Opus Corvorum - Max Kassa - E-Book

Opus Corvorum E-Book

Max Kassa

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Beschreibung

Am Rande des Künstlerdorfes Worpswede inmitten der Norddeutschen Tiefebene lebt die geniale, (ein-)gebildete und verfressene Rabenkrähe Ludwig. Ludwig residiert bei seinem Mentor Wilhelm, mit dem er über die elementaren Dinge des Lebens sinniert. In Gesprächen mit Wilhelm werden aber auch so verschiedene Themen wie Vernunftbegabung bei Mensch und Tier, Evolution, Nachbarschaft, Tierwohl sowie Ernährung und Politik diskutiert. Ludwig ist eben wissbegierig, gleichwohl begibt er sich in die Niederungen menschlichen Lebens und begleitet seinen Meister zu einer Fußballübertragung. Die Nachbarn, gradlinige und angenehme Charaktere, sind auch seine Freunde. Abgesehen von den maßlosen Übertreibungen sind die Darstellungen der Verhaltensweisen korrekt. So sind sie, die rabenschwarzen Intelligenzbestien. Hinterhältig und gemein, aber auch liebevoll. Sie spielen, lügen, betrügen und petzen. Es sind soziale Teamplayer, sie sind neugierig und geschwätzig, sogar die Männchen. Mit diesem kleinen Roman möchte ich dazu beitragen, die Vögel besser zu verstehen und Abneigungen zu tilgen.

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Zu diesem Buch

Rabenvögel sind außerordentlich intelligente und kluge Vögel. Ihr Verhalten ist manchmal witzig und menschlich. Dieser kleine Roman soll dazu beitragen, die Rabenvögel besser zu verstehen und Abneigungen zu tilgen.

Ludwig ist überheblich, gebildet und eingebildet, verfressen und arrogant. Er pendelt zwischen Nachbarn, Wölfen und Krähen als Mittler zwischen Mensch und Tier

In Gesprächen mit Wilhelm werden so verschiedene Themen wie „vernunftbegabte Menschen“ und weniger vernunftbegabte Individuen, Evolution, Hautfarbe, Tierwohl, Politik und andere Themen angerissen. Eine Krähe ist eben wissbegierig. Sogar zu einer Fußballübertagung darf sie ihren Meister begleiten.

Abgesehen von den maßlosen Übertreibungen sind die Darstellungen der Verhaltensweisen korrekt.

Raben handeln planvoll, begreifen Zusammenhänge durch abstraktes Denken und stellen Werkzeuge her. Sie spielen, lügen, betrügen und petzen. Sie haben ein gutes Gedächtnis und unterscheiden zwischen Freund und Feind. Sie sind hinterhältig und gemein, aber auch liebevoll. Sie sind auch soziale Teamplayer und bilden mit Wölfen Symbiosen. Sie sind geschwätzig und neugierig – auch die Männchen. Sie sind ein wenig menschlich.

Titelbild

Ich bedanke mich bei Heinrich Schott für die Hilfestellung und Nutzung des wunderbaren Rabenbildes.

http://www.heinrich-schott.de/

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ich stelle mich (vor)

Made in Germany

Enkelspielhaus

Heino

Singe, wem Gesang gegeben

Black is beautiful

Wilhelm

Vorurteile und Integration

Kindchenschema

Seilschaften

Luftkampf

Günter und Mechthild

Elise

Hein B.

Rudolf

Grillen mit Nachbarn

Ganz oder gar nicht oder der Bedürfnisaufschub

Verliebt

Veränderungen oder Auszug der Chaoten

Bernhard

Heinz Erbsacker

Zweierlei Maß

Ausländer

Wölfe

Heiko oder Ein bisschen Spaß muss sein

Schwarzer Kater

Dilemma oder Seelische Grausamkeit

Veränderungen – Neue Chaoten

Sonntagmorgen

Artur

Träume sind Schäume oder Die perfekte Anpassung

Politik

Nicht Fisch, nur Fleisch

Debakel

Alles hat seine Zeit!

Vorsorge

Mensch und Tier

Bullen

November

Weihnachten

Hunger und Not

Fußball

Vernunftbegabte Menschen

Montagmorgen

Ludo ergo sum – Ein bisschen Spaß muss sein!

