Oskar der Hund - Bernd Wohlgemuth - E-Book

Oskar der Hund E-Book

Bernd Wohlgemuth

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Beschreibung

Oskar, ein frisch geworfener Brandenburger Beagle, kommt kurzerhand als Ersthund in eine ostfriesische Familie und wird so vom Ossi zum Wessi. Das Buch beschreibt die täglichen Höhen und Tiefen des Lebens und die absonderlichen Verhaltensweisen der Menschen aus der Sicht eines Hundes. Feine [sa]ti(e)rische BELLetristik für alle Hundefreunde und solche, die es werden wollen.

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Für mein Rudel

Aus dem Inhalt

Wer ich eigentlich bin

Die Vorgeschichte

Ich tauche auf

Gegenseitiges Beschnuppern

Der Aufbruch ins Ungewisse

Mein neues Zuhause

Die ersten Tage

Ich werde flügge

Die Sache mit dem Alleinsein

Die Sache mit den Warzen

Die Sache mit der Hundeschule

Die Sache mit dem Vandalismus

Die Sache mit dem Gehorsam

Die Sache mit der Impfung

Die Sache mit der Batterie

Die Sache mit dem Gartenzaun

Die Sache mit dem "Gefundenem Fressen"

Die Sache mit der Durststrecke

Die Sache mit dem Essengehen

Die Sache mit dem Jogger

Die Sache mit dem Schnee

Die Sache mit Weihnachten

Die Sache mit dem Dalmatiner

Die Sache mit der Katze

Die Sache mit der Musik

Die Sache mit dem Buddeln

Die Sache mit dem Fliegen

Die Sache mit dem Hundestrand

Die Sache mit der Läufigkeit

Die Sache mit den Menschenleckerli

Die Sache mit dem Fahrrad

Die Sache mit dem Beagleclub

Die Sache mit dem Steckbrief

Die Sache mit der Bewerbung

Die Sache mit dem Kreuzband

Die Sache mit dem Vaterwerden

Die Sache mit dem Einschläfern

Die Sache mit dem Münsterländer

Die Sache mit dem Hinterteil und so

Die Sache mit den Krabbeltierchen

Die Sache mit dem Regenbogen

Wer ich eigentlich bin

Darf ich mich vorstellen? Ich bin Oskar, der Hund. Eigentlich heiße ich ganz anders, nämlich Brain. Das hat wohl was mit meinen englischen Vorfahren zu tun, sagt man. Ich bin ein stattlicher Beagle – natürlich tricolor in strahlendem schwarz-weiß-braun, wie es sich gehört, reinrassig und von edlem Geblüt. Mein Papa ist der feine King Kelvin of Cornerhouse. Böse Zungen behaupten, das hieße ‚die eingebildete Töle vom Eckhaus’. Er wurde lediglich für meine Zeugung herbeigeschafft, wirklich gesehen habe ich den Kerl jedenfalls nie. Von ihm habe ich aber die tolle Fellzeichnung. Meine Züchterin, die Annett, hat schon immer behauptet, ich würde mal so aussehen wie er. Meine Mama Sally ist eine nette weiß-braune bicolor-Dame. Wir waren wohl ihr erster Wurf und wir waren zu elft. Das ist schon der Hammer, auch für eine Hündin.

Am 6. Juli 2009 war es dann soweit: Zusammen mit zehn weiteren Geschwistern wurde ich in der heißen Mittagshitze geboren – sorry, bei Hunden heißt das wohl ‚geworfen’. Das erste, woran ich mich erinnere, ist HUNGER. Zum Glück waren Mamas Zitzen nicht weit, nur hatte sie leider keine elf davon, und das Gedrängel darum habe ich noch in schlechter Erinnerung. Meine Brüder und Schwestern haben wohl ähnlich gefühlt. Besonders unangenehm erscheint mir bis heute Barney, ein echt blöder bicolor-Köter, der mich permanent von der süßen Milchquelle verdrängen wollte. Zum Glück waren meine spitzen Milchzähnchen damals schon recht robust und verwiesen jeden Pöbel immer in seine Schranken.

