Othello, der Mohr von Venedig - William Shakespeare - E-Book

Othello, der Mohr von Venedig E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Es ist die Tragödie vom dunkelhäutigen Feldherren Othello. Wahnhaft und durch die Intrige Jagos bestärkt tötet er aus Eifersucht seine Geliebte Desdemona und dann sich selbst. Doch bis das geschieht, passiert viel. Zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur gehört dieses Meisterwerk eines Ausnahmekünstlers mit anhaltendem und vielfältigem Einfluss auf den lesenden Menschen und die Literaturgeschichte – bis heute. Spannend und unterhaltend, vielschichtig und tiefgründig, informativ und faszinierend sind die E-Books großer Schriftsteller, Philosophen und Autoren der einzigartigen Reihe "Weltliteratur erleben!".

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William Shakespeare

Othello , der Mohr von Venedig

Übersetzt von Wolf Graf Baudissin

Inhaltsverzeichnis
Othello , der Mohr von Venedig
PERSONEN
ERSTER AKT
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE Venedig. Eine andre Straße
DRITTE SZENE [Saal im herzoglichen Palast ] Venedig. Eine Ratskammer
ZWEITER AKT
ERSTE SZENE Ein Hafen [Hauptstadt ] in Zypern. [Platz am Hafen ] Eine Terrasse
ZWEITE SZENE Straße
DRITTE SZENE Ein Saal im Schloß
DRITTER AKT
ERSTE SZENE Zypern. Vor dem Schlosse
ZWEITE SZENE Zypern. Ein Zimmer im Schloß
DRITTE SZENE Zypern. Der Schloßgarten
VIERTE SZENE Zypern. Vor dem Schloß. [Daselbst ]
VIERTER AKT
ERSTE SZENE Zypern. Vor dem Schloß. [Zimmer auf dem Schlosse ]
ZWEITE SZENE Zypern. Ein [andres ] Zimmer auf dem Schlosse
DRITTE SZENE Zypern. Ein anderes Zimmer [Vorsaal ] im Schlosse
FÜNFTER AKT
ERSTE SZENE Zypern. Eine Straße
ZWEITE SZENE Zypern. Schlafzimmer im Schloß

PERSONEN

HERZOG VON VENEDIG

BRABANTIO, Senator

Andere Senatoren

GRATIANO , Bruder des BrabantioLODOVICO , Verwandter des Brabantio

Verwandte des Brabantio ]

OTHELLO, [Feldherr ], ein edler Mohr im Dienste Venedigs

CASSIO, sein Leutnant

JAGO, sein Fähnrich

RODRIGO, ein [junger Venezianer ] venezianischer Edelmann

MONTANO, Othellos Vorgänger als Statthalter von Zypern

[Drei EDELLEUTE ]

Ein NARR, Diener des Othello

HEROLD

DESDEMONA, Brabantios Tochter und Ehefrau des Othello

EMILIA, Jagos Frau

BIANCA, Cassios Geliebte

Edelleute, Amtsdiener, ein Bote, Musikanten, Herold, ein Matrose, Gefolge etc.

Szene im ersten Akt in Venedig; hernach ein Hafen in Zypern

Ein NARR, Diener des Othello HEROLD DESDEMONA, Brabantios Tochter und Ehefrau des Othello EMILIA, Jagos Frau BIANCA, Cassios Geliebte Edelleute, Amtsdiener, ein Bote, Musikanten, Herold, ein Matrose, Gefolge etc. Szene im ersten Akt in Venedig; hernach ein Hafen in Zypern

ERSTER AKT

ERSTE SZENE

Venedig. Eine Straße

Es treten auf Rodrigo und Jago.

RODRIGO Still, sag nichts mehr; denn damit kränkst du mich, Daß Jago, du, der meine Börse führte, Als wär sie dein, die Sache schon gewußt.

JAGO Verdammt, Ihr hört ja nicht! Hab ich mir je davon was träumen lassen, Verabscheut mich!

