Opus Corvorum 2 - Max Kassa - E-Book

Opus Corvorum 2 E-Book

Max Kassa

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Beschreibung

Weil Vögel keine Säuger sind, hat man sie lange unterschätzt. Vor allem Rabenvögel sind der Beleg dafür, dass Hirngröße nicht alles sein kann, wenn es um kognitive Fähigkeiten geht. Selbstgefällig, überheblich, eitel, aber auch gebildet, berichtet Ludwig, die Rabenkrähe, von seinem zweiten Lebensjahr in der bürgerlichen Welt der Familie seines Meisters Wilhelm und dessen Nachbarschaf. Ludwig, keineswegs ein Genie wie er glaubt, meint, seine eigenen Studien sowie die Unterrichtung durch seinen Mentor hätten ihn in die Lage versetzt, mit den Menschen mindestens auf Augenhöhe über Politik, Wissenschaften und Banalitäten zu diskutieren. Dabei spielt sich der liebenswerte Held oftmals als besserwisserischer und vor Arroganz triefender Schlaumeier auf. Großmütig gestattet Ludwig seiner Freundin Elise, ihn zu heiraten. Er wird treusorgender Vater dreier wohlgeratener Raben. Ludwig sinniert über Löcher, die keine sind, lästert über unordentliche Nachbarn und startet eine Karriere als Aufklärungsdrohne. Krähen Intelligenz statt Künstlicher Intelligenz! Er nimmt Parallelen zwischen geistig wehrlosen menschlichen Politikern und lästigen Mitvögeln ebenso aufs Korn wie den menschlichen Hochmut, ballernde Hobbyjäger, Wolfshasser oder auch die gefährliche Frauenbewegung mit Stöcken. Nebenbei erfindet er das Neymar-Syndrom, schwärmt von einer Fahrradtour durch die heimatlichen Wiesen, berichtet von Zusammenkünften alter Kameraden inklusive Seelenwanderung und Bier. Er bewundert Wilhelms Fähigkeit, mit kleinstmöglichem Aufwand ein Maximum zu erreichen. Ob Vogelflug, theoretisch und praktisch, ob soziale Kompetenz oder Nahrungser-werb, Ludwig kennt und kann alles.

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Zu diesem Buch

Ludwig - Gefiederte Intelligenzbestie

Weil Vögel keine Säuger sind, hat man sie lange unterschätzt. Vor allem Rabenvögel sind der Beleg dafür, dass Hirngröße nicht alles sein kann, wenn es um kognitive Fähigkeiten geht.

Selbstgefällig, überheblich, eitel, aber auch gebildet, berichtet Ludwig, die Rabenkrähe, von seinem zweiten Lebensjahr in der bürgerlichen Welt der Familie seines Meisters Wilhelm und dessen Nachbarschaf. Dabei werden viele Fakten über Raben und ihre Verwandtschaft vermittelt. Eine Möglichkeit, die scheinbar so vertrauten und nervigen Krähen auf neue Art und Weise kennenzulernen.

Titelbild

Ich bedanke mich bei dem Künstler Heinrich Schott für die Nutzung seiner wunderbaren Rabenzeichnung: Die Hand denkt

http://www.heinrich-schott.de

Vorwort

Meine humanistische Haltung und der tiefe Respekt vor meiner Einzigartigkeit, meiner Würde und meines inneren Reichtums brachte mich zu der Überzeugung, dass es angemessen sei, demütig und mit der mir eigenen Bescheidenheit über mich, den einmaligen Raben zu berichten.

Ich stelle mich vor.

Es gibt eigenartigerweise immer noch Menschen, die mich noch nicht kennen und die nicht im Entferntesten ahnen, was ihnen damit entgeht. Ich heiße Ludwig und ich bin eine Rabenkrähe, ziehe aber vor, Rabe genannt zu werden. Wir Raben sind Singvögel und wir krähen nicht.

