Tanjas Pferde - Christina Götte - E-Book

Tanjas Pferde E-Book

Christina Götte

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Beschreibung

Als auf Tanjas Reitanlage an der italienischen Küste eine neue Gruppe pferdebegeisterter Frauen zu einem Reiturlaub ankommt, ahnt sie noch nicht, dass sich vieles von Grund auf ändern wird. Ursache dafür ist Elinor, eine quirlige Frau, die Menschen tief ins Herz blicken und mit Tieren kommunizieren kann. Sie überzeugt selbst die Skeptikerinnen der Gruppe, an einer Zusammenkunft bei Vollmond auf der Koppel im Beisein der Pferde teilzunehmen. Danach ist nichts mehr so, wie es einmal war...

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DER ROMAN

Als auf Tanjas Reitanlage an der italienischen Küste eine neue Gruppe pferdebegeisterter Frauen zu einem Reiturlaub ankommt, ahnt sie noch nicht, dass sich vieles von Grund auf ändern wird. Ursache dafür ist Elinor, eine quirlige Frau, die Menschen tief ins Herz blicken und mit Tieren kommunizieren kann. Sie überzeugt selbst die Skeptikerinnen der Gruppe, an einer Zusammenkunft bei Vollmond auf der Koppel im Beisein der Pferde teilzunehmen. Danach ist nichts mehr so, wie es einmal war…

DIE AUTORIN

Im Mittelpunkt von Christina Göttes Leben stehen die Pferde. Die gebürtige Münchnerin verbrachte bereits als Kind ihre Zeit mit diesen wundervollen Geschöpfen, denen sie viel verdankt. Nach einer Ausbildung zur Bereiterin erfolgte die Prüfung zur Tierheilpraktikerin. Weiterbildungen in Tierkommunikation und Pferdegestützte Therapien waren Bestandteil ihres Lebens. Die Kommunikation mit Pferd und Hund ist nach wie vor ein zentrales Thema für die Autorin, die mit ihrer Familie in der Nähe der Nordsee wohnt.

Für Nicoletta

und alle meine vierbeinigen Freunde und Lehrer

Inhaltsverzeichnis

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

MONTAG

Alles begann mit einem Muskelkrampf. Oder besser gesagt mit zweien. Ein Schrei, das automatische Strecken des geschundenen Beines und alles flog. Die Katze, die auf dem Tisch gedöst hatte, die Tasse heißen Tees - natürlich frisch bis zum Rand gefüllt -, das Honigbrötchen und in hohem Bogen hintendrein die neuen Manuskripte, an denen Tanja gerade gearbeitet hatte. Ach ja, und der Tisch natürlich, an den das Bein in voller Wucht gestoßen war. Fluchend griff sie an die Quelle des Schmerzes, während im nächsten Augenblick ihr zweites Bein offensichtlich in einem völligen Eigenleben zuckend den Blumentopf auf der anderen Seite traf.

Als die Krämpfe nachließen, besah sie sich die Bescherung: eine zornige Katze zog mit gesträubtem Fell von dannen, die Blätter des Manuskriptes schwammen im Tee, geziert von den Resten der Tasse und gekrönt von dem tropfenden Honigbrötchen. Dort hinein ragten von der anderen Seite Erdkrumen, Blätter und Blüten. Ausgerechnet ihr Lieblingshibiskus! Pfirsichfarben mit rotem Blütenboden war er bisher immer zufrieden mit der kargen Pflege, die Tanja ihm angedeihen ließ. Trotzdem prunkte er mit einer üppigen Pracht an Blüten, die sie immer wieder staunend zum Innehalten brachte. Und jetzt dies…

Schneller, als sie erwartet hatte, wurde die nun herrschende Stille von eilig herantrabenden Schritten unterbrochen. Durch die Terrassentür schob sich die mächtige Gestalt von Marianna, ihrer älteren und bereits grauhaarigen Haushälterin, deren Figur deutlich an die italienische Mamma erinnerte.

»Dio mio, was haben Sie denn da angestellt? Ist das wieder eine Ihrer vielen Launen? Ich hab doch wohl genug hier zu tun!«

Naja, ganz ehrerbietig war dies wohl nicht. Aber Tanja wusste, welch gute Seele in dem zugegebenermaßen manchmal recht rauem Kern steckte. Jetzt gerade fühlte sie sich wie ein Kind, das von der Mutter ausgescholten wird. Reumütig senkte sie den Kopf, dann erinnerte sie sich plötzlich wieder daran, dass eigentlich sie die Chefin war. Trotzig streckte sie ihre Nase vor.

»Sie sollten Mitleid mit mir haben! Meine Beine... au, hat das weh getan. Mein schöner Hibiskus! Oh nein, die ganze Arbeit mit den Manuskripten. Alles futsch. Nur wegen der blöden Krämpfe.«

Mitleidlos blickte Marianna sie an. »Aha, und wir haben wirklich brav wie besprochen alle Magnesium-Tabletten gegessen, ja?«

»Äh...« Ein unwillkürlicher schuldbewusster Blick zur Anrichte hinter sich ließ sich vor den Augen der gestrengen Haushälterin nicht verbergen. Diese eilte schnurstracks zu der Dose mit den Schüssler-Salzen, die sie vor drei Tagen aus der Stadt mitgebracht hatte.