RODRIGO Du hast mir stets gesagt, du hassest ihn!

JAGO Verachte mich, wenns nicht so ist! Drei Mächtige aus dieser Stadt, persönlich Bemüht zu seinem Leutnant mich zu machen, Hofierten ihm, und auf Soldatenwort, Ich kenne meinen Preis: das kommt mir zu. Doch er, verliebt in seinen Stolz und Dünkel, Weicht ihnen aus, mit Schwulst, weit hergeholt, Den er staffiert mit grausen Kriegssentenzen, Und kurz und gut, Schlägts meinen Gönner ab: denn »Wirklich«, spricht er, »Gewählt schon hab ich meinen Offizier.« Und wer ist das? Seht mir: ein großer Arithmetiker, Ein Michael Cassio, ein Florentiner, Ein Bursch, verdammt fast in ein schmuckes Weib, Der niemals eine Schar ins Feld geführt, Noch von der Heeresordnung mehr versteht Als Jüngferchen; nur Büchertheorie, Von der in seiner Toga wohl ein Ratsherr So weislich spricht als er; all seine Kriegskunst Geschwätz, nicht Praxis - der nun wird erwählt! Und ich, von dem sein Auge Proben sah Zu Rhodus, Zypern und auf anderm Boden, Christlich und heidnisch, komm um Wind und Flut Durch solchen Rechenknecht, solch Einmaleins. Der, wohl bekomms ihm, muß sein Leutnant sein, Und, helt mir Gott, ich seiner Mohrschaft Fähnrich!

RODRIGO Bei Gott, sein Henker würd ich lieber sein!

JAGO Da hilft nichts für; das ist der Fluch des Dienstes. Befördrung geht nach Gunst und nach Empfehlung, Und nicht nach altem Brauch, wo jeder zweite Den Platz des Vormanns erbt. Urteilt nun selbst, Ob mich wohl irgend Recht und Dank verpflichtet Den Mohrn zu lieben.

RODRIGO So auch dient ich ihm nicht.

JAGO Oh, seid ganz ruhig; Ich dien ihm, um mirs einzubringen; denn Es kann nicht jeder Herr sein, jeder Herr Nicht treue Diener haben. Seht Ihr doch So manchen pflichtgetreuen Knieebeuger, Der, ganz verliebt in seine Sklavenfessel, Ausharrt, recht wie die Esel seines Herrn, Ums Heu, und wird im Alter fortgejagt. Peitscht mir solch redlich Volk! Dann gibt es andre, Die, ausstaffiert mit Blick und Form der Demut, Ein Herz bewahren, das nur sich bedenkt, Die nur Scheindienste liefern ihren Obern, Durch sie gedeihn und, wann ihr Pelz gefüttert, Sich selbst Gebieter sind. Die Burschen haben Witz, Und dieser Zunft zu folgen ist mein Stolz. Denn, Herr, 's ist so gewiß, als Ihr Rodrigo heißt, Wär ich der Mohr, nicht möcht ich Jago sein. Wenn ich ihm diene, dien ich nur mir selbst, - Der Himmel weiß es -, nicht aus Lieb und Pflicht, Nein, nur zum Schein für meinen eignen Zweck. Denn wenn mein äußres Tun je offenbart Des Herzens angeborne Art und Neigung In Haltung und Gebärde, dann alsbald Will ich mein Herz an meinem Ärmel tragen Als Fraß für Krähn. Ich bin nicht, was ich bin! -

RODRIGO Groß Glück fällt diesem Dickgelippten zu, Wenns ihm gelingt!

JAGO Ruft ihren Vater auf! Hetzt den ihm nach! Vergiftet seine Lust, Schreits durch die Stadt, macht ihre Vettern wild, Und ob er unter mildem Himmel wohnt, Plagt ihn mit Fliegen; ist die Freud ihm Freude, Versetzt sie dennoch ihm mit so viel Pein, Daß sie etwas erbleiche!

