Perla - Christina Götte - E-Book

Perla E-Book

Christina Götte

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Beschreibung

Endlich ist es soweit! Ein Jahr nach dem ersten Bewusstseinskurs mit Pferden treffen sich die Frauen erneut auf Tanjas Reitanlage in Italien. Der Kurs damals hatte als ganz normaler Reiturlaub begonnen, doch dank der Umstände - insbesondere durch Elinor, ihres Zeichens Tierkommunikatorin und Schamanin - ein Eigenleben entwickelt. Nun sind die Erwartungen groß. Die Spannungen der Frauen treten schnell zutage, ist das zentrale Thema doch die Schattenarbeit. Außerdem sind dieses Mal drei junge Bloggerinnen mit von der Partie, die Tanja und deren beste Freundin Diana auf die Probe stellen. Gleichzeitig mit dem Beginn des Kurses kommt unerwartet früh ein Fohlen zur Welt. Die winzige Perla nimmt entscheidenden Einfluss auf das Geschehen...

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Der Roman

Endlich ist es soweit! Ein Jahr nach dem ersten Bewusstseinskurs mit Pferden treffen sich die Frauen erneut auf Tanjas Reitanlage in Italien. Der Kurs damals hatte als ganz normaler Reiturlaub begonnen, doch dank der Umstände - insbesondere durch die Teilnahme von Elinor, ihres Zeichens Tierkommunikatorin und Schamanin - ein Eigenleben entwickelt. Nun sind die Erwartungen groß. Die Spannungen der Frauen treten schnell zutage, ist das zentrale Thema doch die Schattenarbeit. Außerdem sind dieses Mal drei junge Bloggerinnen mit von der Partie, die Tanja und deren beste Freundin Diana auf die Probe stellen. Gleichzeitig kommt unerwartet früh ein Fohlen zur Welt. Die winzige Perla nimmt entscheidenden Einfluss auf das Geschehen…

Die Autorin

Im Mittelpunkt von Christina Göttes Leben stehen die Pferde. Die gebürtige Münchnerin verbrachte bereits als Kind ihre Zeit mit diesen wundervollen Geschöpfen, denen sie viel verdankt. Nach einer Ausbildung zur Bereiterin erfolgten Studium von BWL und Grafikdesign sowie die Prüfung zur Tierheilpraktikerin. Zahlreiche Weiterbildungen, u.a. in Tierkommunikation und Pferdegestützte Therapien, sind Bestandteil ihres Lebens. Kommunikation mit Pferd und Hund ist nach wie vor ein wichtiges Thema für die Autorin, die mit ihrer Familie in der Nähe der Nordsee wohnt.

Näheres unter www.pferde-kunst-chris.de

Für UlrikeGelebte Freundschaft über Jahre und Distanzen hinweg

Pferde besitzen die Fähigkeit, uns binnen Sekundenbruchteilen ins Hier und Jetzt zu katapultieren. Der einzige Augenblick wahren Lebens.

Inhaltsverzeichnis

Mitte Dezember - Montag

Zwei Wochen später - Freitag

Sonntag

Montag

Heiligabend - Dienstag

Freitag

Sylvester - Dienstag

Freitag

Dienstag

Anfang Februar - Sonntag

Samstag

Mitte Februar - Sonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Mitte Dezember - Montag

Zwei Frauen saßen gemütlich in einem beheizten Wintergarten am italienischen Meer. Die ersten beiden Kerzen flackerten auf einem liebevoll dekorierten Adventskranz, im Hintergrund war gedämpfte klassische Weihnachtsmusik zu hören. Fröhlichkeit und Gelächter erfüllten den Raum. Schließlich galt es, eine gerade erlebte Reise in die alte Heimat der beiden, nach Deutschland, ausführlichst wiederzugeben. Die bislang ausgelassene Stimmung begann sich allerdings gerade zu ändern.

"Nein! Ernsthaft? Das kann ich nicht glauben..." Dianas Unterkiefer klappte herunter, und sie starrte ihre beste Freundin Tanja fasziniert an, die vor wenigen Stunden von einer Reise nach Neumünster nebst anschließenden Besuchen im Norden Deutschlands zurückgekommen war und ihr nun Bericht erstattete.

Tanja strahlte übers ganze Gesicht und schob sich eine blonde Haarsträhne, die sich wieder einmal aus dem Pferdeschwanz geschummelt hatte, hinters Ohr. Sie war eine Frau Anfang vierzig, sportlich, und gerade von höchster Euphorie erfüllt. "Aber sicher! Wenn ich es dir doch sage!"

Bevor sie weitersprechen konnte, fiel ihr die etwa gleichaltrige, mit kastanienbraunen Locken versehene Diana jedoch erneut ins Wort. "Wie hast du das denn nur wieder geschafft? Ich meine, deinen Mann Max umzustimmen, das kann ich mir noch lebhaft vorstellen..."

"...bei deiner Fantasie als Künstlerin...", warf Tanja spöttisch ein.

"...aber dass du dir gleich wieder ein Pferd einverleibst..."

"Na, so ist das ja nun auch wieder nicht! Ich habe sie mir nicht einverleibt, sondern nur käuflich erworben! Tja, so ist das nunmal, wenn der Edelmann seine Herzenskönigin zum Trakehner Hengstmarkt ausführt. Mit Kollateralschäden ist da zu rechnen!" Sie grinste von einem Ohr zum anderen.

"Und da hast du diese Stute gesehen und warst - wie sagtest du so schön - schockverliebt?«

Diana blickte ihr Gegenüber geradezu hypnotisch an. Sie dachte gar nicht mehr darüber nach, den duftenden Espresso zu trinken, der in der Tasse auf dem Weg zu ihrem Mund auf unerklärliche Weise steckengeblieben war und nun irgendwo in der Luft verharrte.

Ihre Freundin prustete los.

Zum einen wegen des skurrilen Bildes, das sich ihr bot, zum anderen über die Überraschung, die sie da ausgelöst hatte. Warum eigentlich? Hatte Diana nicht schon bei ihrem ersten Erzählen über den geplanten Besuch in Neumünster zur Trakehner Körung, bei der die besten Junghengste der ostpreußischen Rasse zur Zucht zugelassen werden, orakelt, dass sich da eventuell ein neues vierbeiniges Familienmitglied auftun würde?

"Könnte man so sagen, ja. Eine traumhaft schöne Stute. Sie heißt übrigens Paloma und ist ein Dunkelfuchs. Viermal weiß gestiefelt, ganz gleichmäßig. Und ja, natürlich ist sie eine Elitestute!"

