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"Othello" war schon bei seiner Uraufführung 1604 ein großer Erfolg und gehört bis heute zu den beliebtesten Stücken Shakespeares. Wie kein anderes ruft es beim Zuschauer spontane Reaktionen hervor. Jagos Auftritte sind in der Vergangenheit oft mit Zischen lauten Protesten und gar mit direkten, an Othello gerichteten Warnrufen begleitet worden. Immerhin ist das Publikum heute bereit, die schauspielerische Leistung des Jago-Darstellers am Schluss mit Beifall zu honorieren. Dieser gewandelten Einstellung der Zuschauer entsprechen auch veränderte Inszenierungen und literaturkritische Bewertungen. Wir sehen in "Othello" Bezüge, die Shakespeares Zeitgenossen aufgrund eines völlig anderen Weltbildes entgingen. "Othello" ist eine Familientragödie, in der es aber nicht nur um private Dinge wie Vertrauen oder Misstrauen geht, sondern auch um das Spannungsfeld von Individualität und gesellschaftlichen Erwartungen und Normen und nicht zuletzt um die prägende Kraft von Rollenbildern. Die sogenannte Schlegel-Tieck-Übersetzung, zu der August Wilhelm Schlegel und - unter Mitübersetzer- und Herausgeberschaft von Ludwig Tieck - auch Dorothea Tieck und Wolf Heinrich Graf Baudissin beigetragen haben, ist im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem eigenständigen deutschen Klassiker geworden. Indem sich die Übersetzer der Literatursprache der deutschen Klassik im Gefolge Goethes und Schillers bedienten, schufen sie ein poetisches Übersetzungswerk von großer sprachlicher Geschlossenheit und weitreichender Wirkung. – Text in neuer Rechtschreibung.
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Seitenzahl: 135
William Shakespeare
Othello
Tragödie
Übersetzt von Wolf Heinrich Graf Baudissin
Herausgegeben von Dietrich Klose
Reclam
Englischer Originaltitel: The Tragedy of Othello, the Moor of Venice
1971, 2013 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen
Made in Germany 2017
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961050-4
HERZOG von Venedig
BRABANTIO, Senator
Mehrere Senatoren
Verwandte des Brabantio
GRATIANO
LODOVICO
OTHELLO, Feldherr: Mohr
CASSIO, sein Leutnant
JAGO, sein Fähnrich
RODRIGO, ein junger Venezianer
MONTANO, Statthalter von Zypern
Ein Diener des Othello
HEROLD
DESDEMONA, Brabantios Tochter
EMILIA, Jagos Frau
BIANCA, Kurtisane
Offiziere. Edelleute. Boten. Musikanten. Matrosen. Gefolge usw.
Szene im ersten Aufzug in Venedig; hernach in Zypern.
Venedig. Eine Straße.
(Es treten auf Rodrigo und Jago.)
RODRIGO.
Sag mir nur nichts, denn damit kränkst du mich –
Dass Jago, du, der meine Börse führte,
Als wär’ sie dein – die Sache schon gewusst.
JAGO.
Ihr hört ja nicht! –
Hab ich mir je davon was träumen lassen,
Verabscheut mich!
RODRIGO.
Du hast mir stets gesagt, du hassest ihn!
JAGO.
Verachte mich, wenn’s nicht so ist.
Drei Mächtige aus dieser Stadt, persönlich
Bemüht, zu seinem Leutnant mich zu machen,
Hofierten ihm – und auf Soldatenwort,
Ich kenne meinen Preis – das kommt mir zu.
Doch er, verliebt in seinen Stolz und Dünkel,
Weicht ihnen aus, mit Schwulst, weit hergeholt,
Den er staffiert mit grausen Kriegssentenzen,
Und kurz und gut,
Schlägt’s meinen Gönnern ab: denn traun – so spricht er –
Ernannt schon hab ich meinen Offizier.
Und wer ist dieser?
