Odyssee. Die berühmtesten Stellen - Homer - E-Book

Odyssee. Die berühmtesten Stellen E-Book

Homer

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Beschreibung

Zehn lange Jahre braucht Odysseus für seine Heimkehr aus Troja, und seine Irrfahrt steckt voller Abenteuer. Die Blendung des Zyklopen Polyphem, die Zauberin Kirke, die Odysseus' Gefährten in Schweine verwandelt, die Sirenen mit ihrem betörenden Gesang, und zu Hause die treue Gattin Penelope, die mit einer List die Freier hinhält, die das Haus besetzt halten: Diese Ausgabe versammelt die berühmtesten Stellen aus Homers Odyssee. Mit Vorwort und Zusammenfassungen ergibt sich ein wunderbarer Überblick über das Epos. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Seitenzahl: 144

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Homer

Odyssee

Die berühmtesten Stellen

Übersetzt von Roland Hampe
Herausgegeben von Marion Giebel

Reclam

Die Textauszüge folgen mit geringfügigen Änderungen der Ausgabe: Homer: Odyssee. Übers., Nachw. und Reg. von Roland Hampe. Stuttgart: Reclam, 1979 [u. ö.]. (Reclams Universal-Bibliothek. 280.)

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH

Coverabbildung: Odysseus und die Sirenen. Gemälde von Herbert James Draper, 1909. Kingston-upon-Hull, Ferens Art Gallery (© akg-images)

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962160-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014392-6

www.reclam.de

Inhalt

Vorwort

1. UND 2. GESANG ∙ Götterversammlung. Athene kommt zu Telemach. Volksversammlung und Abreise

3. UND 4. GESANG ∙ Telemach in Pylos und in Lakedaimon (Sparta)

5. GESANG ∙ Zweite Götterversammlung. Kalypso. Das Floß des Odysseus

6. BIS 8. GESANG ∙ Odysseus als Gast bei den Phäaken

9. GESANG ∙ Odysseus erzählt von seinen Abenteuern: Kikonen. Lotophagen. Kyklopen

10. UND 11. GESANG ∙ Odysseus erzählt weiter: Aiolos. Lästrygonen. Kirke. Das Totenreich

12. GESANG ∙ Odysseus erzählt weiter: Sirenen. Skylla und Charybdis. Die Rinder des Helios

13. GESANG ∙ Abfahrt des Odysseus von den Phäaken und Ankunft in Ithaka

14. GESANG ∙ Odysseus kommt zu Eumaios

15. UND 16. GESANG ∙ Telemachs Ankunft bei Eumaios. Telemach erkennt Odysseus

17. UND 18. GESANG ∙ Telemach, Odysseus, als Bettler verkleidet, und Eumaios kommen in den Palast. Die Freier verletzen das Gastrecht, indem sie Odysseus misshandeln. Odysseus‘ Faustkampf mit dem Bettler Iros

19. UND 20. GESANG ∙ Die Begegnung des Odysseus mit Penelope. Die Fußwaschung. Die Ereignisse vor dem Freiermord

21. UND 22. GESANG ∙ Der Bogenkampf. Der Freiermord

23. UND 24. GESANG ∙ Die Wiedererkennung des Odysseus durch Penelope. Odysseus bei seinem Vater Laertes. Kämpfe und Vertrag mit den Ithakesiern

Zehn Lektüretipps

[7]Vorwort

Im Palast von Ithaka singt Phemios von der traurigen Heimfahrt der Griechen nach der Zerstörung Trojas. Penelope bittet den Sänger, doch etwas anderes vorzutragen, denn das Herz ist ihr schon schwer genug vom Kummer um ihren Gatten Odysseus: So berühmt war er weit und breit, und so lange ist er schon fern von ihr, verschollen, sicher tot. Ihr Sohn Telemach aber erwidert ihr, der Sänger sei ja nicht schuld, die Götter hätten Leiden über die Achäer, die Griechen, verhängt. Und die Menschen hörten nun einmal den neuesten Gesang am liebsten (1,336 ff.).