Weil ich wohl der Klügste von allen war, hat mich die Annett ‚Brain’ genannt, das ist wohl das englische Wort für Gripskasten – also der hat was drauf und so. Viel weiß ich von meinen Geschwistern nicht, der Snooper hat aber immer nur gepennt.

Ich bin ein Ossi. Meine Heimat ist ein Kaff namens Kloster Lehnin in der Nähe von Potsdam in Brandenburg. Wie ich ein Wessi wurde und an die deutsche Nordseeküste kam und was ich da so alles erlebt habe, ist eine abenteuerliche Geschichte.

Und das war so:

Die Vorgeschichte

Da ist der Tobi. Tobi ist zehn. Tobi will einen Hund, denn alle seine Freunde haben einen. Und außerdem sowieso. Tobis Freund Malte hat einen Beagle, Arthus – so einen, oder keinen.

Tobis Papa ist Apotheker. „Kommt nicht in die Tüte, das mit dem Hund.“ Papa ist als Hundehasser groß geworden: Hunde stinken, Hunde pinkeln überall hin und hinterlassen dauernd eklige Haufen. Außerdem kläffen sie den ganzen Tag und beißen.

Nein – kein Hund.

Das ist schon ein wenig anders geworden, seit er Leo kennt, den stattlichen Golden Retriever aus der Apotheke, aber nein – kein Hund.

Argumente hat Papa genug, auch wegen der Hygiene: Er kennt alle Parasiten und Krankheitserreger, die ein Hund so übertragen kann: Echinococcus multilocularis, Leptospirose und und und. Nein – kein Hund. „Außerdem haaren Hunde so schrecklich, und ich habe sowieso genug zu putzen“ sagt Mama. Nein – kein Hund. Punkt.

Tobi ist elf und will einen Hund. Tobi ist zwölf und will einen Hund. Tobi …

Tobi ist vierzehn und bleibt in der Schule fast sitzen. „Hunde helfen beim Lernen, damit man sich besser konzentrieren kann“, weiß er. „Das ist sehr förderlich!“

Nein – kein Hund.

Tobi ist fünfzehn und irgendwas ist anders. „Man kann ja mal sehen, wo es solche Hunde gibt“ lenkt Papa ein, nachdem er auch mit Mama darüber nachgedacht hat. Mit ‚solche Hunde’ meint Papa so jemand wie mich – einen Beagle eben. „Maltes Hund ist aus Thüringen“ weiß Tobi. „Da wird es ja doch wohl auch welche geben, die näher bei sind“ sagt Papa. „Wir fragen mal einen Tierarzt.“

Der Tierarzt kennt alle Hunderassen. „Einen Beagle?“ Er lächelt. „Sind Sie sich sicher, dass Sie das wollen? Und ihr habt noch nie einen Hund gehabt?“ wird er zutraulich. Ja – sie haben noch nie einen Hund gehabt, und ja – sie sind sicher. Einen Anflug von Verzweiflung scheint in seinen Augen aufzuglimmen. „Dann müsst ihr mal im Internet googlen, ich kenne hier keinen Züchter.“

Bereits der erste Link und ‚es hat zoom gemacht’: Dawina, ein flottes bicolor-Beagleweibchen aus einem aktuellen Wurf, als letzte übrig geblieben. „Die ‚Bicolors’ haben es nicht leicht“ wird Annett, die Züchterin, später sagen. „Alle wollen lieber die ganz bunten klassischen dreifarbigen.“

Das ist Tobi egal. Dawina, obwohl bisher nur zweidimensional, hat sein Herz im Sturm erobert.

Tobi ist hin und weg: Dawina! Es wird telefoniert, Annett berlinert: „Nun ja, Weibchen sind schon ruhiger als die Rüden, und als ersten Hund wäre das wohl schon gut. Außerdem sind die Beagle superfreundlich und nie aggressiv, der ideale Familienhund.“

Tobi ist hin und weg. Die Familie verspricht sich zu melden und bespricht alles genau, eine heiße Diskussion entflammt: Für – wider, für – wider, dann: OK. Tobi ist hin und weg. Er hat sowieso schon allen seinen Freunden Dawinas Bild zugemailt: Mein Hund – kriegen wir bald!

