Perry Rhodan 169: Imago (Silberband) - Perry Rhodan - E-Book

Perry Rhodan 169: Imago (Silberband) E-Book

Perry Rhodan

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Beschreibung

Perry Rhodan ist in Tarkan gestrandet, einem fremden Universum. Von Tarkan aus gibt es Verbindungen in die Milchstraße, und von ihm geht eine Gefahr für die Menschheit aus. Zwei Parteien stehen einander gegenüber: Die eine möchte die gesamte Galaxis Hangay, also einen Teil Tarkans in unser Universum überführen. Und die andere möchte dies verhindern und lieber den Untergang Tarkans erleben. Rhodan muss herausfinden, um was es wirklich geht, auch deshalb, weil die Superintelligenz ESTARTU in Tarkan verschollen ist. Dabei stößt er auf Verbündete – und manche von ihnen sehen in ihm die geheimnisvolle Imago ... Die Silberbände, die wegen ihrer auffallenden Optik so heißen, erzählen die Geschichte von PERRY RHODAN von Anfang an – in einer sorgfältig überarbeiteten Neu-Edition der klassischen Heftromane. Jedes Buch fasst zwischen fünf und zehn Romane zu einem geschlossenen Band zusammen. Dabei werden eventuelle Irrtümer von früher berichtigt, der Handlungsverlauf wird gestrafft. Viermal im Jahr erscheint ein neuer Band.

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Seitenzahl: 544

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nr. 169

Imago

Cover

Klappentext

1.

2. Die Imago-Sucher

3. Das Symbol

4. Unerwartete Enthüllung

5. Wiege der Kartanin

6. Das Fremdenfest

7. Requiem für eine Kartanin

8. Die Manifestation

9. Die Geheimnisse von Nansar

10. Friedhof der Nakken

11. Die Werber des Hexameron

12. Zöglinge des Priesterberges

13. Todfeinde

14. Flucht in die Technozone

15. Gefährliche Tarnung

16. Der rote Hauri

17. Arhabu

18. Geheimniswelt Cheobad

19. Gleichgewicht der Weltenflut

Nachwort

Zeittafel

Impressum

Perry Rhodan ist in Tarkan gestrandet, einem fremden Universum. Von Tarkan aus gibt es Verbindungen in die Milchstraße, und von ihm geht eine Gefahr für die Menschheit aus.

Zwei Parteien stehen einander gegenüber: Die eine möchte die gesamte Galaxis Hangay, also einen Teil Tarkans in unser Universum überführen. Und die andere möchte dies verhindern und lieber den Untergang Tarkans erleben.

1.

»Ich hatte einen Traum, Waqian«, sagte Beodu, Perry Rhodans Begleiter aus dem Volk der Attavennok. »Willst du davon hören?«

»Du sollst mich nicht Waqian nennen«, antwortete der Terraner mit der Geduld desjenigen, der wusste, dass seine Ermahnungen nichts fruchteten. »Ich bin weder ein Herr noch ein Oberster.«

»Doch, du bist ein Oberster des Wissens«, widersprach Beodu. Dabei klappten seine Schädelschwingen auf und nieder, und die Augen, die in knorpeligen Verdickungen an den Enden der Schwingen saßen, leuchteten vor Zufriedenheit. »Du weißt mehr als alle Kartanin und Vennok zusammen. Manchmal frage ich mich, ob dein Wissen nicht das der Zentralen Wissensautorität übersteigt.«

Das Gespräch fand im Passagierraum der DORIFER-Kapsel LEDA statt. Sie war seit etlichen Wochen unterwegs im Südostsektor der Galaxis Hangay. Auf dem Bildschirm sah man dicht gedrängte Sternenmassen vor einem von düsterrotem Leuchten erfüllten Hintergrund.

Der Digitalkalender zeigte den 1. Juli 447. Es lag fünf Monate zurück, dass Perry Rhodan durch einen Effekt, den bislang niemand hatte erklären können, aus dem Inneren des Kosmonukleotids DORIFER in das sterbende Universum Tarkan geschleudert worden war.

»Du sprichst Unsinn, Beodu«, sagte der Terraner. »Niemand, nicht einmal der Kartanin Ren-No, weiß, über wie viel Wissen die Zentrale Wissensautorität verfügt. Die Autorität lenkt das Projekt Meekorah und besitzt umfassende Kenntnisse der Kosmologie und der interuniversalen Kräfte.«

»Aha! Und deswegen braucht sie über hundert Generationen, um das Projekt zum Abschluss zu bringen«, spottete Beodu.

Darauf antwortete Rhodan nicht. Warum das Projekt Meekorah – die Versetzung der Galaxis Hangay ins Standarduniversum – 50.000 Jahre benötigt hatte, um sich bis zum gegenwärtigen Stand zu entwickeln, war eines der Geheimnisse, die sich jedem Versuch der Enträtselung widersetzten.

»Willst du nun etwas über meinen Traum hören oder nicht?«, fragte Beodu nach einer Weile.

»Erzähl ihn mir.« Perry Rhodan seufzte ergeben.

Seit mehr als vier Monaten war der Zwerg-Venno sein Weggefährte. Beodu wurde »der Träumer« genannt, weil er oft und intensiv träumte und in seinen Träumen Hinweise auf die Zukunft sah, die ihm eine geheimnisvolle Macht vermittelte.

»Ich sah eine Welt, Waqian«, begann Beodu, »so schön, wie ich nie eine zu Gesicht bekommen habe. Grüne Wälder, sanfte Hügel, weiße Strände, türkisfarbene Meere und einen blauen Himmel mit flauschigen Wolken. Tiere und Pflanzen lebten in Eintracht miteinander, und das Klima war von subtropischer Sanftheit, ohne Stürme und ohne turbulente Gewitter. Du würdest diese Welt ein Paradies nennen, Waqian. Aber es gab Spuren, an denen ich erkannte, dass es dort nicht immer paradiesisch zugegangen ist.«

Perry Rhodan hörte mit mäßigem Interesse zu.

»Es muss einst intelligentes Leben auf der Paradieswelt gegeben haben«, fuhr Beodu fort. »Jetzt sind nur noch Trümmer und Ruinen zu finden. Nach deiner Zeitrechnung müssen es etwa fünfhundert Jahre sein, seit die Katastrophe über Vailach-Gom hereinbrach ...«

»Vailach-Gom!«, fuhr Perry Rhodan auf. »Woher weißt du den Namen der Welt?«

»Ich begegnete dem Geist eines Geschöpfs, das in der Katastrophe ums Leben gekommen war. Er erzählte mir die Geschichte des Planeten.«

»Du machst dich über mich lustig«, protestierte Rhodan. »Es gibt keine Geister.«

»Es ist doch alles nur ein Traum, Waqian«, widersprach der Attavenno. »Im Traum gibt es Geister!«

Rhodan war nachdenklich geworden. Das Wort Vailach sagte ihm nichts; Gom war ein Sothalk-Begriff und hieß »Vollendung«. Woher sollte ein Attavenno ein Wort aus der Sprache Sothalk kennen, die in einem anderen Universum gesprochen wurde?

»Was erzählte dir der Geist?«, wollte er wissen.

»Er sprach von stolzen, zielstrebigen Siedlern aus dem Volk der Vail, die sich auf Vailach niedergelassen und dort eine blühende Zivilisation errichtet hatten. Diese Zivilisation erregte den Neid eines mächtigen Kriegsherrn namens Gronkar ...«

»Granjcar!«, fiel ihm Perry Rhodan ins Wort.

»Das mag sein«, sagte Beodu. »So genau verstehe ich die Dinge nicht, wenn ein Geist im Traum zu mir spricht. Kennst du den Kriegsherrn namens Granjcar?«

»Besser, als mir lieb ist«, antwortete Rhodan. Was der Attavenno ihm erzählte, war ganz und gar unglaublich. Er behauptete, durch seinen Traum Einblick in Geschehnisse erhalten zu haben, die sich im Standarduniversum abgespielt hatten. Der Terraner betrachtete den Attavenno lange und nachdenklich. Schließlich sagte er: »Wie ging der Traum zu Ende?«

»Der Kriegsherr Granjcar stellte den Vail ein Ultimatum«, sagte Beodu. »Entweder sie unterwarfen sich, oder er würde ihre Zivilisation ausrotten. Die Siedler von Vailach wiesen das Ultimatum zurück. Da überzog Granjcar sie mit Krieg. Die Vail wehrten sich tapfer; aber die Übermacht des Kriegsherrn war zu gewaltig. Die Siedler wurden allesamt getötet.«

»Welche Bedeutung hat der Traum?«, fragte Perry Rhodan.

»Das wusste Puradaan nicht zu sagen.«

»Puradaan ...?«

»Der Fremde, mit dessen Geist ich sprach.«

»Warum nennst du ihn einen Fremden?«

»Er war kein Vail. Er hielt sich zufällig auf Vailach-Gom auf, weil er einen wichtigen Auftrag zu erledigen hatte. Der Krieg dauerte mehrere Monate. Puradaan konnte Vailach nicht mehr verlassen. Er kämpfte auf der Seite der Siedler und fand wie diese den Tod.«

Perry Rhodan schüttelte unwillig den Kopf. Falls Beodus Träume wirklich Visionen waren, die ihm von einem Unbekannten eingegeben wurden, welche Bedeutung sollte man dann diesem Traum beimessen?

»Abgesehen davon, was Puradaan sagte beziehungsweise nicht sagte«, nahm er die Unterhaltung nach einer Weile wieder auf: »Was hältst du selbst von deinem Traum?«

»Ich glaube, Puradaan war ein Mächtiger«, antwortete Beodu. »Er war auf Vailach-Gom, weil er nach etwas Wichtigem suchte. Wenn es gelänge, Vailach-Gom zu finden, könnten wir womöglich entdecken, was Puradaan verborgen blieb, weil er, anstatt suchen zu können, gegen Granjcar kämpfen musste.«

Perry Rhodan lächelte. »Und wie stellst du dir das vor, Vailach-Gom zu finden?«

»Ich weiß es nicht, Waqian«, antwortete der Attavenno.