Richtigstellung des Verfassers

Vorwort

Ludwig: „Demütig und mit der mir eigenen Bescheidenheit halte ich es für angebracht, der Welt Einblicke in das Leben eines Genies zu gewähren. Ich, Ludwig, bin der Edelste unter den Edlen. Ich bin genial, gebildet, kultiviert und unglaublich schön. Mein Gesang ist betörend und meine Schlauheit einzigartig. Gleichwohl, meine Schwingen sind nicht zum Halten eines Schreibstiftes ausgebildet, sodass ich, ein junger Autor von glänzendem Talent, meinen Freund und Mentor Wilhelm gebeten habe, von meinem vortrefflichen und die Welt beglückendem Leben zu berichten.“

Wilhelm: „Er übertreibt.“

Ich stelle mich (vor)

Jetzt sitze ich hier seit geschlagenen zwei Stunden auf meinem Lieblingsast und nehme eine kleine Geflügelmahlzeit ein während ich dabei den fetten, voll gefressenen Kater Udo aus der Nachbarschaft beobachte. Er liegt am Randes des kleinen Teiches in der Sonne und schläft, schläft seit zwei Stunden. Er raubt mir meine kostbare Zeit. Dieser räuberische gallische Zwerg Napoleon meinte zwar, dass Zeitdiebe nicht bestraft werden, aber abwarten!

Übrigens, mein Name ist Ludwig von Corvus. Ich nehme an, dass es sowohl an meiner musikalischen Ausbildung als auch an meinem betörenden Gesang liegt, dass man mich zuweilen mit dem Kapellmeister Ludwig van Beethoven vergleicht.

Mein Lieblingsbaum ist ein alter prächtiger Ahorn, welcher auf dem Grundstück von Luise und Wilhelm steht. Bei einem meiner täglichen Inspektionsflüge über die Hammewiesen am Rande des idyllischen Künstlerdorfes Worpswede ist es mir ins Auge gefallen, das Stückchen Land mit Bäumen, Teichen und Skulpturen, die die Krone der Schöpfung darstellen: Raben!

Ein Künstlerdorf und ein offensichtlicher Rabenversteher, das ist, finde ich, ein angemessener Ort für einen der begabtesten und schönsten Vertreter meiner Sippe, für mich.

Ich bin nicht irgendein Rabe, nein, ich stamme aus dem edlen Geschlecht der Rabenkrähen.

Man kann sagen, dass wir Raben, insbesondere wir Krähen, die schlausten und am weitesten entwickelten Geschöpfe auf der Erde sind. Wir sind die Spitze der Evolution. Gut, vielleicht außer den Menschen. Naja, auch einige Affen sollen ziemlich schlau sein, aber es sind eben nur Affen. Und dann soll es irgendwo im Meer Delphine und die neunmalklugen Oktopoden geben, denen man eine gewisse Intelligenz unterstellt. Nicht zu vergessen meine Brüder im Geiste, die begabten Keas in den Bergen von Neuseeland. Nicht so hochentwickelte Menschen wie mein Freund Wilhelm glauben gar, Eulen seien schlau. Sie haben große, nach vorn gerichtete Augen und sehen damit schlau aus, aber sonst?! Pallas Athene mit ihren albernen Käuzen hat den griechischen Absturz in die Bedeutungslosigkeit auch nicht verhindert.

Übrigens waren wir dem Gott Apoll heilig und der galt immerhin als der Schönste in der Götterwelt.

„Edel sei der Rabe, hilfreich und gut, denn das allein unterscheidet ihn von anderen Wesen.“ So oder so ähnlich hat es schon Johann Wolfgang von Goethe beschrieben.

Man kann einwenden, dass auch Delphine und Primaten so etwas wie erste selbstreflektierende Bewusstseinsanteile zeigen, aber um edel oder böse zu sein, bedarf es hochentwickelter geistiger Fähigkeiten, die nur Menschen und ein paar Raben entwickelt haben.

