hast Glasur an der Lippe«, sage ich, was das genaue Gegenteil einer romantischen Geste sein dürfte.

Sie wischt sich mit dem Daumen über den Mund und verfehlt die Stelle.

»Willst du sie nicht für mich abwischen? In Filmen ist das die beste Einleitung zu einem Kuss.«

Also denkt sie dasselbe wie ich, und aus irgendeinem Grund finde ich das angenehm.

»Das habe ich auch gerade gedacht. Wäre das hier ein Film, würde ich mich vorbeugen und sie dir abwischen«, erkläre ich lächelnd.

Nora grinst, immer noch mit der Glasur an der Lippe. »Du würdest sie von deinem Finger lecken, und ich würde beobachten, wie sich deine Lippen öffnen.«

»Und dabei würde ich dich ansehen«, ergänze ich.

»Ich würde seufzen, wenn du dir den Finger ableckst, ohne den Augenkontakt zu unterbrechen.«

In meinem Bauch regt sich ein Flattern. »Du hättest Schmetterlinge im Bauch.«

»Aber so wilde, tobende, die mir das Gefühl geben, ich würde verrückt werden.« Nora sieht mir in die Augen. Sie lächelt, und sie ist so unglaublich hübsch.

Ich mache weiter: »Ich würde dir sagen, dass ich eine Stelle übersehen habe, und mich wieder vorbeugen. Dein Herz würde ganz schnell schlagen.«

»So laut, dass du es hören könntest.«

Ich wiederhole ihre Worte im Kopf und verliere mich in ihnen. »So schnell, dass ich es hören könnte. Dann würde ich deine Wange berühren.«

Noras Brust hebt und senkt sich langsam. »Ich würde es zulassen.«

»Deine Augen würden sich schließen, wie immer, wenn ich dich anfasse.«

Jetzt sieht Nora mich erstaunt an, als wäre ihr das nie bewusst gewesen.

Ich betrachte ihren Mund, während sie spricht, und frage mich, was sie wohl denkt.

»Ich würde dich näher zu mir heranziehen und mir die Lippen lecken«, baut sie unsere kleine Geschichte aus.

Mein Herz schlägt so hektisch, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen höre. Nora ist ein Stück näher gekommen. Sie hat es nicht mal bemerkt, glaube ich.

»Ich würde mit meinen Lippen über deine streichen. Zuerst so leicht, dass du es kaum merkst. Dann würde ich deinen Mund mit meiner Zunge öffnen und dich küssen.«

Noras Augen sind jetzt halb geschlossen, und ihr Blick ist auf meinen Mund gerichtet. »Du würdest mich küssen, wie ich noch nie zuvor geküsst worden bin – und wahrscheinlich bin ich das auch nicht, nicht so, wie du mich küsst. Es wäre wie mein erster Kuss, selbst wenn es nicht der erste ist.« Ihre Stimme ist nur noch ein Flüstern, und ich kann sie einfach nicht nicht küssen.

Also beuge ich mich näher zu ihr, sodass uns nur noch Zentimeter trennen. »Du bist noch niezuvor geküsst worden.« Sie ist so nah, dass ich ihren Atem auf meinen Wangen spüre. »Nicht so, wie ich dich küssen würde. Du würdest jeden Kuss vergessen, den es vor meinem gab, und jede Berührung. Wirklich jede.«

Ich atme ein, und ihre Lippen sind auf meinen, bevor ich ausatmen kann. Sie schmecken nach der Glasur. Ihre Zunge ist warm in meinem Mund, und ihre Hände greifen gierig in mein Haar. Sie zieht mich näher heran.

Ich lege die Arme um ihren Körper und ziehe sie von ihrem Stuhl auf meinen. Sie setzt sich auf meinen Schoß, ihre Schenkel zu beiden Seiten von mir. Und sie küsst mich, wie ich noch nie geküsst worden bin, und ich will jeden Kuss, jede Berührung, die vorher war, vergessen.

Ihr weicher Körper drängt sich an meinen, während sie mir auf die Lippe beißt. Ich fühle, wie ich unter ihr hart werde, und zu meiner Verblüffung ist es mir kein bisschen peinlich. Ich merke es, als sie mich berührt, spüre, wie sie nach Luft schnappt und die Arme um meinen Hals schlingt. Sie verlagert ihre Position so, dass sie spürt, wie ich mich an ihr reibe. Ihre Hose ist so dünn, und meine Jogginghose verbirgt letztlich nichts.

Als sie sich an mir reibt, ihre Pussy an meinem Ständer, stöhne ich. Ich kann nicht anders. Selbst komplett angezogen fühlt es sich so gut an.

Fuck, meine Gedanken überschlagen sich geradezu, und jetzt küsst sie meinen Hals. Ihr Mund scheint genau zu wissen, wo er küssen und lecken und wo an meinem Hals er saugen muss. Ich packe ihre Hüften und drücke sie sanft, um sie dorthin zu führen, wo ich die Reibung am meisten brauche.

