Perry Rhodan 2925: Der Tryzom-Mann - Michael Marcus Thurner - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2925: Der Tryzom-Mann E-Book und Hörbuch

Michael Marcus-Thurner

3,9

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden. Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen. In der Milchstraße sind mittlerweile die Gemeni von Bord ihrer "Spross" genannten Raumschiffe aus aktiv geworden, angeblich wollen sie die Mächtigkeitsballung von ES im Auftrag einer anderen Superintelligenz gegen feindselige Kräfte sichern. Aber hat ES seine Mächtigkeitsballung tatsächlich aufgegeben? Es mehren sich die Zweifel, und ein besonderes Team sucht nach entsprechenden Hinweisen. Ein Mitglied dieses Teams ist DER TRYZOM-MANN ...

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Zeit:3 Std. 28 min

Sprecher:Florian Seigerschmidt
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Nr. 2925

Der Tryzom-Mann

Er stammt aus tiefer Vergangenheit – und er besitzt einzigartige Fähigkeiten

Michael Marcus Thurner

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Heute

2. Früher

3. Heute

4. Früher

5. Heute

6. Früher

7. Heute

8. Früher

9. Heute

10. Heute

Leserkontaktseite

Glossar

Clubnachrichten

Impressum

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

In der Milchstraße sind mittlerweile die Gemeni von Bord ihrer »Spross« genannten Raumschiffe aus aktiv geworden, angeblich wollen sie die Mächtigkeitsballung von ES im Auftrag einer anderen Superintelligenz gegen feindselige Kräfte sichern. Aber hat ES seine Mächtigkeitsballung tatsächlich aufgegeben? Es mehren sich die Zweifel, und ein besonderes Team sucht nach entsprechenden Hinweisen. Ein Mitglied dieses Teams ist DER TRYZOM-MANN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Zau – Der USO-Agent berichtet aus einer Zeit, die längst vergangen ist.

Anme und Mota – Die Geschwister haben drei Eltern.

Numun und Tavvu – Sie sind Eltern, die keine hätten werden dürfen.

Guvratosch – Der Wissenschaftler schert sich nicht um Konventionen.

Opiter Quint

1.

Heute

Im Inneren des Tiers (1)

Es roch säuerlich und ein wenig nach Verwesung. Die Decke des Ganges hing durch, aber das war kein Grund, sich Sorgen zu machen. JASON war nun mal biologisch-organisch – und dennoch in all seinen Ausprägungen ein Raumschiff. Ein Dolan, der wie durch ein Wunder die Jahrtausende überlebt hatte.

Opiter Quint streifte leicht mit den Fingern über die Seitenwand des Ganges und vermied dabei den Gedanken, sich im Inneren eines Lebewesens zu befinden. Er dachte stattdessen an die NEÈFOR.

An das Schiff, in dem der Dolan JASON geparkt stand. Ein ferronischer Raumer der PIGELL-Klasse, der die 23.254 Lichtjahre von der Wega bis zu einem Sonnensystem namens Madurant und einer Welt namens Thoo überwinden würde. Erst am Ende ihrer Reise würde JASON ausfädeln und sich auf die Suche nach Hinterlassenschaften der Superintelligenz ES machen.

»Da sind wir.« Mahnaz Wynter klopfte an die kristallin wirkende Tür zu ihrer Rechten.

»Kommt rein!«, hörten sie Zaus knarzige Stimme.

Die Terranerin trat in den spärlich eingerichteten Raum, Quint folgte ihr und musste sich ducken. In JASON war für seinen Geschmack alles um eine Spur zu klein.

»Ihr wollt mit mir reden?«, fragte der kleine, krumm dasitzende Mann namens Zau, angeblich seit Jahren ein Kollege Wynters. Er saß in einem Lehnstuhl und sog Flüssigkeit durch ein Rohr ein, das organisch wirkte und im Zentrum des einzigen Tisches im Raum endete. Der Tisch war bis auf eine Wasserkaraffe und einige Gläser leer.

»Ja, das möchten wir.« Quint setzte sich ungefragt hin, gegenüber von Zau, und deutete auf das Gefäß. »Was ist das?«

»Keine Ahnung. Aber es schmeckt gut.« Zaus Augen wirkten hinter den riesigen optischen Brillen wie Fische in einem Aquarium. Sie trieben unstet hin und her, kamen kaum einmal zur Ruhe. »JASON stellt es mir zur Verfügung.«

Zau tastete unter seinen Stuhl. Gleich darauf wuchsen zwei weitere Röhren aus dem Tisch. Sie schlängelten sich in Quints und Wynters Richtung, als erahnten sie ihre Anwesenheit.