[8]Seht mir! ein gar ausbünd’ger Rechenmeister,
Ein Michael Cassio, ein Florentiner,
Ein Wicht, zum schmucken Weibe fast versündigt,
Der niemals eine Schar ins Feld geführt,
Noch von der Heeresordnung mehr versteht
Als Jüngferchen; nur Büchertheorie,
Von der in seiner Toga wohl ein Ratsherr
So weislich spricht als er – all seine Kriegskunst
Geschwätz, nicht Praxis – der nun wird erwählt;
Und ich, von dem sein Auge Proben sah
Zu Rhodus, Zypern und auf anderm Boden,
Christlich und heidnisch, komm um Wind und Flut
Durch solchen Rechenknecht, solch Einmaleins;
Der, wohl bekomm’s ihm, muss sein Leutnant sein,
Und ich, Gott besser’s! seiner Mohrschaft Fähnrich.
RODRIGO.
Bei Gott! sein Henker würd’ ich lieber sein! –
JAGO.
Da hilft nichts für; das ist der Fluch des Dienstes.
Befördrung geht Euch nach Empfehl’ und Gunst,
Nicht nach ehmal’gem Rang, wo jeder Zweite
Den Platz des Vormanns erbt. Urteilt nun selbst,
Ob mich wohl irgend Recht und Dank verpflichtet,
Zu lieben diesen Mohren.
RODRIGO.
So dient’ ich ihm auch nicht.
JAGO.
Oh, seid ganz ruhig.
Ich dien ihm, um mir’s einzubringen; ei, wir können
[9]Nicht alle Herrn sein, nicht kann jeder Herr
Getreue Diener haben. Seht Ihr doch
So manchen pflicht’gen, kniegebeugten Schuft,
Der, ganz verliebt in seine Sklavenfessel,
Ausharrt, recht wie die Esel seines Herrn
Ums Heu, und wird im Alter fortgejagt. –
Peitscht mir solch redlich Volk! Dann gibt es andre,
Die, ausstaffiert mit Blick und Form der Demut,
Ein Herz bewahren, das nur sich bedenkt;
Die nur Scheindienste liefern ihren Obern,
Durch sie gedeihn, und wann ihr Pelz gefüttert,
Sich selbst Gebieter sind. Die Burschen haben Witz,
Und dieser Zunft zu folgen ist mein Stolz.
Denn, Freund,
’s ist so gewiss, als Ihr Rodrigo heißt,
Wär’ ich der Mohr, nicht möcht’ ich Jago sein.
Wenn ich ihm diene, dien ich nur mir selbst;
Der Himmel weiß es! nicht aus Lieb’ und Pflicht,
Nein, nur zum Schein für meinen eignen Zweck.
Denn wenn mein äußres Tun je offenbart
Des Herzens angeborne Art und Neigung
In Haltung und Gebärde, dann alsbald
Will ich mein Herz an meinem Ärmel tragen
Als Fraß für Krähn. Ich bin nicht, was ich bin! –
RODRIGO.
Welch reiches Glück fällt dem Dickmäul’gen zu,
Wenn ihm der Streich gelingt! –
JAGO.
Ruft auf den Vater,
Hetzt den ihm nach; vergiftet seine Lust,
Schreit’s durch die Stadt, macht ihre Vettern wild,
[10]Und ob er unter mildem Himmel wohnt,
Plagt ihn mit Fliegen; ist die Freud’ ihm Freude,
Versetzt sie dennoch ihm mit so viel Pein,
Dass sie etwas erbleiche.
RODRIGO.
Hier ist des Vaters Haus; ich ruf ihn laut.
JAGO.
Das tut, mit gleichem Angstruf und Geheul,
Als wenn bei Nacht und Lässigkeit ein Feuer
Erspäht wird in volkreichen Städten.
RODRIGO.
Hallo, Brabantio! Signor Brabantio, ho! –
JAGO.
Erwacht; hallo! Brabantio! Diebe! Diebe! –
Nehmt Euer Haus in acht, Eu’r Kind, Eu’r Geld! –
He, Diebe! Diebe! –
(Brabantio oben am Fenster.)
BRABANTIO.
Was ist die Ursach’ dieses wilden Lärms?
Was gibt es hier? –
RODRIGO.
Ist alles, was Euch angehört, im Hause?
JAGO.