Ich bin ein erfolgreicher Vogel, weil ich nicht normal bin. Ich lasse mich nicht beschränken, indem ich das tue, was alle anderen tun. Ich bin außergewöhnlich. Ich treffe kluge Entscheidungen, weil ich über mein Handeln nachdenke und die Konsequenzen einschätzen kann. Ich bin selbstkritisch. Mir ist bewusst, dass es grundsätzlich immer zwei Meinungen gibt: Meine und die falsche. Ich schätze Menschen und Raben, die frisch und offen ihre Meinung sagen - vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie ich.

Ich bin etwas Besonderes. Einzigartig und interessant.

Man sagt, ich sei intelligent. Ich teile diese Meinung.

Aber auch andere Raben sind einfach tolle Tiere. Vor ewigen Zeiten haben Menschen und Götter das wohl erkannt und sind diesen Tieren mit Achtung begegnet. Eine solche Achtung sollte nicht nur jenen Tieren zugesprochen werden, die der Mensch für intelligent hält, sondern allen Lebewesen!

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Als ich ein Knäblein war jung und zart …

Eisangeln oder Wann ist ein Loch ein Loch

Neymar-Syndrom

Frühling

Heiratsantrag

Chantal und Kevin, Schall und Rauch?

Packhaus oder Biedermann und die Brandstifter

Lebenselixier oder Folterinstrument

Intelligenz – bis zum bitteren Ende?

Ilse oder Die Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel … Konfuzius

Ei, Ei oder Der Nachwuchs wirft sich in Schale

Corvicopter oder Aufklärung tut not

Neue Seilschaften oder Die Preise fliegen über den Markt.

Absturz

Geburt

Geburtstag

Der Hobbit oder Probier’s mal mit Gemütlichkeit.

Cognito, ergo sum oder „Das sehe ich anders.“

Gefiederpflege

Die Enten bleiben draußen.

Alte Kameraden

Verkannte Genies

Wer bin ich - und wenn ja, seit wann?

Inspektion

Anton

Urlaub

Der König ist tot, es lebe die Königin!

Kleptoparasiten oder eine diebische Bande.

Annabella legt ein Ei!

Es grünt so grün!

Ostern

Vogelflug

Soziale Macht

Müßiggang und Fürsorge

Märchenhafte Vögel

Black is beautiful

Cindy und Bert

Verwandtschaft

Erziehung und Kinderstube

Radtour

Nordic Walking

Spieglein, Spieglein

Flugschau

Bacardi

Möwen

Melchers Hütte

Wie uns der Schnabel gewachsen ist

Es braust der Sturm, es heult der Wind

Alles in Ordnung

Die unendliche Geschichte

Stolz und Ego

Speis und Trank

Schweinereien

Nussknacker

Vergeben, nicht vergessen

Empathie

Gar lustig ist die Jägerei

Laienspieltheater

Multispezies und Mensch-Natur-Verhältnis

Meister Isegrim, die böse Bestie?

Rotkäppchen, Zeitungsenten und andere Zweibeiner

Abschied

Protagonisten

Als ich ein Knäblein war jung und zart …

Über meine Knabenzeit, in der mein Genius von Wilhelm entdeckt wurde und der Geist des strebenden Jünglings mit Ausbildung und Erziehung gefüttert wurde, habe ich bereits ausführlich berichtet. Selbstverständlich behielt ich mir vor, mich nicht nur auf meinen Meister zu verlassen, sondern meine vortreffliche Erziehung zu einem wertvollen Mitglied der Rabengemeinschaft auch selbst in die Hand zu nehmen. Menschen und Rabenartige haben zwar eine lange, gemeinsame Kulturgeschichte, aber trotz der verblüffenden Ähnlichkeiten sind wir doch eine eigene Spezies mit unserem eigenen Kopf.

Es gibt Stimmen, die der Meinung sind, Begabung oder Genie seien nicht angeboren, sondern sei durch systematische Förderung und Training zu erzielen. Ich meine, beides stimmt.