Sie bewegt ihre Hüften unglaublich verführerisch. Sie ist eine Göttin, schlicht und ergreifend. Sie ist eine Göttin, und ich bin ein verdammter Glückspilz. Irgendwas in dieser Küche bewirkt, dass wir völlig verrückt nacheinander werden. So hatte ich mir den Abend garantiert nicht vorgestellt – nicht dass ich mich darüber beschweren würde.

Nora löst ihren Mund von meinem Hals, reibt sich aber immer noch an meinem Schwanz. »Gott, wenn du doch bloß nicht Tessas Mitbewohner wärst!«

Wieder saugt sie an meinem Hals. Ich drücke ihre Hüften, und sie sagt: »Ich würde dich ficken – ficken – dich gleich hier ficken.«

Das vertraute Kribbeln eines nahenden Orgasmus kriecht meine Wirbelsäule hinauf. Sie ist so sexy, so hemmungslos, und sie macht mich wahnsinnig. Ich bin vollkommen wild nach ihr.

»Wir können so tun, als wäre ich es nicht«, sage ich halb im Scherz.

Lachend drängt sie sich an mich. »Ich komme gleich. Fuck, Landon. Das … zählt nicht …« Ihre Worte klingen so kehlig und sinnlich, und ich kann kaum atmen, während sie mich reitet und ihre Hüften gegen meine prallen lässt.

Ich lege meine Hände auf ihren Rücken, um sie zu stützen, und ich bin kurz davor, mit ihr zu kommen. Ich will nicht darüber nachdenken, will den Moment nicht kaputtmachen. Stattdessen will ich sie einfach nur spüren, sie zum Orgasmus bringen und mit ihr zusammen hineinstürzen.

»Ich auch. Ich komme gleich«, stöhne ich an ihrem Hals. Könnte ich doch nur so gut mit Worten umgehen wie sie. Ich küsse ihre Halsbeuge, ohne genau zu wissen, was ich da mache, aber ihr Laut, als sie kommt, verrät mir, dass ich etwas richtig gemacht habe.

Mein Verstand setzt aus, da sind nur noch Gefühle. Sie schafft es immer wieder, meine Gedanken zum Schweigen zu bringen, und das hier fühlt sich so gut an. Sie fühlt sich so gut an – auf meinem Körper und auch für meinen wirren Kopf.

Als sie wieder runterkommt, wird ihr Atem ruhiger. Sie lehnt den Kopf an meine Schulter, und ich spüre die Feuchtigkeit zwischen uns, doch es scheint uns beide nicht zu stören.

»Das war …«, setzt sie an. »Ich …«

Ihr Satz wird von der Wohnungstür unterbrochen, die ins Schloss fällt.

»Landon?« Tessas Stimme kommt aus dem Flur, durchschneidet unser schweres Atmen ebenso wie unsere euphorischen Gedanken.

»Scheiße«, murmelt Nora, klettert von mir runter und kippt fast um. Ich fange sie am Ellbogen ab und helfe ihr, sich aufzurichten.

Als ich stehe, wandert Noras Blick zu dem feuchten Fleck in meinem Schritt.

»Geh«, sagt sie, und ich eile in Richtung Bad.

Tessa kommt in die Küche, als ich am Durchgang zum Flur bin, doch sie hält mich zurück. Wenigstens stehe ich mit dem Rücken zu ihr.

»Hey, ich habe versucht, dich anzurufen«, sagt sie.

Ich will mich nicht umdrehen. Auf keinen Fall!

»Ich wollte dich fragen, ob du mir meine anderen Schuhe zur Arbeit bringen kannst. Jemand hat mir eine Schüssel Salatsauce auf die Schuhe gekippt, und ich muss heute Abend zumachen«, erklärt sie.

Auch ohne sie anzusehen, merke ich, dass sie gestresst ist, aber ich bin gerade nicht in der Verfassung, sie oder überhaupt irgendwen zu beruhigen. Hastig sehe ich mich nach etwas um, das ich mir vorhalten kann, aber da ist nichts außer einem Karton Lucky Charms.

»Na egal«, fährt Tessa ein wenig lockerer fort. »Was treibt ihr so?«

Ich schnappe mir die Frühstücksflockenpackung, halte sie vor meinen Schritt und drehe mich zu Tessa um. Ihr Blick fällt sofort auf den Karton, und ich umklammere ihn noch fester.

»Wir haben …« Ich suche nach einer Ausrede, nach irgendwas, und habe Angst, dass mir der Karton aus meinen nervösen Händen rutscht.

Tessa sieht Nora an und dann mich. »Oh, hi, was machst du denn hier?«, fragt sie unschuldig.

Ich hätte gern Hilfe von Nora, doch sie bleibt stumm. Anscheinend gehe ich mit diesem sinkenden Schiff unter, und mein einziger Verbündeter ist der Kobold auf der Packung.