Die Türen zu?
BRABANTIO.
Nun, warum fragt ihr das? –
JAGO.
Ihr seid beraubt, zum Teufel! Nehmt den Mantel!
Eu’r Herz zerbrach, halb Eure Seel’ ist hin.
Jetzt, eben jetzt, bezwingt ein alter schwarzer
Schafbock Eu’r weißes Lämmchen – Auf! heraus!
Weckt die schlaftrunknen Bürger mit der Glocke,
Sonst macht der Teufel Euch zum Großpapa.
Auf, sag ich, auf! –
BRABANTIO.
Was! seid ihr bei Verstand?
RODRIGO.
Ehrwürd’ger Herr, kennt Ihr mich an der Stimme?
[11]BRABANTIO.
Ich nicht! Wer bist du?
RODRIGO.
Rodrigo heiß ich.
BRABANTIO.
Mir umso verhasster!
Befohlen hab ich dir, mein Haus zu meiden;
Ganz unverhohlen hörtest du mich sagen,
Mein Kind sei nicht für dich – und nun, wie rasend,
Vom Mahle voll und törendem Getränk,
In böslich trotz’gem Übermute kommst du,
Mich in der Ruh’ zu stören?
RODRIGO.
Herr, Herr, Herr!
BRABANTIO.
Doch, wissen sollst du dies:
Durch meine Kraft und Stellung hab ich Macht,
Dir’s zu vergällen.
RODRIGO.
Ruhig, werter Herr!
BRABANTIO.
Was sprichst du mir von Raub? Dies ist Venedig,
Mein Palast keine Scheune.
RODRIGO.
Sehr würd’ger Herr,
In arglos reiner Absicht komm ich her.
JAGO.
Wetter, Herr, Ihr seid einer von denen, die Gott nicht dienen wollen, wenn’s ihnen der Teufel befiehlt. Weil wir kommen, Euch einen Dienst zu tun, denkt Ihr, wir sind Raufbolde? Ihr wollt einen Berberhengst über Eure Tochter kommen lassen; Ihr wollt Enkel, die Euch anwiehern, wollt Rennpferde zu Vettern und Zelter zu Neffen haben? –
BRABANTIO.
Wer bist du, frecher Lästrer?
JAGO.
Ich bin einer, Herr, der Euch zu melden kommt, dass Eure Tochter und der Mohr jetzt dabei sind, das Tier mit zwei Rücken zu machen.
BRABANTIO.
Du bist ein Schurke!
[12]JAGO.
Ihr seid – ein Senator.
BRABANTIO.
Du sollst dies büßen; ich kenne dich, Rodrigo.
RODRIGO.
Ich will für alles einstehn, doch ich bitt Euch,
Ist’s Euer Wunsch und wohlbedächt’ge Weisheit
(Wie’s fast mir scheint), dass Eure schöne Tochter
In dieser späten Stunde dumpfer Nacht
Wird ausgeliefert – besser nicht noch schlechter
Bewacht als durch ’nen feilen Gondolier –
Den rohen Küssen eines üpp’gen Mohren? –
Wenn Ihr das wisst und einverstanden seid,
So taten wir Euch groben, frechen Schimpf.
Doch wisst Ihr’s nicht, dann sagt mir Sitt’ und Anstand,
Ihr scheltet uns mit Unrecht. Nimmer glaubt,
Dass, allem Sinn für Höflichkeit entfremdet,
Ich so zum Scherz mit Eurer Würde spielte.
Eu’r Kind, wenn Ihr ihm nicht Erlaubnis gabt –
Ich sag’s noch einmal – hat sich schwer vergangen,
So Schönheit, Geist, Vermögen auszuliefern
Dem heimatlos unsteten Abenteurer
Von hier und überall. Gleich überzeugt Euch, Herr;
Ist sie im Schlafgemach, ja nur zu Hause,
Lasst auf mich los der Republik Gesetze,
Weil ich Euch so betrog.
BRABANTIO.
Schlagt Feuer! ho!
Gebt mir ’ne Kerze! – Weckt all meine Leute! –
Der Vorfall sieht nicht ungleich einem Traum:
[13]Der Glaube dran droht schon mich zu vernichten.