Das galt sicher nicht nur für das Publikum in Ithaka, und es betraf außer dem Stoff auch die besondere Art der Darstellung. Das erklärt, warum gerade zwei Epen aus der Fülle des griechischen Mythos so beliebt, berühmt und geschätzt wurden, dass sie bis heute als unübertroffene Vorbilder für epische Dichtung gelten können: Homers Ilias und Odyssee. Sie waren ›neu‹ in jeder Hinsicht, denn hier wurden die überlieferten Geschichten nicht der Reihe nach erzählt, in chronologischer Abfolge, das Geschehen wurde vielmehr von einem bestimmten Einsatzpunkt aus vorgeführt. Und es ging nicht um einen äußeren Geschehensablauf, sondern um die [8]Gestaltung menschlicher Schicksale. Die Ilias handelt vom Trojanischen Krieg; es werden jedoch nur einige Tage aus dem neunten der zehn Kriegsjahre vorgeführt, eine Episode aus diesem Krieg: der Zorn des Achill. Indem Homer durch den Kampfboykott des übermächtigen Göttersohns sein Epos weitgehend als ein Heldenepos ohne Held gestaltet, macht er die Bühne frei für die anderen Kämpfer auf griechischer wie auf troischer Seite. Gleichzeitig bringt er in Rückblenden und Vorverweisen die gesamten Ereignisse des Krieges, vom Raub der Helena bis zur Zerstörung Trojas, in epische Situationen umgesetzt, in sein Werk ein. Und er führt einen psychologischen Prozess vor: wie sich ein Mensch durch eine Verletzung seines Selbstwertgefühls so sehr verhärten kann, dass er aus seiner Isolation nicht mehr herausfindet.

Ein ganzes Kriegsgeschehen, gespiegelt in einer Episode: Damit konnte der Dichter freilich sein Publikum nur gewinnen, wenn die Geschichte aus Sagen und früheren dichterischen Gestaltungen bekannt war. Das traf zu für den Stoff des Trojanischen Krieges, der von der mykenischen Zeit an durch die sogenannten dunklen Jahrhunderte lebendig geblieben war bis zu Homer, also um etwa 750/730 v. Chr.

So heißt in der Ilias Odysseus nicht nur polýmetis, der Kluge, und polyméchanos, der Erfindungs- und Listenreiche. Er wird auch bereits ptolíporthos, der Städtezerstörer, und polýtlas, der Vielduldende, genannt – der Dichter setzte also voraus, dass sein Publikum den weiteren Verlauf des Kampfes um Troja kannte: Erst durch die List des Odysseus mit dem ›Trojanischen Pferd‹ konnte die Stadt eingenommen werden.

Odysseus aber hatte auf der Heimfahrt viele Mühen und Leiden zu erdulden. Wenn der Dichter also einen ›neuen [9]Gesang‹ plante, der die Ereignisse nach der Ilias und die Heimkehr der Griechen zum Inhalt hatte, konnte er sich einen eigenen Einsatzpunkt wählen: Von hier aus sollte die Muse erzählen, wie Homer im Proömium sagt. Die Hörer durften gespannt sein, welchen Punkt der Dichter wählte und wie er die in ihren Grundzügen festgelegte Geschichte einbrachte und mit eigenen Akzenten versah. Odysseus’ Heimkehr wird nicht geradlinig vom Dichter erzählt, vielmehr sind Irrfahrten, Abenteuer, Gefahren und Bewährungsproben so verbunden, dass daraus das Schicksal einer äußeren und inneren Heimkehr wird.