Beodu war zur Ruhe gegangen. Die kleine, enge Kabine auf LEDAS Oberdeck bot nicht genug Raum für zwei Personen. So hatten sie sich angewöhnt, im Fünfstundenturnus zu schlafen und zu wachen. In den vergangenen Wochen hatte sich der Rhythmus eines fünfzehnstündigen Bordtages eingependelt, von dem jeweils fünf Stunden schlafend und zehn wach verbracht wurden.

Am 3. Juni 447 war LEDA von Namrong aufgebrochen. Namrong war der 13. Mond des Planeten Zimbon im Anklamsystem. Der Aufbruch hatte sich in einer Art Flucht vollzogen. Seitdem irrte LEDA in den Weiten der Galaxis Hangay umher.

Womit Perry Rhodan sich wieder in der gleichen Lage befand wie vor fünf Monaten, als DORIFER ihn nach Tarkan schleuderte: Er war in einem fremden Universum gefangen. Es gab einen Weg, der zurück ins Standarduniversum führte – Meekorah nannten es die Kartanisch sprechenden Völker von Hangay. Einhundert Milliarden Sterne, die in zwei Schüben aus Tarkan nach Meekorah transferiert worden waren, bildeten den Beweis dafür. Aber niemand kannte diesen Weg. Selbst die Kartanin, deren Projekte auf den Transfer der gesamten Galaxis Hangay abzielten, waren unwissend. Sie erhielten die Informationen, die sie zur Durchführung ihrer Vorhaben brauchten, von einer geheimnisvollen Institution, die sie die Zentrale Wissensautorität nannten. Niemand wusste, wo die Zentrale Wissensautorität sich befand, und sie entließ Informationen immer nur in solchen Mengen, wie sie für die Beseitigung eines Problems im Projektablauf nötig waren. Das Wissen selbst der Projektleiter – wie Ren-Nos zum Beispiel – war bruchstückhaft.

Perry Rhodans hatte sich eine Art dumpfer Resignation bemächtigt. Ihn drückte die Sorge, wie das Standarduniversum auf die Ankunft von einhundert Milliarden Sternen aus einem fremden Kosmos reagiert haben mochte. Die astrophysikalischen Auswirkungen eines solchen Vorgangs besaßen Langzeitcharakter, der psychische Schock für die Völker der Lokalen Gruppe musste jedoch gewaltig gewesen sein.

Ein Gefühl der Verzweiflung überkam ihn, wenn er an Gesil und Eirene dachte. Wie mochten sie die Nachricht von seinem Verschwinden aufgenommen haben? Hatten sie ihn schon aufgegeben, oder glaubten sie nach wie vor, dass er am Leben war und nach einer Möglichkeit suchte, zu ihnen zurückzukehren?

Während der letzten vier Wochen hatte LEDA begonnen, die Galaxis Hangay – zumindest den Teil, der sich noch in Tarkan befand – auf hyperenergetischer Ebene zu vermessen. Die ursprüngliche Idee war, einen möglichst genauen Sternatlas zu schaffen und festzustellen, welche Bedingungen entlang jener Bruchkante herrschten, an der die bereits transferierten zwei Viertel aus dem galaktischen Verband herausgerissen worden waren.

Dabei hatte die DORIFER-Kapsel eine überraschende Entdeckung gemacht. Am äußersten Zipfel des am weitesten in den intergalaktischen Raum hinausgreifenden Spiralarms der Galaxis Hangay befand sich eine Ballung von rund zehn Millionen Sternen, deren Strangeness messbar von dem für Hangay bestimmten Wert abwich – und zwar um annähernd denselben Betrag, um den sich die Strangeness-Niveaus von Tarkan und Meekorah unterschieden!

Der Gedanke, dass Materie aus dem Standarduniversum auf irgendeine Art und Weise nach Tarkan gelangt sein könne, war atemberaubend. Wenn sich am Rand von Hangay in der Tat Materiemengen befanden, die aus Meekorah stammten, konnte dort vielleicht ermittelt werden, wie der Transfer bewerkstelligt worden war.

Perry Rhodan hatte LEDA vor fünf Standardtagen den Auftrag erteilt, die weit entfernte Sternballung anzufliegen. Sieben Tage hatte LEDA als Flugdauer errechnet. Man war darauf angewiesen, sich vorsichtig zu bewegen. Hangay war gefährliches Gebiet. Zahlreiche Orientierungsphasen waren erforderlich. Jede davon machte ein Auftauchen aus dem Hyperraum erforderlich. Die Auftauchpunkte wurden so gewählt, dass sie sich in Sternarmen Raumabschnitten befanden.

Während der Orientierungsphase, die gewöhnlich eine bis anderthalb Stunden dauerte, hörte LEDA den Hyperäther nach Funkgesprächen ab, um Hinweise auf Gefahren zu finden, die entlang des Weges liegen mochten. Sie nahm zudem Messungen an der Sternkonzentration vor, die das Ziel des Fluges war, und je mehr sie sich dem Ziel näherte, desto mehr Details konnte sie erfassen. So hatte sie vor acht Stunden festgestellt, dass sich die Ballung aus unterschiedlich ausgebildeten Strukturen zusammensetzte. Es gab eine Sternkonzentration, die aus rund fünf Millionen Sonnen bestand und weder Gliederung noch eine definierbare Form besaß. Hinzu kamen vier große Kugelsternhaufen mit insgesamt ebenfalls fünf Millionen Sonnen. LEDA stellte außerdem fest, dass die unförmige Sternenmasse einen Strangeness-Wert besaß, der von dem der beiden Sternhaufen um einen kaum messbaren Betrag verschieden war. Wenn die Komponenten der Materieballung tatsächlich aus Meekorah stammten, schloss LEDA, musste die unförmige Masse früher transferiert worden sein als die vier Kugelsternhaufen. Denn wenn Materie von einem Universum in ein anderes befördert wurde, dann entwickelte die »mitgebrachte« Strangeness die Tendenz, sich der »einheimischen« anzugleichen.

Die nächste Orientierungsphase stand unmittelbar bevor. Perry Rhodan sah teilnahmslos zu, wie die Anzeige der Kalenderuhr vom 1. auf den 2. Juli 447 sprang. Der Ablauf der Standardtage hatte für ihn kaum mehr Bedeutung, seit er mit Beodu zusammen den fünfzehnstündigen Bordtag eingeführt hatte. Die Kalenderuhr erinnerte ihn allenfalls daran, wie lange er schon von Gesil entfernt war.

»Wir tauchen auf«, meldete sich LEDA.

»Gut«, antwortete er. Als eine Art Nachgedanken fügte er hinzu: »Lass mich hören, wenn sich etwas Wichtiges ergibt.« Während LEDA mit ihren Messungen begann, kehrten seine Gedanken zurück zu den turbulenten Ereignissen, die vor sechs Wochen ihren Anfang genommen hatten.

Sie waren am 15. Mai von Tuyon aufgebrochen. Perry Rhodan war dort dem eigenartigen Volk der Benguel begegnet, und Beodu hatte in ihnen Artverwandte eines der beiden Wesen erkannt, die in seinem wichtigsten und sich seit vielen Jahren beharrlich wiederholenden Traum eine Rolle spielten. Perry Rhodan hatte sich bei der benguelischen Hierarchie unbeliebt gemacht. Er war festgenommen und eingesperrt worden. Es hatte ihm keine ernsthafte Gefahr gedroht; die Benguel hatten lediglich einen lästigen Mitbewerber bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, der Astrologie, aus dem Verkehr ziehen wollen.

Dann jedoch hatte LEDA, von der Rhodan seit jenen turbulenten Ereignissen, die sich im Februar 447 auf den Monden Drifaal und Ylon des Anklamsystems abgespielt hatten, getrennt war, seine Spur gefunden. Sie hatte umgehend Ren-No, den kartanischen Projektleiter auf Drifaal, benachrichtigt, und dieser hatte es sich nicht nehmen lassen, mit einer Invasionsflotte über Tuyon zu erscheinen, um den geheimnisvollen Fremden, der aus einem anderen Universum kam, zu befreien.

Die Ankunft der Invasionsflotte hatte die Benguel in Panik versetzt. Sämtliche 18 Millionen Bewohner des Planeten Tuyon waren Hals über Kopf geflohen, und zwar an Bord unförmig wirkender Raumschiffe, die sich, sobald sie den planetaren Orbit erreichten, zu einem einzigen Riesenfahrzeug zusammenschlossen.

Perry Rhodan hatte dabei ein Erlebnis gehabt, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. Jordan, der Juatafu-Roboter, und ein Benguel namens Eserfim hatten ihn im Gefängnis besucht. Etwa um diese Zeit waren die ersten Fahrzeuge der Invasionsflotte gelandet. Ein vennischer Offizier namens Laftri war auf der Gefängnisplattform niedergegangen, auf der sich Perry Rhodan und seine beiden Begleiter befanden. Jordan und Eserfim hatten einander gegenübergestanden. Als Laftri den Gleiter verließ, hatte es eine Leuchterscheinung gegeben, einem Blitz nicht unähnlich, und der Juatafu und der Benguel waren leblos zusammengebrochen. Eine Erklärung für diesen Vorgang gab es bislang nicht.

Auf Rhodans Ersuchen hin waren die reglosen Körper an Bord des kartanischen Flaggschiffs gebracht worden. Die Flotte war kurz darauf in Richtung Anklamsystem aufgebrochen. LEDA war am Flaggschiff angedockt. Bevor die Schiffe in die Überlichtphase gingen, hatte Ren-No den Terraner rufen lassen. Jordan und Eserfim waren wieder zu sich gekommen. Doch Jordan war nur noch ein simpler Arbeitsroboter, auf einige wenige Funktionen spezialisiert und gerade mit so viel Intelligenz ausgestattet, wie er zum Versehen seiner Aufgaben brauchte. Eserfim schien den Verstand verloren zu haben. Er, der zuvor recht beredt gewesen war, brachte kaum zwei zusammenhängende Worte hervor.