»Noch nicht einmal geöffnet... Das hätte ich mir ja wohl sparen können«, murmelte sie gedankenverloren vor sich hin. »Also gut, Signora, ab sofort lege ich Ihnen die Tabletten auf Ihren Teller. Und wehe...!« Der Rest der Drohung versank in vielsagendem Schweigen. Die dunkel blitzenden Augen sprachen Bände.

Tanja hatte den Kopf eingezogen und bemitleidete sich erst einmal selbst. Und den Hibiskus. Schade um das Brötchen. Vor allem um die Manuskripte - da wurde ihr endlich klar, dass dies eine erhebliche Mehrarbeit für sie bedeutete. Sie sprang auf, mitten in die Teepfütze hinein, und fischte die Zettel heraus. Mit einem Blick erkannte sie, was sie schon befürchtet hatte: Tinte und Wasser hatten sich auf den Blättern vereint und ließen von all ihrer Arbeit nichts mehr erkennen.

»Oh nein, das darf doch wohl nicht wahr sein! Wie spät ist es denn? Ich muss alles nochmal schreiben! Die beiden Gruppen kommen schon um zehn Uhr! Ich wollte doch vorher noch mit Beauty ausreiten gehen.«

»Also, erstens hätten Sie nur das Magnesium nehmen brauchen. Wenn Sie dauernd Probleme mit Muskelkrämpfen haben, dann müssen Sie an der Ursache arbeiten. Muskeln brauchen nun einmal Magnesium. Aber helfen können die besten Medikamente nur dann, wenn man sie auch regelmäßig nimmt. Und wenn man gesund werden möchte. Ansonsten kann auch Jesus nicht helfen, Sie wissen ja,...«

Bevor Marianna beginnen konnte, wieder ihren reichen Fundus an Bibelstellen zu zitieren, unterbrach Tanja sie hastig. Ein Bibelmorgen hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt. Allerdings hatte Marianna mit dem Einnehmen der Tabletten auch irgendwie recht. In Zukunft würde sie brav alles nehmen, was ihr die Haushälterin, die auch die Züge einer wettergegerbten Hexe trug, auf den Teller legte. Allerdings - wenn sie an den grässlichen Wermuttee dachte, der erst vor einigen Tagen zu einer ähnlichen Kontroverse geführt hatte, musste sie den guten Vorsatz doch noch einmal überdenken. Ok, vielleicht fast alles. Etwas Ähnliches sagte sie Marianna auch nun.

»Sie wissen doch, wie sehr ich Ihre Hilfestellung schätze. Aber manchmal bin ich so in Gedanken, dass ich diese Sachen einfach vergesse. Das ist gar nicht böse gemeint. Vielleicht gehen mir gerade zu viele andere Dinge im Kopf herum. Sie wissen genau, dass ich Ihnen vertraue. Und Sie haben schon so viel Gutes für mich getan. Aber jetzt muss ich dringend die Manuskripte noch einmal schreiben. Wenn Sie nun vielleicht schnell das Chaos hier beseitigen könnten, wäre mir wirklich geholfen! Ich gehe alles noch einmal durch.«

»Sehen Sie es positiv: Vielleicht haben Sie eine Kleinigkeit übersehen und können nun ein viel besseres Konzept erstellen. Außerdem - das wollte ich vorhin noch sagen - sollten Sie endlich den schönen Laptop benutzen, der in Ihrem Arbeitszimmer so dekorativ vor sich hinsteht. Ihr Mann hatte schon seine Gedanken, warum er Ihnen dieses Luxusgerät geschenkt hat.«

Ja klar, das war mal wieder typisch. Das Schlimme daran war, dass Marianna auch noch recht hatte. Es lag nur an Tanjas Faulheit, die mit Ausreden gut gesegnet war, dass sie immer noch nicht mit dem edlen silbergrauen Mac arbeitete. ›Ab heute Abend‹, nahm sie sich fest vor. ›Ich lasse mich heute Abend nach der letzten Gruppe noch vor dem Essen - wer weiß, was uns später wieder einfällt - von Max in dieses System von Apple einführen. So schlimm wird es schon nicht sein. Jedenfalls nicht schlimmer als dieses Chaos. Wenn ich allerdings statt der Blätter den Computer auf dem Tisch stehen gehabt hätte, wäre der Schaden nur noch größer gewesen. Also alles gar nicht so schlimm.‹

Mit einem tiefen Seufzer ging Tanja zur Anrichte an der Wand und entnahm ihr einen frischen Stapel blütenweißes Papier. Auf den Füller verzichtete sie dieses Mal, er war auch noch ziemlich nass. Stattdessen schrieb sie nun mit einem Kugelschreiber in schwungvollen Linien ein neues Konzept für die Gruppe an Reitschülern, die sie in gut zwei Stunden erwartete.