»Na ja«, sage ich, obwohl ich nach wie vor keinen Schimmer habe, was ich antworten soll. Tessa steht da mit den weißen Flecken auf ihren Schuhen, und sie ist nicht die Einzige, die mit Flecken zu kämpfen hat …

»Wir wollten kochen«, sage ich und danke Tessa im Geiste, dass sie die große Familienpackung Lucky Charms gekauft hat.

»Kochen?« Sie sieht Nora an, und ich kann ihre Miene nicht deuten.

Nora tritt vor. »Ja, Hühnchen und …« Sie sieht mich an. »Lucky Charms?« Sie klingt so unsicher, dass ich wetten möchte, Tessa merkt es.

»Für die Panade. Du weißt schon, so wie die Cornflakes für die Schnitzel bei der Arbeit. Ich wollte es mal mit Lucky Charms ausprobieren«, erklärt Nora.

Fast glaube ich ihr, und vor allem scheint Tessa es zu tun.

»Musst du zurück zur Arbeit?«, fragt Nora. »Dann hole ich dir mal Schuhe.« Immerhin lenkt sie Tessa ab.

»Ich bin gleich wieder da«, sage ich.

Das ist so peinlich. Warum ist alles in meinem Leben immer so verdammt peinlich? Zum Glück lügt Nora besser als ich, und ich verschwinde in dem kleinen Flur, immer noch mit dem Karton in den Händen.

»Was ist denn mit dem los?«, höre ich Tessa fragen. Ich warte Noras Antwort nicht ab.

3

Mein Zimmer ist still.

Es kommt mir klein vor.

Oder vielleicht komme ich mir auch klein vor, nachdem ich wieder einen peinlichen Moment mit Nora hatte. Diesmal war es höchstens deshalb nicht ganz so schlimm, weil es uns beiden unangenehm war.

Ich kann ihren Körper noch an mir fühlen, wie er sich zielstrebig und voller Verlangen bewegt. Ich kann ihr Stöhnen in meinem Ohr hören und ihren heißen Atem auf meiner Haut spüren.

Jetzt kommt mir mein Zimmer warm vor.

Zu warm.

Ich gehe zum Fenster. Auf meinem Schreibtisch herrscht Unordnung. Bücherstapel und ein Gewirr aus Post-its verdecken die Holzplatte. Na ja, der Schreibtisch ist von Ikea und hat keine hundert Dollar gekostet, also ist es wohl eher kein echtes Holz. Unwillkürlich tippe ich mit dem Finger auf das dunkelbraune Fastholz, und es klingt hohl. Ich wusste doch, dass es nicht echt ist.

Meine Hand zittert, als ich durch die Jalousien greife, um das Fenster zu öffnen. Das Fensterbrett ist von abgeblätterter Farbe und Staub bedeckt, in dem sogar eine tote Fliege liegt. Tessa würde sich schütteln, und ich nehme mir vor, hier nächste Woche zu putzen. Jetzt zerre ich an dem störrischen Holzrahmen, bis das Fenster endlich aufgeht.

Ich ziehe es weit nach oben und begrüße die Geräusche der Stadt in meinem Zimmer. Ich mag den Lärmpegel hier in Brooklyn. Da sind Autos und normalerweise auch Stimmen von Leuten unten auf der Straße, aber es ist nicht ganz so verrückt. Hupende Taxis sind hier deutlich seltener zu hören als in Manhattan. Dieses ganze wütende Gehupe werde ich nie verstehen. Mir ist unbegreiflich, wie die Leute auf die Idee kommen, dass Hupen in irgendeiner Weise den Verkehr flüssiger machen könnte. Dieser unverschämte Lärm bewirkt nur, dass andere erst recht sauer werden und die Stimmung auf der Straße noch mieser wird.

Wahllos umherschweifende Gedanken lenken mich von dem ab, was Nora und ich gerade getan haben. Aber jetzt denke ich natürlich doch wieder daran. Wie konnte es von diesem Zusammenspinnen einer kleinen Filmszene dahin kommen, dass sie mich auf einem Stuhl geritten hat? Ich ziehe meine Hose und die Boxershorts aus und werfe sie in den Wäschekorb.

Dann ziehe ich mir saubere Sachen über und setze mich auf die Bettkante, dicht am Fenster. Mein Handy ist zum Aufladen eingestöpselt und liegt auf dem Nachttisch. Ich greife danach.

Hardin meldet sich nach dem zweiten Klingeln.

»Jetzt ist es zu spät, mir den Besuch noch ausreden zu wollen. Ich bin am Freitag da«, ist das Erste, was er sagt.

Ich verdrehe die Augen. »Hi, mir geht’s gut. Danke.«

»Alles klar. Und womit kann ich dir helfen?«, fragt Hardin. Im Hintergrund piept die Alarmanlage eines Autos.

»Nichts. Da ist was Schräges …« Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll oder warum ich Hardin angerufen habe, um darüber zu reden.

Er lacht. »Ein bisschen mehr sollte ich schon wissen.«

Während ich ins Telefon seufze, lausche ich. Ich kann Tessas und Noras gedämpfte Stimmen aus der Küche hören.