Erwartungsvoll blickte Diana sie an. "Na los, erklär schon, dir platzt doch schier das Fell! Ich habe keine Ahnung, wovon du da redest, du scheinst an dem Wochenende ein ganz neues Vokabular gelernt zu haben! Ist das ansteckend?!"

Tanja schüttelte kichernd den Kopf. "Nein, keine Angst! Natürlich ist das eine ganz andere Welt dort oben in Norddeutschland! Ich kann dir sagen, so viel Enthusiasmus in der Züchterschaft habe ich nicht für möglich gehalten! Das ist ein ganz eigener Schlag! So wie die Pferde halt auch… Also, dass auf dem Hengstmarkt nicht jede Stute angeboten wird, ist ja wohl klar. Da kommen nur die Edelsten der Edlen zusammen. Sorgsam aussortiert über das ganze Jahr. Paloma war erfolgreich auf Turnieren unterwegs, bis zur zweitschwersten Klasse in der Dressur, der Klasse M. Und sie erfüllt die anderen Voraussetzungen. Eine davon sind mindestens zwei Fohlen, die sie bereits zur Welt gebracht hat. Laut Züchterin übrigens Granaten..."

"Du willst mit ihr - züchten???" Dianas Augen wurden kugelrund. Jetzt setzte sie ihren Espresso, an den sie sich aus unerfindlichen Gründen wieder erinnert hatte, mit lautem Klirren auf der Untertasse ab.

Und das war auch gut so. Denn der nächste, nebensächlich hingeworfene Satz traf sie wie ein Stromschlag.

"Sie ist übrigens gerade tragend. Vom Hengst Grafenstolz. Sagt dir das was? Er hat als Sechsjähriger sowohl das Bundeschampionat als auch die Weltmeisterschaften der Vielseitigkeitspferde gewonnen. Und war Trakehner des Jahres 2016."

Diana schnappte nach Luft. "Du lässt aber auch gar nichts anbrennen, oder?", würgte sie nach einigen Augenblicken hervor. In ihre Augen trat ein überwältigter Glanz.

"Toll, oder? Ich freue mich schon riesig auf die beiden!"

"Puh! Dich darf man wirklich nicht alleine loslassen!"

"Ich war gar nicht allein! Max hat mich begleitet!", protestierte Tanja mit sanfter Stimme.

"Umso schlimmer... Ihr beiden seit echt eine unberechenbare... ach, was weiß denn ich! Wow! WOWOWOW!!! Ich glaub es nicht! Der Hammer! WAHNSINN!!!" Das letzte Wort kam ihr jubelnd über die Lippen und sie warf sich um den Hals von Tanja, die von der Wucht des Angriffs hintenüber ins Sofa gedrückt wurde.

"Hilfe?"

Diana lachte und lachte und lachte.

Schließlich wischte sie sich die Tränen von den Wangen, während sie sich zurück in eine aufrechte Position brachte.

Dabei stieß sie gegen den Tisch, der diese Bewegung unreflektiert an die noch volle Espressotasse weitergab.

Auch Tanja tauchte aus den Tiefen des Sofas wieder auf.

Eilige Schritte näherten sich.

Eine gewichtige Frau watschelte um die Ecke, blickte streng auf die beiden Freundinnen, kniff abschätzend ein Auge zusammen und bellte: "Wenn ich nicht genau wüsste, dass Diana hier ist, müsste ich schon wieder das Schlimmste befürchten!«

Tanja zog reflexartig den Kopf ein. Mit ihrer Angestellten verband sie ein Verhältnis, das sie selbst als - nun, zumindest nicht ganz einfach beschreiben würde. Vielleicht am ehesten als Zwangsadoption durch eine Drachenmutter. Gut bezahlt natürlich.

"Ach Marianna, alles ist gut! Ich war nur so überrascht von den Neuigkeiten, die mir Tanja erzählt hat, dass ich mit dem Knie ein wenig gegen den Tisch gestoßen bin..."

Diana deutete mit schuldbewusstem Blick auf den Espresso, der sich über Untertasse und Tisch ergossen hatte. Was sie jetzt gerade erst zur Kenntnis nahm. Mit leicht verschämten Grinsen schluckte sie trocken. »Oh…«

"Hmpf. Kein Grund für ein schlechtes Gewissen! Dafür bin ich schließlich da", grummelte die Haushälterin, während sie Tanja einen Blick zuwarf, als hätte diese das Verbrechen begangen und gehörte umgehend zur Rechenschaft gezogen. Doch schon kehrte sie um und eilte durch das Wohnzimmer in Richtung Küche, um Schwamm und Tuch zur Beseitigung des Malheurs zu holen.

Die Hausherrin zog die Nase kraus. "Ich weiß ja nicht... Wie machst du das eigentlich immer wieder? Ich hätte mir jetzt einen Satz heißer Ohren eingefangen - wenigstens verbal - und du? Ist mir ein Rätsel. Echt jetzt!«

Diana grinste und machte mit ihren Fingern eine Bewegung rund um ihren Kopf, um ihren Heiligenschein anzudeuten, den sie nun auch noch gestenreich mit beiden Händen imaginär polierte.

Tanja ließ das Thema fallen, lehnte sich zurück und räkelte sich genüsslich. Sie wusste, dass sie noch nicht ihr gesamtes Arsenal verballert hatte. Und freute sich schon diebisch auf den nächsten Zug.

Ihr Blick streifte erst die Freundin, dann die großzügige, überdachte Terrasse, auf der sie sich befanden, ging weiter über die gepflegt wirkende Rasenfläche und den winterlichen Garten, um schließlich auf dem aufgewühlt wirkenden Meer tief unter ihnen hängenzubleiben. Hier oben hatten sie von den heftigen Winden und eisigen Böen nichts zu befürchten; im späten Herbst wurden an den drei sonst offenen Seiten Glasschiebetüren eingesetzt, die sich beliebig schließen und verstellen ließen. Heute war nur ein kleiner Spalt geöffnet, denn die Winterstürme schickten ihre ersten Vorboten. Trotzdem waren sie hier an diesem Flecken Erde in Italien immer etwas verwöhnter als anderswo. Mochte es an den Bergen im Hintergrund liegen, die die wüstesten Angriffe des Wetters abhielten, oder am Meer, das hier besondere Strömungen aufwies, vielleicht auch die Kombination mit weiteren Faktoren - Tanja schätzte sich jedenfalls mehr als glücklich, nie ernsthaft kaltes Wetter befürchten zu müssen. Andererseits wurde es auch nicht so kochend heiß oder trocken wie anderswo. Perfekt für ihre Reitanlage, auf der sie eine kleine Pferdezucht betrieb und Reitkurse für deutschsprachiges Publikum anbot.

