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Othello, der Mohr von Venedig (frühneuenglisch The Tragœdy of Othello, The Moore of Venice) ist eine Tragödie von William Shakespeare. Das Werk handelt vom dunkelhäutigen Feldherren Othello, der aus übertriebener und durch den Intriganten Iago beförderter Eifersucht seine geliebte Ehefrau Desdemona und daraufhin sich selbst tötet.
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Seitenzahl: 134
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William Shakespeare
Othello
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Othello
Erster Aufzug
Zweiter Aufzug
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug
Impressum neobooks
Venedig. Eine Straße.
Es treten auf Rodrigo und Jago.
RODRIGO.
Sag mir nur nichts, – denn damit kränkst du mich,
Daß, Jago, du, der meine Börse führte,
Als wär' sie dein –, die Sache schon gewußt.
JAGO.
Ihr hört ja nicht! –
Hab' ich mir je davon was träumen lassen,
Verabscheut mich!
RODRIGO.
Du hast mir stets gesagt, du hassest ihn!
JAGO.
Verachte mich, wenn's nicht so ist!
Drei Mächtige aus dieser Stadt, persönlich
Bemüht, zu seinem Leutnant mich zu machen,
Hofierten ihm: und, auf Soldatenwort,
Ich kenne meinen Preis –, das kommt mir zu.
Doch er, verliebt in seinen Stolz und Dünkel,
Weicht ihnen aus, mit Schwulst, weit hergeholt,
Den er staffiert mit grausen Kriegssentenzen,
Und, kurz und gut,
Schlägt's meinen Gönnern ab: denn »traun«, – so spricht er –
»Ernannt schon hab' ich meinen Offizier.«
Und wer ist dieser?
Seht mir! ein gar ausbünd'ger Rechenmeister,
Ein Michael Cassio, ein Florentiner,
Ein Wicht, zum schmucken Weibe fast versündigt,
Der niemals eine Schar ins Feld geführt,
Noch von der Heeresordnung mehr versteht
Als Jüngferchen; nur Büchertheorie,
Von der in seiner Toga wohl ein Ratsherr
So weislich spricht, als er – all seine Kriegskunst
Geschwätz, nicht Praxis –, der nun wird erwählt;
Und ich, von dem sein Auge Proben sah
Zu Rhodus, Cypern und auf anderm Boden,
Christlich und heidnisch, komm' um Wind und Flut
Durch solchen Rechenknecht, solch Einmaleins;
Der, wohl bekomm's ihm, muß sein Leutnant sein,
Und ich – Gott besser's! – seiner Mohrschaft Fähndrich.
RODRIGO.
Bei Gott! sein Henker würd' ich lieber sein! –
JAGO.
Da hilft nichts für; das ist der Fluch des Dienstes.
Beförd'rung geht Euch nach Empfehl' und Gunst,
Nicht nach eh'mal'gem Rang, wo jeder zweite
Den Platz des Vormanns erbt. Urteilt nun selbst,
Ob mich wohl irgend Recht und Dank verpflichtet,
Zu lieben diesen Mohren.
RODRIGO.
So dient' ich ihm auch nicht.
JAGO.
Oh, seid ganz ruhig!
Ich dien' ihm, um mir's einzubringen; ei, wir können
Nicht alle Herrn sein, nicht kann jeder Herr
Getreue Diener haben. Seht Ihr doch
So manchen pflicht'gen, kniegebeugten Schuft,
Der, ganz verliebt in seine Sklavenfessel,
Ausharrt, recht wie die Esel seines Herrn,
Ums Heu, und wird im Alter fortgejagt. –
Peitscht mir solch redlich Volk! Dann gibt es andre,
Die, ausstaffiert mit Blick und Form der Demut,
Ein Herz bewahren, das nur sich bedenkt;
Die nur Scheindienste liefern ihren Obern,
Durch sie gedeihn und, wann ihr Pelz gefüttert,
Sich selbst Gebieter sind. Die Burschen haben Witz,
Und dieser Zunft zu folgen ist mein Stolz.