»Okay, also du kennst doch Tessas Freundin Nora. Na ja, du hast sie als Sophia kennengelernt, aber Tessa sagt, dass sie lieber Nora genannt wird. So oder so wirst du ihren Namen wieder zu irgendwas anderem verdrehen.«

Er schweigt, und ich frage mich, ob ich zu laut war. Von dem, was die Frauen im Flur sagen, kann ich nichts verstehen, daher hoffe ich, dass sie mich noch viel weniger hören.

»Ja, gut möglich.«

»Okay, also wir hatten gerade Sex.« Ich ziehe am Band der Jalousie, um sie aufzuziehen. »Eigentlich keinen richtigen Sex, aber sehr dicht dran.«

»Und?«

Natürlich reagiert Hardin mit Und?

Ich flüstere fast. »Die Sache ist die: Nora hat mir so oft gesagt, dass wir nur befreundet sein können, und wir haben bloß geredet, wie sonst auch, und auf einmal ist sie auf meinem Schoß, und ich komme, und gleich danach kommt Tessa rein, und jetzt bin ich in meinem Zimmer und flippe total aus, weil ich nicht weiß, was ich tun oder sagen soll.«

»Wow! Tessa ist reingeplatzt? Und die Schnecke hat dich auf einem Stuhl geritten? Tja, dann ist Leugnen wohl nicht mehr drin. Warte mal, du hast sie auf einem Küchenstuhl gefickt? Oder hat sie einfach dich geritten, bis sie gekommen ist?«, fragt er cool. Sein Mundwerk ist so schmutzig wie ein öffentliches Klo.

»Ähm, das Zweite. Wir hatten keinen Sex, nicht wie der, bei dem man etwas in etwas anderes steckt …«

»Echt jetzt?« Seine Stimme klingt ruhig und amüsiert. »Hast du das gerade wirklich gesagt? Genauso gut könnte ich dich bitten, mir an einer Puppe zu zeigen, wo sie dich angefasst hat.«

»Ich weiß gar nicht, wieso ich angerufen habe«, stöhne ich, lehne mich zurück und starre meinen komisch bunten Deckenventilator an.

Hardin lenkt ein bisschen ein. »Also magst du sie? Ich meine, warum sollte es sonst ein Problem sein, mit ihr rumzumachen? Du bist Single, sie ist Single. Richtig?«

Ich muss kurz nachdenken. Bin ich Single?

Ja, Dakota und ich haben vor Monaten Schluss gemacht.

Die unangenehme Tatsache, dass sie erst gestern hier war, wird mir klar.

Mann, bin ich ein Arsch! Ich sollte Nora erzählen, dass Dakota hier war. Das wäre nur fair. Ein netter Kerl würde das tun, und ich bin ein netter Kerl.

»Wir sind beide Single. Aber Dakota war letzte Nacht hier«, sage ich.

Ich hasse es, das zuzugeben.

So ein Typ bin ich nicht.

Wirklich nicht.

»Igitt. Delilah auch? Was geht denn da eigentlich ab?«

Ich erspare mir, Dakotas Namen zu korrigieren. »Weiß ich nicht. Aber erzähl es nicht Tessa. Im Ernst, sie hat schon genug Stress, und Nora will auf keinen Fall, dass sie was mitbekommt. Das meine ich ernst. Selbst wenn Tessa nackt ist und dich bittet, ihr zu verraten, was los ist – tu lieber so, als würdest du von nichts wissen.«

»Wenn sie nackt ist, kann ich gar nichts versprechen.«

»Hallo?«

»Na gut. Na gut. Ich sage nichts. Hast du schon mit ihr über ihren Dienstplan geredet?«

Nein, weil ich so ein Riesenschisser bin.

»Noch nicht. Sie arbeitet in letzter Zeit so viel. Ach, und ich muss dich vorwarnen, aber flipp nicht aus.« Ich stocke. »Ernsthaft, das darfst du nicht. Versprich es«, sage ich leise. Ich will nicht, dass Tessa oder Nora hören, wie ich bei Hardin über sie tratsche.

»Was? Was ist los?«, fragt Hardin. Ich höre ihm an, dass er das Schlimmste vermutet.

»Versprich es«, wiederhole ich.

Er schnaubt gereizt. »Ja, klar, ich versprech’s.«

»Du erinnerst dich doch an diesen Kellnertypen von dem Wochenende am See? Als du und Tessa euch die ganze Zeit gestritten habt?«

»Wir haben uns nicht die ganze Zeit gestritten.« Jetzt klingt er beleidigt. »Aber, ja, was ist mit dem?«

»Er ist hier.«

»In eurer Wohnung?« Seine Stimme kippt fast, und vielleicht war es doch keine so gute Idee, es ihm jetzt und so zu sagen.