Erzähltechnisch und gestalterisch lässt sich eine starke Bindung der Odyssee an die Ilias aufzeigen. Das gilt vor allem für das Thema des Gastrechtsfrevels, das beiden Epen zugrunde liegt und ein gewichtiges Argument für die Einheit Homers als Ilias- und Odyssee-Dichter bildet: Der Trojanische Krieg wird ausgelöst vom Raub der Helena durch den Troerprinzen Paris. Er ist zu Gast bei Menelaos in Sparta und nutzt eine Abwesenheit des Königs aus, um dessen Gattin Helena mit vielen Schätzen zu rauben und sie nach Troja zu entführen. Eine griechische Gesandtschaft fordert Helenas Rückgabe, aber vergeblich. Während des Krieges wird eine solche Übereinkunft unter Eid getroffen, doch von trojanischer Seite gebrochen. Zeus, der Schützer des Gastrechts und der Eide, beschließt daher den Untergang Trojas. In der Odyssee sind es die Freier, die das Gastrecht brechen: Sie haben sich im Haus des Odysseus eingenistet und ruinieren es; sie wollen die Königin Penelope zwingen, einen von ihnen zu heiraten und diesem die Herrschaft zu übertragen, ja sie wollen sogar ihren Sohn Telemach ermorden. Als Odysseus als Bettler verkleidet in sein Haus zurückkommt, wird er [10]geschmäht und misshandelt. Er übt schließlich Rache an den Freiern, die göttliches und menschliches Recht missachtet haben.

Anders als bei der Ilias war der Stoff der Odyssee ursprünglich nicht heroisch; der Held gehörte in den Kontext alter Seefahrer-, Abenteurer- und Heimkehrererzählungen. Doch seit der Trojamythos seine feste Form erhalten hatte, war Odysseus zum epischen Helden aufgestiegen. Der Dichter zeigt in der Odyssee durch seinen durchgehend engen Bezug zur Ilias an, dass er keine Figur in märchenhaft-novellistischem Umfeld darstellen will, sondern Odysseus als den Trojahelden, der auch bei seiner Heimkehr Bewährungsproben seiner areté, seiner Vortrefflichkeit, ablegt. Damit entspricht der homerische Dichter den Erwartungen seines Publikums. Sowohl an den Adelshöfen als auch bei den Festversammlungen an Götterfesten wollte man ein heroisches Epos hören, das die Erinnerung an eine ruhmvolle Vergangenheit wachhielt.

 

Verwendet wurde die Übertragung Roland Hampes in deutsche Hexameter – bei Eigennamen liegt die Betonung auf der dementsprechend erforderlichen Silbe, meist (wie es sich über das Lateinische eingebürgert hat) auf der vorletzten oder, wenn diese kurz ist, auf der drittletzten.

[11]1. UND 2. GESANG ∙ Götterversammlung. Athene kommt zu Telemach. Volksversammlung und Abreise

1,1–19

Nenne mir, Muse, den Mann, den vielgewandten, der vielfach

wurde verschlagen, seit Trojas heilige Burg er zerstörte.

Vieler Menschen Siedlungen sah er und lernte ihr Wesen

kennen und litt auf dem Meer viel Schmerzen in seinem Gemüte,

um sein Leben bemüht und die Heimkehr seiner Gefährten.

Aber auch so hielt er sie nicht ab, wie sehr er es wünschte;

denn sie gingen durch eigene Freveltaten zugrunde,

Toren, die des Hyperionsohnes, des Helios, Rinder

aßen; der aber nahm ihnen weg den Tag ihrer Heimkehr.

Davon, Göttin, Tochter des Zeus, berichte auch uns nun.

All die andern, soweit sie dem jähen Verderben entkamen,

waren bereits zu Hause, entronnen dem Krieg und dem Meere;

ihn nur, der sich nach Heimkehr sehnte und seiner Gemahlin,

hielt allein zurück die hehre Nymphe Kalypso

in der gewölbten Grotte im Wunsche, er werde ihr Gatte.