Die Frauen waren gestern bereits zum ersten Mal auf den Pferden gesessen, und Tanja hatte sie entsprechenden Abteilungen zugeordnet. Wie immer war es eine ausgewogene Mischung verschiedenster Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Vorwissen. Da waren die Einsteiger, die außer dem Traum vom Reiten auf einem herrlichen Pferd noch gar nichts an Kenntnissen mitbrachten, ebenso wie die oft stressgeplagten, ehrgeizigen Turnierreiter sowie Leute, die mit Pferden einen entspannten Urlaub am warmen Meer verbringen wollten.

Ein letztes Mal ließ Tanja einen gedankenverlorenen Blick über die Terrasse und den grünen Rasen davor zum flirrenden Meer hinuntergleiten. Im Hintergrund hörte sie Marianna wie von Ferne über das von ihr angerichtete Chaos schimpfen und den Hibiskus bemitleiden.

Tatsächlich bekam sie aber nichts mehr davon mit. Es war, als würde sie von ihren kreativen Gedanken an einen anderen Ort getragen. So bekam das erste Papier in Minutenschnelle einen umfassenden Plan für die erste Gruppe aufgetragen, dem weitere folgten. Dazwischen schob sie das frische, von ihrer Haushälterin grummelnd bereitgestellte Honigbrötchen in den Mund. Vielleicht hatte Marianna Recht gehabt; einige neue Einfälle ersetzten und ergänzten die bisherigen Ideen. Zufrieden rieb sich Tanja die Hände. Der Einstieg in diesen Tag war zwar recht chaotisch gewesen, hatte sich aber letzten Endes bezahlt gemacht.

Nun nichts wie los in den Stall! Die Reithosen waren wie eine zweite Haut; immer trug sie sie, so auch heute. Um nicht nochmals Schelte von der vermutlich mittlerweile in der Küche hantierenden Marianna zu riskieren, schlich sich Tanja leise ins Wohnzimmer, durch den breiten Flur bis in den Garderobenraum und zog sich dort die Stiefel an. Von hier ging ein Nebeneingang seitlich vom Haus in den Garten, direkt Richtung Reitanlage.

Aufatmend zog sie die Tür leise hinter sich zu. Die beiden Hunde Charles und Mortimer, zwei herrliche Greyhounds, sprangen nun fröhlich um sie herum. So lange hatten sie nun schon darauf gewartet, dass ihr Frauchen mit ihnen in den Stall hinüberging. Natürlich hätten sie auch mühelos das Holztürchen, das am Ende des Weges den Garten von der mit großen Platanen gesäumten Allee trennte, überspringen können, doch die lange und geduldige Erziehung hatte ihnen dies abgewöhnt. Stolz streichelte Tanja den Rüden im Gehen die seidigen Köpfe.

Während sie auf den mit Rinde bestreuten Weg der Allee trat, atmete sie tief den würzigen Duft ein, der vom Boden aufstieg. Eine gute Idee, den Sandweg mit Holz zu bestreuen. Er federte herrlich und hielt die Feuchtigkeit, auch wenn es später im Sommer außen herum allmählich trocken wurde.

Als sie aus dem Schatten der Allee herauskam, hatte sie die weiträumig angelegte Reitanlage vor sich liegen. Links der große Stall für die Schulpferde mit großzügigen Paddocks, in der Mitte der Brunnen mit Stute und Fohlen aus Bronze, dahinter die aus malerischen Bögen bestehende Verbindung von Schulstall und den beiden Reithallen. Rechts der private Trakt, ebenfalls Paddockboxen, mit der Führanlage im Hintergrund, in der bereits die ersten vier Pferde ihre Runden drehten.

Einige Pferdeköpfe schoben sich nun neugierig aus den Boxen des Privatstalles. Ein Schimmel, ein Fuchs, kein Rappe. Typisch, immer eine Extra-Einladung für die Dame.

»Beauty«, zirpte Tanja. Freundliches Grummeln der anderen Pferde. Kein Rappe. »Beauty, Beauty!«

Weiterhin kein Rappe. Na gut. Seufzend gab Tanja den anderen Pferden ein liebevolles Guten Morgen, mit einer Karotte natürlich. Dann stieg sie durch die Paddockabgrenzung und ging in die Box, in der sie nun höchst erfreut von ihrer Pferdedame begrüßt wurde. Kein Wort über das Fehlen auf dem Auslauf. Warum auch, wenn die Stute sie nun so bemüht begrüßte?