Dem rätselhaften Ereignis hatte LEDA eine geheimnisvolle Note hinzugefügt, nachdem sie linguistische Analysen betrieben und ermittelt hatte, dass der Name Eserfim aus der Sprache Sothalk stammen könne. Sothalk war das Idiom, das in der Mächtigkeitsballung ESTARTU als allgemeine Umgangssprache verwendet wurde. Nun hatte es mit den Benguel eine besondere Bewandtnis: Sie hielten ihre wahren Namen geheim und riefen einander mit Spitznamen wie Schönredner, Vielsprecher, Langläufer, Schnellfahrer und ähnlichen Bezeichnungen. Nur Eserfim hatte eine Ausnahme gemacht. Er hatte klar und ohne Hemmung zugegeben, dass er so und nicht anders heiße.

Im Sothalk gab es das Wort »ashraf«, das so viel wie »der Wiedergeborene« bedeutete. LEDA hielt es für möglich, dass der Name Eserfim aus dieser Wurzel abgeleitet war. Die Aussicht, dass die Benguel Namen trügen, die aus der Sprache eines anderen Universums stammten, war zwar atemberaubend, aber letzten Endes nur von intellektuellem Interesse. Viel mehr beeindruckte – und belastete – Perry Rhodan etwas anderes. Er hielt sich dafür verantwortlich, dass Jordan und Eserfim Selbstmord begangen hatten – nicht physischen Selbstmord, sondern geistigen. Irgendetwas, so meinte er, war von ihm auf sie übergesprungen, als der Venno die Plattform des Gefängnisturms betrat, und hatte einen Impuls in ihren Bewusstseinen ausgelöst.

Beodu hatte nicht versäumt, darauf hinzuweisen, dass das Ereignis nahezu in allen Einzelheiten seinem wichtigsten Traum entsprach. Dieser Traum, den er Perry Rhodan bei ihrer ersten Begegnung erzählt hatte, besaß folgenden Inhalt:

»Ich schwebe hoch in den Lüften. Unter mir breitet sich eine eintönige Ebene aus. Ich glaube, sie ist mit Sand bedeckt. Ich sehe zwei Wesen. Das eine hat vier Arme und vier Beine und ist von exotischer Gestalt. Das andere hat das Aussehen eines Baumbewohners. Ich senke mich auf die beiden Wesen hinab. Als ich ihnen bis auf wenige Meter nahe gekommen bin, gibt es einen Blitz. Die beiden Wesen fallen um und rühren sich nicht mehr. Offenbar bin ich es, der dies bewirkt hat. Sie sind tot. Ich habe sie getötet. Eigentlich sollte ich darüber Bedauern empfinden; aber ich bin stattdessen von Freude erfüllt. Ich glaube, einen wichtigen Auftrag erfolgreich erledigt zu haben.«

Das war der Traum, und den Akteuren, die darin mitspielten, war Beodu nach und nach begegnet: dem vierarmigen, vierbeinigen Roboter Jordan auf Ylon und ein paar Monate später den Benguel. Die Bedeutung des Traumes war nach wie vor unklar. Eines gab Perry Rhodan zu denken: Das Ereignis im Traum war identisch mit dem Vorgang, den er im Gefängnis erlebt hatte. Sogar der Blitz kam darin vor, der in dem Augenblick aufzuckte, in dem die beiden Gestalten zusammenbrachen. Der Traum, den Beodu seit vielen Jahren träumte, hatte ein Geschehen vorweggenommen, das nun Wirklichkeit geworden war.

Nach fünftägigem Flug erreichte die Flotte das Anklamsystem. Im Orbit über dem Mond Drifaal, auf dem sich die zentralen Anlagen des Anklam-Projekts befanden, rief Ren-No den Terraner zu sich. Dies tat er auf die vorsichtige und höfliche Art und Weise, die er seinem Gast schuldig zu sein glaubte: »Wenn es deine Zeit erlaubt, würde ich mich über deinen Besuch freuen«, sagte er. »Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen. Ich käme gerne zu dir; aber an Bord deines Fahrzeugs ist es eng.«

Perry Rhodan wechselte auf das Flaggschiff über. Ren-No erwartete ihn in einem kleinen Konferenzraum abseits der Kommandozentrale. Getränke und kleine Speisen waren serviert.

Ren-No war auf die übliche geckenhafte Art zurechtgemacht. Den Fellstreifen auf dem Schädel hatte er grell orangerot gefärbt. Seine in einem Stück geschnittene Uniform schien aus reinem Silber zu bestehen. Anstelle eines Rangabzeichens trug er auf der linken Brustseite eine aus rötlichem Metall gefertigte Agraffe, in der ein großer, türkisfarbener Edelstein leuchtete.

»Was ich dir zu erklären habe«, begann er, nachdem sie Speisen und Getränke zu sich genommen hatten, »ist nicht einfach. Ich möchte vermeiden, dass du dich gekränkt fühlst. Aber es ist so, dass du über ein erstaunliches Wissen verfügst und dass nicht jeder von meinen Mitarbeitern so wie ich bereit ist, sich allein auf die Informationen zu verlassen, die uns die Zentrale Wissensautorität zukommen lässt. Du wärest, wenn ich dir eine Unterkunft auf Drifaal zuteilte, von Neugierigen umlagert. Sie würden dich mit ihren Fragen nicht in Ruhe lassen.«

»Also willst du mich anderswo unterbringen«, stellte Rhodan fest.

»So ist es«, bestätigte Ren-No. »Du sollst ein Quartier erhalten, wie es deinem Stand entspricht.«

»Aha! Und welches ist mein Stand?«, erkundigte sich der Terraner amüsiert.

»Du bist ein Vertreter des intelligenten Lebens jenes Universums, in dem wir alle einst eine Heimat zu finden gedenken«, antwortete Ren-No voller Ernst. »Du bist unsere einzige Verbindung mit Meekorah.«

»Ich wollte, ich könnte deiner Interpretation folgen«, sagte Perry Rhodan nachdenklich. »Wenn ich wirklich eine Verbindung wäre, könnte ich nach Meekorah zurückkehren. Der Weg ist mir versperrt.«

»Du wirst ihn finden«, erklärte Ren-No. »Eines Tages wirst du ihn finden. Inzwischen bin ich von der Projektorganisation beauftragt, dich als geehrten Gast zu behandeln. Der dreizehnte Mond des Planeten Zimbon heißt Namrong. Namrong ist eine schöne Welt. Sie dient den leitenden Mitarbeitern des Anklam-Projekts als Erholungsstätte. Auch ich habe dort ein Haus. Es ist so ausgestattet, dass du dich dort wohlfühlen kannst. Ich biete dir mein Haus als Unterkunft an. Du kannst darin wohnen, solang es dir beliebt.«

Die Projektorganisation war das oberste Gremium der Kartanin und der mit ihnen verbündeten Völker. Die Organisation beschäftigte sich jedoch nicht mit dem Handwerk des Regierens und Verwaltens, sondern diente allein dem Zweck, das Projekt Meekorah zu koordinieren und voranzutreiben – jenes Projekt also, das letzten Endes den Transfer der gesamten Galaxis Hangay ins Standarduniversum bewirken sollte, also nach Meekorah. Ren-No hatte mit seiner Bemerkung zum ersten Mal zugegeben, dass er, was Perry Rhodan anging, den Anweisungen seiner übergeordneten Instanz folgte.

»Wie lange soll es mir belieben?«, erkundigte sich Rhodan. »Habe ich volle Bewegungsfreiheit?«

»Die hast du«, sagte Ren-No. »Ich mache keinen Hehl daraus, dass mir daran liegt, dich möglichst lange als meinen Gast zu haben. Andererseits hast du den Wunsch geäußert, die Heimatwelt meines Volkes zu besuchen. Solltest du diesen Wunsch noch immer besitzen, wird man dich auf Vinau willkommen heißen. Was ich mir erhoffe, ist, dass du den Kontakt mit den Völkern der Kansahariyya nicht abreißen lässt.«

Kansahariyya – das war kartanisch für »Bund der 22« und bezeichnete das Bündnis der 22 Völker, die am Projekt Meekorah arbeiteten.

»Da es in Hangay nur das Hexameron auf der einen und die Kansahariyya auf der anderen Seite zu geben scheint«, sagte Perry Rhodan, »und da ich dem Hexameron ganz und gar abgeneigt bin, darfst du getrost annehmen, dass deine Hoffnung in Erfüllung gehen wird.«

»Das freut mich zu hören«, versicherte Ren-No. »Wenn du mich jetzt hören lassen wolltest, wie dir wegen des Hauses auf Namrong zumute ist ...«

»Ich akzeptiere.«

Also landete Perry Rhodan mit seiner Kapsel LEDA und in Begleitung des Attavenno Beodu auf Namrong. Namrong war, wie es der Vorliebe der Kartanin entsprach, eine kühle Welt. Ren-Nos Ferienhaus lag in hügeligem Waldgebiet in Äquatornähe. Des Nachts gab es nicht selten Frost, und auf den Gipfeln der höheren Hügel lag Schnee. Tagsüber war der Himmel gewöhnlich bedeckt, und es regnete häufig. In der Nähe des Hauses lag ein waldumsäumter Weiher, dessen Wassertemperatur im Durchschnitt elf Grad Celsius betrug.

Es gab in der Nähe weitere Ferienhäuser. Rhodan zweifelte nicht daran, dass sämtliche leitenden Mitarbeiter des Anklam-Projekts Kartanin waren. Er wusste mittlerweile, dass die Kartanin die Kansahariyya als eine Vereinigung gleichberechtigter Völker betrachteten. Das hinderte sie jedoch nicht daran, in der Projektorganisation sämtliche wichtigen Positionen in der Hand zu haben.

Einen Teil des Tages verbrachte Rhodan damit, den Nachrichten zuzuhören, die von Drifaal kamen. Der Wiederaufbau der großen Hypersendeanlage, die vor drei Monaten durch die Einwirkung der Hauri zu zwei Dritteln zerstört worden war, machte gute Fortschritte. Die Zentrale Wissensautorität ließ ungewöhnlich oft von sich hören.

LEDA war auf einer Lichtung gelandet, die am Rand der dem Hügelland vorgelagerten Ebene lag. Perry Rhodan hielt des Öfteren Zwiesprache mit ihr. Die Kapsel lag mit ihren empfindlichen Mess- und Nachweisgeräten ständig auf der Lauer. Sie brachte manches in Erfahrung, was über die normalen Nachrichtenkanäle nicht zu hören war. Sie konnte jedoch keine der Sendungen abfangen, die von der Zentralen Wissensautorität kamen.