RODRIGO Hier ist des Vaters Haus; ich ruf ihn laut.

JAGO Das tut, mit gleichem Angstruf und Geheul, Als wenn bei Nacht und Lässigkeit ein Feuer Erspäht wird in volkreichen Städten.

RODRIGO Hallo, Brabantio! Signor Brabantio, ho!

JAGO Erwacht; hallo! Brabantio! Diebe, Diebe! Nehmt Euer Haus in acht, Eur Kind, Eur Geld! He, Diebe, Diebe! Brabantio oben am Fenster.

BRABANTIO Was ist die Ursach dieses wilden Lärms? Was gibt es hier?

RODRIGO Ist alles, was Euch angehört, im Hause?

JAGO Die Türen zu?

BRABANTIO Nun, warum fragt Ihr das?

JAGO Ihr seid beraubt, zum Teufel! Nehmt den Mantel! Eur Herz zerbrach, halb Eure Seel ist hin. Jetzt, eben jetzt bespringt ein alter schwarzer Schafbock Eur weißes Lämmchen. Auf, heraus! Weckt die schlaftrunknen Bürger mit der Glocke, Sonst macht der Teufel Euch zum Großpapa. Auf, sag ich, auf!

BRABANTIO Was! Seid Ihr bei Verstand?

RODRIGO Ehrwürdger Herr, kennt Ihr mich an der Stimme?

BRABANTIO Nein! Wer seid Ihr?

RODRIGO Rodrigo heiß ich.

BRABANTIO Mir um so verhaßter! Befohlen hab ich dir, mein Haus zu meiden, Ganz unverhohlen hörtest du mich sagen, Mein Kind sei nicht für dich; und nun, wie rasend, Vom Mahle voll und scharfem Trunk erregt, In böswilligem Übermute kommst du, Mich in der Ruh zu stören?

RODRIGO Herr, Herr, Herr!

BRABANTIO Doch, wissen sollst du dies: Durch meine Kraft und Stellung hab ich Macht, Dirs zu vergällen.

RODRIGO Ruhig, werter Herr!

BRABANTIO Was sprichst du mir von Raub? Dies ist Venedig, Mein Haus ist keine Scheune.

RODRIGO Würdiger Herr, In arglos reiner Absicht komm ich her.

JAGO Wetter, Herr, Ihr seid einer von denen, die Gott nicht dienen wollen, wenns ihnen der Teufel befiehlt. Weil wir kommen, Euch einen Dienst zu tun, denkt Ihr, wir sind Raufbolde? Ihr wollt einen Berberhengst über Eure Tochter kommen lassen; Ihr wollt Enkel, die Euch anwiehern, wollt Rennpferde zu Vettern und Zelter zu Neffen haben?

BRABANTIO Wer bist du, frecher Lästerer?

JAGO Ich bin einer, Herr, der Euch zu melden kommt, daß Eure Tochter und der Mohr jetzt dabei sind, das Tier mit zwei Rücken zu machen.

BRABANTIO Du bist ein Schurke!

JAGO Ihr seid - ein Senator.

BRABANTIO Du sollst dies büßen; ich kenne dich, Rodrigo.

RODRIGO Ich will für alles einstehn, doch ich bitt Euch, Ists Euer Wunsch und wohlbedächtige Weisheit, - Wie's fast mir scheint -, daß Eure schöne Tochter In dieser späten Stunde dumpfer Nacht Wird ausgeliefert - besser nicht noch schlechter Bewacht, als durch 'nen feilen Gondolier -Den rohen Küssen eines lüsternen Mohren? Wenn Ihr das wißt und einverstanden seid, So taten wir Euch groben, frechen Schimpf. Doch wißt Ihrs nicht, dann sagt mir Sitt und Anstand, Ihr scheltet uns mit Unrecht. Nimmer glaubt, Daß, allem Sinn für Höflichkeit entfremdet, Ich so zum Scherz mit Eurer Würde spielte. Eur Kind, wenn Ihr ihm nicht Erlaubnis gabt, Ich sags noch einmal, hat sich schwer vergangen, So Schönheit, Geist, Vermögen auszuliefern Dem heimatlos unsteten Abenteurer Von hier und überall. Gleich überzeugt Euch, Herr; Ist sie im Schlaf gemach, ja nur zu Hause, Laßt auf mich los der Republik Gesetze, Weil ich Euch so betrog.