Sie war zufrieden. Rundherum. Und strahlte das auch aus.

"Wann kommt Paloma denn?", riss Diana sie nun aus ihren Gedanken.

»In knapp zwei Wochen. Rechtzeitig zum vierten Advent."

"Quasi dein Weihnachtsgeschenk! Wow, das hätte ich auch zu gerne!"

"Sicher? Du hast doch schon drei Pferde. Und nur eines davon reitest du - halbwegs ernsthaft."

»Ja! Siehst du! Ausreichend Möglichkeiten für ein Pferdebaby! Nur - mit Wallachen kann man halt nicht züchten..."

"Aber mit deiner Patsy. Da könntest du züchten…" Tanja blickte die Freundin lauernd an.

"Dann kann ich aber nicht mehr reiten!", kam es empört zurück.

"Kommt darauf an. Schwangerschaft ist ja keine Krankheit!

Ich werde Beauty jedenfalls bis zum Herbst voll reiten und dann runterschalten. Kein Galopp mehr. Nur noch leichtes Training. Schön ausreiten und bummeln halt..."

"Beauty?! Midnight Beauty??? Du willst deine Lieblingsstute decken lassen??!?" Diana sprang auf ihre Füße. "Ich fasse es nicht! Ich kann es einfach nicht glauben! Da haut’s mir ja den Vogel raus!"

Tanja atmete tief und zufrieden ein. Ein Glück, dass gerade keine volle Tasse mehr auf dem Tisch gestanden hatte. Der hatte nämlich gerade den nächsten heftigen Schubs kassiert.

»Jaaa… Neumünster halt... Die Trakehner..." In ihre Augen trat ein sehnsuchtsvoller Glanz.

Diana sank vor ihren Augen zu Boden, umklammerte Tanjas Knie und fragte: "Wer? Fotos???"

Tanja spitzte den Mund, grinste und angelte nach dem Handy. "Dalera. Du erinnerst dich an sie?"

»Dalera? - Ist das nicht…. ist das nicht… - NÄ! Das ist doch die Olympiasiegerin in der Dressur! - Also…« Diana stammelte, ihre Gesichtszüge waren völlig entglitten. Einen Augenblick lang dachte sie nach. Und würgte, nahezu sprachlos, hervor: »Du willst sie mit der Olympiasiegerin decken lassen? Mit einer Stute? Hä?!?«

»Nein! Wie denn auch? Manchmal bist du echt ein wenig begriffsstutzig! Selbst wenn du meine beste Freundin bist!"

Lachend schlug sie ihrer Freundin auf die Schulter.

Die war gerade viel zu aufgeregt - und im übrigen auch viel zu gutmütig -, um auf die kleine Spitze einzugehen. "Ach! Der Vater von Dalera! Wer ist das denn? Soviel muss ich als Freizeitreiterin nicht wissen..." Sie zuckte die Schultern und musterte die Fotos auf dem Handy.

"Das ist Easy Game. Ein brauner Hengst, der in den Niederlanden stationiert ist. Wurde 2021 zum Trakehner des Jahres ausgerufen. Ich habe mir ganz viele Videos von ihm angesehen, es war auch Nachzucht von ihm in Neumünster. Ein echtes Wow-Erlebnis!"

Diana musterte hingerissen die Bilder und Videos des Hengstes. Sie konnte sich hinsichtlich der Pläne ihrer Freundin nicht entscheiden zwischen Spott und Begeisterung. Schließlich entschloss sie sich für Ersteres. "Und du willst jetzt den nächsten Olympiasieger züchten! Mit Beauty! Na klar - das muss ja was werden!" Sie grinste von einem Ohr zum anderen, während sie auf die Kissen-Attacke der Freundin wartete.

Doch die blieb aus. Stattdessen lehnte sich Tanja weit nach vorne, zu Diana herunter, die ihre hockende Stellung noch nicht aufgegeben hatte.

"Sag mal - ernsthaft - wäre das nicht auch was für dich? Ich meine - für Patsy? Stell dir nur vor, wir beide trödeln gemeinsam auf unseren Stuten mit ihren dicken Bäuchen am Meer entlang..." Ihre Stimme gewann mit jedem Wort an Verzückung.

Diana blickte sie skeptisch an und richtete sich auf. In diesem Augenblick dröhnte der Boden, und Mariannas Ankunft warf - auf akustische Weise - ihre Schatten voraus.

"Solange wir keine dicken Bäuche vor uns hertragen...", murmelte sie, während sie sich anmutig auf die Couch gleiten ließ.

»So, die Damen, hier gibt es frischen Espresso. Zum Trinken!", trompetete Marianna, die sich nach dem Abstellen des Tabletts um die Lache des ersten Versuchs der Koffeinzufuhr kümmerte. Zur Freude der beiden Frauen befand sich auch ein kleiner Teller mit frisch gebackenen Weihnachtskeksen neben den Espresso-Tässchen. Kaum war Marianna verschwunden, ereilte die Plätzchen ein ähnliches Schicksal. Auf und dahin…

Mit vollem Mund mümmelte Diana: "Geht das denn so einfach? Ich meine, dass du Beauty decken lässt - klar. Aber musst du nicht auch in einen Verband eintreten? Und wo soll das sein?"

"Ich bin doch mit meinen zwei Zuchtstuten im Oldenburger Verband. Aber ich überlege ernsthaft, ob ich nicht mit Beauty in den Trakehner Verband gehen sollte. Du weißt doch, außer den reinen Trakehnern mit lupenreiner Abstammung sind dort auch Vollblüter zugelassen. Wegen Paloma und ihrem Fohlen bin ich ja mittlerweile ohnehin schon Mitglied.

Beauty ist Englisches Vollblut, hat erfolgreich Rennen bestritten und ist laut dem Zuchtleiter bestens geeignet, dort aufgenommen zu werden.«

Nach dem skeptischen Blick Dianas fügte sie rasch hinzu:

"Er hat Fotos und Videos von ihr gesehen. Und zur Fohleneintragung kommt er sowieso im Frühling. Da schaut er sich dann Beauty genauer an und trifft seine Entscheidung.«

"Na dann..."

"Patsy wäre nach seinen Worten übrigens auch bestens geeignet."

"Wie jetzt? Du hast dich schon mal für mich erkundigt?!"

