Perry Rhodan 106: Der Götze von Passa - Kurt Mahr - E-Book

Perry Rhodan 106: Der Götze von Passa E-Book

Kurt Mahr

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Beschreibung

Sie suchen 10000 entführte Terraner - und finden den Schlangengott! Mit dem Ende des 21. und dem Beginn des 22. Jahrhunderts ist eine neue Menschheitsepoche angebrochen. Dem Arkoniden Atlan ist es mit Unterstützung der Menschen gelungen, seine Stellung als Imperator zu festigen. Das Bündnis zwischen Arkon und dem Solaren Imperium hat Früchte getragen - speziell für die Terraner, von denen viele bereits wichtige Positionen auf Arkon selbst einnehmen. Atlan muß dies dulden, da er sich auf die meisten seiner Landsleute nicht verlassen kann. Das Solare Imperium ist zur bedeutendsten Handelsmacht am Rande der Milchstraße geworden. Seit 22 Jahren gibt es geradezu einen Strom von Auswanderern zu geeigneten Siedlungswelten. Desgleichen existieren auf vielen von anderen Intelligenzen bewohnten Planeten terranische Gesandtschaften und Handelsniederlassungen. Aber die Lage ist trotzdem nicht rosig, denn man weiß ja inzwischen aus trüber Erfahrung, daß es eine Macht in der Milchstraße gibt, die weder für Arkoniden noch für Terraner Sympathien empfindet: Die Akonen aus dem Blauen System, die schon zweimal überraschend zugeschlagen haben. Aber auch andere Mächte in der Galaxis sehen in den so schnell aufgestiegenen Terranern ihre Gegner - das beweist das mysteriöse Geschehen auf dem Planeten Passa, das wieder einmal die Agenten der Geheimabteilung III auf den Plan ruft...

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Nr. 106

Der Götze von Passa

Sie suchen 10.000 entführte Terraner – und finden den Schlangengott!

von KURT MAHR

Mit dem Ende des 21. und dem Beginn des 22. Jahrhunderts ist eine neue Menschheitsepoche angebrochen.

Dem Arkoniden Atlan ist es mit Unterstützung der Menschen gelungen, seine Stellung als Imperator zu festigen. Das Bündnis zwischen Arkon und dem Solaren Imperium hat Früchte getragen – speziell für die Terraner, von denen viele bereits wichtige Positionen auf Arkon selbst einnehmen. Atlan muss dies dulden, da er sich auf die meisten seiner Landsleute nicht verlassen kann.

Das Solare Imperium ist zur bedeutendsten Handelsmacht am Rande der Milchstraße geworden. Seit 22 Jahren gibt es geradezu einen Strom von Auswanderern zu geeigneten Siedlungswelten. Desgleichen existieren auf vielen von anderen Intelligenzen bewohnten Planeten terranische Gesandtschaften und Handelsniederlassungen.

Aber die Lage ist trotzdem nicht rosig, denn man weiß ja inzwischen aus trüber Erfahrung, dass es eine Macht in der Milchstraße gibt, die weder für Arkoniden noch für Terraner Sympathien empfindet: Die Akonen aus dem Blauen System, die schon zweimal überraschend zugeschlagen haben.

Die Hauptpersonen des Romans

Nike Quinto – Chef der von Perry Rhodan ins Leben gerufenen »Interkosmischen Sozialen Entwicklungshilfe«.

Ron Landry und Larry Randall – Zwei Offiziere in Nike Quintos Abteilung.

Lofty Patterson – Ein alter terranischer Siedler, der den Planeten PASSA besser kennt als jeder andere.

Ayaa-Oooy

1.

AYAA-OOOY, DU BIST DER HERRLICHE, UND WIR PREISEN DEINEN NAMEN. WIR FOLGEN DEM WILLEN AYAA-OOOYS, DES HERRLICHEN.

*

Andy Lever erinnerte sich, dass an dieser Stelle vor zwei Stunden noch kein Baum gestanden hatte. Aber jetzt stand einer da, mehr als fünf Meter hoch, mit einem Stamm, der nach unten dünner wurde.