»Na Majestät, gut geruht? Was hältst Du von einem kurzen, knackigen Ausritt am Meer entlang? Noch ist Ebbe, da liegt der Strand schön trocken, nur für uns beide.«

Beauty interessierte sich augenscheinlich mehr für den Inhalt von Tanjas Taschen. Während sie ihrer edlen Stute liebevoll durch die Mähne fuhr, machte sich Beauty mit gespitzter Oberlippe an ihrer Weste zu schaffen. Blitzschnell hatte sie einige Karotten nebst Zuckerstückchen aus der Tasche zutage gefördert, die in die tiefe Einstreu fielen. Bevor Tanja einschreiten konnte, hatte sich Beauty bereits eiligst die Leckereien einverleibt. Tanja seufzte ein weiteres Mal. Allmählich war sie schon gespannt, was heute noch so alles auf sie zukommen würde. Aber jetzt erstmal einen groben Schnellputz über das samtene Fell ihrer Lieblingsstute, eilends satteln und auftrensen, in Begleitung der freudig jaulenden und um sie herum springenden Hunde in den Hof zum Aufsteigen an der Brunnenmauer. Und dann - frei!

Mit durchhängenden Zügeln ließ Tanja die Vollblutstute nach links Richtung Meer in die Allee abbiegen. Dort war es noch ziemlich frisch, und Beauty quittierte dies augenblicklich mit einigen übermütigen Schreckenssprüngen vor höchst lebendig anmutenden Schatten. Aber sie ließ sich sofort immer wieder einfangen und beruhigen, das Übliche eben. Die Hunde waren weit voraus und Tanja hatte auch kein Bedürfnis, sie ständig zu kontrollieren. Den Gedanken nachhängen konnte sie mit einem solch lebhaften Pferd unter sich allerdings auch nicht. So genoss sie das Raunen des Windes in den Zweigen mit dem hellen Frühlingsgrün über sich, und den Duft der erwachenden Natur.

Gelöst und eins mit ihrer Stute traf sie unten am Meer ein, nachdem sie sich schon lange vor der Abzweigung für den linken Strand, an dem man Ewigkeiten galoppieren konnte, entschieden hatte. Bevor sie allerdings die Zügel aufnehmen konnte, hatte Beauty bereits den Vorteil genutzt und sprang begeistert, natürlich ohne jegliche Aufforderung abzuwarten, in den Galopp. Mit riesigen Sätzen jagte sie auf die heranbrechenden Wellen zu und stob dann mit fliegender Mähne und wehendem Schweif in einem immer höher werdenden Tempo die Küste dicht am Meer entlang. Sand und Wasser schaufelten nach allen Seiten, und Tanja ließ sich von der Lebensfreude ihrer Stute anstecken. Mit einem lauten Jauchzer warf sie die Zügel auf den Hals, und streckte jubelnd die Arme gen Himmel. Nach einiger Zeit ermüdete Beauty, fiel in den Trab, schließlich in den Schritt, und ließ sich gerne zum Heimkehren überreden.

Statt am Strand zurückzureiten, nahmen sie nun den Weg landeinwärts und kehrten weit hinter den ausgedehnten Koppeln, die noch taunass in der Morgensonne glänzten, zur Anlage zurück. Die Hunde hatten sie mittlerweile wieder eingeholt, mit hechelnden Zungen trabten sie voraus. Dann und wann sprangen sie im Zickzack einer Maus hinterher, ohne jedoch großes Jagdglück zu haben.

Beautys dampfendes Fell hüllte Tanja in eine Wolke aus Glückseligkeit und Pferdegeruch. Ihr Geruch. Ihr Leben. Zeit für Gedanken. Für tiefe Dankbarkeit der Allmacht gegenüber. Wie immer man es auch betiteln wollte. Jedenfalls genoss Tanja diese intensive Zweisamkeit mit Beauty so bewusst wie selten zuvor.

In der Ferne sah sie die Dächer der beiden Reithallen glänzen. Rechts daneben zog sich hinter einer weiten Ebene ein Gebirgszug mit blau schimmernden, schneebekränzten Gipfeln dahin. Dankbar krallte sich ihre rechte Hand in die Mähne ihrer Stute.

›Und niemand kann mir nehmen dies Geschenk, das mir der Himmel ließ.‹

Erinnerungen überrannten sie nun. Wie sehr sie dieses Land liebte. Vor vier Jahren hatte sie es noch nicht einmal gekannt. Da gab es nur diesen Traum von einer Reitanlage am warmen Meer. Alles weitere war vage. Reitunterricht? Für wen? Italienisch sprach sie zwar passabel, aber nicht gut genug für den Unterricht - dafür war sie zu perfektionistisch. Verkaufspferde? Wer sollte bei ihr Pferde kaufen, in einem fremden Land, wenn es in Deutschland ebenso gute gab? Und die Turniere hier waren nicht vergleichbar. Verleihpferde für Touristen? Undenkbar, die geliebten Wesen fremden Menschen anzuvertrauen! Was aber dann?

Dann kam erst einmal Max. Max, der große weltgewandte Unternehmer, den sie zufällig während eines Urlaubs in Südamerika kennenlernte. Der Flug hatte auf der Rückreise eine Verspätung, die Verspätung stellte sich als längerfristige Panne mit Bedarf an Ersatzteilen heraus, die erst aus Europa eingeflogen werden mussten, und die Fluggäste wurden in ein schönes Hotel nahe der chilenischen Küste verfrachtet.