»Klar! Wir sind schließlich Freundinnen. Da tut man schon mal was füreinander!"

»Mhm… Sehr selbstlos! Reine Menschenfreundlichkeit, ich verstehe..."

"Und? Was hältst du davon?" Mit großen Augen sah Tanja ihre beste Freundin an. Voller Erwartungen.

Doch die winkte ab. "Lass mal, da bin ich noch nicht. Vielleicht - und ich meine nur vielleicht! - überlege ich mir das wirklich mit dem Fohlen. Aber jetzt möchte ich viel lieber wissen, ob du mir endlich ein Foto von deiner Neuerwerbung zeigst!"

"Ah - ja! Natürlich! Wie konnte ich dir das nur so lange vorenthalten!" Schnell zückte Tanja erneut ihr Handy, scrollte ein wenig darauf herum und reichte es dann triumphierend weiter.

Diana blieb der Mund offen stehen. Sie schluckte. "Echt schick! Wow! Kann ich verstehen, dass du - dass ihr beide da schwach geworden seid! Und der Trab! Mann! Hoffentlich wird Beauty da nicht eifersüchtig!"

Tanja winkte ab. "Ach was! Ich reite sie ja zunächst ganz normal weiter. Die bekommt schon ihre Beschäftigung."

"Willst du Paloma denn auch reiten?"

"Jetzt erstmal nicht. Sie soll in Ruhe hier ankommen und sich eingewöhnen, und dann ist ja bald das Fohlen da. Vielleicht später. Eigentlich ist geplant, sie als Zuchtstute einzusetzen. Reitpferde haben wir hier eigentlich genug."

"Das stimmt. Nur - bei den Gangarten..." Diana deutete begeistert auf das Video, das jetzt lief. "Da wirst du aufpassen müssen, dass Stanis sich das Edeltier nicht unter den Nagel reißt!"

Tanja grinste. "Besser ist das. Daran habe ich noch gar nicht gedacht..."

"Apropos - ist er schon im Urlaub? Er wollte doch heim nach Polen."

"Erst Ende nächster Woche. Ab da haben wir ordentlich zu tun, wir zwei beide. Die Jungs sind dann auch auf dem Weg nach Hause. Aber zumindest haben wir genügend Aushilfen für die Stallarbeit. Wir müssen also nur die Pferde bewegen.

So wie immer - in Vierergruppen jeweils erst eine Stunde in die Führanlage, danach eine halbe Stunde in die Halle zum Laufenlassen. Reiten fällt vermutlich die nächsten achtzehn Tage aus. Dann kommt zumindest Stanis zurück und nimmt uns den größten Teil der Arbeit ab."

»Puh! Der übliche Weihnachtsstress also! Und ausgerechnet da kommt Paloma an."

"Ach. Wird schon schiefgehen! Bisher haben wir das jedes Jahr gut hinbekommen..."

Zwei Wochen später - Freitag

An einem klaren Dezemberfreitag zwei Wochen später verschwand ein kleiner Pferdetransporter in der Ferne. Palomas ehemalige Besitzerin samt Sohn hatten es sich nicht nehmen lassen, ihre Stute selbst in die neue Heimat zu überführen. Sie waren tief beeindruckt gewesen von der eleganten Reitanlage mit den zwei Hallen, die durch einen überdachten Säulengang miteinander verbunden waren. In die andere Richtung erstreckten sich die Stallungen, links jene für die Schulpferde, auf der rechten Seite an die große Reithalle anschließend die privaten Boxen. Hier war Paloma untergekommen, ganz hinten, wo zwei weitere Zuchtstuten in ihren geräumigen Boxen mit großzügigen Paddocks davor standen. Nach ein paar Quietschern mit der Nachbarin Magenta war schnell Ruhe eingekehrt, und Paloma schien äußerst zufrieden mit ihrer neuen Eckbox zu sein, die knietief mit Stroh eingestreut war. Auch das Heu war offensichtlich nach ihrem Geschmack, denn sie wandte sich ohne Umschweife dem Futter zu.

Tanja hatte die beiden Besucher noch über die Anlage geführt, ihnen die weitläufigen Koppeln hinter dem privaten Trakt Richtung Meer hin gezeigt sowie den Dressurplatz hinter dem Verbindungsgang, der malerisch zwischen den beiden Reithallen eingebettet lag und in wärmeren Monaten von Blumen gesäumt war. Doch die Pflanzkübel standen jetzt leer, ein eisiger Wind fegte über den Hof. Deswegen war Tanja mit ihren Besuchern auch nicht bis zum Springplatz mit der umlaufenden Rennbahn gegangen, sondern hatte ihnen diesen nur aus der Ferne gezeigt, zumal das Hindernismaterial zum Schutz vor dem Winterwetter ohnehin sorgsam in der Scheune untergebracht war.

Tanjas Angebot, im zur Anlage gehörenden und derzeit größtenteils leerstehenden Künstlerdorf zu übernachten, das der Unterbringung von Reitgästen diente sowie einige Angestellte beherbergte, hatten die Züchterin und ihr Sohn dankend abgelehnt. Zu weit war der Weg zurück nach Deutschland, zu wichtig ihr Erscheinen zu Hause. Außerdem drohte Schnee auf dem Rückweg über die Alpen. Also gab es noch einen Cappuccino zur Stärkung, eine Armada an Keksen und ein reichhaltiges Angebot an kalten italienischen Delikatessen für die Fahrt, von Marianna zubereitet und in einem Korb verpackt, und ab ging die Reise zurück nach Deutschland.

Tanja seufzte, während sie das Winken abbrach, und drehte sich entschlossen zu ihrem Ehemann Max um. Der war soeben aus dem privaten Stalltrakt nach draußen auf den Hof mit dem Brunnen, in dessen Mitte eine Bronzeskulptur von Stute mit Fohlen thronte, getreten. Er hatte sich schon etwas früher von den beiden Züchtern verabschiedet.

»Na, zufrieden?«, fragte der hochgewachsene, mittelblonde Mann mit den dunkelblauen Augen.

Ein weiterer Seufzer entfuhr Tanja. »Oh ja! Und wie! Danke, mein geliebter Mann!«

Sie trat dicht an Max heran, der sie eng an seinen athletischen Körper heranzog. Er verbarg sein Gesicht in ihren blonden Haaren.