Andy sah sich um. Es war die merkwürdige Stunde des Zwielichts, die Zeitspanne nach dem Untergang der roten und vor dem Aufgang der blauen Sonne, wenn der Himmel in braunen und violetten Tönen schimmerte und über dem Horizont im Westen ein großes rotes und im Osten ein kleines blaues Tor sich aufgetan hatte.

Das Land lag dunkel und schweigsam, bis auf die eigenartigen Geräusche, die aus dem Glaswald kamen und auf die Andy so gerne lauschte, weil sie ihm am deutlichsten bewiesen, dass das größte Abenteuer seines Lebens Wirklichkeit war: Dass er die Erde verlassen hatte und auf einer fremden, einer unsagbar fremden Welt lebte.

Im Zwielicht wurde das kleine Haus zu einem mächtigen, schwarzen Klumpen, der sich gegen die warme Erde presste und sprungbereit auf irgend etwas zu warten schien. Andy wunderte sich manchmal über den merkwürdigen Eindruck, den das Haus, sein Haus, auf ihn machte. Im Dämmerlicht des Abends hätte es friedlich wirken und Ruhe einflößen sollen. Dann dachte er wieder daran, dass es nicht richtig wäre, von seinem Haus Ruhe und Frieden zu erwarten, wo er doch selbst noch von Unrast und Tatendrang erfüllt war.

Nein, das Haus war schon richtig. Ein kleiner, heller Funke leuchtete am braunen Himmel auf. Andy sah ihm nach, wie er in die Höhe stieg und rascher und heller wurde. Er sah, wie er schließlich mit einem Schlag verlosch, und ein paar Augenblicke später begann das dröhnende Summen des startenden Raumschiffes über das flache Land zu rollen.

Andy sog den schweren Duft des Landes ein und dachte an die Stadt Modessa, in deren Nähe der große Raumhafen lag. Nein, er wollte nicht in Modessa leben, nicht einmal in der Umgebung der Stadt. Er war zufrieden mit dem Platz, an dem er sich befand, fünfhundert Kilometer von Modessa entfernt. Die andern nannten ihn einen Narren; aber er wollte lieber ein Narr sein, als noch länger in einer großen Stadt leben, wo man gar nicht das Gefühl hatte, auf einer fremden Welt zu sein.

Das lenkte seine Gedanken zurück auf die Dinge, die sich heute ereignet hatten – oder vielmehr die, die sich nicht ereignet hatten. Die Evergreens waren nicht gekommen, um ihre Häute abzuliefern. Das heißt: Nur acht waren zu dem Hautplatz gekommen, wo es sonst doch jeden Tag mindestens zehnmal soviel waren. Nicht, dass es Andy etwas ausgemacht hätte. Er bezog von der Passa Skin ein festes Gehalt für seine Halbtagsarbeit. Er bekam sein Geld, ob die Evergreens ihre Häute ablieferten oder nicht. Nein, das war es nicht. Es wunderte ihn nur.

Schließlich dachte er wieder an den Baum, der vor zwei Stunden noch nicht dagewesen war. Er trat näher vor ihn hin; aber in der Dunkelheit konnte er nichts Genaues erkennen. Er hütete sich, das Ding anzufassen. Er wusste, was unerfahrenen Männern auf Passa geschehen war, die etwas angefasst hatten, von dem sie nicht eindeutig wussten, dass es ungefährlich sei. Er bezweifelte auch im Grunde genommen nicht, dass auf Passa ein mehr als fünf Meter hoher, dicker, astloser Baum innerhalb von zwei Stunden wachsen könnte. Es hatte schon wunderbare Dinge gegeben. Nur – er wollte eben wissen, woran er war.

Er wandte sich um, um eine Lampe aus dem Haus zu holen. Das war der Augenblick, in dem der Baum in Bewegung geriet.

Er knickte einfach nach vorne. Andy hörte das Rauschen über sich und wirbelte blitzschnell herum. Es nützte ihm nichts. Klatschend fiel das, was er für einen Baum gehalten hatte, auf ihn, warf ihn hintenüber und presste ihn zu Boden.