Denn, Freund,
's ist so gewiß, als Ihr Rodrigo heißt,
Wär' ich der Mohr, nicht möcht' ich Jago sein.
Wenn ich ihm diene, dien' ich nur mir selbst;
Der Himmel weiß es! nicht aus Lieb' und Pflicht,
Nein, nur zum Schein, für meinen eignen Zweck:
Denn wenn mein äußres Tun je offenbart
Des Herzens angeborne Art und Neigung
In Haltung und Gebärde, dann alsbald
Will ich mein Herz an meinem Ärmel tragen
Als Fraß für Kräh'n. Ich bin nicht, was ich bin! –
RODRIGO.
Welch reiches Glück fällt dem Dickmäul'gen zu,
Wenn ihm der Streich gelingt! –
JAGO.
Ruft auf den Vater,
Hetzt den ihm nach; vergiftet seine Lust,
Schreit's durch die Stadt, macht ihre Vettern wild,
Und ob er unter mildem Himmel wohnt,
Plagt ihn mit Fliegen; ist die Freud' ihm Freude,
Versetzt sie dennoch ihm mit so viel Pein,
Daß sie etwas erbleiche!
RODRIGO.
Hier ist des Vaters Haus; ich ruf' ihn laut.
JAGO.
Das tut, mit gleichem Angstruf und Geheul,
Als wenn bei Nacht und Lässigkeit ein Feuer
Erspäht wird in volkreichen Städten.
RODRIGO.
Hallo, Brabantio! Signor Brabantio, ho! –
JAGO.
Erwacht; hallo! Brabantio! Diebe! Diebe! –
Nehmt Euer Haus in acht, Eu'r Kind, Eu'r Geld! –
He, Diebe! Diebe! –
Brabantio oben am Fenster.
BRABANTIO.
Was ist die Ursach' dieses wilden Lärms?
Was gibt es hier? –
RODRIGO.
Ist alles, was Euch angehört, im Hause?
JAGO.
Die Türen zu?
BRABANTIO.
Nun, warum fragt ihr das? –
JAGO.
Ihr seid beraubt, zum Teufel! Nehmt den Mantel!
Eu'r Herz zerbrach, halb Eure Seel' ist hin.
Jetzt, eben jetzt, bezwingt ein alter schwarzer
Schafbock Eu'r weißes Lämmchen. – Auf! heraus!
Weckt die schlaftrunknen Bürger mit der Glocke,
Sonst macht der Teufel Euch zum Großpapa.
Auf, sag' ich, auf! –
BRABANTIO.
Was! seid ihr bei Verstand?
RODRIGO.
Ehrwürd'ger Herr, kennt Ihr mich an der Stimme?
BRABANTIO.
Ich nicht! Wer bist du?
RODRIGO.
Rodrigo heiß' ich.
BRABANTIO.
Mir um so verhaßter!
Befohlen hab' ich dir, mein Haus zu meiden;
Ganz unverhohlen hörtest du mich sagen,
Mein Kind sei nicht für dich, – und nun, wie rasend,
Vom Mahle voll und törendem Getränk,
In böslich trotz'gem Übermute kommst du,
Mich in der Ruh' zu stören?
RODRIGO.
Herr, Herr, Herr!
BRABANTIO.
Doch, wissen sollst du dies:
Durch meine Kraft und Stellung hab' ich Macht,
Dir's zu vergällen.
RODRIGO.
Ruhig, werter Herr!
BRABANTIO.
Was sprichst du mir von Raub? Dies ist Venedig,
Mein Palast keine Scheune.
RODRIGO.
Sehr würd'ger Herr,
In arglos reiner Absicht komm' ich her.
JAGO. Wetter, Herr, Ihr seid einer von denen, die Gott nicht dienen wollen, wenn's ihnen der Teufel befiehlt. Weil wir kommen, Euch einen Dienst zu tun, denkt Ihr, wir sind Raufbolde? Ihr wollt einen Barberhengst über Eure Tochter kommen lassen; Ihr wollt Enkel, die Euch anwiehern, wollt Rennpferde zu Vettern und Zelter zu Neffen haben?