Als Tanja an der Rezeption eingebucht hatte, wollte sie seitwärts den Schalter verlassen. Da stand aber schon jemand. Autsch! Hastig entschuldigte sie sich bei dem Mann, dessen Fuß ihr Absatz gerade durchlöchert hatte. Beinahe wäre sie auch noch gestolpert, aber der Arm des Fremden konnte sie stützen. Was für Augen! Und dieses Lächeln. Naja, etwas arrogant und schmerzverzerrt, aber trotzdem. Süß! Nur weg hier, das hatte ihr gerade noch gefehlt. Ein Flirt am letzten Tag, genau genommen in der Abflugphase. Das konnte ja nicht gutgehen. Flüchtig nickte sie ihm zu, dann schritt sie erhaben davon. Ein bisschen mit den Hüften ausholen konnte trotzdem nicht schaden, oder? Etwas außer Atem - weshalb nur? - kam sie in ihrem Zimmer an.

Nachdem sie sich für die Nacht eingerichtet hatte, warf sie einen Blick auf die Uhr, dann in den Spiegel. Dann in ihre Kosmetiktasche. Etwas nachlegen war doch angemessen. Nur nicht zu dick auftragen! Und das kurze dunkelblaue Kleid mit dem verführerischen Ausschnitt, dazu die neu erstandenen Schuhe. Vielleicht, ja vielleicht sah er sie beim Abendessen. Oder danach in der Bar. Auf einen Drink. Oder zwei.

Es wurden wenigstens vier. Irgendwann hatte sie aufgehört zu zählen.

Kaum schloss sie die Zimmertür hinter sich, stand er schon vor ihr. Zwei Türen weiter war er untergebracht. Ganz Kavalier begleitete er sie zum Speisesaal - sie hätte so schnell nicht hingefunden, Hunger hin oder her. Und das, obwohl sie ihm bereits ein zweites Mal auf den Fuß gestiegen war, als sie elegant einer der Putzfrauen ausweichen wollte, die gerade einen Trolley den Gang hinunterschob. Hm, mit elegant klappte es heute wohl nicht so ganz. Glücklicherweise war es dieses Mal der andere Fuß. Dummerweise waren es höhere und damit spitzere Absätze.

Tapfer über die Schmerzen hinweg lächelnd stellte er - durchaus treffend - fest: »Scheint, als ob Sie auf mich stehen. Ich heiße übrigens Max. Jetzt würde ich doch zu gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe?«

»Tanja. Tanja Beckert. Es tut mir wirklich von Herzen leid. Das mit Ihren Füßen meine ich. Aber vielleicht stellen Sie sich ja auch absichtlich in meinen Weg und wollen von mir auf die Füße getreten werden?« Provokativ schüttelte sie sich die blonde Mähne aus dem leicht errötenden Gesicht in den Nacken.

Er grinste. Was für ein Mund! Und er wusste sicher, wie er auf Frauen wirkte! Ganz kühl bleiben. Sachlich fragte sie ihn, ob er den Weg zum Speisesaal kenne. »Ich habe unten im Foyer ein Hinweisschild gesehen. Lassen Sie uns doch gemeinsam gehen. Oder haben Sie schon eine Verabredung?«

Himmel, was sollte sie darauf antworten? Dass sie seit Jahren darauf hoffte, eine derartig männlich-markante Offenbarung kennenzulernen? Lieber nicht. Oder doch. »Ich wollte schon immer mal mit einem Mann wie Ihnen in einem unbekannten Hotel an einem ungeplanten Abend Essen gehen. Voraussetzung dafür ist eine hohe Schmerzgrenze. Die scheinen Sie ja zu haben. Also gehen wir!« Damit drehte sie sich um und er starrte ihr kurz verblüfft hinterher.

Mit wenigen Schritten hatte er sie eingeholt. »Habe ich Ihnen eigentlich etwas getan? Oder sind Sie immer so - mh - heftig?«

Ja, er hatte. Dunkelblaue Augen, mittelblonde Haare, ein Grübchen über dem formschönen Mund, ein fast athletischer Körperbau und zu allem Überfluss noch geschmackvolle Kleidung, die ein gehöriges Maß an Geld vermuten ließ. Kurz - eigentlich außer Reichweite. Aber - hier und jetzt - eigentlich auch in ihrer Hand. Warum also nicht?

»Ich habe Hunger. Und wenn das eine gewisse Zeit anhält, neige ich zu leichter Aggressivität. Das hat nichts mit Ihnen zu tun. Kommen Sie, lassen Sie uns schon gehen!« Charmant strahlte sie ihn an. Leichtfüßig und wieder unter vorsichtigem Einsatz ihrer Hüften lief sie den Gang hinunter. Menschenskinder, er machte sie wirklich verlegen bis zum Rand der Unhöflichkeit. Wie konnte er dies nur erreichen? Höchste Vorsicht war da geboten!