Nur einen halben Atemzug lang war Andy vor Schreck wie gelähmt. Dann begann er, sich wie wild gegen die Last des Baumes zu stemmen. Aber die glatte Oberfläche des Baumes bot seinen Händen keinen Halt. Er glitt ab, und der Baum, als hätte ihn Andys Gegenwehr angestachelt, vergrößerte sein Gewicht.

Andy bekam keine Luft mehr. Ein Trommelfeuer kleiner, schmerzender Stiche schien gegen die Rippen zu trommeln, und in den Ohren klang wildes Rauschen. Andy wusste plötzlich, dass es ihm niemals gelingen würde, sich von der mörderischen Last zu befreien. Er wusste auf einmal, was da auf ihm lag und dass gegen diese unermesslichen Kräfte kein Kraut gewachsen war.

Er fing an zu schreien. Aber es war niemand da, der ihn hören konnte.

Andys Bewusstsein schwand in einem grellen, blitzenden, krachenden Feuerwerk, das vor seinen Augen tobte.

*

Nike Quinto sah aus, als hätte er von nichts eine Ahnung. Er stand da, wie vom Schlag getroffen, und wahrscheinlich würde er als erstes sagen, dass ihn jetzt gleich der Schlag träfe.

Nicht, dass man es für ein Wunder gehalten hätte. Colonel Quinto war ein kleiner, dickleibiger Mann mit einem aufgeschwemmten, roten Gesicht, auf dem selbst in der kühlsten Jahreszeit ein paar Schweißtropfen standen. Über den wulstigen Lippen kam eine kleine Nase, und über der Nase standen zwei wiederum kleine Augen, nur durch eine schmale Stirn von dem schütteren Ansatz der farblos blonden Haare getrennt. Colonel Quinto hatte es in seinem Leben noch nicht ein einziges Mal fertiggebracht, auf den ersten Blick Sympathie zu erwecken.

Ron Landry und Larry Randall warteten, bis die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte. Dann salutierten sie mit einer Exaktheit, die in merkwürdigem Gegensatz zu ihren saloppen, sommerlichen Zivilanzügen stand.

»Gerechter Himmel«, pfiff Nike Quinto mit unangenehm hoher Stimme, »ich habe gesagt, man soll mir zwei von unseren tüchtigsten Leuten schicken. Und jetzt kommen Sie! Du meine Güte, die ganze Welt scheint es darauf abgesehen zu haben, mir so rasch wie möglich einen Herzschlag beizubringen. Was soll ich mit Ihnen anfangen? Na schön, jetzt sind Sie schon da. Setzen Sie sich! Haben Sie sich die Bänder vorspielen lassen? Mein Gott, seien Sie nicht so langweilig! Reden Sie was: Ja oder nein?«

»Ja«, sagte Ron Landry gelassen.

»Was ja?«

»Ja, Sir, wir haben uns die Bänder angehört.«

»Aha. Na und?«

Ron Landry räusperte sich und warf Larry, der neben ihm Platz genommen hatte, einen verstohlenen Blick zu. Larry reagierte nicht darauf.

Nike Quinto stand hinter seinem Schreibtisch und lauerte förmlich auf die Antwort.

»Wir sind uns nicht sicher, Sir«, begann Ron vorsichtig, »ob sich da nicht jemand einen schlechten Scherz erlaubt hat.«

Einen Augenblick sah es so aus, als wollte Nike Quinto in die Höhe springen. Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, beugte den Kopf nach hinten und starrte zur Decke hinauf. Dabei stieß er einen Seufzer aus, als müsse er eine lang gehegte, teure Hoffnung für immer aufgeben, und brachte schließlich hervor: »Jemand einen schlechten Scherz erlaubt! Mit mir! Landry, Sie sind wirklich ein Nagel zu meinem Sarg. Mit jedem Wort, das Sie sprechen, steigt mein Blutdruck um ein Prozent.« Er nahm die Hände vom Kopf und sah Ron Landry an. »Glauben Sie wirklich, mit mir könnte sich jemand einen schlechten Scherz erlauben?«