Eisangeln oder Wann ist ein Loch ein Loch

Mitte Januar war es bitterkalt bei uns in Worpswede und ich war froh, hier in meiner „Villa Meisenschreck “mit Elise relativ geschützt vor Eis, Schnee und Hagel zu leben. Meine Kumpel in den Bäumen taten mir zwar leid, aber jeder ist sich selbst der Nächste.

Herrlich klare Winterluft, der knirschende Schnee unter meinen Füßen – wir Raben tragen keine Socken – und die Ruhe im Garten von Wilhelm und Luise bereiteten mir viel Freude. Nur so ein paar vorwitzige Kohlmeisen tollten lauthals zeternd durch den Bambus. Ich beschloss, weil Hektik, Lärm und Stress bei Wilhelm ebenso verpönt war wie bei mir, mich zu entschleunigen.

Ich fliege zur Hamme. „Willst du etwa mit?“ Die Antwort fiel erwartungsgemäß negativ, also für mich positiv aus. Ich wollte mir Ruhe gönnen ohne ein plapperndes Weib neben mir, sagte aber scheinheilig „Ach, schade!“

Kunstvoll segelte ich, hin und wieder mit kräftigen Flügelschlägen beschleunigend, Richtung Dorf. Wie der Geier schwebt über der Wüste und sich umschaut nach Beute, so kreiste ich über dem Restaurant „Worpsweder Bahnhof“ und prüfte, ob irgendwo Leckereien abzustauben waren, aber wegen der Kälte saßen die verweichlichten Gäste einer Gesellschaft alle im gemütlichen Lokal.

Es war bereits später Vormittag und die Sonne ließ den Schnee von den Birkenzweigen tropfen. Auf dem Weg zum Fluss sah ich auf den überschwemmten und vereisten Wiesen einige Jungs mit einfachen Schlägern Eishockey spielen. Bei mir läuteten die Alarmglocken, mein Puls raste und meine Flügel rauschten als ich mich in schwindelerregende Höhen schraubte, denn eine Kollision mit einem Puck wollte ich unbedingt vermeiden.

Unbeschadet näherte ich mich dem Moorflüsschen. In den hohen Eichen johlten die Rabenkrähen und auch einige Nebelkrähen, die sich hier als Wintergäste von Regionen östlich der Elbe aufhielten. Einige von ihnen kannte ich und grüßte freundlich. Sie erwiderten höflich den Gruß und wünschten mir einen schönen Tag. Ich gab vor, es eilig zu haben, denn ich hatte keine Lust, in oberflächliche Gespräche verwickelt zu werden. Dynamisch startete ich durch und außer Sichtweite der Gesellen fiel ich in einen gemächlichen Schonflug.

Da, da saß er! Am Ufer, in dem Dreieck zwischen der Hamme und Beek, sah ich ihn. Der kleine Klein Hannes, genannt Bacardi, saß im Baum und spähte angestrengt auf die Mitte des Flusses. Er tippelte nervös auf dem Ast hin und her und machte Bewegungen als wolle er ein Ei legen. Bacardi war klein, er hatte höchstens die Größe einer Dohle. Er beobachtete einen alten, in dicker Winterkleidung gehüllten Mann, der sich gerade mit eiernden Schritten wie ein hüftkranker Pinguin vom Eis entfernte.

Die besten Beobachter sind jene, die während des Vorgangs der Beobachtung von niemandem dabei beobachtet werden, deren Beobachtung sie nur ablenken würde. Bacardi war nun mal kein klarer Beobachter. Ihm mangelte es nicht an dem namensgebenden Getränk, wohl aber an klarer Sicht und eines scharfen Blicks.