BRABANTIO Schlagt Feuer, ho! Gebt mir 'ne Kerze! Weckt alle meine Leute! -Der Vorfall ist nicht ungleich meinem Traum; Der Glaube dran droht schon mich zu vernichten. Licht, sag ich. Licht! -Geht ab.

JAGO Lebt wohl! Ich muß Euch lassen. Es scheint nicht gut noch heilsam meiner Stelle, Stellt man als Zeugen mich - bleib ich, geschiehts -Dem Mohren vor, denn unser Staat, ich weiß es, Wenn ihn dies gleich etwas verdunkeln wird, Kann ihn nicht fallen lassen, fordert doch So triftiger Grund ihn für den Zypernkrieg, Der jetzt bevorsteht, daß um keinen Preis Ein andrer von der Fähigkeit sich fände Als Führer dieses Zugs. In dieser Rücksicht, Obgleich ich ihn wie Höllenqualen hasse, Weil mich die gegenwärtge Lage zwingt, Muß ich aufziehn der Liebe Flagg und Zeichen, Freilich als Zeichen nur. Daß Ihr ihn sicher findet, Führt jene Suchenden zum Schützen hin; Dort werd ich bei ihm sein. Und so lebt wohl. Jago geht ab. Brabantio tritt auf mit Dienern und Fackeln.

BRABANTIO Zu wahr nur ist dies Unglück! Sie ist fort, Und was mir nachbleibt vom verhaßten Leben, Ist nichts als Bitterkeit. - Nun sag, Rodrigo, Wo hast du sie gesehn? - O töricht Kind! -Der Mohr, sagst du? Wer möchte Vater sein! Wie weißt du, das sie's war? - O unerhört Betrogst du mich! - Was sprach sie? - Holt noch Fackeln! Ruft alle meine Vettern! Sind sie wohl Vermählt, was glaubst du?

RODRIGO Nun, ich glaube, ja.

BRABANTIO O Gott! Wie kam sie fort? O Blutsverrat! Väter, hinfort traut euern Töchtern nie Nach äußerlichem Tun! Gibts einen Zauber, Der Jugend Unschuld und des Mädchentums Zu hintergehn? Last Ihr von solchen Dingen, Rodrigo?

RODRIGO Ja, Signor, ich las es wohl.

BRABANTIO Ruft meinen Bruder! - Wär sie Euer doch! -Geht Ihr den Weg, Ihr diesen! - Habt Ihr Kundschaft, Wo wir sie finden mögen mit dem Mohren?

RODRIGO Ich hoff ihn auszuspähn, wenns Euch gefällt, Mit tüchtiger Bedeckung mir zu folgen.

BRABANTIO Wohl, führt den Zug! Vor jedem Hause ruf ich; Wenns gilt, kann ich befehlen. - Waffen her! Und holt ein paar Hauptleute von der Wache! Voran, Rodrigo! Eure Müh vergelt ich. Sie gehen ab.

ZWEITE SZENE Venedig. Eine andre Straße

Es treten auf Othello, Jago und Gefolge mit Fackeln.

JAGO Im Kriegeshandwerk schlug ich manchen tot; Doch halt ichs für Gewissenssach und Sünde, Mit Absicht morden; ja mir fehlts an Bosheit, Und oft zu meinem Schaden. Zwanzigmal Dacht ich, ihm mit 'nem Rippenstoß zu dienen!