Rhodan erhoffte sich Hilfe von dieser Wissensautorität. Für sie war es offensichtlich kein Problem, ein Projekt zu steuern, mit dem hundert Milliarden Sternen in ein anderes Universum befördert wurden. Zwei Viertel von Hangay waren bereits verschwunden. Zwei Schübe zu je 50 Milliarden Sternen hatten die ersten beiden Phasen des Projekts Meekorah bereits ins Standarduniversum verfrachtet. Es gab keinen Zweifel daran, dass die Zentrale Wissensautorität Perry Rhodan hätte sagen können, wie man es anstellen musste, mit einem winzigen Raumschiff von Tarkan nach Meekorah überzuwechseln. Die Autorität sprach zu Ren-No; sie sprach zu anderen leitenden Projektmitgliedern. Wenn er ermitteln konnte, wie die Wissensautorität sich mit den Projektteilnehmern verständigte, war er einen großen Schritt weiter.

Aber die Dinge entwickelten sich anders, als er es sich vorgestellt hatte. Er saß eines Abends bequem in seinem Sessel im Wohnzimmer des Ferienhauses, genoss ein kartanisches Getränk, das sich am ehesten als eine Kreuzung zwischen Bier und Sekt hätte beschreiben lassen, und unterhielt sich mit Beodu, als LEDA sich unerwarteterweise meldete.

»Ich glaube, das wird dich interessieren«, sagte die freundliche Stimme der Kapsel. »Das Anklamsystem erhält Besuch – und zwar nicht zu wenig.«

Als Rhodan den Anruf akzeptierte, leuchtete eine der fest installierten Bildflächen auf und zeigte das charakteristische Orterbild, auf dem Himmelskörper im Hintergrund erschienen, während Objekte nicht natürlichen Ursprungs – Raumfahrzeuge zum Beispiel – als grelle Leuchtreflexe dargestellt wurden.

»Was du siehst«, erklärte LEDA, »ist ein Raumabschnitt, der etwa zwanzig Lichtstunden in Richtung galaktisches Zentrum von Anklam entfernt liegt.«

Das Bild war bedeckt von riesigen Scharen heller Leuchtpunkte, und aus den Vektorangaben war zu entnehmen, dass ihr Ziel die Sonne Anklam war.

»Man muss dazu zwei Bemerkungen machen«, sagte LEDA. »Erstens gibt es in diesem Verband zwei verschiedene Fahrzeugtypen, die anhand ihrer energetischen Emissionen voneinander zu unterscheiden sind. Ich färbe sie ein, damit du einen Überblick erhältst.«

Die Leuchtreflexe änderten die Farbe. Sie waren bislang einheitlich weiß gewesen. Nun erschien etwa die Hälfte in grellem Rot, die andere Hälfte in leuchtendem Grün.

»Die grünen Fahrzeuge sind technisch höherentwickelt«, kommentierte LEDA. »Ich kann sie nicht identifizieren. Die roten Fahrzeuge dagegen – ihrer sind jetzt rund fünftausend – waren bis vor ein paar Minuten zehn Riesengebilde, die sich dann auflösten. Aus jedem von ihnen entstanden fünfhundert Raumschiffe durchschnittlicher Größe. Diese Methode der Raumfahrt haben wir schon einmal gesehen, nicht wahr?«

»Benguel!«, stieß Perry Rhodan hervor.

»Richtig. Die Benguel nutzen Raumschiffe, die für die Landung auf Planeten konstruiert sind. Wenn eine große Anzahl von Benguel eine interstellare Reise antritt, schließen sich die Fahrzeuge im All zu einer größeren Einheit zusammen. Das haben wir über Tuyon beobachtet. Die Signale der energetischen Emissionen, die ich erhalte, stimmen mit den Aufzeichnungen von damals überein.«

Beodu hatte die Unterhaltung aufmerksam verfolgt. »Wenn die Roten die Benguel sind«, sagte der Attavenno, »wäre es nur logisch, dass es sich bei den Grünen um Juatafu-Schiffe handelt.«

Perry Rhodan sah verblüfft auf. »Wo ist da die Logik?«, wollte er wissen.

»Die Logik ergibt sich aus seinem Traum«, antwortete LEDA an Beodus Stelle. »Benguel und Juatafu gehören zusammen.«

»So ist es«, sagte der Attavenno.

»Was wollen sie hier?«, fragte Rhodan. »Haben sie mit dem Anklam-Projekt zu tun?«

»Nein«, sagte LEDA. »Auf Drifaal hat man sie bemerkt. Seit einer halben Stunde wird der Flottenverband angefunkt und aufgefordert, sich zu identifizieren oder abzudrehen. So würde man sich auf Drifaal nicht verhalten, wenn es sich um Ankömmlinge handelte, die mit dem Projekt zu tun haben.«

»Wie reagiert der Verband?«

»Überhaupt nicht«, antwortete LEDA.

»Könnte es sich um eine Offensive des Hexameron handeln?«, spekulierte Perry Rhodan.

»Diese Frage habe ich mir auch gestellt«, bekannte LEDA. »Die Möglichkeit besteht natürlich; aber ich halte sie für unwahrscheinlich. Der Verband bewegt sich mit geringer Geschwindigkeit. Er hat keinerlei erkennbare Formation. Ich nehme an, dass Ren-No in Kürze die Vennok auf Gangha beauftragen wird, den Schiffen entgegenzufliegen und sie zum Abdrehen zu bewegen.«

»Wie lange, rechnest du, wird es dauern, bis der Verband ins Anklamsystem einfliegt?«

»Wenn er die gegenwärtige Geschwindigkeit beibehält, wird er in siebzig Stunden die Bahn des Planeten Langlai überqueren«, antwortete LEDA.

Langlai war der äußerste der insgesamt drei Planeten. Er umkreiste sein Zentralgestirn in einem mittleren Abstand von knapp 1,8 Milliarden Kilometern. Zimbon, zu dessen 18 Monden die Welten Drifaal und Namrong gehörten, war der innerste der drei Planeten mit einem Bahnradius von wenig über einer Milliarde Kilometern.

»Wir haben also Zeit«, stellte Perry Rhodan fest. »Ich möchte, dass du mich auf dem Laufenden hältst ...«

»Eben kommt das erste Funksignal«, fiel ihm LEDA ins Wort.

»Kennst du den Code?«

»Gewöhnlicher kartanischer Informationscode. Die Sendung ist unverschlüsselt.«

»Den Text!«, drängte Rhodan.

»Der Text lautet: Wir suchen Shehara.«

»Was heißt das? Wer oder was ist Shehara?«

»Du magst viel von mir erwarten, allwissend bin ich nicht«, erklärte LEDA. »Es ist ein kartanisches Wort, dessen Bedeutung ich nicht kenne.«

»Shehara ist ein Begriff, den die Wissenschaftler verwenden, die sich mit der Seele des intelligenten Wesens beschäftigen«, sagte Beodu. »Er bedeutet so viel wie Idealbild, Inbegriff ...«

»Imago«, entfuhr es Perry Rhodan.

»Das wäre es wohl«, kommentierte LEDA. »Die Botschaft heißt also: Wir suchen Imago.«

»Und wer oder was ist Imago?«, fragte Rhodan missmutig.

Darauf blieb ihm die Stimme der Kapsel die Antwort schuldig.

Am Tag darauf meldete Ren-No seinen Besuch an. »Ich brauche deine Hilfe«, erklärte er. »Es geschehen Dinge, die ich nicht verstehe und über die mir die Zentrale Wissensautorität keine Auskunft geben will.«

Knapp anderthalb Stunden nach dieser geheimnisvollen Ankündigung landete er mit einem Raumboot in der Nähe des Ferienhauses. Perry Rhodan empfing ihn seinem Rang gemäß; Ren-No war aufgeregt und hatte keine Zeit für einen Trunk zur Begrüßung. »Was weißt du über Shehara?«, fragte er.

»Nichts«, antwortete Perry Rhodan.

Ren-Nos Nackenfell sträubte sich. Er trug eine golden schimmernde Uniform, und der Fellstreifen auf dem Schädel war in metallischem Grün eingefärbt. »Nichts?«, wiederholte er im Tonfall tiefster Niedergeschlagenheit. »Du weißt nicht, weswegen sie kommen?«

Rhodan hatte keinen Grund, den Kartanin darüber aufzuklären, welche Informationsmöglichkeiten er besaß. Er stellte sich unwissend. »Wer kommt?«, fragte er.

»Die vereinigten Flotten der Benguel und jener Roboter, die du Juatafu nennst«, jammerte Ren-No. »Ich hatte erwartet, dass du über diese Dinge Bescheid wüsstest.«

»Ich habe mich niemals als Allwissenden ausgegeben«, hielt Perry Rhodan dem Kartanin mit leisem Tadel entgegen. »Mir ist aufgefallen, dass sich eine große Anzahl von Raumschiffen mit geringer Geschwindigkeit dem Anklamsystem nähert. Ich dachte, sie gehörten zu deiner Projektgruppe.«

»Nein, nein!«, rief Ren-No. »Die Benguel und Juatafu sind nicht einmal in der Projektorganisation vertreten. Wer möchte einem Benguel das nötige Wissen zutrauen! Und von den Juatafu weiß man nur, dass sie zuverlässige Betreuer der heranwachsenden Nakken sind.«

Perry Rhodan horchte auf. Es war das erste Mal, dass er Ren-No von den Nakken sprechen hörte, jenem geheimnisvollen Volk, dessen Mitglieder zwischen den Dimensionen zu schweben schienen und im Reich der Ewigen Krieger die Schaltmeister aller wichtigen psionischen Installationen gewesen waren. Für eine Rückfrage ließ ihm der Kartanin indes keine Zeit.

»Mit zehntausend Raumschiffen kommen sie an!«, rief Ren-No, dessen Verzweiflung von Sekunde zu Sekunde zunahm. »Sie befinden sich in einem Zustand der Trance. Man kann sie fragen, was man will – sie antworten immer nur: ›Wir suchen Shehara.‹ Die Sicherheitspatrouille Raum hat versucht, den Verband abzudrängen; aber die Benguel und Juatafu reagieren darauf nicht. Ich gäbe den Vennok Befehl, anzugreifen. Doch sie sind hoffnungslos unterlegen.«

»Wer ist Shehara?«, fragte Rhodan.