Neymar-Syndrom

Ich räusperte mich zwei bis dreimal, um auf mich aufmerksam zu machen. Bacardi zuckte zusammen und beeilte sich auffällig unauffällig in eine andere Richtung zu schauen. Dabei bewegte er sich von seinem ursprünglichen Standort fort. Natürlich durchschaute ich ihn, schließlich ist das „Verleiten“ eine alte Rabentechnik, die allerdings auch von vielen bodenbrütenden Vögeln wie zum Beispiel Kiebitzen angewendet wird.

Sobald die Elternvögel einen potentiellen Nesträuber, zum Beispiel einen Fuchs, wahrnehmen, beginnen sie mit einem beeindruckenden Schauspiel. Sie mimen theatralisch eine halbtote, leicht zu greifende Beute. Auffallen um jeden Preis.

Mit hängenden Federn und lauten Rufen locken sie den Feind weg vom Nest, um dann plötzlich mit wieder erlangter Flugfähigkeit zu entkommen.

Bei diesem Schauspiel glaubte ich eine Parallele zum Verhalten einiger Fußballspieler zu erkennen. Sie gehen bei einem Foul theatralisch zu Boden und stehen nach dem gewünschten Pfiff des Schiedsrichters wieder auf als ob nichts gewesen wäre. Ich werde Wilhelm bitten, der „Deutschen Ornithologen-Gesellschaft“ vorzuschlagen, den schwammigen Begriff „Verleiten“ durch einen präzisen und passenden Fachbegriff zu ersetzen: „Neymar Syndrom“.

„Moin Bacardi, was treibst du denn hier?“

„Du, du, äh, du, ich wollte mal frische Luft schnappen, und du?“ „Ach, ich dachte, ich hätte neulich im Eis ein Loch gesehen“, log ich. „Du, dddu, das kann nicht sein, es gibt keine Löcher, jedenfalls nicht hier.“ Ich spürte seine Erregung und die Angst vor der Preisgabe seiner Entdeckung.

„Du hast recht“, sagte ich. „Eigentlich gibt es keine Löcher. Löcher sind ein Nichts mit Materie drumherum. Die Materie kann aus Erde bestehen oder aus Holz oder auch aus Eis.“ Bei dem Wort „Eis“ zuckte der Kleine wieder verdächtig.

„Es gibt viele verschiedene Löcher, die eigentlich keine Löcher sind, da es sie nicht gibt. Man spricht von Haushaltslöchern, die oft in kleinen Haushalten vorkommen oder auch sehr oft beim Staat. Im Gegensatz zum Staatshaushalt verfügt der kleine private Haushalt jedoch nicht über diverse Sondervermögen. Ferner gibt es Gucklöcher, Schlaglöcher, Luftlöcher, Nasenlöcher, Armleuchter, Ozonlöcher, Schwarze Löcher, glückliche Rodler oder

Wurmlöcher.“ „Wurmlöcher?!“

„Ja, Wurmlöcher. Aber das sind theoretische Gebilde, die von Albert Einstein und Nathan Rosen beschrieben wurden. Ich weiß, die Namen sagen dir nichts. Natürlich kann man Wurmlöcher nicht sehen, aber…“

„Aber, aber, du, ddu“, er unterbrach mich. Dem kleinen Gehirnakrobaten entgleisten die Gesichtszüge, seine Augen sahen aus wie Teleskope. In seinem inneren tobte der Kampf, eine Entscheidung zwischen zwei gleichwertigen Optionen zu treffen. Er befand sich in einem Dilemma. Einerseits wollte er seine Entdeckung nicht preisgeben, andererseits wollte er beweisen, dass er sehr wohl ein Wurmloch gefunden hatte. „Gut, komm mit, ich zeige dir was.“

Es war mir klar, dass er nicht widerstehen konnte. Wir flogen zum Eisloch. Es war kreisrund und offensichtlich fachmännisch ausgesägt. Bacardi war aufgeregt und begann sofort mit der Angelei. Dabei stellte er sich erstaunlich geschickt an. Er zog mit dem Schnabel ein Stückchen Schnur hoch und hielt diese mit dem linken Fuß fest. Diese Technik wiederholte er dreimal und schon kam der Haken mit einem Regenwurm zum Vorschein.