»Nein, in New York. Sie arbeiten zusammen.«

Er stöhnt, und ich kann mir sein Gesicht gut vorstellen. »Sind sie … du weißt schon … zusammen oder so?«

Ich schüttle den Kopf, obwohl er es nicht sehen kann. »Nein, nichts in der Richtung. Ich wollte es dir nur erzählen, weil ich glaube, es ist für dich am besten, wenn du kein großes Ding daraus machst. Du weißt schon … zeig Tessa, dass du reifer wirst und so«, sage ich.

Und weil ich nicht will, dass meine Wohnung in ihrem privaten Weltkrieg niedergebrannt wird. Andererseits hätte ich dann nicht mehr jedes Mal das Problem mit Nora und mir, wenn wir zusammen in der Küche sind …

»Reifer? Ich bin schon sehr reif. Arschloch.«

»Ja, das erkenne ich doch gleich an deinem großen Wortschatz, Arschloch«, erwidere ich.

»Hör zu, Alter. Ich bin stolz auf dich, weil du fluchst und halbwegs diese Naomi oder Sarah oder wie auch immer gefickt hast, oder wie sie eben heißt. Ihr Name wird sich sowieso nächste Woche ändern, aber ich erwarte einen Anruf«, sagt Hardin.

Ich kann nicht anders, als zu lachen.

»Danke für deine Hilfe«, sage ich.

Er schweigt sekundenlang, bis er sagt: »Wenn du wirklich darüber reden willst, kann ich dich zurückrufen.«

Das klingt so ernst und kommt so unerwartet, dass ich mich aufsetze. »Nein, schon gut. Ich muss sowieso gleich raus hier und mich dem Eiertanz stellen.«

»Hoffentlich zu Death Metal.«

»Halt die Klappe«, sage ich, aber die Leitung ist schon tot.

4

Als ich aus meinem Zimmer komme, ist Tessa schon wieder zurück zur Arbeit, und ich finde Nora allein auf der Couch vor, die Beine auf einem Berg von Sofakissen. Sie lehnt mit dem Rücken an der Armlehne der Couch und hat die Fernbedienung in der Hand.

»Ist Tessa weg?«, frage ich, als hätte ich nicht extra gewartet, bis die Wohnungstür zugefallen ist, ehe ich mich aus meinem Zimmer getraut habe.

Nora nickt. Sie drückt den Pfeil auf der Fernbedienung und scrollt durch den Programmführer. Dabei sieht sie mich nicht an. Mir fällt auf, dass auch sie eine andere Hose anhat. Hatte sie Wechselsachen mitgebracht, weil sie geahnt hat, dass sie die ihre einsauen würde? Ich hoffe es fast.

Bei der Vorstellung rast mein Herz, und ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken, bei was Tessa uns um ein Haar erwischt hätte.

»Glaubst du, sie weiß es?«, frage ich. Eigentlich wollte ich das Thema subtiler ansprechen, aber mein großes Maul hat offensichtlich andere Pläne.

Noras Daumen drückt immer wieder auf die Fernbedienung, doch jetzt sieht sie zum Durchgang zwischen Wohnzimmer und Flur, wo ich stehe.

»Hoffentlich nicht.« Sie verstummt und holt tief Luft. »Hör zu, Landon«, sagt sie in diesem Ton, der eindeutig nach Abschied klingt. Und das, obwohl wir uns kaum richtig begrüßt haben.

»Warte«, unterbreche ich sie, ehe sie sich selbst ausredet, mir eine Chance zu geben. »Ich weiß, was du sagen willst. Dein Ton und dass du mich nicht richtig ansehen willst, sind schon ziemlich deutliche Hinweise.«

Nora sieht mir in die Augen, und ich gehe weiter ins Wohnzimmer, um mich in den Sessel neben der Couch zu setzen. Nora richtet sich zum Schneidersitz auf und greift nach einem Kissen. Zufällig ist es das Kissen, das mir Kens Mutter letzten Herbst geschenkt hat. Nora legt es sich in den Schoß. »Landon«, sagt sie sanft, und ich mag es, wie sich mein Name mit ihrem Atem vermischt. »Ich will nicht …«

»Lass es«, falle ich ihr ins Wort. Es ist unhöflich, aber ich weiß ja, was sie sagen will, und ich möchte wirklich, dass das hier anders läuft. »Jetzt willst du mich wieder warnen und mir sagen, dass du nicht gut für mich bist und so. Aber nicht heute. Heute reden wir darüber, warum du das denkst, und überlegen uns, wie es weitergeht.«

Als ich fertig bin, fühle ich mich, als wäre ich high. Es geht mir gut damit, dass meine Gedanken zu Worten geworden sind, und mir ist, als wären mir gerade ein paar Brusthaare gewachsen.

Nora sieht mich ganz ruhig an. »Hier geht nichts weiter. Ich habe dir doch gesagt, dass wir nicht zusammen sein können … Wir könnten nie richtig zusammen sein. Ich will nicht noch eine Beziehung.«

Ihre Direktheit erwischt mich eiskalt. Normalerweise gibt es solche unangenehmen Dialoge in Büchern oder Filmen, wo sich der Zurückweisende dann abwendet und auf seine Fingernägeln blickt oder so.