BRABANTIO. Wer bist du, frecher Läst'rer?
JAGO. Ich bin einer, Herr, der Euch zu melden kommt, daß Eure Tochter und der Mohr jetzt dabei sind, das Tier mit zwei Rücken zu machen.
BRABANTIO.
Du bist ein Schurke!
JAGO.
Ihr seid – ein Senator.
BRABANTIO.
Du sollst dies büßen; ich kenne dich, Rodrigo.
RODRIGO.
Ich will für alles einstehn, doch ich bitt' Euch,
Ist's Euer Wunsch und wohlbedächt'ge Weisheit
(Wie's fast mir scheint), daß Eure schöne Tochter
In dieser späten Stunde dumpfer Nacht
Wird ausgeliefert – besser nicht noch schlechter
Bewacht, als durch 'nen feilen Gondolier –
Den rohen Küssen eines üpp'gen Mohren? –
Wenn Ihr das wißt und einverstanden seid, –
So taten wir Euch groben, frechen Schimpf.
Doch wißt Ihr's nicht, dann sagt mir Sitt' und Anstand,
Ihr scheltet uns mit Unrecht. Nimmer glaubt,
Daß, allem Sinn für Höflichkeit entfremdet,
Ich so zum Scherz mit Eurer Würde spielte.
Eu'r Kind, wenn Ihr ihm nicht Erlaubnis gabt –
Ich sag's noch einmal –, hat sich schwer vergangen,
So Schönheit, Geist, Vermögen auszuliefern
Dem heimatlos unsteten Abenteurer
Von hier und überall. Gleich überzeugt Euch, Herr:
Ist sie im Schlafgemach, ja nur zu Hause,
Laßt auf mich los der Republik Gesetze,
Weil ich Euch so betrog!
BRABANTIO.
Schlagt Feuer! ho!
Gebt mir 'ne Kerze! – Weckt all meine Leute! –
Der Vorfall sieht nicht ungleich einem Traum:
Der Glaube dran droht schon mich zu vernichten.
Licht, sag' ich, Licht! –
Geht ab.
JAGO.
Lebt wohl! Ich muß Euch lassen,
Es scheint nicht gut, noch heilsam meiner Stelle,
Stellt man als Zeugen mich – und bleib' ich, so geschieht's –
Dem Mohren vor: – denn unser Staat, ich weiß es,
Wenn ihn dies gleich etwas verdunkeln wird,
Kann ihn nicht fallen lassen –; denn es fordert
So trift'ger Grund ihn für den Cyperkrieg,
Der jetzt bevorsteht, daß um keinen Preis
Ein andrer von der Fähigkeit sich fände,
Als Führer dieses Zugs; in welcher Rücksicht,
Obgleich ich ihn wie Höllenqualen hasse,
Weil mich die gegenwärt'ge Lage zwingt,
Ich aufziehn muß der Liebe Flagg' und Zeichen,
Freilich als Zeichen nur. Daß Ihr ihn sicher findet,
Führt jene Suchenden zum »Schützen« hin:
Dort werd' ich bei ihm sein; und so lebt wohl!
Jago geht ab.
Brabantio tritt auf mit Dienern und Fackeln.
BRABANTIO.
Zu wahr nur ist dies Unglück! Sie ist fort,
Und was mir nachbleibt vom verhaßten Leben,
Ist nichts als Bitterkeit. – Nun sag, Rodrigo,
Wo hast du sie gesehn? – Oh, töricht Kind! –
Der Mohr, sagst du! – Wer möchte Vater sein? –
Wie weißt du, daß sie's war? – Oh, unerhört
Betrogst du mich! Was sprach sie? – Holt noch Fackeln!
Ruft alle meine Vettern! – Sind sie wohl
Vermählt, was glaubst du? –
RODRIGO.
Nun, ich glaube, ja.
BRABANTIO.