»Tanja. Tanja? Das Foyer liegt in dieser Richtung. In Ihrer Richtung geht es nur auf einen Hinterhof, in dem Mülltonnen stehen.«

Mist. Da konnte sie nach ihren Ausführungen über die fatale Wirkung von Hunger auf ihre Psyche wohl kaum mit dem Pfadfinder-Argument kommen, die Hotelanlage mal aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Schon wieder leichtes Erröten. Wurde das heute Abend zum Dauerzustand? Sie wollte ihn doch beeindrucken!...

»Woher wissen Sie das? Haben Sie sich etwa schon verlaufen?«

»Nein, ich war mal bei den Pfadfindern, und sehe mir gerne alles unter verschiedenen Blickwinkeln an.«

? Moment mal?

Er fasste sie ganz gentlemanlike, wie sie es nur aus Filmen kannte, unter ihren Ellbogen und dirigierte sie auf sanfte Weise Richtung Foyer.

»Wie war das mit den Pfadfindern? Ich meine, ich wollte Ihnen gerade eine nahezu gleiche Antwort geben.« Sie begann zu lachen, er sah sie an und stimmte mit ein.

»Das ist nicht Ihr Ernst, oder? Ich hatte gedacht, ich könnte Sie mit einer tapferen Kindheit beeindrucken, und Sie haben das selbst erlebt? Bei welchen Pfadfindern waren Sie denn?«

Das Verhältnis zwischen den beiden begann sich durch das gemeinsame Lachen und die nun folgende Unterhaltung deutlich zu entspannen. Beim Essen, durchaus gute Qualität in staunenswerter Menge, sprachen sie zwanglos über Tanjas Beruf in der städtischen Sparkasse, die vielen Geschäftsreisen von Max als Selbständigen, Vorlieben zu Musik, Literatur, Architektur, Kunst, was sie an ihren Freunden schätzten, über Erlebnisse in der Kindheit und mit jedem Satz schien sich das gegenseitige Mitteilungsbedürfnis und auch die Freude am Zuhören der Geschichten des anderen zu erhöhen. Also folgte zwangsweise die Fortsetzung des Austausches in der Bar am sternenbeschienenen Meer. Wie romantisch! Die Bäume wiegten sich knisternd im frischen Wind, die Wellen rollten träge am Strand aus und irgendwann berührte Max wie zufällig ihren Arm. Er beugte sich zu ihr und...

Ein unerwarteter Sprung zur Seite ließ Tanja blitzschnell und unerwartet wieder in die Gegenwart zurückkommen. Fast, ja fast hätte Beauty es dieses Mal geschafft, sie aus dem Sattel zu katapultieren. Fluchend schossen ihre Hände die Zügel entlang, um die übermütige Stute etwas unsanft wieder durchzuparieren und auf den rechten Weg zurückzuführen.

Oh, sie waren doch schon ganz schön weit gekommen, während sich Tanja in wunderbaren Erinnerungen verloren hatte! Direkt vor ihnen befand sich die weiße Umzäunung der sandigen Rennbahn, die den weitläufigen Springplatz mit dem leuchtend grünen Rasen umgrenzte. Die bunten Hindernisse mit den abwechslungsreichen Fangständern glänzten noch mit Tau. Wieder ein liebevoller Blick Tanjas. Alles, was sie sich erträumt und woran sie geglaubt hatte, war nun Wirklichkeit geworden. Wäre sie nicht unter Zeitdruck gestanden, sie hätte der Versuchung nicht widerstehen können, noch über ein paar Hindernisse zu setzen. So aber wendete sie seufzend den Blick von dieser Versuchung ab, mit dem leisen Hintergedanken, vor dem Essen doch lieber zu reiten statt den Umgang mit dem neuen Computer zu lernen...

Nun ritten sie an dem frisch planierten großen Dressurviereck vorbei, das zwischen den beiden Reithallen lag. Stanis, der polnische Bereiter, kam gerade mit einem jungen Pferd auf den Platz. Mit großen Augen musterte der braune Wallach die Blumenkästen, die hinter der weißen Abgrenzung standen.

»Guten Morgen, Stanis, na, ist das Kerlchen heute das erste Mal hier draußen?«

»Hallo Tanja, ja, es wird mal Zeit, dass er was anderes sieht. Deine ersten Leute sind schon da. Im Schulstall. Wann fangt ihr an?«

»Wie üblich am ersten Montag um zehn. Aber wir sind heute mit den beiden Gruppen vormittags nur auf den Weiden. Am Nachmittag wird es dann ernster. Da brauche ich wieder deine Hilfe. Zwischen drei und fünf Uhr. Peter und Erik sollen sich auch bereithalten. Also, bis später. Viel Spaß euch beiden!«

Mit diesen Worten ritt Tanja durch die Bogenreihen, die die überdachte Verbindung zwischen den Reithallen darstellten. Kaum war sie auf der Rückseite des Brunnens angelangt, kam tatsächlich auch schon die erste der neuen Schülerinnen auf den Hof spaziert.