»Hmmm. Da fällt mir ein - vielleicht sollte ich bei dem Wind doch besser eine Mütze aufsetzen?«

Sie hörte sein Auflachen, während er mit einer Hand in ihrer Mähne wuschelte. Sie versuchte gar nicht erst, sich zu wehren. Ihre Frisur war ohnehin schon verloren. Sozusagen vom Winde verweht. Stattdessen sog sie tief den vertrauten Duft ein und kuschelte sich eng an ihren Traummann. Der Mann, dem sie die Verwirklichung ihres Herzenswunsches verdankte. Eine Reitanlage am warmen Meer. Wundervolle Pferde, in einer wundervollen Landschaft, mit netten, herzlichen Menschen um sie herum. Was konnte sie sich nur mehr wünschen?

»So, genug gekuschelt, meine Süße! Ich fürchte, wir müssen uns um unsere Edeltiere kümmern, stimmt’s?«

Ein letztes wohliges Aufseufzen, dann machte sie sich aus den sich bereitwillig öffnenden Armen frei. Prompt erfasste sie ein eisiger Windstoß und schüttelte sie durch. Unschlüssig blickte Tanja in Richtung Privatstall.

»Ich glaube, ich hole mir schnell meine Mütze. Das wird mir nun doch zu kalt hier!«

»Mach das. Ich gehe schon zur kleinen Halle und bringe die ersten Pferde in die Boxen. Dann kannst du gleich zur Führanlage rüber und die Pferde von dort zur Halle bringen. Wie ich dich kenne, wirst du nämlich noch einen kurzen Boxenstopp bei Paloma einlegen, nicht wahr?«

Max zwinkerte seiner Frau zu, die anstandshalber kurz errötete und dann abdrehte. Schon wieder durchschaut… er kannte sie einfach viel zu gut! Natürlich war ihm klar, dass die Mütze nur als Vorwand diente, um dem Neuzugang nochmals eine Aufwartung zu machen. Andererseits - er war ja selbst gerade erst von Palomas Box zurückgekehrt. Tanja zuckte die Schultern, während sie durch das große Tor, das sie nur einen kleinen Spalt weit öffnete, in den Stall schlüpfte. Dort wurde sie - ausnahmsweise - mit einem Brummeln von ihrem Lieblingspferd Midnight Beauty begrüßt.

»Hey! Was ist denn mit dir los? Spüre ich da einen Anflug von Eifersucht? Ist doch gar nicht nötig, du bist und bleibst mein Herzenspferd!«

Sie strich Beauty durch die Mähne, ließ ihre Hand kurz auf deren Stirn verweilen und lehnte dann ihren Kopf gegen den der Rappstute. Lange ließ diese sie nicht gewähren, stattdessen begann sie, heftig zu nicken, um anschließend kräftig zu prusten. Tanja bekam demzufolge erst einen leichten Nasenstüber, dann den vollen Schauer aus den Nüstern ab. Natürlich.

»Ach Mädchen, das war wohl wieder nötig, nicht wahr? Ich hab doch schon geduscht! Und draußen ist es eisig.«

Ein Gedanke kam ihr und sie zwinkerte ihrer Stute zu. »Oder wolltest du mich markieren? Damit die Neue gleich weiß, wem ich gehöre?«

Bei dem vergnügten Ausdruck auf Beautys Gesicht begann Tanja zu lachen. »Du bist mir doch eine… So, jetzt muss ich mich aber sputen!«

Sie warf einen Blick auf die Uhr und setzte sich in Bewegung. Nicht ohne vorher Beauty noch ein Stückchen Möhre auf der flachen Hand hinzuhalten, das zufrieden angenommen wurde.

Hinten bei den Zuchtstuten angekommen, blieb Tanja zunächst in etwas Entfernung stehen, um Paloma zu beobachten. Ihr gefiel der wache, interessierte Blick in den Augen des edlen Pferdes. Auch, dass die Stute sich wohl zu fühlen schien und offen für ihre Nachbarinnen war. Allerdings schien sie Tanja gegenüber etwas zu fremdeln, als diese schließlich an ihre Boxentür herantrat. Aber das war ja nur verständlich - sie kannten sich noch überhaupt nicht.

Tanja öffnete die Tür und schlüpfte hindurch. Die Stute hörte auf, ihr Heu zu mahlen und betrachtete sie.

Lange Zeit standen sie so, bewegungslos, und sahen einander an. Tanja versuchte, ihr Denken abzuschalten und ins Gewahrsein zu kommen, ins Hier und Jetzt.

Tatsächlich, als ihre kreisenden Gedanken zur Ruhe kamen und sie innerlich still wurde, atmete die Stute hörbar aus. Es klang wie ein Seufzen. Paloma nahm das Kauen wieder auf, während sie den fremden Menschen nicht aus den Augen ließ. Und tatsächlich - wenige Augenblicke später machte die Stute von sich aus den ersten Schritt auf Tanja zu, winzig, angelegentlich nur, aber vorhanden. Ein Strahlen erschien auf dem Gesicht der Frau, und sie nickte Paloma zu.

»Danke. Und willkommen in deinem neuen Zuhause, Paloma! Wir werden alles dafür tun, dass es dir hier richtig gut geht, das verspreche ich dir!«

Ein weiterer Blick aus dunklen Augen traf sie, dann senkte die Stute ihren Kopf und wandte sich wieder ihrem Heu zu. Tanja verließ zufrieden die Box, die sie leise hinter sich schloss und lief die Stallgasse hinunter, um gemeinsam mit Max ihren Aufgaben nachzukommen. Sie war glücklich über den ersten Kontakt, den sie hier mit Paloma aufgebaut hatte.

Zeit.

Das war das wichtigste, soviel hatte sie bereits gelernt.

Zeit, einen Raum zu schaffen.

Zeit, dass das Pferd beschließen konnte, den ersten Schritt zu tun.

Zeit, um den anderen anzunehmen.

Beschwingt lief Tanja hinüber zur Führanlage, aus der sie die ersten zwei Pferde in Richtung kleiner Reithalle führte. Auf ihrem Weg über den Hof hörte sie im Inneren des Schulstalls Hufgeklapper, Max brachte also schon die nächsten Kandidaten zur Führanlage und würde dort die anderen zwei bereits fertigen Pferde für die freie Bewegung in der Reithalle einsammeln. Sie grinste. Ganz offensichtlich waren sie ein eingespieltes Team. Sozusagen Just-in-time-Produktion. Tatsächlich war die kleine Halle mit den Maßen von zwanzig mal vierzig Metern leer, und die beiden Schulpferde entfernten sich in die Mitte der Halle, um zunächst ein ausgiebiges Sandbad zu genießen. Mit einem Lächeln wandte sie sich Richtung Schulstall, brachte die nächsten beiden Pferde zur Führanlage und traf sich schließlich mit Max wieder an der Halle, um die Vierergruppe ein wenig zum Laufen zu animieren.