Aber als nun das Jahr im Laufe der kreisenden Jahre

[12]kam, an dem ihm die Götter bestimmt, nach Hause zu kehren,

heim nach Ithaka, ward er auch dort nicht frei von den Mühen,

Selbst bei den Seinen nicht. […]

Die Odyssee ist ein Heimkehrergedicht, eines der Nóstoi, der Epen von glücklicher und unglücklicher Heimkehr der Trojahelden. So wird gleich zu Anfang durch Zeus an das Schicksal des Griechenführers Agamemnon erinnert, des Atriden, der bei seiner Heimkehr von seiner Gattin Klytaimnestra und ihrem Liebhaber Aigisth schmählich ermordet wurde (das Atridenmotiv). Der Einsatzpunkt der Odyssee liegt aber mehrere Jahre nach der Abfahrt von Troja. Odysseus ist, trotz seiner dort bewiesenen Tapferkeit und Klugheit, nun völlig handlungsunfähig. Es ist Sache der Götter, ihn Schritt für Schritt wieder in ein aktives Leben zurückzuführen.

1,19–95

[…] Die Götter erbarmten sich alle

außer Poseidon, welcher dem göttergleichen Odysseus

ohne Unterlass zürnte, bis er in sein Vaterland heimkam.

Der aber war nun fort zu den fernen Aithiopen gegangen –

zu den Aithiopen, den Menschen am äußersten Rand, die geteilt sind

zwiefach nach der auf- und der untergehenden Sonne –,

um zu empfangen ein Opfer von hundert Stieren und Widdern.

Dort nun saß er und erfreute am Mahl sich; aber die andern

waren alle in Zeus’, des Olympiers, Halle versammelt.

Unter ihnen begann der Vater der Menschen und Götter;

denn er gedachte des einstmals tadellosen Aigisthos,

[13]den Agamemnons Sohn, der berühmte Orestes, getötet.

Dessen gedachte er nun und sprach zu den Göttern die Worte:

»Ach, wie sehr nur schieben die Menschen den Göttern die Schuld zu,

sagen, von uns her kämen die Übel, aber sie selber

schaffen sich – über das Los – noch Leiden durch eigene Frevel.

So auch nahm jetzt Aigisthos – über das Los – die Gemahlin

des Atriden zur Frau und tötete ihn bei der Heimkehr;

er wusste sein jähes Verderben; wir hatten zuvor ja den Hermes,

ihn zu warnen, gesandt, den spähenden Töter des Argos,

weder jenen zu töten noch auch zu umwerben die Gattin.

Denn von Orest, dem Atriden, werde die Rache erwachsen,

wenn er als Jüngling einst sich sehne nach eigener Erde.

So sprach Hermes in guter Gesinnung, stimmte jedoch den

Sinn des Aigisth nicht um; der büßte nun alles auf einmal.«

Ihm erwidert’ die Göttin mit strahlenden Augen, Athene:

»O du Vater von uns, Kronide, höchster der Herrscher,

nur zu Recht liegt jener im Elend, das er verdient hat.

Auch ein andrer, der solches verübte, gehe zugrunde.

Mir zerreißt es jedoch das Herz um Odysseus, den klugen,

unglückseligen, welcher nun lang schon fern von den Seinen

leidet auf rings umflossener Insel, dem Nabel des Meeres;

baumreich ist die Insel; da wohnt in Gemächern die Göttin,

Atlas’ Tochter, des Schaden ersinnenden, welcher des Meeres

sämtliche Tiefen kennt; er hält die Säulen, die hohen,

welche die Erde und auch den Himmel beiderseits halten.