Quint beugte sich vor und griff nach seinem Rohr. Es fühlte sich warm und lebendig an. Er sog daran. Eine sirupartige Flüssigkeit mit schokoladigem Nachgeschmack füllte seinen Mundraum.

Er schluckte. »Das schmeckt ... sonderbar. Außergewöhnlich. Und gut. «

Zau betrachtete ihn lächelnd. »Das Rohr gehört zu JASONS Körper. Vielleicht ist es so etwas wie Magenflüssigkeit des Dolans, vielleicht dessen Ausscheidungen. Aber spielt das denn eine Rolle? Es schmeckt und belebt den Geist. Mehr muss ich nicht wissen.«

Quint legte das Saugrohr beiseite. Ihm war der Appetit vergangen. »Wir dürfen nicht unvorsichtig sein«, sagte er. »Wir wissen immer noch viel zu wenig über unser Raumschiff.«

»Ich bin misstrauisch, wenn es notwendig ist.«

Quint atmete tief durch. Derlei Bemerkungen machten ihm die Fremdartigkeit des kleinen Mannes deutlich. Zau dachte und sprach anders als ein Terranischstämmiger, er zeigte sonderbare Angewohnheiten. Irgendwie wirkte er ... schief.

»Ich erzähle euch von meinem Leben«, sagte Zau völlig unvermutet, als wollte er Quint in seiner Einschätzung bestätigen. »Mahnaz kennt meine Vorgeschichte zum Großteil, aber ...«

»Ich möchte sie nochmals hören«, unterbrach ihn Wynter und betonte dabei das letzte Wort. Sie nickte Zau zu, setzte sich auf einen weiteren Stuhl und zog beide Beine an.

»Also schön.« Zau sog an dem organischen Rohr, schluckte genüsslich und machte den Rücken rund, als wollte er in sich selbst versinken.

»Es begann vor langer Zeit«, sagte er mit seiner Krächzstimme. »Ich kann mich an meine Geburt natürlich nicht erinnern, aber ich habe dieses Wissen ... eingeholt.«

»Eingeholt?«, echote Quint und machte es sich ebenfalls auf dem Stuhl bequem. Eine leichte Erschütterung ging durch den Dolan, wie durch einen sachten Herzschlag verursacht, und die Wände des Zimmers schienen ein kleines Stückchen näher zu rücken.

»Es ist nicht leicht zu verstehen – aber umso leichter zu spüren.« Zau blickte ihn an.

Und mit einem Mal war die Erzählung da.

Hautnah.

2.

Früher

Der Leib-Vater

Numun war ein aufrechter Mann, dem das Leben auf Lotron nicht gut bekam. Er war Wartungsingenieur auf einer der größten Schwimmwerften des Planeten, auf Schuschosch-Acht, die dem Hauptkontinent vorgelagert war. Von dort wurde gut ein Drittel des Warenverkehrs dieser fernab der Heimatgalaxis entfernten Kolonie abgewickelt.

Numun schuftete in langen Schichten, um seiner Frau und sich selbst ein Leben in Zufriedenheit zu gewährleisten. Er hatte so viel Hoffnung auf einen Neubeginn gesetzt. Numun hatte gedacht, vor den Intrigen in seiner Heimat flüchten zu können und leistungsgerecht beurteilt zu werden.

Doch er kam auf Lotron nicht so recht vorwärts, zumal er nicht jene Abgebrühtheit aufwies, um sich im Konkurrenzkampf gegen andere Mitglieder seiner Abteilung durchzusetzen und Karriere zu machen. Er wurde bei Beförderungen stets übergangen.

Auch an diesem Tag war er gedemütigt worden. Er hätte bloß energischer werden müssen, als Schichtleiter Pontiam ihn auf Verfehlungen hingewiesen hatte. Er hätte sagen müssen: Kamitasch war es! Sie hat Schaltsequenzen falsch programmiert und dafür gesorgt, dass die Reparaturarbeiten an der CONTOSCH zwei Tage länger dauern würden.