»Na, was sagt Paloma?« Max musterte seine Frau interessiert.

Tanja zuckte die Schultern. »Will sich Zeit lassen. Und die haben wir ja.«

Max nickte. »Willst du in den nächsten Tagen mit ihr ein intensiveres Kennenlernen machen? Hier in der Reithalle?«

»Hm. Ich glaube, sie soll erstmal ganz in Ruhe ankommen. Wenn sie soweit ist, wird sie es mir schon sagen. Bis dahin werden wir sie in die Routine hier bringen. Führanlage, Paddock, zunächst getrennt von den anderen, dann allmählich integrieren. Und wenn sie das alles locker mitmacht, kommt schon die Zeit.«

»Du wirst das richtig machen, so wie immer. Komm, dann lass uns mal die Bande hier ein wenig bewegen, damit sie nicht einfrieren.« Mit diesen Worten öffnete Max die Bahntür, ließ seine Frau ins Bahninnere treten, folgte ihr und schloss erstere hinter sich, während Tanja ihm bereits eine lange Gerte zum Treiben hinhielt.

Sonntag

»Schon wieder der vierte Advent. Und in zwei Tagen ist Heiligabend«, sinnierte Tanja am nächsten Tag, während sie wie hypnotisiert in das warme Licht der Flammen vom Adventskranz starrte. Sie saßen auf der beheizten Terrasse, ihrem Lieblingsort über alle Jahreszeiten hinweg.

Max musterte sie lächelnd. »Ja, die Zeit vergeht schon ganz schön schnell. Vor allem hier. Wir haben gerade aber auch genug zu tun!«

»Mmh. So ein Adventssonntag kann ganz schön kuschelig sein…« Sie lehnte sich an ihren Mann, ohne die Flammen aus den Augen zu lassen.

Es war Nachmittag, das Wetter hatte sich nicht verbessert, stattdessen hatte ein eisiger Nieselregen eingesetzt. Böen peitschten über das Land, das Meer unterhalb des Gartens war kaum zu sehen, und wenn, dann nur in Gischtformationen.

»Gut, dass wir uns diesen freien Nachmittag gönnen. Und so, wie ich unsere Pferde einschätze, sind sie glücklich, in ihren warmen, trockenen Boxen zu stehen und nicht draußen im Nasskalten. Da schickt man doch keinen Hund vor die Tür.«

Das schien das Stichwort für Mortimer zu sein, der ganz offensichtlich auch Kuscheleinheiten benötigte. Vorsichtig schob der Greyhound seine nasse Nase in Tanjas Hand, die auf ihrem Oberschenkel lag. Dafür musste er allerdings vorsichtig zwischen Sofa und Tisch robben, und dann, noch viel vorsichtiger, durch den engen Spalt nach oben drängen. Es gelang. Solange er nur seine Rute unter dem Tisch hielt. Tanja hielt die Luft an und warf einen alarmierten Blick zu Max hinüber. Der checkte die Gefahrenlage und nahm hastig den Adventskranz nach oben, um ihn dort in luftiger Höhe zu halten.

Mortimer schien zu grinsen. Zumindest trat ein gewisser Ausdruck in seine Augen, als er Anlauf nahm und sich durch den engen Spalt auf das Sofa wuchtete. Der Tisch erzitterte, die Rute fegte über den Tisch - und dann lag der Greyhound höchst zufrieden dort, wo er eigentlich schon die ganze Zeit über sein wollte. Und eigentlich nicht durfte. Verblüfft musterte Tanja erst ihren Hund, dann ihren Mann.

Und brach in Gelächter aus.

»Kuschelzeit! Wie ich schon sagte… Mortimer, das darfst du nicht! Und das weißt du auch! Ab mit dir!«

Sie versuchte, den Greyhound vom Sofa zu schieben. Keine Chance. Sie stöhnte, während Max in der Zwischenzeit aufgestanden war und immer noch den Adventskranz in den Händen hoch über dem Tisch jonglierte. Mittlerweile war ihr zweiter Hund, Charles, herangekommen. Doch er wusste, was sich gehörte, wartete brav am Eck des Tisches und ließ weder Mortimer noch Tanja aus dem Blick.

»Uff! Kann mir mal jemand erklären, wieso ein mittelgroßer Hund plötzlich das Gewicht eines ausgewachsenen Pferdes annehmen kann?«

Mortimer, dem allmählich die Kraft ausging, änderte seine Taktik. Vom schweren Gesteinsbrocken mutierte er zur hyperbeweglichen Schlange. Er entglitt Tanjas Händen stets von Neuem und grub sich schließlich hinter ihr an der rückwärtigen Lehne des Sofas ein. Tanja warf einen verzweifelten Blick zu Max, der schließlich den Adventskranz auf dem kleinen Beistelltisch abstellte und sich wieder setzte.

»Von mir brauchst du keine Hilfe erwarten«, kam es ungerührt von ihm, während er an seine Beine klopfte, um Charles zu sich zu holen.

Der kam der Aufforderung fröhlich nach, lief um den Tisch herum und schmiegte sich in die Hände seines Herrchens.

»Echt jetzt?« Tanja sah zweifelnd nach hinten, wo Mortimer sich mehr und mehr ausdehnte.

Als er jedoch begann, sie langsam und beständig nach vorne zu drücken, gab Tanja ihm doch einen mahnenden Klaps auf den Allerwertesten.

»Und jetzt ist Schluss, du Räuber! Du willst doch nicht ernsthaft testen, ob du auf dem Sofa und ich auf dem Teppich sitze, oder?«

Ein Blick aus treu aufgeschlagenen Hundeaugen ließ sie seufzen. Die Wahrheit konnte so grausam sein.

»Runter! Jetzt!«

Schwupps - war Mortimer vom Sofa verschwunden. Stattdessen setzte er sich brav und anständig vor Max, um dessen andere Hand zu beschlagnahmen. Der begann zu lachen.

Tanja schüttelte ihren Kopf. »Da siehst du mal - kaum werde ich streng, bestraft mich schon der Hund!«

»Er wollte nur spielen! Oder besser gesagt - dich austesten.

Hat ja ganz gut geklappt.«

»Hm.« Tanja warf einen zweifelnden Blick hinter sich auf das Sofa. Glücklicherweise waren dort deutlich weniger Hundehaare verteilt, als sie angenommen hatte. Sie würde sie nachher mit einer Fusselbürste wegnehmen, um den Ärger mit Marianna am nächsten Tag zu umgehen. Ächzend ließ sie sich hintenüber fallen.