»Guten Morgen, wie schön, Sie zu sehen! Ist das Ihr eigenes Reitpferd? Eine echte lackschwarze Schönheit! Ist das ein Bub oder ein Mädchen?«

»Hallo Elinor, das ist Beauty. Um genau zu sein: Midnight Beauty. Sie ist eine Stute. Ihre Eltern sind Rennen gelaufen, deshalb ist sie auch ziemlich temperamentvoll. Ich bringe sie nur schnell in den Stall und versorge sie. Wieviel Zeit habe ich denn noch?« Ein schneller Blick auf die Armbanduhr ließ sie die Frage selbst beantworten. »Noch zwölf Minuten, das wird knapp. Aber keine Angst, ich bin rechtzeitig da, und wir treffen uns hier am Brunnen.«

Vor dem Stall angelangt, sprang sie elegant aus dem Sattel und zog Beauty eilends hinter sich her. Schnell absatteln, die Gamaschen herunterziehen, der Stute die Beine abspritzen, in die Box und Trense abnehmen, dann alles aufräumen und eine Schippe Hafer als Dankeschön für den herrlichen Ritt. Puh, trotzdem war es den Aufwand wert gewesen!

Genau auf die Minute kam Tanja am Treffpunkt an. Dort warteten bereits die beiden Gruppen auf die gemeinsamen eineinhalb Stunden auf der Weide. Sechs Frauen zwischen 25 und 45 Jahren, dazu zwei Mädchen im Alter von 16 Jahren.

»Hallo allerseits und guten Morgen! Ich hoffe, euch geht es allen gut und ihr habt gestern Abend nicht allzu sehr den süffigen Landwein genossen!«

Von allen Seiten antworteten die Teilnehmerinnen, einige zeigten grinsend auf Elinor und Samantha, die beiden ältesten der Truppe. Aha. Das passierte meistens... Warum immer die Ältesten? Waren sie bereits so frustriert von sich und ihrem Leben, oder mussten sie sich selbst beweisen?

Na, egal, jetzt gingen sie erst einmal außen am Privatstall vorbei und dann den Wiesenweg zwischen den Koppeln entlang. Die Sonne wärmte mittlerweile schon kräftig, und die ersten zogen sich die Pullis und Jacken aus. Auch Tanja reckte blinzelnd ihr Gesicht der Sonne entgegen. Ein guter Grund mehr, hier in Italien zu leben! Sie lugte vorsichtig unter ihren dichten Wimpern auf die winterblassen Gesichter ihrer Schüler. Ja, wahrhaft, ein guter Grund...

Die Gespräche verliefen noch etwas verhalten, aber das legte sich in der Regel bereits am nächsten, dem zweiten Tag.

Der Kursauftakt begann Sonntag nachmittags mit dem Vorstellen und Vorreiten der einzelnen Teilnehmer. Die meisten wurden vom 42 Kilometer entfernt liegenden Flughafen abgeholt, einige kamen mit dem PKW. Am ersten Vormittag sollten die Schüler sich Zeit nehmen, Pferde auf der Weide zu beobachten. Diese Erkenntnisse wurden in der Runde diskutiert. Am Nachmittag standen die Reitstunden auf dem Programm, und vom zweiten Tag an war es abhängig von den Fähigkeiten - und auch Wünschen - der Teilnehmer, ob es ganztägig mit Reiten oder aber vormittags mit Arbeiten und Beobachtungen rund ums Pferd weiterging. Meistens war letzteres der Fall, so wohl auch dieses Mal.

Tanja blieb schließlich an einer Koppel stehen, auf der zwölf Pferde grasten. »Warum gehen wir nicht sofort hinein?«, fragte eine junge Frau mit blonden Locken. Melanie hieß sie und hatte noch nicht viel Erfahrung mit Pferden.

»Warten Sie einen Augenblick ab und dann sehen Sie es. Ist jemanden von euch etwas aufgefallen, während wir hierher gekommen sind?«

»Ja, die hatten uns schon die ganze Zeit im Blick.« Julia war eines der beiden Mädchen, die von dem Vater ihrer Freundin, Andrea, in einem großen dunkelblauen Mercedes hergebracht worden waren. Kurze, rote Haare standen in alle Richtungen und gaben ihr fast einen Heiligenschein. Ein pfiffiges Mädchen, das gut beobachten konnte.

»Stimmt, Du hast vollkommen recht. Und da es sich hier um Pferde handelt, könnt ihr sicher sein, dass sie auch bald vorbeikommen werden.«

Vorsichtshalber trat Melanie zwei Schritte zurück, als sich tatsächlich die Köpfe der Pferde hoben, und sie gemächlich an den Zaun herantrotteten. Drei andere Teilnehmerinnen brachten sich ebenfalls lieber in Sicherheit. Die beiden Mädels aber blieben mit Tanja und zwei hochgewachsenen Frauen am Gatter stehen, um die weichen Nasen der neugierigen Pferde zu liebkosen und die Hälse unter den Mähnen zu kraulen. Da es offensichtlich außer Zärteleien keine Probleme gab, kamen nun auch die restlichen Teilnehmerinnen wieder näher heran und machten teilweise ihre ersten Erfahrungen mit der Ausgabe reichhaltiger Schmuseeinheiten.