Ron Landry dachte, dass er zumindest ein paar Leute kannte, die das gerne tun würden. Ob sie Erfolg hätten, war natürlich eine zweite Frage. Er antwortete: »Sir, bedenken Sie bitte, welchen Zweck unsere Abteilung zu erfüllen hat. Wir sind für einen bestimmten Aufgabenkreis geschaffen. Verzeihen Sie meine Dummheit ... aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was zwei Spezialagenten auf einem Dschungelplaneten zu suchen hätten, auf dem die Eingeborenen vor ein paar Tagen dazu übergegangen sind, statt achtzig Häuten pro Tag und Sammelstelle jetzt nur noch fünf oder vier abzuliefern. Ich ...«

»Gar keine mehr!«, schnappte Nike Quinto. »Das ist die neueste Meldung.«

Ron Landry winkte ab.

»Also schön: Sie liefern gar keine Häute mehr ab. Was macht man aus den Häuten? Parfüm und wohlriechendes Lederwerk zu allen möglichen Zwecken. Kann man ein Raumschiff daraus bauen? Nein. Kann man ein Energiegeschütz damit betreiben? Nein. Kann man irgendeine geheimnisvolle Droge daraus herstellen? Nein. Also bitte: Wozu sollen wir uns um solchen Firlefanz kümmern?«

Nike Quinto hatte sich schließlich gesetzt. Sein Gesicht trug ein maliziöses Grinsen.

»Mit mir geht es sowieso zu Ende«, versicherte er. »Meinem angeschlagenen Blutdruck kann niemand mehr auf die Beine helfen. Ich darf mich also ruhig über Sie aufregen, Landry. Für Sie ist wohl hinter den Raumschiffen, den Kanonen und den Wunderdrogen die Welt zu Ende, wie? Sie halten überhaupt nichts davon, dass Terra einen verbissenen Wirtschaftskrieg gegen die Springer führt, die glauben, der liebe Gott hätte den Handel allein für sie erfunden. Ihnen ist es völlig gleichgültig, ob auf irgendeiner Welt, die Terra für sich allein beansprucht, plötzlich geheimnisvolle Dinge vor sich gehen, die den Ertrag, den diese Welt für die terranische Wirtschaft abwirft, sprungartig auf Null sinken lassen. Was ist der Ertrag? Wohlriechende Häute. Kann man Raumschiffe daraus machen? Nein. Kanonen? Nein. Drogen? Nein. Schluss, geht uns nichts an. Siedler sind auf der Welt, o ja? Vierzehn Millionen? Donnerwetter, hätte ich nicht gedacht. Was ... und zehntausend davon sind schon auf geheimnisvolle Weise umgebracht worden oder in den Glaswäldern verschwunden? Na so was! Aber aus toten Siedlern kann man auch nichts machen, wie? Weder Raumschiffe, noch Drogen, noch ...«

Ron Landry hatte sich steif in seinen Sessel aufgerichtet.

»Davon haben wir nichts gewusst, Sir!«, stieß er hervor. »Das stand nicht auf den Bändern!«

Nike Quinto winkte ab.

»Eben. Deswegen habe ich Sie ja hierher bestellt. Sie werden sich jetzt in den Raum nebenan begeben und sich anhören, was man Ihnen dort zu sagen hat. Sie werden sich das alles genau merken und morgen früh, sieben Uhr achtundvierzig Terrania-Zeit, mit dem planmäßigen Passagierfrachter der Passa-Route nach Passa abfliegen, verstanden?«

Ron und Larry erhoben sich. Sie hatten nicht gesehen, dass Nike Quinto die Schaltleiste auf seinem Schreibtisch berührt hatte; aber die Tür zu dem Raum nebenan stand schon offen, als sie sich umdrehten. In dämmrigem, rotem Licht sahen sie die Reihe der bequemen Polstersessel und die große Bildfläche des Hypnoprojektors.

»Übrigens«, begann Colonel Quinto noch einmal, »haben Sie eine Ahnung, wieviel das Geschäft auf Passa bisher jährlich abgeworfen hat?«

Ron blieb stehen und sah zu Quinto zurück.

»Nein, Sir«, antwortete er.

