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Der vierte Band der Philosophischen Schriften enthält die deutsche Übersetzung der Politik. Die acht Bücher der Politik, in denen Aristoteles nach der bestmöglichen Staatsform sucht, welche die berechtigten Interessen des Einzelnen und der Gemeinschaft vereint, bilden noch heute eines der Fundamente für jede Reflexion auf die richtige Ordnung des Gemeinwesens. Anders als Platon, der in seiner Politeia einen utopischen Entwurf des gerechten Staates propagiert, sucht Aristoteles durch den Vergleich und die Bewertung der zu seiner Zeit bestehenden Staatsformen und anderen etablierten Archetypen des menschlichen Zusammenlebens in organisierten Gemeinschaften nach einer analytisch fundierten Begründung und Auswahl der bestmöglichen Polis. Ausgehend von der Bestimmung der Rechte und begründeten Wünsche des Einzelnen in der Gemeinschaft gelangt Aristoteles zu der These, dass der Mensch von Natur aus ein auf Gemeinschaft angelegtes Wesen ist, dessen Rechte und Pflichten gegenüber der Polis, also der Gemeinschaft aller, umgekehrt von der Polis, also der idealen Staatsform, auch ihm gegenüber zu gewährleisten seien. Die Bestimmung des wünschenswertesten Lebens aller Teilhaber an der Gemeinschaft ist somit für Aristoteles das Kriterium für die Entscheidung über die beste Form des Staates. Die analytische Erfassung der unterschiedlichen Formen staatlicher Organisation und seine Untersuchungen darüber, welche von ihnen die Beste sei, begründeten die Wissenschaft von der Politik.
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ARISTOTELES
PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN
INHALTSÜBERSICHT
1EINFÜHRUNG IN DIE KATEGORIEN(PORPHYRIOS)KATEGORIENHERMENEUTIKERSTE ANALYTIKZWEITE ANALYTIK
2TOPIKSOPHISTISCHE WIDERLEGUNGEN
3NIKOMACHISCHE ETHIK
4POLITIK
5METAPHYSIK
6PHYSIKÜBER DIE SEELE
FELIX MEINER VERLAG
ARISTOTELES
PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN
in sechs Bänden
Band 4
FELIX MEINER VERLAGHAMBURG
ARISTOTELES
Politik
Übersetzt vonECKART SCHÜTRUMPF
FELIX MEINER VERLAGHAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 724
Bibliographische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über http://portal.dnb.de.
ISBN gesamt print: 978-3-7873-3550-3
ISBN einzeln print: 978-3-7873-3599-2
ISBN gesamt ePub: 978-3-7873-3595-4
ISBN einzeln ePub: 978-3-7873-3611-1
Die Bekkerzählung der Druckausgabe wird hier in eckigen Klammern im fortlaufenden Text wiedergegeben.
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INHALT
Politik
1. Buch
2. Buch
3. Buch
4. Buch
5. Buch
6. Buch
7. Buch
8. Buch
Zu diesem Band
Kapitel 1. Jeder staatliche Verband ist, wie wir sehen, eine [1252a] Gemeinschaft von bestimmter Art, und jede Gemeinschaft ist zum Zwecke eines bestimmten Gutes gebildet; denn alle Menschen vollziehen alle Handlungen um dessentwillen, das ihnen als gut erscheint. Offensichtlich streben daher zwar alle Gemeinschaften nach einem bestimmten Gut, in stärkstem Maße und nach dem Gut, das am ehesten alle beherrscht, (strebt) aber die Gemeinschaft, die die oberste Herrschaft über alle (Gemeinschaften) ausübt und alle übrigen in sich einschließt – dies ist die als Staat bezeichnete Gemeinschaft, die staatliche Gemeinschaft.