Dessen Tochter behält den Armen, Jammernden bei sich,

immer ihn wieder betörend mit weichen, schmeichelnden Worten,

[14]dass er Ithaka ganz vergesse; aber Odysseus

möchte den Rauch noch sehn, wie er von der heimischen Erde

aufsteigt, und dann möchte er sterben; rührt denn das wirklich

nicht dein eigenes Herz, Olympier? Hat dich Odysseus

Bei der Argeier Schiffen im weiten Gefilde von Troja

nicht mit Opfern erfreut? Was zürnst du ihm denn so sehr, Zeus?«

Ihr erwiderte Zeus, der Wolkenversammler, und sagte:

»Welch ein Wort, mein Kind, entfloh dem Zaun deiner Zähne;

könnte ich je vergessen den göttergleichen Odysseus?

Sterblichen ist an Verstand er voraus, und er brachte vor allen

Opfer den Göttern dar, die den weiten Himmel bewohnen.

Aber Poseidon, der Erdenerschütterer, zürnt ihm noch immer

zäh des Kyklopen wegen, den er des Auges beraubte,

nämlich den göttlichen Spross Polyphem, der die stärkste Gewalt hat

unter allen Kyklopen; die Nymphe Thóosa gebar ihn,

Phorkys’ Tochter, des Wächters über das wogende Salzmeer,

die mit Poseidon sich in gewölbter Grotte vereinte.

Daher bringt den Odysseus der Erdenerschüttrer Poseidon

zwar nicht um, sondern treibt ihn in Irrfahrt fort von der Heimat.

Aber wohlan, so lasst uns alle die Heimkehr bedenken,

dass er nach Hause komme; Poseidon wird seinen Zorn dann

Fahren lassen; denn wider all die Unsterblichen wird er

nicht als Einziger – gegen die Götter – zu streiten vermögen.«

Ihm erwidert’ die Göttin mit strahlenden Augen, Athene:

»O du Vater von uns, Kronide, höchster der Herrscher,

wenn dies wirklich jetzt den seligen Göttern genehm ist,

[15]dass nun kehre nach Haus der erfindungsreiche Odysseus,

lasst uns Hermes dann, den Geleiter, den Töter des Argos,

hin zur Insel Ogygia senden, dass er aufs Schnellste

sage der lockigen Nymphe den unverbrüchlichen Ratschluss

von des Dulders Odysseus Heimkehr, dass er nach Haus kommt.

Doch ich werde nach Ithaka hingehn, dass ich dem Sohne

Ansporn gebe und mutigen Drang in die Sinne ihm lege,

dass er zum Marktplatz ruft die Achaier im Schmucke des Haupthaars,

aufzukündigen allen den Freiern; die immer ihm schlachten

die sich drängenden Schafe und einwärts tretenden Rinder;

werde nach Sparta ihn und ins sandige Pylos entsenden,

ob er vielleicht von des Vaters Heimkehr etwas erfahre

und damit edler Ruhm ihn unter den Menschen erhebe.«

In der Götterversammlung werden die wichtigsten Motive angeschlagen: der Zorn des Poseidon als Handlungsträger (man denkt an den Zorn Achills in der Ilias), das Atridenexempel – Aigisth ermordete Agamemnon, obwohl die Götter ihn ausdrücklich warnten – als Vorverweis auf die Freier in Ithaka. Athene setzt die Handlung in Bewegung. Sie steht in der Ilias auf der Seite der Griechen, stärkt als Helfergottheit Diomedes und Achill bei ihren kämpferischen Bewährungsproben, den Aristien (von gr. áristos, »der Beste«). Sie steht aber auch neben Odysseus, als dieser eine Aristie der Klugheit vollbringt: Er hält die kampfesmüden Griechen durch eine geschickte Rede davon ab, zu den Schiffen zu eilen (Ilias 2,278 ff.), und motiviert sie erneut. Athene und Odysseus vereint bei einer entscheidenden Handlung – einem Einsatz nicht der Waffen, sondern der Klugheit: Man vermag sich vorzustellen, dass diese Szene in der Ilias gewissermaßen die Keimzelle für das [16]Schutzverhältnis Athenes zu Odysseus in der Odyssee darstellte. Durch besondere mêtis, »Klugheit«, zeichnen sich der Held wie die Göttin aus, die ja die Tochter der Metis ist. Im 23. Gesang der Ilias, dem einzigen, der außerhalb des kriegerischen Bereichs spielt, wird in einer Rede Nestors vor dem Wagenrennen mêtis als Besonnenheit und Überlegung geradezu als die Kardinaltugend erklärt, mit der man sich in allen Lebenslagen behaupten könne (23,305 ff.). Und der Trojanische Krieg wird schließlich durch kluge List entschieden, von Odysseus mithilfe Athenes. Wie diese in der Ilias ihren Beistand vom Vater auf den Sohn überträgt – sie stand schon Tydeus bei, dem Vater des Diomedes –, so wird sie sich auch hier des Sohnes annehmen.