»Dann will ich es Ihnen sagen: Fünfzehn Milliarden Solar. Das ist soviel, dass man damit hundert Schwere Kreuzer für die Raumflotte bauen kann.«

*

Passa war eine Welt des Doppelsternsystems Antares, die neunte in der üblichen Zählweise. Passa war eine warme Sauerstoffwelt, etwas größer als die Erde, jedoch mit geringerer Gravitation. Es gab eine Rasse intelligenter Eingeborener auf Passa. Sie waren nichthumanoid, und die ersten Terraner, die sie zu sehen bekamen, hatten trotz ihrer überlegenen Bewaffnung einen Heidenschrecken bekommen. Denn die Eingeborenen von Passa waren weiter nichts als durchschnittlich sechs Meter lange, vierarmige Schlangen, die gegenüber irdischen Schlangen nicht nur die Besonderheit aufwiesen, dass sie intelligent waren, sondern darüber hinaus noch die, dass sie aufrecht gingen. Das heißt: Sie gingen nicht. Sie hielten sich auf ihrem biegsamen und doch kräftigen Schwanz aufrecht und brachten es fertig, sich mit einer seltsamen Art von Hüpfen vorwärts zu bewegen, und zwar recht schnell und elegant. Die Arme dienten nur als Greif- und Balancewerkzeuge. Oben endete der Schlangenkörper in einem runden Wurmkopf, der nach Art der Wurmköpfe eine Reihe lochähnlicher Öffnungen besaß, deren diverse Funktionen nur ein Galaktobiologe richtig auseinanderhalten konnte. Die terranischen Siedler, die von Passa als einer nahezu paradiesischen Welt mit Freuden Besitz ergriffen hatten, nannten die Schlangen Evergreens, des vorherrschenden grünen Farbtons ihrer Haut wegen.

Die Evergreens waren nicht nur die eingeborene Intelligenz des Planeten Passa, sie waren auch der Lieferant des Handelsgutes, dessentwegen Passa für die Erde so überaus wichtig geworden war: Der Passa-Kopra. Die Evergreens besaßen die biologische Gewohnheit anderer Schlangenarten: Sie häuteten sich. Über den Mechanismus der Häutung, die Häufigkeit, mit der sie erfolgte, war selbst in Fachkreisen wenig bekannt. Sicher war jedoch, dass die Evergreens eine erstaunlich hohe Anzahl von Häuten liefern konnten.

Die Häute waren von einem wunderbaren Wohlgeruch und außerdem, zu Lederwaren aller Art bequem zu verarbeiten. Waren aus Passa-Leder erzielten auf Terra und Arkon höhere Preise als Goldwaren des gleichen Gewichts. Passa-Parfum zählte jeder prominente Damensalon zu seinen ganz besonderen Kostbarkeiten.

Die Rasse der Springer, den Arkoniden verwandt, ruhelose Männer, die in ihren Raumschiffen die Galaxis durchstreiften, nur dem Handel lebten und der Überzeugung waren, dass niemand außer ihnen berechtigt sei, Handel großen Ausmaßes zu betreiben, hatten von der Goldgrube, die sich Terra auf Passa aufgetan hatte, ziemlich schnell Wind bekommen. Sie hatten versucht, sich in das Geschäft einzuschalten. Die terranische Flotte jedoch, die Passa bewachte, hatte die Springer in ihre Schranken verwiesen und zu verstehen gegeben, dass kein Springer – es sei denn auf besondere Einladung – auf Passa willkommen wäre.

Die Entwicklung auf dem Kopra-Planeten war von da an ihren friedlichen Weg gegangen. Instrumente waren entwickelt worden, die eine Übertragung der vokalreichen, fast konsonantenlosen Sprache der Evergreens in das Englische und umgekehrt ermöglichte. Die Evergreens waren dazu überredet worden, sich jeweils in Gruppen einer bestimmten Anzahl pro Tag an bestimmten Sammelplätzen zusammenzufinden und sich dort in der üblichen Weise zu enthäuten. Beim Enthäuten hängten sich die Evergreens mit den Schwanzspitzen an Baumästen auf und ließen die alte Haut unter heftigen Zuckungen des Körpers sich über den Kopf gleiten. Die Terraner sorgten dafür, dass an den Sammelplätzen genügend brauchbare Bäume standen, und sie bezahlten die Evergreens für ihre Dienste mit Gebrauchsgegenständen nach der Wahl der Schlangen.