Diejenigen, die nun meinen, ein leitender Staatsmann, König, Leiter eines Haushalts und Gebieter von Sklaven stellten ein und denselben (Herrschertypus) dar, vertreten eine unrichtige Auffassung. Sie glauben nämlich, jeder von diesen unterscheide sich nach dem großen oder geringen Umfang (des Herrschaftsbereiches) und nicht dem Wesen nach: wenn z. B. einer über wenige herrsche, sei er Gebieter über Sklaven, wenn über eine große Zahl, Vorstand eines Hauses, wenn über noch mehr Menschen, leitender Staatsmann oder König, so als bestehe kein Unterschied zwischen einem großen Haushalt und einem kleinen Staat. Und was den leitenden Staatsmann und König angeht, so sprechen sie von einem königlichen Mann, wenn er allein an der Spitze steht, von einem leitenden [a15] Staatsmann dagegen, wenn er nach den Bestimmungen des entsprechenden Wissens im Wechsel regiert und sich regieren läßt. Aber dies ist unzutreffend.
Dieses Urteil wird verständlich werden, wenn wir die Untersuchung nach der vorgezeichneten Methode vornehmen: in anderen Gebieten muß man nämlich das Zusammengesetzte bis zum nicht mehr Zusammengesetzten zerlegen, denn dies sind die kleinsten Teile des Ganzen; wenn wir so den staatlichen Verband daraufhin untersuchen, aus welchen Teilen er zusammengesetzt ist, werden wir auch bei jenen (Herrschertypen) besser erkennen, einmal, worin sie sich voneinander unterscheiden, und zum anderen, ob man über jeden der genannten eine dieser Disziplin angemessene Kenntnis gewinnen kann.
Kapitel 2. Wie in anderen Bereichen so dürfte jemand auch hier am erfolgreichsten seine Untersuchung vornehmen, wenn er die Dinge so, wie sie von Anfang an entstanden sind, betrachtet. Zuallererst müssen sich diejenigen als Paar zusammenschließen, die nicht ohne einander leben können, das Weibliche und das Männliche zum Zwecke der Fortpflanzung – sie tun dies nicht aus freier Entscheidung, sondern (ihnen) ist, wie auch den anderen Lebewesen und den Pflanzen, von Natur das Verlangen gegeben, ein weiteres Wesen ihresgleichen zu hinterlassen. Aber auch, was von Natur herrscht und beherrscht wird, muß sich zu seiner Erhaltung zusammenschließen; denn was mit dem Verstand weitblickend fürsorgen kann, herrscht von Natur, es gebietet despotisch von Natur; was aber mit dem Körper arbeiten kann, ist beherrscht, ist von Natur Sklave. Deswegen nützt ein und dasselbe dem Herrn und dem Sklaven.
[1252b] Von Natur sind nun jedenfalls Frau und Sklave unterschieden; denn die Natur geht nicht sparsam vor und stellt nichts von der Art her wie Schmiede das (vielfältig verwendbare) Delphische Messer, sondern jeweils einen Gegenstand für jeweils einen Zweck. Denn jedes Werkzeug wird dann die höchste Vollendung erhalten, wenn es nicht vielen Aufgaben, sondern einer einzigen dient. Bei den Barbaren nehmen dagegen Frau und Sklave den gleichen Rang ein. Der Grund dafür ist folgender: Sie besitzen nicht das, was von Natur die Herrschaft ausübt, sondern bei ihnen wird die eheliche Gemeinschaft zwischen Sklavin und Sklaven geschlossen. Deswegen sagen die Dichter: »Es ist wohlbegründet, daß Hellenen über Barbaren herrschen«, da Barbar und Sklave von Natur dasselbe ist.
Aus diesen beiden Verbindungen entsteht erstmals der Haushalt, und zutreffend bemerkt Hesiod in seinem Dichtwerk: »Zuallererst das Haus, Frau und Pflugstier«, denn der Stier vertritt bei den Armen den Sklaven. Die Gemeinschaft, die in Übereinstimmung mit der Natur zur Befriedigung der Alltagsbedürfnisse gebildet ist, ist der Haushalt, Personen, die Charondas »um den gleichen Brotkorb vereint«, der Kreter Epimenides aber »um dieselbe Krippe vereint« nennt. [b15]
Die erste Gemeinschaft, die aus mehreren Haushalten besteht und nicht (nur) um der Dinge des täglichen Bedarfs willen gebildet wurde, ist ein Dorf. Im höchsten Maße scheint aber das Dorf naturgemäß zu sein, da Mitglieder eines Haushalts in eigene Häuser aussiedelten – einige nennen sie »Milchbrüder« oder »Kinder und Kindeskinder.« Deswegen standen auch am Anfang die Staaten unter königlicher Herrschaft und heute noch die barbarischen Völker; denn ihre Bewohner waren aus Gemeinschaften, die königlich regiert wurden, zusammengekommen; jeder Haushalt wird ja von dem Ältesten nach Art eines Königs geleitet; wegen ihrer Verwandtschaft trifft dies daher auch für die durch Aussiedeln gebildeten neuen Haushaltungen zu. Das ist es, was Homer in dem Vers: »und ein jeder gebietet unumschränkt über Kinder und Frauen« zum Ausdruck bringt; denn sie lebten noch zerstreut, wie es die Siedlungsweise der Vorzeit war. Und deswegen sagen auch alle, daß die Götter unter königlicher Herrschaft stehen, weil die Menschen teils auch heute noch, teils in der Vorzeit königlich regiert wurden. Wie aber die Menschen das Aussehen der Götter nach dem eigenen Bilde formen, so auch deren Lebensweisen.