Licht, sag ich, Licht! – (Geht ab.)
JAGO.
Lebt wohl! ich muss Euch lassen,
Es scheint nicht gut, noch heilsam meiner Stelle,
Stellt man als Zeugen mich – und bleib ich, so geschieht’s –
Dem Mohren vor – denn unser Staat, ich weiß es,
Wenn ihn dies gleich etwas verdunkeln wird,
Kann ihn nicht fallen lassen – denn es fordert
So trift’ger Grund ihn für den Zypernkrieg,
Der jetzt bevorsteht, dass um keinen Preis
Ein andrer von der Fähigkeit sich fände
Als Führer dieses Zugs; in welcher Rücksicht,
Obgleich ich ihn wie Höllenqualen hasse,
Weil mich die gegenwärt’ge Lage zwingt,
Ich aufziehn muss der Liebe Flagg’ und Zeichen,
Freilich als Zeichen nur. Dass Ihr ihn sicher findet,
Führt jene Suchenden zum Schützen hin:
Dort werd ich bei ihm sein; und so lebt wohl!
(Jago geht ab. – Brabantio tritt auf mit Dienern und Fackeln.)
BRABANTIO.
Zu wahr nur ist dies Unglück! Sie ist fort,
Und was mir nachbleibt vom verhassten Leben,
Ist nichts als Bitterkeit. – Nun sag, Rodrigo,
Wo hast du sie gesehn? – Oh, töricht Kind! –
Der Mohr, sagst du? – Wer möchte Vater sein? –
Wie weißt du, dass sie’s war? – Oh, unerhört
[14]Betrogst du mich! Was sprach sie? – Holt noch Fackeln!
Ruft alle meine Vettern! Sind sie wohl
Vermählt, was glaubst du? –
RODRIGO.
Nun, ich glaube, ja.
BRABANTIO.
O Gott! Wie kam sie fort? O Blutsverrat! –
Väter, hinfort traut euern Töchtern nie
Nach äußerlichem Tun! Gibt’s keinen Zauber,
Der Jugend Unschuld und des Mädchentums
Zu tören? Last Ihr nie von solchen Dingen,
Rodrigo?
RODRIGO.
Ja, Signor, ich las es wohl.
BRABANTIO.
Ruft meinen Bruder. – Wär’ sie Euer doch!
Auf welche Art auch immer! Habt Ihr Kundschaft,
Wo wir sie finden mögen mit dem Mohren?
RODRIGO.
Ich hoff ihn auszuspähn, wenn’s Euch gefällt,
Mit tüchtiger Bedeckung mir zu folgen.
BRABANTIO.
Wohl, führt den Zug. Vor jedem Hause ruf ich;
Wenn’s gilt, kann ich befehlen. Waffen her!
Und holt ein paar Hauptleute von der Wache;
Voran, Rodrigo! Eure Müh’ vergelt ich.
(Sie gehen ab.)
Straße.
(Es treten auf Othello, Jago und Gefolge mit Fackeln.)
JAGO.
Im Kriegeshandwerk schlug ich manchen tot;
Doch halt ich’s für Gewissenssach’ und Sünde,
Mit Absicht morden; traun, mir fehlt’s an Bosheit,
Und oft zu meinem Schaden. Zwanzigmal
Dacht’ ich, ihm mit ’nem Rippenstoß zu dienen!
OTHELLO.
’s ist besser so.
JAGO.
Doch schwatzt’ er solches Zeug,
Und sprach so schnöd, und gegen Eure Ehre
So lästerlich,
Dass all mein bisschen Frömmigkeit mich kaum
Im Zügel hielt. Doch sagt mir, werter Herr,
Seid Ihr auch recht vermählt? Denn glaubt mir nur,
Gar sehr beliebt ist der Magnifico
Und hat was durchzusetzen kräft’ge Stimme,
Vollwichtig wie der Fürst. Er wird Euch scheiden,
Zum mindsten häuft er Hemmung und Verdruss,
Wie nur das Recht, durch seine Macht geschärft,
Ihm Spielraum gibt.