„Nicht schlecht, das hätte ich dir überhaupt nicht zugetraut“, sagte ich anerkennend. „Siehste, ein Wurmloch. Ich habe bewiesen, dass Einstein oder wie der Typ heißt recht hat.“ Er wollte den zappelnden Wurm gerade verspeisen, aber ich hielt ihn zurück. „Häng ihn noch einmal rein und wenn die Schnur zuckt, ziehst du sie schnell heraus.“ Wir mussten nicht lange warten. Die Schnur bewegte sich und Bacardi reagierte sofort. Er grinste glückselig, denn am Haken hing ein kleiner Kaulbarsch, den er sofort verspeiste. „Sieh an, das nennt man Nahrungskette.

Fisch frisst Wurm, Krähe frisst Fisch und Fuchs frisst Krähe.“

Fuchs?!

„Los Abflug!“ Tatsächlich schnürte ein Rotfuchs, den ich aus den Augenwinkeln gesehen hatte, am Ufer und überlegte, ob ihn das Eis halten würde. Egal, wir waren in Sicherheit. Bacardi verabschiedete sich.

„Tschüss, Fisch will schwimmen und ich weiß, wo ich etwas finde, reicht aber nur für mich.“ Es war mir sehr recht, allein nach Hause zu fliegen. Mittlerweile war es früher Nachmittag geworden und ich begann zu frieren. Mein Magen meldete sich ebenfalls.

Bei uns im Esszimmer, eigentlich das Zimmer von Wilhelm und Luise, saßen die beiden zusammen mit Sohn Julius und dessen Freundin. Ich klopfte höflich und bat um Einlass. Wilhelm war bester Laune, hatte er doch wieder einmal seine Gegner beim Kartenspiel vernichtend geschlagen, wie er sagte.

Ich berichtete kurz von meinem Abenteuer und schloss mit der Feststellung, dass Angeln durstig mache. Wilhelm reagierte prompt und kredenzte mir eine Schale mit alkoholfreiem Weizenbier.

„Aber sage mal, Wilhelm, wusstest du, dass es so viele verschiedene Löcher gibt, wo es sie eigentlich überhaupt nicht gibt?“

„Lieber Ludwig, das sieht jeder anders. Wenn ich unsere Freunde aus der Nachbarschaft fragen würde, gebe es sicher diverse Antworten. Anton und Erika würden kleine Löcher in der Wäsche als Risse bezeichnen. Erika würde dem Kunden der Reinigung erklären, diese seien schon vor der Waschbehandlung vorhanden gewesen. Der Mathematiker Gerhard, wir nennen ihn „Graf Zahl“, würde einen Vortrag über Gravitationsfelder und schwarze Löcher halten und für unseren Holzwurm Bernhard wäre nur ein Bohrloch in einem Holzbrett ein anständiges Loch. Für Ilse wäre es kein Loch, sondern eine gefährliche Stolperfalle, hervorgerufen durch Wühlmäuse.“ „Und was ist mit Heino und Sabine?“

„Sabine würde an Hohlräume im Schweizer Emmentaler denken und Heino frage ich lieber nicht.

Übrigens, die Löcher zum Eisangeln nennt man Wuhnen.“

Frühling

Es ist wintergrau und kalt und obwohl noch Schnee liegt, lassen bereits Blau- und Kohlmeisen in den frühen Morgenstunden ihren Gesang erklingen. Es sind die Männchen, die mit ihrem schrägen Geträller und ihrem guten Aussehen die Weibchen anlocken

wollen. Bei Vögeln herrscht Damenwahl.