Ein staatlicher Verband ist aber die aus mehreren Dörfern gebildete vollendete Gemeinschaft, die die Grenze erreicht hat, bei der – wenn man so sagen darf – vollständige Autarkie besteht. Um des Überlebens willen ist er entstanden, er besteht aber um des vollkommenen Lebens willen. Jeder staatliche Verband existiert deswegen von Natur, da dies ja auch für die ersten Gemeinschaften galt; denn er ist das Ziel jener, und es ist die Natur, die das Ziel darstellt. Die Beschaffenheit eines jeden Dinges, dessen Entwicklung vollständig abgeschlossen ist, bezeichnen wir ja als seine Natur, wie etwa die Natur eines Menschen, Pferdes oder Hauses. Ferner ist das Umwessenwillen und das Ziel das Beste, die Autarkie ist aber sowohl das Ziel wie das Beste.
[1253a] Daraus geht nun klar hervor, daß der Staat zu den Dingen zu zählen ist, die von Natur sind, und daß der Mensch von Natur ein Lebewesen ist, das zum staatlichen Verband gehört, und daß derjenige, der aufgrund seiner Natur, und nicht durch eine Schicksalsfügung, außerhalb des staatlichen Verbandes steht, entweder minderwertig – oder übermenschlich – ist, wie derjenige, der von Homer geschmäht wurde: »ohne Geschlechterverband, ohne Recht, ohne Herd.« Denn wer von Natur so ist, der sucht zugleich Streit, da er ohne Verbindung dasteht wie (ein Stein) auf dem Spielbrett. Daß aber die Bezeichnung »zu einem Staate gehörend« eher für den Menschen als für jede Biene und jedes Herdentier zutrifft, ist klar. Denn die Natur schafft, wie wir sagen, nichts ohne Zweck. Nun hat der Mensch als einziges Lebewesen Sprache; die Stimme gibt zwar ein Zeichen von Schmerz und Freude, deswegen ist sie auch den übrigen Lebewesen verliehen, denn ihre Natur gelangte bis zu der Stufe, daß sie Empfindung von Schmerz und Lust haben und sich diese untereinander anzeigen; die Sprache dient aber [a15] dazu, das Nützliche und Schädliche, und daher auch das Gerechte und Ungerechte, darzulegen. Denn dies ist den Menschen gegenüber den anderen Lebewesen eigentümlich, allein ein Empfinden für Gut und Schlecht, Gerecht und Ungerecht und anderes zu haben. Die Gemeinschaft in diesen Dingen begründet aber Haushalt und Staatsverband.
Der staatliche Verband geht aber von Natur dem Haushalt und jedem einzelnen von uns voraus; denn das Ganze geht notwendigerweise dem Teil voraus. Wenn nämlich das Ganze zerstört wird, wird (kein Teil), weder Fuß noch Hand, weiter existieren – außer homonym, wie wenn man die Bezeichnung (Hand) für eine Hand aus Stein benutzte, eine leblose Hand ist ja von vergleichbarer Art. Da aber alles durch seine Leistung und seine Funktion bestimmt ist, darf man Dinge, wenn sie (in ihrer Funktion) nicht mehr gleich sind, auch nicht als gleich bezeichnen, sondern als verschiedene Dinge gleichen Namens.