»Das wollte ich von dir erfahren«, klagte Ren-No. »Die Benguel und die Juatafu sagen es nicht.«

»Warum lässt du sie nicht einfach gewähren? Sie werden durchs Anklamsystem hindurchziehen und wieder verschwinden.«

»Erstens glaube ich das nicht«, antwortete der Kartanin. »Der Verband verhält sich ganz so, als wollte er ins System einschwenken und auf Position gehen. Wer immer Shehara sein mag, sie scheint sich hier aufzuhalten. Zweitens habe ich von der Zentralen Wissensautorität Instruktionen für den Test der jüngsten Bauphase des Pulssenders erhalten. Mit dem Test muss in wenigen Tagen begonnen werden. Wie soll ich testen, wenn mir zehntausend fremde Raumschiffe vor der Nase herumschwirren? Der Termin des Projektabschlusses steht abermals auf dem Spiel!«

Perry Rhodan nutzte die Gelegenheit. Im Moment waren Informationen zu holen, die Ren-No unter normalen Umständen nicht preisgeben würde. »Wann ist der Termin?«

Ren-No machte eine Zeitangabe, die Perry Rhodan umrechnete, so gut es in der Eile ging. Etwa um den 3. oder 4. August, rechnete er aus, sollte das Anklam-Projekt abgeschlossen werden. Ein weiteres Viertel der Galaxis Hangay würde aus Tarkan verschwinden, falls das Projekt erfolgreich war, und im Standarduniversum materialisieren.

»Was ist an diesem Datum so kritisch?«, wollte er wissen. »Wenn das Projekt zum vorgesehenen Termin nicht abgeschlossen werden kann, dann unternimmt man am darauffolgenden Tag einen neuen Versuch.«

»O nein!«, rief Ren-No. »Der Abschluss eines Projekts ist keineswegs zu jedem beliebigen Zeitpunkt möglich. Wenn wir den Termin versäumten, den die Wissensautorität uns genannt hat, müssten wir Wochen oder gar Monate warten, bis wir den Pulssender von Neuem anfahren könnten.«

»Wie lange genau?«, fragte Perry Rhodan.

»Das weiß nur die Zentrale Wissensautorität.« Ren-No ließ erste Anzeichen des Unwillens erkennen. »Weshalb fragst du mich aus?«, erkundigte er sich. »Das sind Dinge, die dich nichts angehen. Ich bitte dich, mir bei der Beseitigung des Problems zu helfen, das in der Form einer Raumflotte von zehntausend Einheiten auf uns zukommt. Darum geht es in dieser Stunde.«

»Wie soll ich dir helfen?«, fragte Rhodan.

»Vielleicht ist unsere Art der Kommunikation daran schuld, dass die Benguel und Juatafu nicht reagieren«, sagte Ren-No. »Sprich du zu ihnen. Ich habe erfahren, dass du dich auf Tuyon mit den Benguel gut hast verständigen können, und auch mit den Juatafu kommst du offenbar mühelos zurecht.«

»Den Gefallen will ich dir gerne tun«, antwortete Perry Rhodan. »Von welchem Sender aus soll ich sprechen?«

»Oh, nicht von einem Sender!«, rief Ren-No. »Ich habe einen Juatafu und einen Benguel an Bord meines Bootes. Zu ihnen sollst du sprechen.«

»Das sagst du mir erst jetzt?«, reagierte Rhodan mehr amüsiert als verärgert. »Das macht die Sache ungemein leichter.«

»Verzeih.« Der Kartanin wirkte zerknirscht. »Ich war so aufgeregt, dass ich das Wichtigste wohl vergessen habe. Kertuul, der neue Oberstkommandierende der Vennok auf Gangha, hat sich am weitesten in Richtung des fremden Raumschiffsverbands vorgewagt. Er erhielt Erlaubnis, an mehreren Schiffen anzudocken. Es gelang ihm, die Juatafu und Benguel zu überzeugen, dass es für ihr Vorhaben nützlich wäre, wenn sie je einen Vertreter vorausschickten. Diese beiden habe ich mitgebracht. Der Juatafu nennt sich Mnele-Dor, und der Benguel bezeichnet sich als Sternenfreund.«

Perry Rhodan stand auf. »Lass uns mit den beiden sprechen«, schlug er vor. Ein wenig unbehaglich war ihm wegen der Geschehnisse auf Tuyon dabei schon.

Das Boot besaß die Form eines aufgeblähten Diskus und einen Durchmesser von knapp 20 Metern. In der Nähe des Ferienhauses gab es einen kleinen Landeplatz, der alle paar Tage von einer Horde kleiner Dienstroboter bearbeitet wurde, damit er vegetationsfrei blieb. Dort lag das kleine Schiff.

Es ging auf Abend. Anklams winzige blaue Scheibe schickte sich an, hinter den Bergen zu verschwinden. Beodu war im Haus geblieben. Er fühlte sich in Ren-Nos Gegenwart nicht wohl.

Die Schleuse stand offen. Nachdem Perry Rhodan und Ren-No die kleine Schleusenkammer passiert hatten, gelangten sie in einen engen Korridor, in dem ein hochgewachsener, schlanker Venno auf sie wartete. Perry Rhodan erkannte ihn sofort an den ungewöhnlich hoch am Rüssel sitzenden Nasenlöchern und dem mattrosa gefärbten Hautlappen, der den Rüsselmund verschloss.

»Kertuul!«, rief er erfreut. »Es tut meiner Seele gut, dich wiederzusehen. Ich wusste nicht, dass Ren-No dich mitgebracht hat.«

Die Augen des Venno leuchteten. Die Kopfschwingen bewegten sich zitternd. »Auch ich freue mich«, sagte er, und zu den kartanischen Worten, die der im Innern des Rüssels angebrachte Transthesizer erzeugte, erklangen die schnalzenden und pfeifenden Laute der vennischen Ursprache. »Man hat dir damals arges Unrecht getan. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich über ein Wiedersehen freuen würdest.«

Perry Rhodan winkte ab. »Das ist längst vergessen«, meinte er. »Von allen Vennok, mit denen ich damals auf Gangha zu tun hatte, warst du derjenige, der am meisten Verständnis für meine Lage aufbrachte. Ich höre, man hat dich befördert. Du verdienst es.«

»Ich danke dir, Perry Rhodan«, sagte der Venno.

Ren-No war der Unterhaltung mit großer Aufmerksamkeit gefolgt. Nun sagte er, zu Rhodan gewandt: »Es scheint mir, dass du die seltene Fähigkeit besitzt, überall Freunde zu gewinnen. Deswegen setze ich meine Hoffnung in dich. Vielleicht haben der Benguel und der Juatafu zu dir mehr Zutrauen als zu denen, mit denen sie bisher gesprochen haben.«

»Allzu viel Hoffnung würde ich mir in dieser Hinsicht nicht machen«, warnte Kertuul. »Sie sind beide wie benommen. Hin und wieder beobachte ich sie über Video. Sie sprechen kein Wort miteinander.«

Er schritt voraus. Der Gang mündete nach wenigen Metern in den Passagier- und Kontrollraum des Bootes. Kertuul trat auf ein Schott zu, das sich im Hintergrund des Raumes befand. Perry Rhodan und Ren-No folgten ihm. Das Schott glitt zur Seite, nachdem der Venno es mit einem der Manipuliergeräte berührt hatte, die er an den unförmigen Fingern trug.

Perry Rhodan warf an Kertuul vorbei einen ersten Blick in den kleinen Nebenraum, in dem der Juatafu und der Benguel untergebracht waren; und in diesem Augenblick hatte er eine Vision.

Er sah sich auf der Plattform des Gefängnisturms auf Tuyon. Er sah Jordan und Eserfim vor sich stehen. Er sah den Gleiter landen. Der Venno Laftri stieg aus. Jordan und Eserfim starrten den Fremden an.

Und dann geschah es!

Die Vision war zu Ende. Der Schreck krallte sich ihm mit eisigen Fingern in die Seele. Es lag nicht an ihm! Das Unheil durfte sich nicht wiederholen! Er warf sich nach vorne und packte Kertuul an der Schulter. »Bleib stehen!«, schrie er. »Geh nicht hinein!«

Der Juatafu hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Jordan. Er sah aus wie eine zerbeulte Kiste aus Metall, zwei Meter lang und einen Meter hoch, und schwebte auf einem Prallfeld ein paar Zentimeter über dem Boden. An einem flexiblen Stiel, der aus der Deckfläche der Kiste wuchs, waren mehrere Wahrnehmungsorgane untergebracht, darunter das Linsensystem der optischen Sensoren. Der starre Blick der Linsen war auf Kertuul gerichtet.

Der Benguel dagegen glich in jeder Beziehung seinen Artgenossen, die Perry Rhodan auf Tuyon kennengelernt hatte. Er war zirka 1,20 m groß und trug als einzige Bekleidung einen Körperpelz aus dichtem hellbraunem Haar. Der kräftig entwickelte Backenbart wies ihn als männliches Wesen aus. Als sich das Schott öffnete, hatte er in einer Ecke des Raumes gekauert; so viel hatte Perry Rhodan wahrnehmen können. Als er aber Kertuul sah, war er aufgesprungen und hatte den Venno sekundenlang angestarrt, als wäre er eine Erscheinung aus einer anderen Welt.

Und dann geschah, was Rhodan hatte verhindern wollen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, schemenhafte Gebilde zu sehen, die sich aus den Körpern der beiden ungleichen Wesen lösten. Sie glitten aufeinander zu und vereinigten sich miteinander. Im Augenblick der Vereinigung zuckte ein fahler Blitz durch den Raum.

Der Benguel mit dem Namen Sternenfreund gab ein ächzendes Stöhnen von sich und brach zusammen. Mnele-Dor, der Juatafu, prallte scheppernd auf den Boden und kippte zur Seite. Der flexible Stiel mit den Wahrnehmungsorganen pendelte haltlos hin und her, und aus dem Innern des metallenen Körpers kam ein Geräusch, als sei eine straff gespannte Feder zersprungen.