OTHELLO.
Er mag sein Ärgstes tun;
Der Dienst, den ich geleistet dem Senat,
Schreit seine Klage nieder. Kund soll werden
– Was, wenn mir kund, dass Prahlen Ehre bringt,
Ich offenbaren will –, dass ich entspross
[16]Aus königlichem Stamm, und mein Gestirn
Darf ohne Scheu so stolzes Glück ansprechen
Als dies, das ich erreicht. Denn wisse, Jago,
Liebt’ ich die holde Desdemona nicht,
Nie zwäng’ ich meinen sorglos freien Stand
In Band’ und Schranken ein, nicht um die Schätze
Der tiefen See. Doch sieh! Was dort für Lichter?
(Cassio kommt mit Gefolge.)
JAGO.
Der zorn’ge Vater ist es mit den Freunden –
Geht doch hinein!
OTHELLO.
Ich nicht! man soll mich finden.
Mein Stand und Rang und meine feste Seele,
Laut soll’n sie für mich zeugen! Sind es jene?
JAGO.
Beim Janus, nein! –
OTHELLO.
Des Herzogs Diener sind es und mein Leutnant. –
– Sei Euch die Nacht gedeihlich, meine Freunde!
Was gibt’s? –
CASSIO.
Der Herzog grüßt Euch, General,
Und fordert, dass Ihr schnell, blitzschnell erscheint
Im Augenblick.
OTHELLO.
Was, meint Ihr, ist im Werk? –
CASSIO.
Etwas aus Zypern, wenn ich recht vermute;
’s ist ein Geschäft von heißer Eil’: die Flotte
Verschickt’ ein Dutzend Boten nacheinander,
Noch diesen Abend, die gedrängt sich folgten.
Viel Herrn vom Rat, geweckt und schon versammelt,
[17]Sind jetzt beim Herzog; eifrig sucht man Euch,
Und da man Euch verfehlt in Eurer Wohnung,
Hat der Senat drei Haufen ausgesandt,
Euch zu erspähn.
OTHELLO.
’s ist gut, dass Ihr mich fandet.
Ein Wort nur lass ich hier zurück im Hause
Und folg Euch nach. (Geht ab.)
CASSIO.
Fähnrich, was schafft’ er hier? –
JAGO.
Nun, eine Landgaleere nahm er heut;
Er macht sein Glück, wenn’s gute Prise wird.
CASSIO.
Wie meint Ihr das? –
JAGO.
Er ist vermählt.
CASSIO.
Mit wem? –
(Othello kommt zurück.)
JAGO.
Ei nun, mit – – kommt Ihr, mein General? –
OTHELLO.
Ich bin bereit.
CASSIO.
Hier naht ein andrer Trupp, Euch aufzusuchen.
(Brabantio, Rodrigo und Bewaffnete treten auf.)
JAGO.
Es ist Brabantio – fasst Euch, General! –
Er sinnt auf Böses!
OTHELLO.
Holla! Stellt Euch hier! –
RODRIGO.
Signor, es ist der Mohr!
BRABANTIO.
Dieb! Schlagt ihn nieder! –
(Von beiden Seiten werden die Schwerter gezogen.)
JAGO.
Rodrigo, Ihr? Kommt, Herr! Ich bin für Euch.
OTHELLO.
Die blanken Schwerter fort! Sie möchten rosten. –
Das Alter hilft Euch besser, guter Herr,
Als Euer Degen.
[18]BRABANTIO.
O schnöder Dieb! Was ward aus meiner Tochter?
Du hast, verdammter Frevler, sie bezaubert;
Denn alles, was Vernunft hegt, will ich fragen,
Wenn nicht ein magisch Band sie hält gefangen,
Ob eine Jungfrau, zart und schön und glücklich,
So abhold der Vermählung, dass sie floh
Den reichen Jünglingsadel unsrer Stadt –
Ob sie, ein allgemein Gespött zu werden,
Häuslichem Glück entfloh an solches Unholds
Pechschwarze Brust, die Graun, nicht Lust erregt?