Max scheuchte die Hunde wieder auf ihre Plätze zurück, um sich über Tanja zu beugen und sie sanft über die Wange zu streicheln. Sie schlug die Augen auf, blickte in die seinen und strahlte ihn aus ihrem tiefstem Inneren heraus an.

»Kuschelzeit?«, wisperte sie.

»Kuschelzeit«, raunte er und küsste sie mit zunehmender Leidenschaft.

Montag

Pünktlich um neun Uhr siebzehn schlug Diana am nächsten Morgen im Privatstall auf. Pünktlich im Sinne Dianas natürlich.

»Hey, guten Morgen, Tanja, na, ausgeschlafen?«

Die hob, erstaunt über die Frage, den Blick von ihrer Tasse. Ihr Arbeitstag hatte bereits um sieben Uhr mit der Bewegung der Schulpferde begonnen. Duftender Dampf stieg in die kühle Luft auf. Diana schnupperte und hielt mitten in der Bewegung inne.

»Gute Idee! Erstmal einen schönen Café Crema!« Flugs verschwand sie in der Sattelkammer, aus deren Tiefe nun fauchende Geräusche drangen. Beschwingt kehrte Diana kurz darauf mit einer Tasse des heißen Gebräus zurück, um sich neben der Freundin auf die Bank, seitlich durch eine halbhohe Mauer abgegrenzt zum Eingangsbereich, fallen zu lassen.

»Dir auch einen wunderschönen guten Morgen!«, antwortete Tanja, die sich eine widerspenstige Haarsträhne zurück unter die Mütze schob.Sie hatte das Treiben der Freundin grinsend verfolgt. Eigentlich wäre es schon eher ein Wunder gewesen, hätte Diana etwas anderes zuerst gemacht. ›So folgt halt jede ihren Routinen‹, sinnierte sie.

»Wie war dein Wochenende, erzähl!«

»Wunderschön! - Ist Paloma schon da?« Dianas Blick geisterte die Stallgasse entlang nach ganz hinten, gleichzeitig reckte und verdrehte sie den Hals.

›Au weia! Das gibt bestimmt einen steifen Hals. Oder einen blockierten Wirbel! Als ob sie dadurch nur den Hauch einer Chance hätte, die neue Stute zu sehen‹, dachte Tanja.

»Klar. Wollen wir gleich nach hinten gehen?« Sie ahnte, dass Diana zuerst ihrer Koffeinsucht frönen würde.

Prompt wurde sie auch von der Freundin wieder nach unten gezogen, als sie sich halb erhoben hatte. Diana winkte ab.

»Lass mich mal erst richtig wach werden! Paloma wird wohl eher nicht davonlaufen. Nehme ich stark an.« Wieder schweifte ihr Blick durch den Stall. »Ist übrigens übel kalt da draußen!«, fügte sie mit einem Nicken zum Stalltor hinzu.

»Ja. Winter halt. Aber glücklicherweise nur ganz kurz! Und im Gegensatz zu Deutschland auch erheblich milder. Und - zu Weihnachten darf das mal sein.«

Diana lachte. »Ja, allerdings. Das wünschen wir uns doch auch! Ein paar Tage Schnee und Frost, alles hübsch weiß und weihnachtlich. Die Wahrheit sieht allerdings meist anders aus.«

»Jetzt erzähl schon von deinem Trip nach Rom. Was hast du gemacht?«

»Das war mega! Weihnachtsshopping in der Hauptstadt kann aber auch sehr anstrengend sein! All die Menschenmassen…« Sie verdrehte die Augen.

Tanja lachte. »Vollkommen unvorhersehbar!«, spöttelte sie.

»Musste einfach sein«, zuckte Diana ihre Achseln. »Die Stimmung war einfach toll! Inspirierend! Und dann die fantastische Ausstellung im Casa di Goethe Museum! Dort läuft gerade eine Retrospektive von Max Pfeiffer Watenphul, einem ehemaligen Bauhaus-Künstler. Er hat fantastische Fotos geschossen, und geniale Bilder gemalt. Außerdem kann man dort noch Werke von Otto Dix und Oskar Schlemmer, dem Gründer des Bauhauses, sehen. Solltest du dir auch noch gönnen!«

Die Angesprochene neigte zweifelnd den Kopf. »Mh. Mal sehen. Wie lange läuft die Ausstellung denn noch?«

»Bis zum zehnten März. Zeit wäre also noch. Ich könnte dich ja begleiten…« Diana hielt den Kopf schief, hoffend, ihrer Freundin einen kulturellen Kick versetzen zu können. Doch sie spürte schon, dass das mal wieder eher nichts werden würde.

»Das sehen wir dann«, hielt sich Tanja denn auch vage zurück. »Mit wem warst du denn in Rom?«

»Mit Giovanni. Erst haben wir Freitag Abend die Bars unsicher gemacht, dann am nächsten Tag bis tief in den Mittag hinein geschlafen, und dann ging die große Jagd nach Geschenken los. Abends sind wir in einem mega Club gelandet, und - tatsächlich - auch irgendwann wieder im Hotel. Tja, und am nächsten Nachmittag eben die Kunstausstellung. Die mich übrigens tief beeindruckt hat.« Sie warf einen lauernden Blick auf Tanja.

Die zuckte nochmals die Schultern. »Ja. Nun. Hast du denn alle Geschenke bekommen? Und was hast du für mich gefunden?« Ein breites Strahlen erschien auf ihrem Gesicht.

Diana schüttelte grinsend den Kopf. »So funktioniert das nicht, meine Liebe! Heiligabend ist erst morgen. Abend! Keine Angst, ich bringe das Paket rechtzeitig zu Marianna. Dann kannst du auch nicht daran herumtasten und fühlen, was darin verborgen sein könnte. Nicht, dass du so etwas machen würdest…« Sie kicherte.