Der Vorgang nahm weniger als eine Sekunde in Anspruch. Der Terraner stand starr vor Schreck. Kertuul hatte sich zur Seite gewandt, bereit, auf Rhodans entsetzten Zuruf zu reagieren. Ren-No, der Kleinste der drei, hatte das Geschehnis nicht zu sehen bekommen, wohl aber die Geräusche gehört. Nun trat er an Rhodan und Kertuul vorbei und musterte die Szene mit verwundertem Blick.

»Seltsam«, hörte man ihn murmeln. »Solche Dinge scheinen sich in letzter Zeit immer häufiger zu ereignen.«

»Du weißt, was hier vorgefallen ist?«, fragte Perry Rhodan erstaunt.

»Ein Benguel und ein Juatafu sind ohnmächtig geworden«, antwortete Ren-No naiv. »Sie werden wieder zu sich kommen; es wird ihnen dann an Verstand fehlen. Warum fragst du? Du selbst hast einen solchen Vorgang erlebt.«

»Ich wusste nicht, dass solche Ereignisse schon öfter beobachtet wurden. Was weiß man über sie? Was haben sie zu bedeuten?«

»Nichts weiß man«, sagte Ren-No. »Es scheint eine Eigenart zu sein, die die Benguel und die Juatafu unter gewissen Umständen entwickeln.«

Alles in allem schien ihn der Vorfall nur in geringem Maß zu interessieren. Die Benguel waren unter den Völkern der Galaxis Hangay wenig geachtet. Sie galten als Parias. Und Mnele-Dor war letzten Endes nur ein Roboter. Für Ren-No war es natürlich, dass er dem Zwischenfall keine Bedeutung zumaß.

Kertuul hatte bislang kein Wort gesprochen. Das Erlebnis hatte ihn erschreckt; das sah man am starren Blick seiner Augen. Nur langsam regte er sich. »Du wolltest mich warnen«, sagte er, an Perry Rhodan gewandt. »Du versuchtest, mich festzuhalten. Glaubst du, ich hätte etwas ... damit zu tun?«

Er machte eine hilflose Geste in Richtung der beiden reglosen Gestalten. »Ich wollte, ich wüsste es«, antwortete Rhodan düster. Er vermute indes, dass es zumindest nicht an ihm

2. Die Imago-Sucher

Am nächsten Tag flog Perry Rhodan mit LEDA nach Drifaal. Ren-No, der noch am Vorabend zurückgekehrt war, empfing ihn mit umfangreichem Gefolge. Rhodan wurde zu einer Hypersendeanlage gebracht, die sonst der Kommunikation mit nahe gelegenen Stützpunkten der Kansahariyya diente. Eine der Antennen war so justiert worden, dass sie in Richtung des vereinten Flottenverbands der Juatafu und Benguel wies.

»Der Verband hat seine Geschwindigkeit verringert«, erklärte Ren-No unterwegs. »Meine Vermutung erweist sich als richtig: Die Benguel und Juatafu wollen im Anklamsystem Position beziehen.«

Perry Rhodan sprach nicht darüber, dass LEDA inzwischen die gleiche Beobachtung gemacht hatte. Er dachte an Kertuul, dem das gestrige Erlebnis einen Schock versetzt hatte. Er war von Ren-No darum gebeten worden, einen zweiten Einsatz zu fliegen und nochmals je einen Vertreter der Juatafu und der Benguel zurückzubringen. Kertuul hatte das Ansinnen zurückgewiesen. »Ich werde kein zweites Mal der Anlass sein, dass zwei Wesen geistigen Selbstmord begehen«, hatte er erklärt.

Sternenfreund und Mnele-Dor waren nach Drifaal überführt worden. Man brachte sie zusammen mit Jordan und Eserfim unter. Mnele-Dor hatte inzwischen die Kontrolle über eine geringe Zahl der Funktionen seines Robotkörpers wiedererlangt. Er schwebte wieder, und das System der Wahrnehmungsorgane schien zu funktionieren. Aber er sprach nicht mehr und zeigte keinerlei Reaktion, wenn er angesprochen wurde. Sternenfreund hatte sich in eine Ecke zurückgezogen und stierte vor sich hin. Bei der Begegnung mit Eserfim hatte er ein paar Laute von sich gegeben, die niemand verstehen konnte. Eserfim dagegen hatte auf Sternenfreund überhaupt nicht reagiert.

Die Kartanin hatten in der Sendeanlage einen kleinen Raum für den Terraner präpariert. Mehrere Videoflächen zeigten Orterbilder des Flottenverbands. Ren-Nos Gefolge war draußen vor der Tür geblieben. Nur der Projektleiter selbst hatte mit Rhodan den Raum betreten.

»Du bist unsere letzte Hoffnung«, sagte er zum dritten Mal, seitdem er den Terraner am Raumhafen abgeholt hatte. »Wenn es dir nicht gelingt, die Shehara-Sucher zum Abdrehen zu bewegen, weiß ich nicht mehr, was wir tun sollen.«

»Ich brauche ein Mikrofon«, sagte Rhodan auf Kartanisch.

Ein leuchtender Energiering materialisierte vor ihm in der Luft. Er zog ihn zu sich heran.

»Die Anlage ist sendebereit«, erklärte eine Computerstimme. »Wir senden auf der Frequenz, die am häufigsten für kommerziellen Bild- und Wortverkehr benutzt wird. Die fremden Raumschiffe sollten in der Lage sein, uns zu empfangen.«

Perry Rhodan ließ zehn Sekunden verstreichen. Dann begann er: »Benguel! Roboter! Ich bin Perry Rhodan, ein Fremder aus einem anderen Universum. Ich spreche zu euch im Auftrag des Projektleiters Ren-No, der in diesem Sonnensystem an einem wichtigen wissenschaftlichen Vorhaben arbeitet. Wir hören, dass ihr Shehara sucht, was in meiner Sprache Imago bedeutet. Lasst mich also diesen Begriff benutzen. Wir wissen nicht, wer das ist. Ihr scheint zu glauben, dass Imago sich in diesem Sonnensystem aufhält. Sagt uns, wer Imago ist, und wir werden veranlassen, dass sie zu euch kommt.

Mit euren zehntausend Raumschiffen stellt ihr eine ernsthafte Behinderung der Unternehmung dar, die Ren-No im Auftrag der Vereinten 22 Völker durchzuführen hat. Wenn ihr Imago identifiziert und uns erlaubt, sie zu euch zu schicken, ist euer Wunsch erfüllt, und ihr leistet damit gleichzeitig uns einen großen Dienst.

Ich erwarte eure Antwort.«

Die Bildfläche, die für den Empfang der von der Flotte erwarteten Sendung reserviert war, blieb dunkel. Eine halbe Minute verstrich. Perry Rhodan schob den energetischen Ring des Mikrofons von sich und wandte sich zu Ren-No um. »Es sieht so aus, als könnte auch ich sie nicht beeindrucken. Wenn du willst, können wir die Aufzeichnung meiner Worte noch ein paar Mal ...«

Er sah, wie es plötzlich in Ren-Nos Augen zuckte, und drehte sich wieder um. Auf der bisher dunklen Bildfläche war es mit einem Mal lebendig geworden. Der Oberkörper eines Benguel mit einem dichten, buschigen Backenbart war zu sehen. Über die Schädeldecke zog sich ein Schopf strohfarbenen Haares. Die großen dunklen Augen blickten weit in die Ferne. Sie schienen das Bild Perry Rhodans, das der Sender auf das Video des benguelischen Schiffes projizierte, nicht zu sehen.

»Wir danken dir«, sagte der Benguel in akzentbehaftetem Kartanisch, »dass du uns deine Stimme hast hören lassen. Nun sind wir gewiss, dass wir Shehara finden werden, die du Imago nennst und die wir ab jetzt ebenfalls so nennen werden.«

Das Bild erlosch. Die Computerstimme erklärte: »Die Verbindung ist abgebrochen.«

Die nächsten Tage verstrichen ereignislos. Spannung und Nervosität wuchsen. Perry Rhodan war nach Namrong zurückgekehrt. Ren-No nahm mehrmals täglich mit ihm Verbindung auf. Hin und wieder fragte er um Rat; meist rief er nur an, um die Lage zu schildern – nach wie vor nicht wissend, dass Rhodan aufgrund der Wachsamkeit, die LEDA an den Tag legte, mindestens ebenso gut informiert war wie er.

Die Raumschiffe der Benguel und Juatafu überschritten die Bahn des äußersten Planeten, Langlai. Ihr Ziel musste tiefer im System liegen, unter den Monden der Planeten Nuru oder Zimbon. Auf Ylon, einem der Nuru-Monde, hatte Perry Rhodan damals das Robotschiff JUATAFU gefunden und Hinweise entdeckt, dass das Schiff vor langer Zeit in Beziehung zu der verschollenen Superintelligenz ESTARTU gestanden haben musste. In der Kontrollzentrale hatte er ESTARTUS Zeichen gefunden: das Dreieck mit den drei Pfeilen. An Bord der JUATAFU war er wochenlang durch die Tiefen der Galaxis Hangay gekreuzt, ohne dass er der Lösung des Geheimnisses, das das Robotschiff umgab, näher gekommen wäre.

Sie waren schließlich auf Tuyon gelandet, die JUATAFU danach mit unbekanntem Ziel weitergeflogen. Lediglich Jordan hatte sich ihm angeschlossen und selbstverständlich Beodu, der Attavenno. Dann war es zu jenem eigenartigen Zwischenfall gekommen, bei dem Jordan das gleiche Schicksal erlitten hatte wie vor ein paar Tagen Mnele-Dor. Seitdem hatte Perry Rhodan den Kontakt mit den Juatafu verloren.

Diese Dinge gingen dem Terraner durch den Kopf, während er das langsame Vordringen der Benguel-/Juatafu-Flotte durch LEDAS Augen mitverfolgte. Sollte er der Flotte entgegenfliegen und mit den Juatafu Verbindung aufnehmen, um zu erfahren, ob vielleicht sie etwas über ESTARTUS Verbleib wussten? Vielleicht gab es an Bord der Schiffe Informationen bezüglich der geheimnisvollen Imago.