Nora nicht. Die unverblümte Nora sieht mich nur an und macht mich ein bisschen nervös. Mein Hoch ist wieder vorbei, mein Brusthaar schrumpelt zusammen und löst sich auf, und mein Mund ist ganz trocken.

Nora sprach von noch einer Beziehung. Wie lange ist denn ihre Letzte her? Ich bin sehr sicher, dass sie es mir nicht näher erklären wird, frage sie aber trotzdem. »Wann war deine letzte Beziehung?«

Ihre Augen verengen sich, doch sie sieht nicht weg. »Das ist kompliziert.«

»Ist es das nicht immer?«

Darüber muss sie grinsen.

»Erzähl mir davon, denn ich will mehr über dich wissen«, ermuntere ich sie.

»Und ich will nicht, dass du mehr über mich weißt«, sagt sie, und ich merke, wie ernst sie es meint. Das tut irgendwie weh.

Unweigerlich runzle ich die Stirn. »Warum nicht?«

Jetzt bedeckt das Kissen ihre Brust, und ihre Finger krallen sich in die oberen Zipfel. Ich erinnere mich daran, wie Gran, Kens Mom, mir das Kissen geschenkt hat. Sie erzählte, dass sie das Gleiche für Hardin gekauft hätte, doch als Ken an dem Tag den Müll rausbrachte, entdeckte er das blau-gelbe Kissen in der Tonne. Meins habe ich behalten, und ich bin sicher, dass Hardin, wenn Ken es ihm eines Tages zurückgibt, auch bereit sein wird, es zu behalten.

Dass Nora nicht antwortet, macht mich wütend. »Warum? Verrate mir, warum du nicht willst, dass ich dich besser kenne. Du magst mich, Nora. Ich bin vielleicht nicht so erfahren wie all die anderen Typen da draußen, aber so viel erkenne ich trotzdem. Warum lässt du nicht einfach zu, dass ich dich kennenlerne?«

»Weil du mich dann nicht mehr mögen würdest. Wenn du weitergräbst, wird dir das, was du entdeckst, nicht gefallen.«

Nora steht auf und wirft das Kissen auf die Couch. Es fällt runter, aber wir machen beide keine Anstalten, es aufzuheben.

»Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass das hier nirgends hinführt«, sagt sie.

Ich bleibe im Sessel sitzen. Wenn ich aufstehe, wird sie mich ohrfeigen oder küssen, und so sehr mir auch beides momentan gefallen würde – einfach irgendeine Form von Nähe –, müssen wir jetzt mal ein echtes Gespräch führen.

»Das sagst du«, setze ich an und halte den Blickkontakt, »aber dann küssen wir uns oder … du weißt schon. Wenn du mir einfach verrätst, warum du auf Abstand zu mir bleiben willst, könnten wir das zusammen klären.«

Als sie mich nur stumm ansieht, macht mich allein mein Frust mutiger. »Das ist genau das, was ich an Leuten nicht kapiere. Ich werde nie verstehen, warum sie nicht einfach sagen können, was sie fühlen, und stattdessen Mist reden. Ich begreife das nicht. Nichts kann so übel sein. Nichts ist so schlimm, dass man es nicht klären kann. Ich bin nicht irgendein Arsch, der so tut, als würde er immer für dich da sein, und dann abhaut.«

Ich stehe auf, um ihr näher zu sein, und sie tritt einen Schritt zurück.

»Ich habe nichts vor, ich will dir nur nahe sein. Glaub mir. Oder lass es mich wenigstens versuchen«, bitte ich sie.

»Du weißt ja nicht, was du redest. Du weißt nichts von mir. Bis vor zwei Wochen ist dir kaum aufgefallen, dass es mich überhaupt gibt«, entgegnet Nora. Ihre Hände sind zu Fäusten geballt, und sie macht zwei Schritte auf mich zu.

»Kaum aufgefallen, dass es dich überhaupt gibt?«, wiederhole ich ihre absurde Behauptung.

Nora atmet schnaubend aus. »Du warst so sehr mit Dakota beschäftigt, dass nichts anderes eine Rolle gespielt hat. Ich weiß nicht, warum wir darüber reden. Wir sind befreundet, sonst nichts.«

»Aber …«

»Kein beknacktes Aber!«, zischt sie. »Ich habe es satt, dass mir Leute erzählen, was ich tun, wie ich mich verhalten oder fühlen soll. Wenn ich sage, dass wir Freunde sind, dann sind wir verdammte Freunde. Wenn ich sage, dass ich dich nie wiedersehen will, dann sehe ich dich nie wieder. Ich kann sehr gut selbst über mich entscheiden, und nur weil du dich für einen bescheuerten Therapeuten hältst, muss ich noch lange nicht mit dir reden. Nicht jeder will vor einem Fremden seine beknackte Seele auskotzen!«

»Ich bin kein Fremder. Das kannst du dir einreden, aber ich weiß, dass ich es nicht bin«, versuche ich, die Mauer zu durchbrechen, hinter der sie sich versteckt. Und ich bin kein Therapeut, bloß weil ich kein Problem damit habe zu sagen, was ich fühle.