Aus der Ilias werden auch die Bauelemente übernommen, mit denen die Handlung in Gang gesetzt wird. Im 24. Gesang werden auf Beschluss der Götterversammlung zur Auslösung der Leiche Hektors zwei Götter mit Botschaften entsandt: Thetis soll zu ihrem Sohn Achill gehen, der Götterbote Hermes aber wird zu Priamos gesandt. Auch in der Odyssee wird eine Doppelhandlung in Gang gesetzt: Hermes soll der Nymphe Kalypso den Beschluss der Götter verkünden, dass Odysseus heimkehren darf. Athene aber will selbst nach Ithaka zu Telemach gehen. Dieser Handlungsstrang wird zuerst ausgeführt:

1,102–135

Und sie stürmte herab von den Häuptern des hohen Olympos,

hielt im Ithakerland am Eingangstor des Odysseus

auf der Schwelle des Hofs, in der Hand die eherne Lanze,

ganz dem Gastfreund gleich, dem Fürsten der Taphier, Mentes.

Da aber fand sie die Freier, die übermütigen Männer,

[17]vor den Türen des Hauses sitzend auf Häuten von Rindern,

die sie selber geschlachtet; sie waren mit Freude beim Brettspiel.

Herolde warteten ihnen auf und hurtige Diener,

mischten in Mischgefäßen ihnen den Wein und das Wasser;

andere wuschen die Tische mit vieldurchlöcherten Schwämmen

sauber und stellten sie hin und teilten in Fülle das Fleisch aus.

Aber Telemachos, göttlichen Anblicks, sah sie als Erster;

unter den Freiern saß er, im lieben Herzen bekümmert,

sah im Geiste den edlen Vater, ob er wohl käme

irgendwoher und die Freier aus seinen Gemächern vertreibe

und seines Amtes waltend in seinen Besitzungen herrsche.

Solches sann er inmitten der Freier; da sah er Athene;

gradwegs ging er zur Eingangstür; denn es machte ihm Unmut,

dass man den Gast so lang an der Tür ließ stehn, und er gab ihm,

nah zu ihm tretend, die Rechte und nahm ihm die eherne Lanze.

Und er sagte zu ihm und sprach die gefiederten Worte:

»Sei mir gegrüßt, o Gast, und sei uns willkommen; doch später,

wenn du am Mahl dich gestärkt, dann sage uns, was dich hierherführt.«

Sprach es und schritt ihr voran, ihm folgte Pallas Athene.

Aber als sie sich drinnen im hohen Hause befanden,

trug er die Lanze und stellte sie hin an die ragende Säule

in den geglätteten Halter für Speere, dort, wo noch viele

andere Lanzen standen des mutigen Dulders Odysseus;

und er führte zum Thron sie und breitete Decken darüber;

[18]der war kunstvoll und schön; für die Füße war drunter ein Schemel;

setzte sich selbst einen künstlich verzierten Sessel daneben

fern von den Freiern, dass nicht, vom Lärme belästigt, der Gastfreund

Freude verliere am Mahl in der Nähe so dreister Gesellen

und um ihn nach dem Vater, dem fortgegangnen, zu fragen.