Aber Numun hatte es nicht getan. Er hatte die Schelte über sich ergehen lassen. Hatte zugehört, genickt, geduldet, gelitten. Hatte den Rücken krumm gemacht und Demütigungen hingenommen.

Der Heimflug mit dem Sammelgleiter verlief in aller Stille. Die Ingenieure und Techniker waren allesamt erschöpft vom Tagwerk. Numun stierte an seinen Sitznachbarn vorbei durch die Glaskuppel und erfreute sich an den schnell näher kommenden Lichtern, die das nördliche Küstengebiet des Kontinents sprenkelten. Sie klebten wie Nester an Hunderte Meter steil abfallenden Kreidefelsen, die meist sturmumtost waren.

Matronis im Landesinneren, die prächtige Stadt, war vom Küstengebiet aus nicht zu sehen. In ihr siedelten mehr als fünfzig Prozent jener Takerer, die den Sprung nach Lotron gewagt hatten.

Numun mochte keine Städte. Die Enge widerte ihn an, die Gesellschaft von seinesgleichen ebenso. Seine Frau Tavvu dachte ähnlich. Also hatten sie ein Haus in einer der Fachsiedlungen des Kontinents bezogen.

Er betrachtete das Tosen der heftigen See im Licht der schwach leuchtenden Sonne. Er mochte diese Welt irgendwie, aber sie wollte ihm nicht Heimat werden.

Der Gleiter fiel abrupt aufs Landefeld des Sammelhafens hinab und parkte dort, wo er jeden Tag parkte. Numun murmelte einen Abschiedsgruß in Richtung zweier Reisebekanntschaften und stieg in einen der bereitstehenden, bodengebundenen Zubringer, die für Pendler zur Verfügung standen. Das Gefährt brachte ihn quer durch urtümliche Landschaft nach Comtopick, eine typisch takerische Wohnsiedlung, in der hauptsächlich Biotechniker und Biogenetiker lebten.

Wissenschaftler wie Tavvu, seine Frau.

Er bewunderte und liebte sie. Sie war das Beste, das ihm jemals hatte passieren können. Sie war sein Halt. Sie stützte Numun, wann immer er Niederlagen erlitt. Ihre strahlend violetten Augen leuchteten dann in gütiger Wärme, und sie nahm ihn in ihre Arme, um Trost zu spenden.

Ein Tier der Nacht heulte laut auf, als Numun den Zubringergleiter verließ. Einige der Zuchtergebnisse der nahe gelegenen Geneto-Farmen waren in freie Wildbahn entlassen worden. Sie stellten keine Gefahr für die Bewohner Comtopicks dar, zumal Roboter an den Außengrenzen der Wohnstadt patrouillierten und für Ruhe sorgten.

Die Tür öffnete sich, Tavvu trat ins Freie. Ihr Kopf fiel leicht nach vorn, wie fast immer, wenn sie müde war.

Numun näherte sich wortlos und nahm seine Frau in die Arme, um überrascht festzustellen, dass sie sich weich und anschmiegsam anfühlte. So, als benötigte sie diesmal ihn als Stütze.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte er und streichelte über das dunkle, grobporige Gesicht.

»Es ist niemals alles in Ordnung«, antwortete Tavvu mit Bitternis in der Stimme und lehnte sich schwer gegen ihn.

Numuns Herz schlug heftiger. »Du hast das ... das Ergebnis bekommen?«

»Ja. Die genetischen Fehlbildungen sind zu stark ausgeprägt. Wir werden auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen. Der Rat der Geneto-Farm hat beschlossen, dass wir darüber hinaus von jedwedem Aufzuchtprogramm ausgeschlossen bleiben.«

»Warum?«, fragte er lauter, als er es vorgehabt hatte.

»Du weißt, dass die Geneto-Farm keine Auskünfte gibt. Wir müssen unser Los akzeptieren.«

Er fühlte Tavvus gesamtes Gewicht. Sie drohte, wie ein nasser Sack zu Boden zu rutschen. Unter Mühen schaffte er es, seine Frau auf den Beinen zu halten.

Sie weinte, heiße Tränen bedeckten Numuns Brust. Tavvus Verzweiflung war herzzerreißend. Seine Stütze, sein Ein und Alles, war am Ende ihrer Kräfte angelangt.