»Ach wirklich?«, schreit Nora fast.

»Ja, wirklich!« Ich möchte ihre Wut ins Lächerliche ziehen, aber es klappt nicht. Alles war wie weggeblasen, als ich sah, wie verletzlich sie gerade wegen ihrer Wut ist. Da läuft etwas in ihr ab, das ich nicht verstehe.

»Wie oft hast du mich gesehen, bevor du hergezogen bist?«, fragt sie.

Was hat das denn mit irgendwas zu tun?

Ehe ich antworten kann, sagt sie: »Denk nach, bevor du antwortest.«

Ich hatte sie ein- oder zweimal gesehen. Ich erinnere mich, dass sie mindestens einmal bei meiner Mom zu Hause war. Ken kennt ihren Dad von irgendwoher.

Sie lacht, aber es klingt kein bisschen amüsiert. »Siehst du!« Jetzt fuchtelt sie mit den Händen herum, als wollte sie mir Luft zuschieben.

Ich blicke ihr weiter in die Augen, obwohl ich am liebsten wegsehen möchte.

»Achtmal«, fällt ihre Stimme in die Stille hinein. »Achtmal haben wir uns gesehen. Mich wundert nicht, dass du dich nicht erinnerst.«

»Kann nicht sein. Das wüsste ich noch.«

»Ach ja? Erinnerst du dich, wie wir über Hardin geredet haben? Ich hatte echt gehofft, dass du dich daran erinnerst. Ich war da, als er dich bei deinen Eltern gegen die Wand geknallt hat. Ich erinnere mich, wie er mit der Faust ausgeholt hat, dich aber nicht schlagen konnte, weil er dich so liebt. Ich erinnere mich, wie ich ein paar Tage vorher an eurem Küchentisch gesessen habe und du mit mir über das College geredet hast, und wie sehr du gehofft hast, dass Tessa an der NYU angenommen wird. Ich erinnere mich an das Blau deines Shirts und die honigbraunen Flecken in deinen Augen. Ich erinnere mich, dass du nach Sirup gerochen hast und rot geworden bist, als deine Mom sich den Finger angeleckt und damit deine Wange abgewischt hat. Ich erinnere mich an jede Kleinigkeit – und weißt du, warum?«

Ich bin stumm vor Staunen.

»Frag mich, warum!«, fordert sie.

»Warum?« Ein erbärmlicher Laut aus dem Mund eines Idioten.

»Weil ich aufgepasst habe. Ich habe immer auf alles um dich herum geachtet. Der süße und sexy, irgendwie beschränkte Junge, der in ein Mädchen verliebt war, das seine Liebe nicht erwiderte. Ich habe mir eingeprägt, wie du die Augen schließt, wenn du guten Kaffee trinkst. Und ich habe es geliebt, mit deiner Mom zu kochen und dich und deinen Dad nebenan irgendwelchen Sport im Fernsehen bejubeln zu hören. Ich dachte …« Sie stockt, blickt sich im Zimmer um und sieht wieder mich an. »Na ja, irgendwie dachte ich, du würdest auch aufpassen, aber das hast du nicht. Ich war bloß eine Ablenkung von Dakota, die übrigens eine krasse Bitch ist.«

»Sie ist keine Bitch«, sagt der Idiot in mir.

Nora reißt die Augen weit auf. »Das alles …« Sie schließt die Augen und öffnet sie langsam wieder.

»Ich sage das alles, und dir fällt nur ein, Dakota zu verteidigen? Du kennst sie nicht mal so gut, wie du glaubst. Seit sie hergezogen ist, macht sie für jeden Kerl die Beine breit, der sie auch nur anlächelt, und du bist so besessen von ihr, dass du nicht mal versuchst zu begreifen, wie furchtbar sie ist.«

Ihre Worte treffen mich tief, ich bin sprachlos. Zu viele Gedanken wirbeln mir durch den Kopf, alles, was sie in den letzten fünf Minuten gesagt hat, ist zu viel.

»Das … das würde sie nicht tun«, murmle ich.

Nora seufzt und schüttelt den Kopf. Verärgerung und Mitleid. Als sie zur Tür geht und in ihre Sneaker schlüpft, stehe ich stumm da. Sie sagt nichts, und ich finde keine Worte.

Ich stehe mitten im Wohnzimmer und sehe zu, wie sie geht. Wäre das hier ein Film, würde ich ihr nachlaufen und ihr alles erklären. Ich wäre mutig und würde die richtigen Worte finden, um ihren Schmerz und ihre Wut zu lindern.

Aber das Leben ist kein Film, und ich bin nicht mutig.