Mein kleiner Snack, eine unerfahrene, kleine Blaumeise war köstlich. Ich fühlte mich vorübergehend gesättigt und begab mich, ungeachtet des immer noch schlafenden Katers, in meinem Stammbaum zur Ruhe. Essen und Denken ist anstrengend. Letzteres wissen natürlich nur die Wenigsten.

Viele ungebildete Menschen reden bei Müttern, die ihre Kinder vernachlässigen, von Rabenmüttern. Eine herabwürdigende, freche Schmähung unseres Geschlechts. Heinrich Heine, ein bedeutender deutscher Schriftsteller, verwendete den Begriff auf sein Vaterland: „Wir, ich meine Deutschland, die alte Rabenmutter.“ „Mit Deutschland hat er Recht“, sagt Wilhelm.

Made in Germany

Meine Eltern, Agnes und Immanuel, waren sehr liebevolle und fürsorgliche Eltern. Die meisten Rabeneltern sind gute Eltern. Junge Raben sitzen lange im Nest, Wilhelm sagt dazu „Nesthocker“. Wir liegen nackt und hilflos im Nest und könnten ohne die Fürsorge unserer Eltern nicht überleben. Mutter schützt uns vor der Witterung durch Hudern und Vater versorgt uns mit Nahrung. Aber da wir wie alle intelligenten Wesen neugierig sind, verlassen wir schon mal unser Heim bevor wir fliegen können. Das mag mach einem Beobachter etwas unbeholfen und tollpatschig vorkommen, ist es aber nicht. Im Übrigen werden wir auch am Boden von unseren Eltern umsorgt und beschützt.

Ich kann mich noch relativ gut an meine Geburt erinnern. Es war Ende Mai. Mit meinem kräftigen Schnabel brach ich die Eierschale auf und erblickte die Welt. Nicht sofort, ich musste mich schließlich erst einmal an die grelle Helligkeit gewöhnen. Ganz dunkel erinnere ich mich an das Knacken und Knistern als meine drei Geschwister, natürlich nach mir, ihre Eier aufbrachen. „Es ist doch etwas Schönes, Erhabenes um das Leben“, rief ich. Kann auch sein, dass meine Mutter es bei meinem Anblick gerufen hat.

Unser Nest befand sich in einer sehr alten, knorrigen Eiche in der nahen Moorlandschaft. Die Nestmulde war kuschelig weich, ausgelegt mit Gras und Moos. Ich konnte von oben die ganze Landschaft überblicken. Deutlich und mit beinahe vollem Bewusstsein empfand ich ein bohrendes, schmerzliches Gefühl in der Magengegend, wobei es sich, wie ich später erfahren sollte, um Hunger handelte. Ich schrie und klagte jämmerlich, so dass mein gestresster Vater losflog und alsbald mit einem halben Apfel wiederkam. Meine Mutter war für das Heim verantwortlich, während sich mein Vater um meine Ernährung kümmerte, um die meiner Geschwister auch. Heute weiß ich, dass das Gehirn erhebliche Mengen der Energie aus der Nahrung aufzehrt. Kein Wunder, dass ich ständig Hunger habe.

Ich lernte Wilhelm, meinen späteren Menschen und Lehrmeister, im zarten Alter von etwa drei Monaten kennen. Er befreite mich und einen Cousin, eine Elster, aus den Klauen seines Nachbarn Heino Kückelmann, genannt Heini. Dieser ungehobelte Mensch, ein Schlachter und Jäger, hatte mich und Giacomo, meinen Cousin in einem Drahtkasten gefangen. Ich bin nicht stolz darauf, so tölpelhaft in die Falle getapst zu sein, aber das verlockende Stück Fleisch, welches dieser Cretin als Köder ausgelegt hatte, blendete meinen Verstand.

Es war stockdunkel, als etwas in mein Verlies hineingriff, Giacomo packte und ihn in die Luft warf. Zitternd vor Angst und Wut und mit gehörigem Herzklopfen, dabei, wie ich heute zugeben muss, rüpelhaft kreischend und krächzend, hackte ich mit meinem spitzen Schnabel in das Ding, das mich erbarmungslos gepackt hatte. Dieses Ding, die Hand meines Retters, zog mich heraus, während die andere Hand meinen Kopf streichelte. Ich beschloss, mitzuspielen und verhielt mich ruhig. Contenance, dachte ich. Giacomo jedoch war zurückgekommen und hackte mit seinem Schnabel weiter auf die Hand unseres Retters ein, was ihm eine heftige Ohrfeige einbrachte. Wilhelm, der sich zu Recht falsch verstanden fühlte, schmiss meinen aufsässigen Vetter hinaus. Er flog zeternd davon.