Da und dort öffneten sich Fenster, Bekannte und Kollegen lugten hervor. Die Tochter der Hamelainsch-Familie beendete ihr Spiel mit ihrer Sand-Prallfeldburg, wandte sich ihnen zu und rief fragend: »Ist Tavvu krank?«

»Ein wenig«, antwortete Numun und schob seine Frau ins Innere des Hauses. Niemand brauchte von ihrem Unglück zu wissen. Es schickte sich nicht, Gefühle öffentlich zu zeigen.

Er bereitete Tavvu eine Tasse Scaluc zu und versetzte das bittere Heißgetränk mit einem Medikamentencocktail, dessen Mischung ihm der Hausroboter empfahl. Er würde seine Frau entspannen und beruhigen. Wenn sie in zwei oder drei Stunden erwachte, würde die Wirkung darüber hinaus ihre Sorgen blocken.

Numun ließ sich ebenfalls medikamentieren, verzichtete aber auf stimmungsdämpfende Mittel. Der Hausroboter brachte Tavvu ins Bett, während er es sich auf dem Mobilisator bequem machte und darauf wartete, dass die stimulierende Wirkung einsetzte.

Die Stimmungsbilder, die Geräusche, die olfaktorischen Elemente und die Sensualisierungen waren nicht sonderlich gut gelungen. Das Gerät war wieder mal schlecht justiert.

Angewidert löste Numun die Kontaktplatten und legte sie beiseite. Er musste die Medikamentierung erhöhen.

Er trat an die Apothekenküche, ließ sich Blut abzapfen und auf Grundlage des Ergebnisses einen neuen Cocktail mischen. Nachlässig unterschrieb er eine Bestätigung, dass er sich der Konsequenzen seines Tuns bewusst war. Er füllte das Pulver in ein Glas und stellte es vor sich hin.

Numun zögerte. Er war sich seiner Sucht bewusst. So, wie etwa fünfzehn Prozent der Bevölkerung Lotrons ihre Gefühle betäubte, um nur nicht darüber nachdenken zu müssen, wo sie waren und was sie taten. Das Unternehmen Tranatsystem gefährdete mit all seinen Konsequenzen ihre mentale Gesundheit.

Der Türsummer sprach an, ein Trivid-Bild materialisierte. Es zeigte einen älteren Mann mit ungewöhnlich hellrotem Haar.

»Ja?«, fragte er über die Trivid-Verbindung.

»Mein Name ist Guvratosch. Ich möchte gerne mit dir reden, Numun«, sagte der Fremde.

»Woher kennst du meinen Namen?«

Der Mann lächelte. »Weil es in euren Stolzbalken der Liebe hier vor der Haustür geritzt steht«, antwortete er.

Numun versuchte, die Benommenheit abzuschütteln. Vielleicht hatte er doch schon genug von dem Medikamentenzeugs zu sich genommen?

»Stimmt«, sagte er. »Der Stolzbalken. Unsere Liebe. Die alten Traditionen ...«

»Ist es nicht sonderbar, dass wir uns genauso verhalten wie in der alten Heimat? Ein Sprung über mehr als fünfunddreißig Millionen Lichtjahre konnte nichts daran ändern. Wäre es nicht an der Zeit, dass wir auf Lotron Neues schaffen und die alten Konventionen ablegen?«

»Wer oder was bist du? Etwa ein Wanderprediger vom Unleuchtenden Licht, der mich vor dem vorgeblichen Sündensturz bewahren möchte? Ich hetze dir die Golamo auf den Hals, wenn du nicht sofort von hier verschwindest ...«

Der Fremde hob abwehrend die Hände. »Ich bin kein religiöser Fanatiker, Numun. Ich bin gekommen, weil ich dir und deiner Frau helfen möchte.«

»Es geht uns gut. Wir benötigen keine Hilfe von einem Fremden.«

Eine kurze Pause entstand. Numun beobachtete Guvratosch, soweit es ihm sein träge funktionierender Verstand erlaubte.

Der ältere Mann drehte sich mehrmals nach links und rechts, wie jemand, der Angst vor Verfolgern hatte.