5

Fünf Tage sind vergangen, seit ich Nora gesehen oder von ihr gehört habe. Fünf Tage, und sie ist in meinem Kopf präsenter denn je. Vor allem das, was sie über Dakota gesagt hat. Es kann einfach nicht wahr sein, und dennoch läuft es in einer Endlosschleife in meinem Kopf ab. Warum sollte Nora so etwas sagen? Und so giftig?

Tessa hat zufällig erwähnt, dass sie gestern Abend die Schicht mit Nora zusammen hatte und sie sehr abgelenkt wirkte und kaum geredet hat. Sie wusste nicht, warum, fand es aber seltsam.

Abgelenkt von mir?

Unwahrscheinlich.

Mir ist klar, dass ich Nora kaum kenne. Vielleicht hat sie recht – vielleicht würde ich sie sogar weniger mögen, wenn ich sie besser kennen würde. Sie ist so schnell aggressiv geworden. Einen Moment lang überlege ich, sie künftig Sophia zu nennen. Ich kannte Sophia nicht, nicht so, wie ich Nora jetzt allmählich kenne. Und wenn ich die beiden voneinander trenne, könnte ich vielleicht zugeben, dass ich dieses Mädchen nicht kenne, und zu Sophia zurückkehren.

Dann würde ich mich aber immer noch dafür hassen, dass sie dachte, ich hätte sie wegen Dakota ignoriert. So war es nicht, jedenfalls nicht absichtlich. Ich war schon in Dakota verliebt, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, und bin gar nicht auf die Idee gekommen, mich für sie zu interessieren.

Mir war nicht klar, dass sie meine Aufmerksamkeit wollte. Für mich war sie Sophia, die ältere, schöne Köchin, die mich nicht mal mit dem Hintern anschauen wollte. Aber hier in der Stadt ist sie zu Nora geworden, der umwerfenden und rätselhaften Freundin von Tessa, die so verletzende Dinge über Dakota sagt … und es verdammt gut schafft, dass ich mich in sie verliebe.

Verlieben ist vielleicht zu krass ausgedrückt, aber sie interessiert mich, und ich fühle mich sehr zu ihr hingezogen. Aber sie will mich nicht und hat mir im Grunde gesagt, ich soll mich verziehen. Dazu kommt ihre Eröffnung, dass ich mich um meinen eigenen Kram kümmern muss. Und sie hat mir erzählt, dass Dakota mich betrogen hat, und das mehr als einmal.

Mir brummt immer noch der Schädel. Bisher konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich Dakota nach der Wahrheit fragen will oder nicht. Ein Teil von mir denkt, dass Nora einfach wütend war und hitzig irgendwas herausgeschleudert hat, von dem sie glaubte, es würde mich zutiefst verletzen. Der Teil ist allerdings nicht groß genug, um zu ignorieren, dass eine Menge Mühe und emotionale Verrenkungen nötig sind, um ihr nicht zu glauben. Vielleicht spielt sie auch nur mit meinen schlimmsten Ängsten, aber was sie sagt, fühlt sich wahr an.

Tessas Stimme lässt mich aufschrecken. »Hast du tatsächlich schon wieder Wäsche gewaschen?«

Ich lege den Handtuchstapel ab und drehe mich zu ihr um. Sie steht im Flur und trägt die grelle limonengrüne Krawatte.

»Ja, es wird Zeit, dass ich dir mehr im Haus helfe. Na ja, in der Wohnung«, korrigiere ich mich.

Während ich den Wäscheschrank öffne, lehnt sich Tessa an die Wand. Heute ist sie geschminkt, hat ihre Augen mit Eyeliner umrahmt und glänzende Lippen. Es ist eine Weile her, seit ich sie zuletzt mit Make-up gesehen habe. Sie ist schon ohne sehr schön, doch heute sieht sie sogar ein bisschen weniger traurig aus als in den letzten paar Monaten.

Hardin landet jede Minute, und ich frage mich, ob beides zusammenhängt. Ich hatte mit einer heftigeren Reaktion gerechnet, als ich es ihr erzählt habe, zombiemäßiger. Aber sie wirkt irgendwie strahlender, ihr Gang leichter.

»Du hilfst doch. Und du weißt, dass ich gern putze«, sagt Tessa.

»Klar«, stimme ich ihr halbherzig zu.

Dieser kleine Schrank im Flur ist zu so gut wie nichts zu gebrauchen. Die drei Regale sind richtig klein, und der untere Teil ist von dem Staubsauger und dem Besen komplett belegt. Ich stopfe die Handtücher hinein und hoffe, dass sie nicht wieder rausfallen, ehe ich die Tür schließen kann. Aber natürlich tun sie es, und ich hebe sie wieder auf.

»Ist es seltsam, dass ich nervös bin?«, fragt Tessa leise. »Ich sollte nicht nervös sein, oder?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, überhaupt nicht seltsam. Ich bin auch nervös.«

Obwohl es gar kein Scherz ist, lache ich und schiebe die Handtücher zurück in den Schrank. Ich passe auf, dass sie gefaltet bleiben.