Er hatte kein gutes Gefühl bei dieser Idee. Irgendetwas strahlte von dem stummen Riesenverband der Raumschiffe aus, was ihm Unbehagen bereitete. Auch LEDA hatte ihm von einem solchen Vorhaben abgeraten.

Als der Verband sich der Bahn des Planeten Nuru näherte, meldete sich Ren-No. Es war spät am Abend. »Es gibt kaum mehr einen Zweifel«, erklärte der Kartanin, »dass die Benguel und Juatafu es auf einen der Monde des Planeten Zimbon abgesehen haben. Logischerweise könnte es eigentlich nur Drifaal sein; denn alle anderen Monde sind spärlich oder überhaupt nicht besiedelt, und auf Drifaal befindet sich obendrein die gesamte Projekttechnik.

Ich befinde mich in einer Notlage. Kertuul und seine Vennok haben Befehl, einen Verteidigungsring um Drifaal zu bilden. Wenn die Eindringlinge zu landen versuchen, wird man das Feuer auf sie eröffnen. Aber Kertuul und seine Soldaten sind den Benguel und Juatafu hoffnungslos unterlegen. Wenn alle zehntausend Schiffe auf einmal zur Landung ansetzen, fegen sie die paar Vennok-Einheiten einfach beiseite. Ich habe eine dringende Nachricht an die Projektorganisation abgesetzt. Ich nehme an, dass man uns von dort Hilfe schicken wird. Das Projekt darf auf keinen Fall verzögert werden.

Darüber wollte ich dir Bescheid geben. Die Lage wird kritisch. Ich werde mich in Zukunft wahrscheinlich weniger oft bei dir melden können als bisher. Du hast die Koordinaten des Charifsystems. Du solltest in Erwägung ziehen, dich mit deinem Freund Beodu dorthin abzusetzen.«

Perry Rhodan dankte ihm für die Information und den Ratschlag und erklärte, er werde sich die Sache durch den Kopf gehen lassen. »Ich habe nicht den Eindruck, dass die Juatafu und Benguel gewalttätig werden wollen«, sagte er. »Außerdem widerstrebt es mir, meinen Posten zu verlassen, nur weil es ein wenig gefährlich werden könnte. Im Augenblick jedenfalls steht mir der Sinn danach, hierzubleiben.«

Er hatte den Eindruck, dass Ren-No erleichtert war. Der Kartanin wollte ihn als Berater in der Nähe behalten.

In dieser Nacht fiel es Rhodan schwer, Schlaf zu finden. Ein unaufhörlicher Strom von Gedanken, Fragen, Überlegungen hielt ihn wach. Es war lange nach Mitternacht, als ihm die Augen endlich zufielen. Er mochte eine Stunde geschlafen haben, da fuhr er plötzlich in die Höhe. Jemand hatte laut zu ihm gesprochen.

»Wer ist da?«, fragte er.

»Ich«, antwortete LEDA. »Ich störe deine Ruhe ungern. Es ist etwas Wichtiges geschehen. Der Verband hat Fahrt aufgenommen und nähert sich mit vermehrter Geschwindigkeit. Gleichzeitig hat er eine geringfügige Kursänderung vollzogen. Es lässt sich noch nicht ermitteln, welches sein Ziel ist. Allerdings kann ich mit Bestimmtheit sagen: Drifaal ist es nicht!«

»Willkommen an Bord«, begrüßte die Kapsel ihre beiden Fahrgäste. »Ich sehe, ihr habt euch für alle Fälle gerüstet.«

Perry Rhodan trug die Netzkombination. Beodu hatte die leichte, flugfähige Schutzmontur angelegt, die ihm von Ren-No zur Verfügung gestellt worden war.

»Es könnte sein, dass wir uns bald einen neuen Wohnort suchen müssen«, sagte Perry Rhodan. »Was lässt sich inzwischen über den Kurs des Verbands erfahren?«

»Nichts Bestimmtes«, antwortete LEDA. »Die Schiffe sind im Begriff, eine dichter geschlossene Formation einzunehmen. Im Augenblick beläuft sich die Breite ihrer Front auf zwanzig Lichtsekunden. Schwer zu sagen, auf welches Ziel ein so breites Gebilde zusteuert.«

»Du hast Drifaal als möglichen Zielpunkt bereits ausgeschlossen«, erinnerte Perry Rhodan die Kapsel. »Welche anderen Monde scheiden ebenfalls aus?«

»Zimbon hat achtzehn Monde. Stell die Frage andersherum, und du bekommst eine brauchbare Antwort. Welche Monde kommen als mögliches Ziel in Betracht? Es sind drei. Siamon, der neunte. Elechiam, der siebzehnte.«

»Und?«, fragte Perry Rhodan ungeduldig, als LEDA plötzlich schwieg.

»Und Namrong«, kam die Antwort.

Perry Rhodan hatte den Blick gesenkt und die Arme auf dem Rücken verschränkt. »Ich wusste es«, sagte er mit unterdrückter Stimme. »Was für Welten sind das, Siamon und Elechiam?«

»Leblose Felsbrocken«, antwortete LEDA. »Siamon ist atmosphärelos, Elechiam hat eine dünne Gashülle, die aus Stickstoff und Neon besteht.«

»Also ist Namrong das wahrscheinlichste Ziel des Verbands«, stellte Rhodan fest.

»Wenn du es so sehen willst – ja. Noch wissen wir nicht, wer oder was Imago eigentlich ist. Sie könnte ebenso gut auf einer leblosen Welt zu Hause sein.«

»Du versuchst, mich zu trösten, nicht wahr?«, fragte der Terraner herausfordernd.

»Ich habe eine Ahnung ...«, begann LEDA.

Perry Rhodan fiel ihr ins Wort: »Ich habe mehr als eine Ahnung. Ich habe Indizien. Auf Ylon – damals, als wir die JUATAFU verließen – sagte die Stimme des Bordcomputers zu mir: ›Wir werden dich wiedersehen, Perry Rhodan, denn du bist ein Erleuchteter.‹ Ich war zweimal dabei, als ein Juatafu und ein Benguel plötzlich bewusstlos zusammenbrachen. Und was sagte der Benguel, als ich vor ein paar Tagen zu den Schiffen der vereinten Flotte sprach? ›Wir danken dir, dass du uns deine Stimme hast hören lassen. Nun sind wir gewiss, dass wir Imago finden werden.‹«

LEDA antwortete nicht sofort. Ein paar Sekunden verstrichen. Dann sagte die Stimme der Kapsel: »Ich weiß immer noch nicht, worauf du hinauswillst.«

»Einfach«, knurrte Perry Rhodan. »Ich bin Imago!«

Beodu gab einen schrillen Klagelaut von sich.

»Das war die Ahnung, von der ich sprechen wollte«, gab LEDA zu. »Du bist dir ebenso wie ich darüber im Klaren, dass wir spekulieren. Die Lösung des Rätsels kann ganz anders aussehen.«

»Ich glaube es nicht«, sagte Perry Rhodan bitter. »Die Zeichen sind zu deutlich. Aber was ist die Imago? Wie komme ich dazu, von den Benguel und Juatafu mit diesem Namen belegt zu werden? Und was wollen sie von mir?«

»Wenn unser Verdacht sich als richtig herausstellt, gibt es nur zwei Möglichkeiten der Erklärung«, antwortete die Stimme der Kapsel.

»Nämlich ...?«

»An Bord der JUATAFU – damals, kurz bevor das Hexameron über dich herfiel – unterhieltest du dich mit der Projektion eines humanoiden Kopfes. Du beantwortetest Fragen, die sich auf deine Suche nach ESTARTU bezogen. Du musst wohl die richtigen Antworten gegeben haben; denn schließlich wurdest du als Eingeweihter bezeichnet. Und beim Verlassen des Schiffes nannte man dich, wie du selbst vor Kurzem sagtest, einen Erleuchteten. Die JUATAFU hat die Meldung ringsum verbreitet, dass ein Eingeweihter, ein Erleuchteter, nach Hangay gekommen ist. Seitdem sind die Juatafu und die Benguel auf der Suche nach dir.«

»Das ist die eine Möglichkeit«, sagte Perry Rhodan, und seiner Stimme hörte man an, dass ihm die Erklärung nicht sonderlich gefiel. »Welches ist die andere?«

»Du beschreibst, dass du schemenhafte Gebilde gesehen hast und einen Blitz, als der Benguel und der Juatafu ohnmächtig zusammenbrachen. In beiden Fällen hast du die gleiche Beschreibung geliefert. Ich weiß nicht, was von den Schemen zu halten ist. Es könnte sein, dass es sich um Ballungen psionischer Energie handelt. Denk daran, dass die beiden Bewusstlosen, wenn sie wieder zu sich kommen, ihre Intelligenz verloren zu haben scheinen. Könnte es sein, dass sie sie im Augenblick des Zusammenbruchs ausstrahlten?«

»Denkbar«, nickte Perry Rhodan nach kurzem Zögern. »Was weiter?«

»Stell dir die Ballungen, die sich nach deiner Schilderung miteinander vereinigen, als psionische Signale hoher Intensität vor«, sagte LEDA. »Ein Teil der Signalleistung teilt sich deinem Bewusstsein mit und hinterlässt dort einen Eindruck, den die Benguel und die Juatafu auf irgendeine Art und Weise wahrnehmen können. Durch diesen Eindruck bist du in ihren Augen ausgezeichnet. Du bist Imago. Du bist derjenige, dessen Nähe sie suchen müssen.«

Rhodan dachte darüber eine Zeit lang nach. »Hört sich weit hergeholt an«, entschied er schließlich.

»Gewiss doch. Ich sagte schon: Wir spekulieren.«

Beodu meldete sich zum ersten Mal zu Wort. »Vergiss nicht, dass in beiden Fällen zudem ein Venno eine gewisse Rolle gespielt zu haben scheint«, sagte er. »Auf Tuyon war es Laftri. Hier auf Namrong war es Kertuul, der den Raum betrat, in dem sich Mnele-Dor und Sternenfreund befanden.«

»Richtig«, murmelte Rhodan fast wie im Selbstgespräch. »Kertuul fragte mich, ob er womöglich für den Vorfall verantwortlich zu machen sei.«

»Was es mit den Vennok auf sich hat, verstehe ich nicht«, erklärte LEDA. »Ihr habt recht: Es scheint, dass sie auch eine Rolle spielen.«

Perry Rhodan griff sich an den Kopf. »Hör auf!«, rief er im Ton der Verzweiflung. »Es gibt zu viele Dinge, die völlig ohne Sinn sind.«

»Es gibt ohnehin im Augenblick Wichtigeres zu tun«, bemerkte LEDA trocken. »Der Kurs des Verbands ist mittlerweile eindeutig. Er zielt auf Namrong!«

LEDA hatte das Orterbild aufgeblendet. Der riesige Raumschiffsverband erschien als dicht gedrängter Pulk von glitzernden Reflexen, die sich neuerdings mit bedeutender Geschwindigkeit bewegten.