Tanja war zurückgetreten und betrachtete genau das Verhalten ihrer zweibeinigen Schützlinge ebenso wie das ihrer vierbeinigen. Nach einer Weile klatschte sie in die Hände, und rief laut: »So, jetzt müsst ihr euch losreißen. Wir setzen uns hier auf die kleine Anhöhe, dort sind auch Bänke, und legen los mit unseren - stillen - Beobachtungen. Merkt euch möglichst alles, was euch so auffällt. Ihr könnt euch auf ein Pferd konzentrieren oder aber die Gesamtheit der Herde betrachten. Wichtig ist, dass ihr dabei wirklich still seid und die anderen nicht mit euren Gedanken stört! Später besprechen wir dann eure Ergebnisse.«

Sie führte die etwas widerstrebende Schar von dem Gatter fort, auf die eigens dafür aufgeschüttete Terrasse. Tanja war sehr stolz auf diese, denn so konnten alle problemlos die Pferde beobachten. Für heiße Tage gab es auch zwei große Schirme, die jetzt aber noch nicht benutzt wurden. Dafür war der Luxus der Märzsonne viel zu groß. Einige zückten bereits die mitgebrachten Schreibunterlagen, als Andrea nach dem Alter der Pferde fragte.

Lächelnd antwortete Tanja, das dies ebenfalls unter das Thema Beobachtung falle.

Als sich alle mehr oder weniger geräuschvoll niedergelassen hatten, warf sie wieder einen kurzen Blick über die Teilnehmerinnen. Gedankenverloren blickte sie dann der Herde hinterher, die sich nun etwas vom Zaun entfernte, nachdem die Attraktion in Menschengestalt in unerreichbare Ferne gerückt war. Sie nahm ein paar tiefe Atemzüge und entspannte sich. Alles easy going, alles gut. Gelegentlich war sie doch ein wenig aufgeregt.

Während sie die Sonne, den Wind und den herrlichen Pferdegeruch genoss, blickten um sie herum aufmerksame Augen angestrengt auf die glänzenden Leiber der Pferde. Hoffentlich interpretierten sie nicht zu viel... Julia und Andrea gefielen ihr richtig gut, auch die beiden Damen, die ebenfalls von Anfang an am Zaun gestanden hatten. Die eine hieß Kathrin, und die andere? Herrjeh, da war ihr schon wieder der Name entfallen. Die Eselsbrücke. Sandro Hit, der bekannte Dressurvererber. Ja, Sandra hieß s.... - aaah, nicht schon wieder! Mann, tat das weeeehhhhhh! Das rechte Bein schoss nach vorne, und Tanja kippte nach links. Glücklicherweise war diesmal nichts im Weg, vor allem keine der Teilnehmerinnen. Die waren allerdings alle erschrocken aufgesprungen und standen nun um sie herum.

»Nur ein Muskelkrampf, keine Aufregung! Ich muss nur mein Bein etwas strecken, und dann geht es gleich wieder. Man könnte auch von einer Reiterkrankheit sprechen, weil sich bestimmte Muskelgruppen zwangsweise verkürzen, wenn man nicht den entsprechenden Ausgleichssport betreibt. Dafür aber haben die meisten Reiter keine Zeit. Ich zumindest nicht. Das mit den Krämpfen passiert mir häufiger. Ist schon wieder besser. Laßt euch bitte nicht weiter stören, es ist mir sehr peinlich!«

Elinors rauchige Stimme erklang beruhigend an ihrer rechten Seite. »Ja, das ist kein Beinbruch. Schon gar nicht muss es Ihnen peinlich sein. Aber Sie sagen, Sie hätten desöfteren einen Muskelkrampf? Vielleicht würde es Ihnen helfen, mehr Lebensmittel mit Magnesium zu essen! Oder Schüssler-Salze.«

Da war es wieder. Magnesium. Und Schüssler-Salze. Und…

Die füllige Frau beugte sich zu ihr herunter und murmelte leise in Tanjas Ohr: »Was hindert Sie daran, Ihre Träume weiterzuverfolgen? Bisher waren Sie doch hocherfolgreich. Warum haben Sie nun Angst vor dem Neuen, dem Unbekannten?«

Damit erhob sich Elinor anmutig und glitt auf ihren alten Platz auf der Bank zurück.

Die Schülerinnen vertieften sich wieder in die ruhig grasende Herde, zwei der Tiere begannen zu spielen.

Tanja war verblüfft. War das vielleicht die Erklärung für ihre ewige Unruhe? Sie hatte das Gefühl, auf der Stelle zu treten, nicht weiter voranzukommen. Sicher war sie hier glücklich, mehr als das. Ihre Träume waren Wirklichkeit geworden. Noch dazu in welch berau