Die Welt soll richten, ob’s nicht sonnenklar,
Dass du mit Höllenkunst auf sie gewirkt,
Mit Gift und Trank verlockt ihr zartes Alter,
Den Sinn zu schwächen: – untersuchen soll man’s;
Denn glaubhaft ist’s, handgreiflich dem Gedanken.
Drum nehm ich dich in Haft und zeihe dich
Als einen Volksbetörer, einen Zaubrer,
Der unerlaubte, böse Künste treibt. –
Legt Hand an ihn, und setzt er sich zur Wehr,
Zwingt ihn, und gält’s sein Leben.
OTHELLO.
Steht zurück,
Ihr, die für mich Partei nehmt, und ihr andern! –
War Fechten meine Rolle, nun, die wusst’ ich
Auch ohne Stichwort. – Wohin soll ich folgen,
Und Eurer Klage stehn?
BRABANTIO.
In Haft; bis Zeit und Form
Im Lauf des graden Rechtsverhörs dich ruft
Zur Antwort.
OTHELLO.
Wie denn nun, wenn ich gehorchte? –
Wie käme das dem Herzog wohl erwünscht,
[19]Des Boten hier an meiner Seite stehn,
Mich wegen dringenden Geschäfts im Staat
Vor ihn zu führen?
GERICHTSDIENER.
So ist’s, ehrwürd’ger Herr,
Der Herzog sitzt zu Rat, und Euer Gnaden
Ward sicher auch bestellt.
BRABANTIO.
Im Rat der Herzog? –
Jetzt um die Mitternacht? – Führt ihn dahin;
Nicht schlecht ist mein Gesuch. Der Herzog selbst,
Und jeglicher von meinen Amtsgenossen,
Muss fühlen meine Kränkung wie sein eigen:
Denn lässt man solche Untat straflos schalten,
Wird Heid’ und Sklav’ bei uns als Herrscher walten.
(Sie gehen ab.)
Saal im Herzoglichen Palast.
(Der Herzog und die Senatoren an einer Tafel sitzend.)
HERZOG.
In diesen Briefen fehlt Zusammenhang,
Der sie beglaubigt.
ERSTER SENATOR.
Jawohl, sie weichen voneinander ab;
Mein Schreiben nennt mir hundertsechs Galeeren.
HERZOG.
Und meines hundertvierzig.
ZWEITER SENATOR.
Mein’s zweihundert.
Doch stimmt die Zahl auch nicht genau zusammen –
Wie insgemein, wenn sie Gerüchte melden,
[20]Der Inhalt abweicht –, doch erwähnen alle
Der türk’schen Flotte, die gen Zypern segelt.
HERZOG.
Gewiss, erwägen wir’s, so scheint es glaublich;
Ich will mich nicht im Irrtum sicher schätzen,
Vielmehr den Hauptartikel halt ich wahr,
Und Furcht ergreift mich.
MATROSE
(draußen). Hoh! hallo! hallo! –
(Ein Beamter tritt auf, dem ein Matrose folgt.)
BEAMTER.
Botschaft von den Galeeren!
HERZOG.
Nun? Was gibt’s? –
MATROSE.
Der Türken Kriegsbewegung geht auf Rhodus;
So ward mir Auftrag, dem Senat zu melden,
Vom Signor Angelo.
HERZOG.
Wie dünkt der Wechsel Euch? –
ERSTER SENATOR.
So kann’s nicht sein,
Nach keinem Grund und Fug; es ist ’ne Maske,
Den Blick uns fehlzuleiten. Denken wir,
Wie wichtig Zypern für den Türken sei,
Und wiederum, gestehn wir selber ein,
Dass, wie’s dem Türken mehr verlohnt als Rhodus,
Er auch mit leichterm Aufwand sich’s erobert,
Dieweil es nicht so kriegsgerüstet steht
Und aller Wehr und Festigkeit entbehrt,
Mit der sich Rhodus schirmt: wer dies erwägt,
Der wird den Türken nicht so töricht achten,
Das Nächstgelegne bis zuletzt zu sparen
Und, leichten Vorteil und Gewinn versäumend,
Nutzlos Gefahr zum Kampfe sich zu wecken.
HERZOG.