Jahrelang war alles in Ordnung gewesen. Die Siedler hatten sich über Passa ausgebreitet, ohne die Evergreens einzuengen. Damit war keine besondere Schwierigkeit verbunden; denn die Schlangen lebten in den Glaswäldern, Dickichten bambusähnlicher Gewächse, die, glashart und fast astlos, zu Höhen bis zu dreißig Metern aufwuchsen und deren Stämme durchsichtig waren. Die Siedler dagegen hielten sich an die freundlichen Grasebenen, an die Ufer der großen Ströme und die Küsten der Meere. Mit den Evergreens hatten sie keine besonders intensive Verbindung, außer auf den Sammelplätzen. Obwohl ihre Sprache verstanden wurde, schienen die Evergreens zu scheu, um allzuviel über ihr Leben in den Glaswäldern zu berichten. Daher kam es, dass die Terraner über ihre Mitbewohner auf Passa nicht viel mehr wussten, als dass sie sich gelegentlich häuteten. Die Harmonie auf Passa war weit mehr die eines Nebeneinander- als die eines Zusammenlebens.

Diese Harmonie war vor kurzer Zeit gestört worden. Niemand wusste, wodurch und warum. Die Evergreens erschienen nicht mehr auf den Sammelplätzen. Sie lieferten keine Häute mehr ab. Ein paar Siedler, die weit außerhalb der Städte lebten, waren in der Nähe ihrer Häuser tot aufgefunden worden. Eine große Zahl anderer Siedler wurde vermisst. Ebenso vermisst wurden fast alle Männer, die, als die Evergreens aufhörten, ihre Häute zu Markt zu tragen, in die Glaswälder gezogen waren, um sich zu holen, was ihnen nicht gebracht wurde. Die wenigen, die gesund zurückkehrten, waren nicht tief in die Wälder eingedrungen. Sie waren umgekehrt, weil sie nichts fanden, weil sie sich mit zu wenig Proviant versorgt hatten, weil ihnen die Mühsal zu groß war – oder aus sonst irgendeinem Grund.

Es war anzunehmen, dass die Springer ihre Hand im Spiel hatten. Niemand anders als die Springer hätten einen Grund gehabt, Terra ausgerechnet auf der menschenarmen Welt Passa Widerpart zu bieten. Denn wenn Passa auch pro Jahr fünfzehn Milliarden Solar abwarf, so war das schließlich kein Objekt, durch dessen Vernichtung ein Gegner das Solare Imperium empfindlich oder gar tödlich zu treffen hoffen konnte. Den, Springern dagegen konnte man als Argument unterschieben, dass sie gar nicht daran interessiert waren, Terra zu schädigen – oder zumindest erst in zweiter Linie und weil das Hand in Hand mit ihrem eigentlichen Ziel ging – sondern vielmehr, den Gewinn selbst einzustreichen.

Diese Vermutung, so begründet sie auch war, löste jedoch das Rätsel nicht: Wie hatten die Springer es fertiggebracht, die Eingeborenen zu beeinflussen? Wie waren sie überhaupt nach Passa gekommen, ohne von den Wachschiffen der terranischen Flotte bemerkt zu werden? Sie konnten unmöglich mit einer ganzen Flotte auf Passa gelandet sein. Das Höchste, was der terranischen Überwachung unbemerkt durch die Lappen gehen würde, waren ein oder zwei Schiffe. Wie brachte man es mit einer so geringen Macht zuwege, die Urbevölkerung einer großen Welt umzustimmen und zu erbitterten Feinden derer zu machen, mit denen sie bis zum Tag zuvor noch zusammengearbeitet hatten?

Das war die große Frage, und eine Menge Dinge, vielleicht sogar der Bestand der Kolonie Passa, hingen davon ab, dass rechtzeitig eine Antwort darauf gefunden wurde.

*