Tanjas Augenbrauen schossen hoch. Mit dem Ausdruck vollkommenster Unschuld blickte sie ihre Freundin an. »Sowas traust du mir also zu? Das lässt ja tief blicken!«

Ein Zwinkern traf sie. »Alles schon erlebt… Denk doch nur an deinen Geburtstag vor zwei Jahren. Da saßen wir auf der Terrasse, und irgendwie hattest du ein Päckchen von Max - in dessen Abwesenheit! - in die Hände bekommen. Du hast getastet, gerochen, geschüttelt - und ich habe mich geschämt. Und wie! Ausgewachsener Fremdscham! Schließlich hat dir Marianna, die zufällig gerade hereinkam, das Päckchen weggenommen. Kein Wunder, dass sie gefaucht hat wie ein Drache!«

Tanja wurde über und über rot. »Ach das…«, versuchte sie wenig erfolgreich abzuwiegeln. »Ich hatte doch nur Angst, dass da etwas Verderbliches drin sein könnte! Nicht, dass ich da was übersehen würde!«

»Nein, nein, schon klar. Nicht, dass du da was übersehen würdest…« Diana verschluckte sich fast vor Lachen und stellte schnell die Tasse, die mittlerweile glücklicherweise fast leer war, zur Seite. »Oder, als du beim letzten Bewusstseinskurs in der Schulsattelkammer zufällig über die bereitgelegten Abschiedsgeschenke gestolpert bist…«

»Also, dass die Teilnehmerinnen die Geschenke so mittig drapieren statt sie zu verbergen, da kann ich ja nun am allerwenigsten für!«, fiel Tanja hastig ein.

»Mhmh. Niemals nimmer nicht!« Ein ausgesprochen zweifelnder Gesichtsausdruck war auf Dianas Gesicht erschienen.

Bevor sie weiterreden konnte, sprang Tanja auf und zog Diana auf die Beine. »Los, komm, die Kaffeezeit ist vorbei! Du musst dir unbedingt Paloma ansehen!«

Diana folgte vor sich hingiggelnd der Freundin. Doch vor der Box der neuen Stute, die erfreut über den Besuch den Kopf über die Tür geschoben hatte, blieb sie still und aufmerksam stehen.

»Ooh… was für eine edle Schönheit! Du bist ja noch viel schöner als auf den Fotos!« Überrascht drehte sich Diana zu Tanja um. »Wahnsinn! Ganz ehrlich - ich kann dich verstehen! Auch wenn ich nicht den Geldbeutel dafür hätte. Wow! Wowowow!«

Tanja blieb im Hintergrund und errötete leicht vor Freude. Es war ihr wichtig, dass auch die Freundin von der Dunkelfuchsstute überzeugt war.

»Und? Hast du schon was mit ihr gemacht?«

»Nein. Sie dreht mit den anderen ihre Runden in der Führanlage und kommt bei passendem Wetter - also heute zum ersten Mal - mit aufs große Paddock. Ich möchte ihr die Zeit lassen, die sie braucht.«

Diana nickte verstehend. »Klingt gut. Aber ansonsten ist sie doch sehr menschenbezogen und zugewandt?«

»Auf jeden Fall. Doch ich merke, dass da - sagen wir einfach, sie ist höflich. Gut erzogen. Aber für eine tiefgründige Beziehung fehlt noch die Basis. Verstehst du, was ich meine?« Tanja suchte nach Worten für ihre Empfindungen.

Diana verstand sie glücklicherweise auch so und nickte. »Willst du mit ihr eine Art Join-up machen?«

»Nein. Dafür ist sie bereits viel zu sehr mit Menschen vertraut. Aber das, was wir damals in unserem ersten Bewusstseinskurs gemacht haben, das Freilaufen und später dann das Tanzen, das würde ich sehr gerne mit ihr durchspielen.« »Heute?«

Tanja schüttelte heftig den Kopf. »Definitiv nicht! Erstens haben wir heute noch wahrhaft genug zu tun.« Sie warf hektisch einen Blick auf die Uhr. In fünf Minuten war Pferdewechsel in der Führanlage und damit in der Halle angesagt.

»Und zweitens?«, wollte Diana wissen.

Die Angesprochene zögerte leicht. Mit leiser Stimme sagte sie: »Ich möchte auf ein Zeichen warten. Ein Zeichen von ihr, dass sie mit mir kommunizieren möchte, verstehst du?« Tanja schlug ihre bislang gesenkten Augenlider halb auf und beobachtete die Freundin von unten her.

Die nickte verstehend, während sie Paloma sachte streichelte. »Ja. Ja, ich ahne, was du meinst.« Ein letztes Streicheln der edlen Konturen der Stute, dann wandte sie sich dynamisch zu ihrer Freundin um.

»Und ich sehe - anhand der Stalluhr - ein klares Zeichen dafür, dass wir beiden Hübschen uns jetzt an die Arbeit machen müssen. Auf geht’s! Bis später, Paloma!« Schon zog sie Tanja stürmisch in Richtung Stalltür, nur um kurz darauf noch bei Beauty zu stoppen, die fordernd ihren Kopf in die Stallgasse streckte. Die Stute musste unbedingt klarmachen, bei wem hier die Prioritäten lagen. Lachend bekam sie ihre Streicheleinheiten von beiden Seiten, dann liefen die Frauen hinaus in die Kälte.

»Wo treibt sich Max denn herum?«, wollte Diana auf dem Weg zur kleinen Reithalle wissen.

Mit der Freundin an der Seite lief die Umbelegung von Führanlage und Halle stets anders ab als mit Max. Alles immer gemeinsam, dafür musste eine der beiden kurz alle vier Pferde halten, während die andere am Tauschen war.

»Der hat heute seinen letzten Tag vor den Weihnachtsferien im Büro. Es werden die letzten Buchungen für Kunden ausgeführt, die allerletzten Gespräche und guten Wünsche mit wichtigen Klienten ausgetauscht, und wenn das alles vorbei ist, feiert er mit seinen Angestellten ein wenig Weihnachten.«

»Es könnte also spät werden«, schloss Diana aus diesen Worten, während sie durch das Hallentor schlüpfte, zwei Stricke in der Hand.

»Bestimmt. Macht aber nichts, du vertrittst ihn ja heute würdig! Zumindest hier im Stall!«, lachte Tanja. Auch sie hatte zwei Stricke in der Hand, die sie bereits in die Halfter der Pferde, die sich um sie versammelt hatten, einklickte. »Was machst du übrigens heute Abend?«

»Hm. Bin schon mit Gasparo verabredet. Nachholbedarf…« Sie meinte den Halbbruder von Giovanni, mit dem sie ebenfalls eine Beziehung hatte. Unbeschreiblich, unglaublich - aber trotz allem eine harmonische Dreierbeziehung, deren Geheimnis Diana niemals nimmer nicht und unter gar keinen Umständen lüften würde.

»Pffh… Dem kann ich nichts entgegensetzen. Vermutlich könnten dich nicht mal Mariannas leckerste Plätzchen davon abbringen.« Sie warf einen verstohlenen Blick zu ihrer