O Gott! Wie kam sie fort? O Blutsverrat! –
Väter, hinfort traut euern Töchtern nie
Nach äußerlichem Tun! Gibt's keinen Zauber,
Der Jugend Unschuld und des Mädchentums
Zu tören? Last Ihr nie von solchen Dingen,
Rodrigo?
RODRIGO.
Ja, Signor, ich las es wohl.
BRABANTIO.
Ruft meinen Bruder! – Wär' sie Euer doch!
Auf welche Art auch immer! Habt Ihr Kundschaft,
Wo wir sie finden mögen mit dem Mohren?
RODRIGO.
Ich hoff' ihn auszuspähn, wenn's Euch gefällt,
Mit tüchtiger Bedeckung mir zu folgen.
BRABANTIO.
Wohl, führt den Zug! Vor jedem Hause ruf' ich;
Wenn's gilt, kann ich befehlen. Waffen her!
Und holt ein paar Hauptleute von der Wache!
Voran, Rodrigo! Eure Müh' vergelt' ich.
Sie gehen ab.
Straße.
Es treten auf Othello, Jago und Gefolge.
JAGO.
Im Kriegeshandwerk schlug ich manchen tot;
Doch halt' ich's für Gewissenssach' und Sünde,
Mit Absicht morden; traun, mir fehlt's an Bosheit,
Und oft zu meinem Schaden, Zwanzigmal
Dacht' ich, ihm mit 'nem Rippenstoß zu dienen!
OTHELLO.
's ist besser so.
JAGO.
Doch schwatzt' er solches Zeug,
Und sprach so schnöd', und gegen Eure Ehre
So lästerlich,
Daß all mein bißchen Frömmigkeit mich kaum
Im Zügel hielt. Doch sagt mir, werter Herr,
Seid Ihr auch recht vermählt? Denn glaubt mir nur,
Gar sehr beliebt ist der Magnifico,
Und hat was durchzusetzen kräft'ge Stimme,
Vollwichtig wie der Fürst. Er wird Euch scheiden,
Zum mind'sten häuft er Hemmung und Verdruß,
Wie nur das Recht, durch seine Macht geschärft,
Ihm Spielraum gibt.
OTHELLO.
Er mag sein Ärgstes tun:
Der Dienst, den ich geleistet dem Senat,
Schreit seine Klage nieder. Kund soll werden
– Was, wenn mir kund, daß Prahlen Ehre bringt,
Ich offenbaren will –, daß ich entsproß
Aus königlichem Stamm, und mein Gestirn
Darf ohne Scheu so stolzes Glück ansprechen
Als dies, das ich erreicht. Denn wisse, Jago,
Liebt' ich die holde Desdemona nicht,
Nie zwäng' ich meinen sorglos freien Stand
In Band' und Schranken ein, nicht um die Schätze
Der tiefen See. Doch sieh! Was dort für Lichter?
Cassio kommt mit Gefolge.
JAGO.
Der zorn'ge Vater ist es mit den Freunden –
Geht doch hinein!
OTHELLO.
Ich nicht! man soll mich finden:
Mein Stand und Rang und meine feste Seele,
Laut soll'n sie für mich zeugen! Sind es jene?
JAGO.
Beim Janus, nein! –
OTHELLO.
Des Herzogs Diener sind es und mein Leutnant. –
– Sei euch die Nacht gedeihlich, meine Freunde!
Was gibt's? –
CASSIO.
Der Herzog grüßt Euch, General,
Und fordert, daß Ihr schnell, blitzschnell erscheint
Im Augenblick.
OTHELLO.
Was, meint Ihr, ist im Werk? –
CASSIO.
Etwas aus Cypern, wenn ich recht vermute;
's ist ein Geschäft von heißer Eil': die Flotte
Verschickt' ein Dutzend Boten nach einander
Noch diesen Abend, die gedrängt sich folgten.