»Ich weiß, dass Tavvu heute das Resultat der Geneto-Farm erhalten hat. Es war negativ, nicht wahr? – Ich bin hier, weil ich einen Ausweg aus eurer schwierigen Lage kenne. Ich möchte dafür sorgen, dass ihr doch noch Kinder bekommen könnt.«

Numun fühlte Hass auf diesen Fremden hochsteigen, Hass, der mit nichts vergleichbar war. Warum verhöhnte ihn der alte Mann? Ausgerechnet an diesem Tag? Was wollte er wirklich von ihnen?

»Verschwinde!« brüllte er in die Trivid-Kamera. »Und lass dich nie mehr blicken!«

Er sah die Angst in den Augen des anderen. Immerhin: ein kleiner Triumph nach all den Niederschlägen, die er heute hatte erleiden müssen.

»Ich gehe«, sagte Guvratosch leise. »Aber ich lasse dir ein Blink am Stolzbalken zurück. Lies die Nachricht, sobald du dazu bereit bist.« Der Alte zögerte und fügte dann hinzu: »Ich meine es wirklich gut mit euch.«

Numun schaltete das Trivid weg, die Übertragung endete.

Er schaute auf das Glas mit dem Medikamentencocktail. Er hatte keine Lust mehr darauf. Er leerte den Inhalt kurzerhand aus.

*

Tavvu erwachte kurz vor Mitternacht. Der beinahe volle Mond Lotrons spendete gelbrotes Licht im Wohnzimmer, dessen Dach Numun hatte transparent gestalten lassen.

»Wie geht es dir?«, fragte er, als sich Tavvu zu ihm kuschelte.

»Besser. Aber wir müssen beide mit dem Zeug aufhören.«

»Ja, das müssen wir«, pflichtete Numun halbherzig bei. »Es schadet uns.«

»Es schadet uns.«

Sie schwiegen und starrten hoch zum fremden Mond einer fremden Welt. Irgendwo trällerte ein Nachtvogel, im Garten huschte ein Schatten vorbei.

Am liebsten wäre Numun aufgestanden und davongerannt. Egal wohin. Einfach nur laufen, immer weiter weg, bis ich Lotron hinter mir gelassen habe. Und wenn ich die sechsunddreißig Millionen Lichtjahre zu Fuß zurücklegen muss – ich will nach Hause.

»Wir kommen niemals von hier weg, nicht wahr?«, fragte Tavvu, als hätte sie seine Gedanken erraten.

»Wozu? Es ist schön hier.«

»Du bist der schlechteste Lügner, den ich kenne.«

Er zog sie fester an sich und streichelte ihr übers Haar. So lange, bis ihr regelmäßiger Atem ihn glauben ließ, dass sie wieder eingeschlafen war.

»Ich habe vorhin Stimmen gehört«, sagte sie und gähnte. »Wer war an der Tür?«

»Niemand.«

»Du hast dich also mit einem Niemand unterhalten?«

»Ein Spinner war's. Er wollte ... wollte ... Ach, lassen wir das!«

Numun stand auf und ließ Tavvu sanft aufs Sofa gleiten. »Ich werde mir noch einen Cocktail mixen.«

»Sagten wir nicht eben ...«

»Ja, das sagten wir. Wir hören damit auf. Nach diesem Glas. Versprochen.«

*

Numun erwachte mit einem ordentlichen Kopfbrummen, gegen das er sich einige Mittelchen geben ließ und sie sich intravenös verabreichte. Kadiomax, Colodrox und Penzendraphon zeigten augenblicklich Wirkung. Er fühlte sich fit, um die üblichen Haushaltsarbeiten in Angriff zu nehmen. Nach fünf Minuten hatte er alle Anweisungen an die Hausroboter formuliert und war bereit, das Haus zu verlassen.

Tavvu war längst gegangen. Ihre Schicht begann früher als seine. Sie erstickte ihren Schmerz in Arbeit und Drogen, sie kannte es nicht anders.

Numun sicherte das Haus und trat ins Freie. Die Luft war kühl, der Atem gefror vor seinem Mund. Er hasste den Frischegeschmack Lotrons. Er war so ganz anders als in ihrer Heimat.

Raureif lag auf dem geschotterten Weg zur Straße, es knirschte unter seinen Füßen. Er bestellte einen Zubringer und erhielt die Nachricht, dass er etwa drei Minuten warten musste.