OTHELLO 's ist besser so.

JAGO Doch schwatzt' er solches Zeug, Und sprach so schnöd und gegen Eure Ehre So lästerlich, Daß all mein bißchen Frömmigkeit mich kaum Im Zügel hielt. Doch sagt mir, werter Herr, Seid Ihr auch recht vermählt? Denn glaubt mir nur, Gar sehr beliebt ist der Magnifico, Und hat, was durchzusetzen, kräftige Stimme, Vollwichtig wie der Fürst. Er wird Euch scheiden; Zum mindsten häuft er Hemmung und Verdruß, Wie nur das Recht, durch seine Macht geschärft, Ihm Spielraum gibt.

OTHELLO Er mag sein Ärgstes tun; Der Dienst, den ich geleistet dem Senat, Schreit seine Klage nieder. Kund soll werden - Was, wenn mir kund, daß Prahlen Ehre bringt, Ich offenbaren will -, daß ich entsproß Aus königlichem Stamm, und mein Gestirn Darf ohne Scheu so stolzes Glück ansprechen, Als dies, das ich erreicht. Denn wisse, Jago, Liebt ich die holde Desdemona nicht, Nie zwäng ich meinen sorglos freien Stand In Band und Schranken ein, nicht um die Schätze Der tiefen See. Doch sieh! Was dort für Lichter? [Cassio kommt mit Amtsdienern. ]

JAGO Der zornige Vater ist es mit den Freunden; Geht doch hinein!

OTHELLO Ich nicht, man soll mich finden. Mein Stand und Rang und meine feste Seele, Laut solln sie für mich zeugen! Sind sie es?

JAGO Beim Janus, nein! Cassio und einige Amtsdiener mit Fackeln kommen.

OTHELLO Des Herzogs Diener sind es und mein Leutnant. -Sei Euch die Nacht gedeihlich, meine Freunde! Was gibts?

CASSIO Der Herzog grüßt Euch, General, Und fordert, daß Ihr schnell, blitzschnell erscheint Im Augenblick.

OTHELLO Was, meint Ihr, ist im Werk?

CASSIO Etwas aus Zypern, wenn ich recht vermute; 's ist ein Geschäft von heißer Eil; die Flotte Verschickt' ein Dutzend Boten nacheinander Noch diesen Abend, die gedrängt sich folgten. Viel Herrn vom Rat, geweckt und schon versammelt, Sind jetzt beim Herzog; eifrig sucht man Euch, Und da man Euch verfehlt in Eurer Wohnung, Hat der Senat drei Haufen ausgesandt, Euch zu erspähn.

OTHELLO 's ist gut, daß Ihr mich fandet. Ein Wort nur laß ich hier zurück im Hause Und folg Euch nach. Geht ab.

CASSIO Fähnrich, was schafft er hier?

JAGO Nun, eine Landgaleere nahm er heut; Er macht sein Glück, wenns gute Prise wird.

CASSIO Wie meint Ihr das?

JAGO Er ist vermählt.

CASSIO Mit wem? Othello kommt zurück.

JAGO Ei nun, mit - Kommt Ihr, General?

OTHELLO Ich komme.

CASSIO Hier naht ein andrer Trupp, Euch aufzusuchen. [Brabantio, Rodrigo und Bewaffnete treten auf. ]

JAGO Es ist Brabantio! General, nehmt Euch In acht, er sinnt auf Böses! Brabantio, Rodrigo und Amtsdiener mit Fackeln und Waffen treten auf.

OTHELLO Holla! Steht!

RODRIGO Signor, es ist der Mohr!

BRABANTIO Dieb! Schlagt ihn nieder! Von beiden Seiten werden die Schwerter gezogen.

JAGO Rodrigo, Ihr? Kommt, Herr, ich bin für Euch.