Viel Herrn vom Rat, geweckt und schon versammelt,
Sind jetzt beim Herzog; eifrig sucht man Euch,
Und da man Euch verfehlt in Eurer Wohnung,
Hat der Senat drei Haufen ausgesandt,
Euch zu erspähn.
OTHELLO.
's ist gut, daß Ihr mich fandet.
Ein Wort nur lass' ich hier zurück im Hause,
Und folg' Euch nach.
Geht ab
CASSIO.
Fähndrich, was schafft' er hier? –
JAGO.
Nun, eine Landgaleere nahm er heut:
Er macht sein Glück, wenn's gute Prise wird.
CASSIO.
Wie meint Ihr das? –
JAGO.
Er ist vermählt.
CASSIO.
Mit wem? –
Othello kommt zurück.
JAGO.
Ei nun, mit – kommt Ihr, mein General? –
OTHELLO.
Ich bin bereit.
CASSIO.
Hier naht ein andrer Trupp, Euch aufzusuchen.
Brabantio, Rodrigo und Bewaffnete treten auf.
JAGO.
Es ist Brabantio – faßt Euch, General! –
Er sinnt auf Böses!
OTHELLO.
Holla! Stellt Euch hier! –
RODRIGO.
Signor, es ist der Mohr!
BRABANTIO.
Dieb! Schlagt ihn nieder! –
Von beiden Seiten werden die Schwerter gezogen.
JAGO.
Rodrigo, Ihr? Kommt, Herr! Ich bin für Euch.
OTHELLO.
Die blanken Schwerter fort! Sie möchten rosten. –
Das Alter hilft Euch besser, guter Herr,
Als Euer Degen.
BRABANTIO.
O schnöder Dieb! Was ward aus meiner Tochter?
Du hast, verdammter Frevler, sie bezaubert;
Denn alles, was Vernunft hegt, will ich fragen,
Wenn nicht ein magisch Band sie hält gefangen,
Ob eine Jungfrau, zart und schön und glücklich,
So abhold der Vermählung, daß sie floh
Den reichen Jünglingsadel unsrer Stadt –
Ob sie, ein allgemein Gespött zu werden,
Häuslichem Glück entfloh an solches Unholds
Pechschwarze Brust, die Grau'n, nicht Lust erregt?
Die Welt soll richten, ob's nicht sonnenklar,
Daß du mit Höllenkunst auf sie gewirkt,
Mit Gift und Trank verlockt ihr zartes Alter,
Den Sinn zu schwächen: – untersuchen soll man's;
Denn glaubhaft ist's, handgreiflich dem Gedanken.
Drum nehm' ich dich in Haft und zeihe dich
Als einen Volksbetörer, einen Zaubrer,
Der unerlaubte, böse Künste treibt. –
Legt Hand an ihn, und setzt er sich zur Wehr,
Zwingt ihn, und gölt's sein Leben!
OTHELLO.
Steht zurück,
Ihr, die für mich Partei nehmt, und ihr andern! –
War Fechten meine Rolle, nun, die wußt' ich
Auch ohne Stichwort. – Wohin soll ich folgen
Und Eurer Klage stehn?
BRABANTIO.
In Haft; bis Zeit und Form
Im Lauf des graden Rechtsverhörs dich ruft
Zur Antwort.
OTHELLO.
Wie denn nun, wenn ich gehorchte? –
Wie käme das dem Herzog wohl erwünscht,
Des Boten hier an meiner Seite stehn,
Mich wegen dringenden Geschäfts im Staat
Vor ihn zu führen?
GERICHTSDIENER.
So ist's, ehrwürd'ger Herr:
Der Herzog sitzt zu Rat, und Euer Gnaden
Ward sicher auch bestellt.
BRABANTIO.
Im Rat der Herzog?
Jetzt um die Mitternacht? – Führt ihn dahin;
Nicht schlecht ist mein Gesuch. Der Herzog selbst,
Und jeglicher von meinen Amtsgenossen,
Muß fühlen meine Kränkung wie sein eigen:
Denn läßt man solche Untat straflos schalten,
Wird Heid' und Sklav' bei uns als Herrscher walten.