Die absolute Gewissheit meiner Einzigartigkeit und meine geradezu himmlische Anziehungskraft auf die Damenwelt beruhigte mich. Werbung hatte ich nicht nötig. Meine Partnerin Elise war mir treu, und auch ich blieb ihr zum Verdruss der anderen Krähendamen gewogen. Wo bei den länger werdenden Tagen die Hormone bei anderen einen Rausch der Gefühle auslösten, blieb ich gelassen und abgeklärt.

Natürlich nahm auch bei mir die Melatonin-Konzentration im Blut ab und meine biologische Uhr signalisierte mir den beginnenden Frühling. Ich ließ mich als gebildeter Rabe selbstverständlich nicht wie ein verliebter Gockel zu Balzritualen, Tänzen und peinlichem Imponiergehabe herab.

Allerdings ermunterte mich eine innere Unruhe, die ich auch bei Elise bemerkte, zu einem Inspektionsflug in der Umgebung. In den Häusern der Nachbarn herrschte Ruhe und in den aufgeräumten Gärten wuchs noch kein Unkraut, auf das sich die Hausfrauen stürzen konnten. Auf dem einzigen Grundstück, auf dem sich Unkraut nach Belieben ausbreiten konnte, herrschte ebenfalls Ruhe, da die dazugehörige Hausfrau sich lieber „Mein schöner Garten“ und ähnlichen Blödsinn im TV ansah.

Das Anwesen von Schlachter Heino inspizierte ich besonders gründlich, aber auch dort herrschte Ordnung. Von Elsternfallen jedenfalls war keine Spur zu sehen. Ich konnte mich noch gut an meine Tölpelhaftigkeit erinnern, als ich im letzten Jahr quasi in die Falle getappt war, aus der mich Wilhelm gerettet hatte.

Abgesehen davon konnte ich tatsächlich rege Betriebsamkeit erkennen. Die Meisen waren erfreulich aktiv. Sie bezogen die Nistkästen in der Umgebung und bereiteten sich auf den Nachwuchs vor, den ich so sehr liebte. Meine Wölfe entdeckte ich nicht, wohl aber ein verliebtes Fuchspaar, welches sich nicht mehr aus den Augen ließ. Am Rande meines Heimatareals, eigentlich das Grundstück von Luise und Wilhelm, bemerkte ich, wie ein dickes Krötenweib mit einem Männchen Huckepack zu unserem Gartenteich unterwegs war.

Übrigens eine Transportmethode, die mir gefiel.

Ich beschloss, Elisa ein großzügiges Angebot zu unterbreiten, welche sie nicht ablehnen konnte. Ich wollte ihr gestatten, mich zu heiraten.

Heiratsantrag

Sonntagmorgen. „Meine liebe Elise, ich habe heute Nacht lange gegrübelt und bin zu dem Entschluss gekommen, dir zu gestatten, mir einen Heiratsantrag zu machen.

Was hältst du davon?“

Elise guckte ungläubig und erlitt einen Kollaps. Verständlich!

Nahezu jede Krähe in der Umgebung trägt die Sehnsucht nach Glück, also nach mir, in ihrem Herzen. Charmant, gutaussehend, umschwärmt und genial – kaum ein Junggeselle stellt einen ähnlich guten Fang dar wie ich.

Elise kam zu sich und blinzelte. Sie hatte Tränen in den Augen. Natürlich war ihr vollkommen klar, dass die Konkurrenz enorm groß war. Selig sind die, die erkennen, dass sie das große Los gezogen haben.

„Meinst du das im Ernst?“, flüsterte sie zärtlich.

Hörte ich da die Hormone blubbern?

Mit lauter, anmutiger Stimme sagte ich „Selbstverständlich. Du siehst relativ gut aus, bist halbwegs gebildet und du hast dich in dem einen Jahr, in dem wir uns kennen, um mich verdient gemacht. Bitte nicht wieder ohnmächtig werden.“

Elise seufzte und stammelte mit tränenerstickter Stimme. „Ich bin überglücklich.“