Auf einem zweiten Bild zeigte LEDA die unmittelbare Umgebung. Die Nacht würde noch ein paar Stunden dauern. Der Himmel war bedeckt. Ab und zu lugte ein vorwitziger Stern durch eine Lücke zwischen eilig dahintreibenden Wolken. Sturm kam auf.

Im Lauf der nächsten 20 Minuten veränderte sich das Orterbild. Die Formation zog sich in die Länge, als die Einheiten an der Spitze ihre Geschwindigkeit erneut um etliches erhöhten. Eine Gruppe von 100 Raumschiffen löste sich aus dem Verband und steuerte zielstrebig den Mond Namrong an.

LEDA änderte den Bildausschnitt. Von vorrangigem Interesse waren die Einheiten, die nach ihrer Schätzung in spätestens einer Stunde über Namrong ankommen würden.

Der Empfänger sprach an. Perry Rhodan hatte die ganze Zeit über damit gerechnet, dass Ren-No sich melden würde. »Du hast den Standort gewechselt«, stellte der Kartanin fest. »Gut. Die Messgeräte deines Fahrzeugs werden dir schon mitgeteilt haben, wie sich die Lage entwickelt.«

»Das haben sie«, antwortete Rhodan. »Es wird dich erleichtern, dass du dir um Drifaal nun keine Sorgen mehr zu machen brauchst.«

»Es könnte eine Finte sein«, gab der Kartanin zu bedenken. »Sie haben bemerkt, dass die gesamte Sicherheitspatrouille Raum im Orbit über Drifaal stationiert ist, und wollen sie abziehen. Sobald ihnen das gelungen ist, ändern sie erneut den Kurs und stoßen endgültig auf Drifaal vor.«

»Ich glaube es nicht.« Perry Rhodan lächelte. »Sie mögen irregeleitet oder verblendet sein; aber sie sind ehrlich. Was wirst du unternehmen?«

»Was hätten sie auf Namrong verloren?«, wunderte sich Ren-No. »Was für einen Grund gäbe es, Shehara ... also Imago ... auf Namrong zu suchen?« Erst dann erinnerte er sich, dass ihm eine Frage gestellt worden war. »Zwölf Vennok-Schiffe stoßen in Richtung Namrong vor«, antwortete er. »Mehr kann ich bei der gegenwärtigen unsicheren Lage nicht riskieren.«

»Sag ihnen, sie sollen sich friedlich verhalten«, schlug ihm Rhodan vor. »Ich glaube nicht, dass die Benguel und Juatafu eine unmittelbare Gefahr darstellen.«

Die Verbindung erlosch. Der Pulk, der sich Namrong näherte, hatte inzwischen das Bremsmanöver eingeleitet.

»Sie kommen schneller, als ich erwartete«, sagte LEDA. »Sie streben einen niedrigen Orbit an, sonst hätten sie bereits einzuschwenken begonnen.«

Am Rand der Bildfläche erschien eine Gruppe winziger Leuchtpunkte. Perry Rhodan zählte zwölf. Das waren die Einheiten der Vennok, von denen Ren-No gesprochen hatte. Auf dem zweiten Bild zuckte ein greller Blitz durch die wolkenverhangene Nachtszene.

»Leg die Kommunikationsfrequenzen der Sicherheitspatrouille Raum an«, sagte Perry Rhodan. »Es kann die Notwendigkeit entstehen, dass wir mit den Vennok sprechen müssen.«

»Gemacht«, antwortete LEDA knapp.

Im Lauf der nächsten halben Stunde schwenkten die 100 Benguel- und Juatafu-Raumschiffe in einen 300 Kilometer hohen Orbit ein. Die Einheiten der Vennok waren inzwischen herangekommen. Sie verfolgten die fremden Schiffe in geringem Abstand.

»Das ist merkwürdig«, sagte LEDA. »Es sind genau fünfzig Juatafu- und fünfzig Benguel-Schiffe. Auch im Rest des Verbandes sind die beiden verschiedenen Schiffstypen, soweit ich erkennen kann, mit genau gleichen Zahlen vertreten. Es scheint unter den Robotern und den Pelzwesen ein Gesetz zu geben, dass sie, wenn sie gemeinsam agieren, immer gleichzahlig sein müssen. Ich frage mich, ob dahinter mehr steckt als die Philosophie der Gleichheit.«

Ihre ominöse Bemerkung ging unter, als beim Pulk der 100 Schiffe eine erneute Veränderung eintrat. Erst sah es so aus, als hätten die Fahrzeuge sich zu teilen begonnen. Dann erkannte man, dass eine neue Generation von Reflexen entstanden war, insgesamt 23, die wesentlich kleiner und lichtschwächer waren als die Leuchtpunkte der interstellaren Schiffe. Die Benguel und die Juatafu hatten Landungsboote ausgeschleust!

Die Gruppe der 23 Boote löste sich rasch vom Pulk und begann den Abstieg in Richtung Namrong. Die Einheiten der Vennok setzten sich ebenfalls in Bewegung. Mit rasch zunehmender Geschwindigkeit schossen sie hinter den Booten her.

»Gib mir eine Verbindung mit dem Vennok-Kommandanten!«, verlangte Perry Rhodan. »Der Narr hat doch hoffentlich nicht vor ...«

Weiter kam er nicht. Dort, wo die Vennok-Schiffe sich bewegten, zuckte ein Blitz auf. Eines der 23 Boote blähte sich auf und wurde zu einer kleinen Wolke, die an Leuchtkraft verlor, je weiter sie sich ausbreitete. Fassungslos beobachtete Rhodan, wie die übrigen 22 Boote ihren Kurs unbeirrt weiterverfolgten. Auch der Pulk der großen Schiffe ließ mit keinem Anzeichen erkennen, dass er vorhatte, den Vennok Widerstand zu leisten.

»Sie wehren sich nicht!«, knirschte der Terraner. »Welcher Barbar bringt es fertig, auf sie zu schießen?«

Bis LEDA die Verbindung zustande brachte, vergingen weitere zwei Boote im immer heftiger werdenden Feuer der Vennok. Verblüfft und zornig musterte Perry Rhodan die Gestalt, die auf der Radiokom-Bildfläche materialisierte.

»Ren-No! Was hast du dort verloren?«, schrie er.

»Ich bin an Bord des Führerboots«, antwortete der Kartanin hastig. »Kertuul selbst hat das ...«

»Stellt das Feuer ein, ihr Henker!«, brüllte der Terraner außer sich vor Zorn. »Seht ihr nicht, dass sie völlig hilf- und harmlos sind?«

»Es sind ... es sind nur Roboter und Benguel«, stotterte Ren-No, für den Rhodans Zornesausbruch offenbar völlig überraschend kam.

»Benguel sind denkende Wesen, Geschöpfe der Natur!«, schrie Rhodan. »Ihr habt nicht das Recht, sie zu töten!«

Auf dem Bild sah man, wie Ren-No sich zur Seite wandte. Was er sagte, war nicht zu hören.

»Der Wutanfall hat gewirkt«, bemerkte LEDA. »Das Feuer ist eingestellt. Vier Landeboote vernichtet.«

Ren-No rückte wieder in den Mittelpunkt des Bildes. Er wirkte bestürzt. »Was soll ich tun?«, fragte er hilflos. »Einfach zusehen, wie Benguel und Juatafu die schöne Welt Namrong überschwemmen?«

»Mit dreiundzwanzig Raumbooten kann man diese Welt nicht überschwemmen«, rief Rhodan. Der größte Zorn war verraucht. Erschöpfung und Trauer setzten ein. »Hast du versucht, mit den Benguel oder den Juatafu zu reden? Ich meine, seitdem sie ihre Landeboote ausgeschleust haben?«

»Nein«, bekannte Ren-No lahm. »Nach all den Versuchen, die wir in den vergangenen Tagen unternommen haben, hielt ich es nicht mehr für sinnvoll ...«

»Dann komm herunter«, forderte Perry Rhodan ihn auf. »Für eine Funkverbindung ist es ohnehin zu spät. Die Boote werden in ein paar Minuten aufsetzen. Lande du in der Nähe, aber nur mit einem Fahrzeug! Sprich mit den Benguel und den Juatafu, wenn sie aus den Booten steigen.«

Eine Sekunde lang sah es aus, als wolle Ren-No den Vorschlag entrüstet zurückweisen. Aus dem Hintergrund schien jemand auf ihn einzureden. Er hatte den Kopf halb zur Seite gewandt. Schließlich lenkte er ein. »Ich werde tun, wie du meinst«, sagte er.

Ein Gedanke schoss Perry Rhodan durch den Kopf. »Was immer du tust, komm allein!«, rief er dem Kartanin zu. »Vor allen Dingen lass alle Vennok an Bord deines Fahrzeugs.«

Ren-No sah ihn misstrauisch an. »Was hat das zu bedeuten?«, wollte er wissen.

»Wir reden später darüber. Jetzt ist keine Zeit für Erklärungen.«

»Ich gehe auch darauf ein«, sagte Ren-No unsicher.

Im nächsten Augenblick war die Verbindung erloschen.

Mit atemloser Spannung verfolgten Perry Rhodan und Beodu, wie die 19 Landeboote der Juatafu und Benguel sich auf die Ebene herabsenkten. Das Bild, das LEDA auf die Videofläche projizierte, war von Infrarotgeräten aufgenommen. Die Nacht hielt sich über dem flachen Land südlich der Hügel. Die Kapsel hatte den voraussichtlichen Landepunkt der Boote errechnet. Er lag nicht mehr als drei Kilometer entfernt.