OTHELLO Die Schwerter fort, sie rosten sonst im Tau. -Das Alter hilft Euch besser, guter Herr, Als Euer Degen.

BRABANTIO O schnöder Dieb! Was ward aus meiner Tochter? Du hast, verdammter Frevler, sie bezaubert; Denn alles, was Vernunft hegt, will ich fragen, Wenn nicht ein magisch Band sie hält gefangen, Ob eine Jungfrau, zart und schön und glücklich, So abhold der Vermählung, daß sie floh Den reichen Jünglingsadel unsrer Stadt, Ob sie, ein allgemein Gespött zu werden, Häuslichem Glück entfloh an solches Unholds Pechschwarze Brust, die Graun, nicht Lust erregt? Die Welt soll richten, obs nicht sonnenklar, Daß du mit Höllenkunst auf sie gewirkt, Mit Gift und Trank verlockt ihr zartes Alter, Den Willen ihr gelähmt. Man soll es prüfen, Denn glaubhaft ists, handgreiflich dem Gedanken. Drum nehm ich dich in Haft und klag dich an Als einen Volksbetörer, einen Zaubrer, Der unerlaubte, böse Künste treibt. -Legt Hand an ihn, und setzt er sich zur Wehr, Zwingt ihn, und gälts sein Leben!

OTHELLO Steht zurück, Ihr, die für mich Partei nehmt, und ihr andern! Wär Fechten meine Rolle, nun, die wüßt ich Auch ohne Stichwort. - Wohin soll ich folgen, Und Eurer Klage stehn?

BRABANTIO In Haft; bis Zeit und Form Im Lauf des graden Rechtsverhörs dich ruft Zur Antwort.

OTHELLO Wie denn nun, wenn ich gehorchte? -Wie käme das dem Herzog wohl erwünscht, Des Boten hier an meiner Seite stehn, Mich wegen dringenden Geschäfts im Staat Vor ihn zu führn?

ERSTER AMTSDIENER So ists, ehrwürdger Herr; Der Herzog sitzt zu Rat, und Euer Gnaden Ward sicher auch bestellt.

BRABANTIO Im Rat der Herzog? Jetzt um die Mitternacht? - Führt ihn dahin! Nicht schlecht ist mein Gesuch. Der Herzog selbst Und jeglicher von meinen Amtsgenossen Muß fühlen meine Kränkung wie sein eigen; Denn läßt man solche Untat straflos schalten, Wird Heid und Sklav bei uns als Herrscher walten. Sie gehen ab.

DRITTE SZENE [Saal im herzoglichen Palast ] Venedig. Eine Ratskammer

Der Herzog und die Senatoren an einer Tafel sitzend. Beamte im Gefolge.

HERZOG In diesen Briefen fehlt Zusammenhang, Der sie glaubwürdig machte.

ERSTER SENATOR Jawohl, sie weichen voneinander ab; Mein Schreiben nennt mir hundertsechs Galeeren.

HERZOG Und meines hundertvierzig.

ZWEITER SENATOR Meins zweihundert. Doch stimmt die Zahl auch nicht genau zusammen, Wie insgemein, wenn sich Gerüchte melden, Der Inhalt abweicht, doch erwähnen alle Die türkische Flotte, die gen Zypern segelt.

HERZOG Gewiß, erwägen wirs, so scheint es glaublich; Ich will mich nicht im Irrtum sicher schätzen, Vielmehr den Hauptartikel halt ich wahr, Und Sorge faßt mich.

MATROSE draußen. Ho, hallo, hallo! [Ein Beamter tritt auf, dem ein Matrose folgt. ]

ERSTER BEAMTER Botschaft von den Galeeren! Ein Matrose tritt auf.

HERZOG Nun? Was gibts?

ERSTER MATROSE Der Türken Kriegsbewegung geht auf Rhodus; So ward mir Auftrag, dem Senat zu melden, Vom Signor Angelo.

HERZOG Wie dünkt der Wechsel Euch? -