Numun ging vor seinem Haus auf und ab und schlug sich mit den Armen vor die Brust, um die Kälte fernzuhalten. Ein Zubringer, der das Wappen einer Geneto-Farm im Inneren des Landes trug, raste an ihm vorbei. Er hielt einige Häuser weiter, zwei Frauen stiegen laut lachend zu. Eine von ihnen streckte ihren runden Bauch stolz nach vorne und streichelte immer wieder kreisförmig darüber.

Numun hasste sie.

Eine Erinnerung steckte in seinem Kopf. Sie war vage und ließ sich nicht so recht greifen. Numun würde einige Storobicul gegen seine Gedächtnisschwäche nehmen müssen, sobald er von der Arbeit zurückkehrte. Oder sollte er gleich ...?

Es fiel ihm wieder ein.

Numun trat zum Stolzbalken und betrachtete das kleine, grüne Blink, das der Fremde namens Guvratosch hinterlassen hatte.

Unschlüssig zupfte er daran, bis sich das chipgroße Ding löste und sanft zu leuchten begann.

Er steckte es in die Hosentasche seiner Arbeitsuniform. Er würde es am Abend genauer anschauen und anschließend entsorgen.

Oder sollte er doch sofort ...? Der Zubringer verspätete sich vermutlich, so wie jeden Tag.

Er kramte das Blink hervor, drückte fest darauf und bekam das Holobild Guvratoschs zu sehen. Es zeigte den älteren Mann mit einer kupferroten Dienstperücke und in der seriösen Bekleidung eines hochrangigen Genetik-Ingenieurs.

Numun begutachtete das Siegel des Blinks. Es wirkte authentisch, ebenso die elektronisch-virtuelle Unterschrift des Mannes.

»Guvratosch, Erster Gen-Präses der Albitosch-Stiftung«, las Numun halblaut vor. »Mitarbeiter des Unternehmens Tranatsystem in beratender Funktion ...«

Oha.

Numun fühlte, wie er dunkel anlief. Er hatte gestern also ein ganz, ganz hohes Tier vor den Kopf gestoßen. Es gab weltweit bloß dreihundert Berater jenes Unternehmens, auf dem alle Aktivitäten auf Lotron basierten.

Sein Herz schlug schneller. Numun meinte, es auf Bauchhöhe fühlen zu können. Wie es gegen die Rundleber zu schlagen schien und jenes Unwohlsein hervorrief, unter dem viele Takerer litten, sobald sie Stress ausgesetzt waren: Kreisflimmern nannten es die Ärzte.

Guvratosch hatte ihm gestern einen Vorschlag machen wollen. Einen, bei dem es um Kinder ging. Um Kinder für Tavvu und ihn.

Der Zubringer bremste abrupt vor ihm ab und gab zum Zeichen der Bereitschaft einen Summton von sich.

»Ich ... ich bin krank«, sagte Numun.

»Warum hast du das nicht früher und direkt an deinen Vorgesetzten Pontiam auf Schuschosch-Acht gemeldet?«, fragte der Rechner des Transportmittels und schaffte es, vorwurfsvoll zu klingen.

»Ich hatte erst vor wenigen Minuten einen Anfall von Kreisflimmern. Es geht mir wirklich nicht gut.«

»Augenflackern. Zittrige Hände. Ein deutlich beschleunigter Herzschlag«, fasste der Rechner zusammen, was er mithilfe vielfältiger Sensoren beobachtete. »Krankheitssymptome bestätigt, du wirst von der Dienstliste gestrichen. Ich informiere einen Arzt und ...«

»Das lässt du schön bleiben! Ich habe einen Vertrauensarzt.«

»Ich werde das ebenfalls melden. Ich wünsche dir einen schönen Tag, Lotron-Bürger Numun.«

Der Zubringer gab ein schrilles Piepsgeräusch von sich und setzte sich in Bewegung. Er glitt durch die Straße und beschleunigte nochmals, als er das dicht besiedelte Gebiet hinter sich gelassen hatte, einem anderen Abholauftrag zu.

Numun wandte sich um und schloss das Haus auf. Er stürzte zum Trivid und tätigte einen Anruf. Dieser Guvratosch – er musste mit ihm reden. So schnell wie möglich.

*

Der Genetiker wirkte ganz und gar nicht wie ein Berater, der in höchsten Kreisen verkehrte, fand Numun.

Und so einem sollen wir uns anvertrauen? Er griff nach Tavvus Hand und drückte sie fest.