Sie gehen ab.
Saal im herzoglichen Palast.
Der Herzog und die Senatoren an einer Tafel sitzend.
HERZOG.
In diesen Briefen fehlt Zusammenhang,
Der sie beglaubigt.
ERSTER SENATOR.
Jawohl, sie weichen von einander ab;
Mein Schreiben nennt mir hundertsechs Galeeren.
HERZOG.
Und meines hundertvierzig.
ZWEITER SENATOR.
Meins, zweihundert.
Doch stimmt die Zahl auch nicht genau zusammen –
Wie insgemein, wenn sie Gerüchte melden,
Der Inhalt abweicht –, doch erwähnen alle
Der türk'schen Flotte, die gen Cypern segelt.
HERZOG.
Gewiß, erwägen wir's, so scheint es glaublich;
Ich will mich nicht im Irrtum sicher schätzen,
Vielmehr den Hauptartikel halt' ich wahr,
Und Furcht ergreift mich.
MATROSE draußen.
Ho! hallo! hallo! –
Ein Beamter tritt auf, dem ein Matrose folgt.
BEAMTER.
Botschaft von den Galeeren!
HERZOG.
Nun? Was gibt's?
MATROSE.
Der Türken Kriegsbewegung geht auf Rhodus;
So ward mir Auftrag, dem Senat zu melden,
Vom Signor Angelo.
HERZOG.
Wie dünkt der Wechsel euch? –
ERSTER SENATOR.
So kann's nicht sein,
Nach keinem Grund und Fug; es ist 'ne Maske,
Den Blick uns fehl zu leiten. Denken wir,
Wie wichtig Cypern für den Türken sei,
Und wiederum, gestehn wir selber ein,
Daß, wie's dem Türken mehr verlohnt als Rhodus,
Er auch mit leichterm Aufwand sich's erobert,
Dieweil es nicht so kriegsgerüstet steht
Und aller Wehr und Festigkeit entbehrt,
Mit der sich Rhodus schirmt: wer dies erwägt,
Der wird den Türken nicht so töricht achten,
Das Nächstgelegne bis zuletzt zu sparen
Und, leichten Vorteil und Gewinn versäumend,
Nutzlos Gefahr zum Kampfe sich zu wecken.
HERZOG.
Ja, seid gewiß, er denkt an Rhodus nicht.
BEAMTER.
Seht! Neue Botschaft!
Ein Bote tritt auf.
BOTE.
Die Ottomanen, weise, gnäd'ge Herrn,
In gradem Lauf zur Insel Rhodus steuernd,
Vereinten dort sich mit der Nebenflotte.
ERSTER SENATOR.
Nun ja, so dacht' ich mir's; – wie stark an Zahl?
BOTE.
An dreißig Segel; und jetzt wenden sie
Rücklaufend ihren Lauf, und ohne Hehl
Gilt ihre Absicht Cypern. Herr Montano,
Eu'r sehr getreuer und beherzter Diener,
Entbeut, mit seiner Pflicht, Euch diese Nachricht,
Und hofft, Ihr schenkt ihm Glauben.
HERZOG.
Nach Cypern dann gewiß. –
Marcus Lucchese, ist er in Venedig? –
ERSTER SENATOR.
Er reiste nach Florenz.
HERZOG.
Schreibt ihm von uns; schnell, windschnell komm' er; eilt!
ERSTER SENATOR.
Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr.
Brabantio, Othello, Jago, Rodrigo und Gerichtsdiener treten auf.
HERZOG.
Tapfrer Othello, Ihr müßt gleich ins Feld
Wider den allgemeinen Feind, den Türken. –
Zu Brabantio.
Ich sah Euch nicht; willkommen, edler Herr!
Uns fehlt' Eu'r Rat und Beistand diese Nacht.
BRABANTIO.
Und Eurer mir, mein güt'ger Fürst, verzeiht mir!
Nicht Amtsberuf noch Nachricht von Geschäften
Trieb mich vom Bett; nicht allgemeine Sorge