Dann kommt die Ernüchterung: Dawina bleibt in Brandenburg, ein älteres Ehepaar will sie haben, hat auch schon mal einen Beagle gehabt, und das bekommt Dawina auch. „Aber da kommt demnächst wieder ein neuer Wurf, da ist bestimmt was für Sie dabei“ tröstet Annett.

Tobi ist enttäuscht.

Tobi ist traurig.

Tobi will Dawina, sonst nichts.

Dann eben keinen Hund.

Nein.

Ich tauche auf

Irgendwann kommen Fotos von dem neuen Wurf per eMail. „Papa, können wir nicht doch da mal hinfahren?“ Mittlerweile ist Papas Urlaub längst vorbei und er ist nicht sehr begeistert: Mal hinfahren sind über 1100 km hin und zurück, an einem Tag wohl gemerkt. Tobi drängelt.

Schließlich ist es soweit. Die Kleinen – das sind wir – sind acht Wochen alt, der Tierarzt gibt nach Entwurmung und Fünffachimpfung sein OK zur Besichtigung.

Um halb sechs geht es los, gegen halb zwölf – es ist brüllend heiß, da Anfang August – haben sie mein Zuhause erreicht. Das Navi hätte es fast nicht geschafft zu finden, so ‚ab’ ist das hier. Tobi ist glücklich.

Papa ist ein wenig mulmig: Hinter einem großen Zaun auf einem riesigen Gelände kläfft und kläfft eine offenbar große Hundemeute. Einer geht ja noch, aber so viele? Vier bis fünf große Hunde und ein dutzend Welpen wuseln herum. Nachdem die Familie unser Grundstück durch eine Art Schleuse betreten hat, kommen wir alle angerannt. Die Kleinen – das sind wir – wollen gar nicht mehr weg von den Menschen, Tobi, seine Mama, sein Papa und die Omi. Nun haben die keine Chance mehr – wir haben gewonnen.

Wir sind süß.

Wir sind entzückend.

Wir sind allerliebst.

Einen von uns müssen sie einfach haben.

Gegenseitiges Beschnuppern

Meine Schwester Maggie hat Tobi fast bezirzt. Sie leckt an seinen Fingern und schaut ihn mit ihren großen Augen an. Tobi ist hin und weg. „Nimm besser einen Rüden“ sagt Papa, „die werden jedenfalls nicht läufig“. Das ist mein Stichwort: Ich stupse Tobi mit meinem feuchten Näschen und meinen Pfötchen an und lasse meine dunkelbraunen Augen sprechen. Meine kleinen Milchzähnchen knabbern liebevoll an seinen Fingern.

„Habt ihr euch den Hund ausgesucht, oder der Hund sich etwa euch ausgesucht?“ wird später die Hundeschultrainerin hunde- und menschenerfahren wohl wissend fragen. Natürlich war ich das, mit meinem unwiderstehlichen Charme habe ich die Konkurrenz ausgebootet.

Die Zeit drängt, die Menschen müssen zurück. In Annetts Bude – es riecht schwer nach Hund, warum auch nicht, schließlich wohnen hier etwa zwanzig von uns – wird der Kaufvertrag unterschrieben, 250 € angezahlt. Ich, stolz wie Oskar, gekennzeichnet mit einem gelben Halsband, muss noch ein Weilchen hier bleiben, bis ich von Mamas Milch entwöhnt bin. Wenn’s nach mir ginge, könntet ihr schon langsam mal die Steaks auffahren, Leute.

Anfang Oktober wollen die Ossis mich Ossi abholen kommen. Die kommen von der Nordsee und man nennt die da tatsächlich so, obwohl sie eigentlich Wessis sind. Ich kann’s kaum erwarten…