Ursache und Wirkung, Schuld und Sühne – habe ich auch schon mal irgendwo gehört – schlechtes Benehmen und Strafe, ich hatte die moralische Lehre begriffen.

Das Schicksal meinte es gut mit mir, hatte es doch mich hierher katapultiert. Die Hand, leicht blutend von den Schnabelhieben, drückte mich in eine Schale mit köstlich duftenden und delikat aussehenden Leckereien. Es waren Weintrauben und Walnüsse. Instinktiv und begierig leerte ich den Napf. Satt und zufrieden begann ich mein Wohlgefallen zu äußern, indem ich ein kleines Lied anstimmte. Wilhelm nannte es knurren, aber er verstand mich trotzdem. Das Vermögen, meine Gefühle und mein inneres Wohlbehagen durch Töne und Gebärden, zu denen meine Schwingen in der Lage waren, zu äußern, war ein Segen, der nicht vielen zuteil war. Das Gekrächze, wie einige ignorante Menschen unseren Gesang nennen, ist aber vergleichbar mit deren Sprache, nur viel schöner und melodischer.

Ich merkte es erst kaum, aber tief in mir, am Grund meines Herzens - oder war es der Magen - begann etwas zu leuchten, rauschte und perlte wie ein Glas Bier. Es war dieser intuitive Hauch von Freude, eine neuartige Hoffnung, eine schöne Vorahnung auf ein neues Leben.

Enkelspielhaus

Das erste Domizil, das mein hochverehrter und geschätzter Meiste Wilhelm für mich bereitete, bestand aus einer Holzkiste, die mit einer heimeligen Wolldecke ausgeschlagen war. Die Kiste befand sich im so genannten Enkelspielhaus. Die Tatsache, dass Wilhelm und seine Gattin Luise noch gar keine Enkelkinder hatten, wohl aber schon ein Häuschen zum Spielen für die Kleinen, zeugte von seiner Weitsicht und Gewissenhaftigkeit. Nachts schloss er die Tür ab, was mich zwar meiner Freiheit beraubte, mich jedoch ebenso schützte vor Katzen, Mardern und anderen Mördern. Ich fühlte mich sicher und geborgen und die kleine Hütte wurde zu meiner Heimat. Heimat, Sitten und Gebräuche waren ein Schlüssel zu meiner Entwicklung zum Weltbürger.

Heino

Heino besuchte meinen Ziehvater Wilhelm, angeblich, um zu plaudern und vielleicht ein Bierchen zu trinken. “Sage mal, ich habe gehört, du hättest einen Raben“, kam er gleich zur Sache. „Ja, tatsächlich ist mir eine Krähe zugeflogen, ein ausgesprochen gescheites und vorwitziges Tier, dem nur noch die höhere Bildung fehlt.“ Wilhelm wusste, dass Heino heimlich Fallen aufstellte, um Elstern als Lockvögel für die Jagd zu fangen. Dieser ahnte auch, dass Wilhelm, von dem er wusste, ein Krähenfreund zu sein, die Fallen geöffnet hatte, um seine Gefangenen zu befreien. „Woher hast du denn die Kratzer auf deiner rechten Hand?“ Wilhelm durchschaute die Gedanken seines langjährigen Freundes, der Heini trotz unterschiedlicher Meinung über Krähen durchaus war, und erklärte, eine Katze, die wahrscheinlich in böser Absicht auf einen Baum geklettert war, gerettet zu haben. „Dieses blöde, vogelmordende Vieh war nicht im Mindesten dankbar und hat mich gekratzt. Ich hätte es am liebsten aus Wut und als erzieherische Maßnahme in den Teich geworfen. Aber ich besann mich, denn mir war klar, dass Rachsucht kleinlich und meiner nicht würdig war.“