Es ist damit klar, daß der Staat einmal von Natur ist und außerdem jedem einzelnen vorausgeht. Denn unter der Voraussetzung, daß jeder, wenn er isoliert lebt, nicht autark ist, muß sein Verhältnis zum Ganzen genauso sein wie das von Teilen sonst (zum Ganzen). Wer aber nicht fähig ist, Mitglied (der staatlichen Gemeinschaft) zu sein, oder aufgrund seiner Autarkie ihrer nicht bedarf, der ist kein Teil des staatlichen Verbandes und somit entweder Tier oder Gott.
Von Natur lebt also in allen ein Drang nach einer solchen Gemeinschaft. Derjenige, der sie als erster gebildet hat, ist der Urheber größter Güter. Denn wie der Mensch, wenn er zur Vollkommenheit gelangt, das beste Lebewesen ist, so ist er ohne Gesetz und Recht auch das schlimmste von allen. Ungerechte Gesinnung, die über Waffen verfügt, ist ja am schlimmsten; der Mensch hält aber von Natur aufgrund seiner Klugheit und charakterlichen Vorzüge Waffen in Händen, die besonders zu einander entgegengesetzten Zwecken gebraucht werden können. Deswegen ist der Mensch ohne gute charakterliche Qualität das frevelhafteste und wildeste Lebewesen und in Sexualität und Eßgier am schlimmsten. Gerechtigkeit wird dagegen im Staat verwirklicht, denn Recht ist die Ordnung der staatlichen Gemeinschaft, Gerechtigkeit aber bestimmt die Entscheidung darüber, was rechtmäßig ist.
Kapitel 3. Da nun klar ist, aus welchen Teilen der [1253b] staatliche Verband gebildet ist, muss man zuerst die Führung eines Haushalts behandeln, denn jeder Staat besteht aus Haushalten. Die Teilbereiche der Führung eines Haushalts entsprechen den Teilen, aus denen der Haushalt seinerseits besteht: ein vollständiger Haushalt wird aus Sklaven und Freien gebildet. Da man nun einen jeden Gegenstand zuerst in seinen kleinsten Einheiten untersuchen muß, die ersten und kleinsten Teile des Haushalts aber Herr und Sklave, Ehemann und Ehefrau, und Vater und Kinder sind, muß unsere Untersuchung das Wesen und die notwendige Qualität dieser drei (Verhältnisse) klären, gemeint sind das despotische, zweitens das durch Heirat begründete – denn für die Vereinigung von Frau und Mann gibt es keine besondere Bezeichnung – und drittens das beim Aufziehen von Kindern – denn auch dies hat keinen eigenen Namen. Es sollen also diese drei (Verhältnisse), die wir genannt haben, sein. Es gibt aber noch einen Bereich, der manchen als die Führung eines Haushalts selber gilt, anderen dagegen als deren wichtigster Teil, ich meine die sogenannte Fertigkeit, sich Besitz zu beschaffen. Welche Auffassung zutrifft, muß untersucht werden.
[b15] Zuerst wollen wir aber über Herr und Sklave reden. Wir verfolgen dabei die Absicht, die Mittel zur (Sicherung des) notwendigen Bedarfs zu untersuchen und (zu sehen), ob wir für die Kenntnis dieser Dinge nicht einiges zutreffender erfassen, als was man jetzt darüber denkt. Denn für manche ist das Gebieten des Herrn über Sklaven eine bestimmte Art von Wissen, und zwar gilt ihnen die Führung eines Haushalts und das Gebieten über die Sklaven und die politische und königliche Herrschaft als ein und dasselbe Wissen, wie wir zu Beginn darlegten. Andere halten dagegen das Gebieten über Sklaven für naturwidrig, denn nur aufgrund von Gesetz sei der eine Sklave, der andere Freier, der Natur nach bestehe aber kein Unterschied zwischen ihnen; deswegen sei das Gebieten über Sklaven auch nicht gerecht, es gründe sich nämlich auf Gewalt.
Kapitel 4. Nun ist der Besitz ein Teil des Haushalts, und die Fähigkeit, Besitz zu erwerben, ein Teil der Führung des Haushalts; denn ohne die notwendigen Mittel ist es ausgeschlossen, sein Leben zu fristen und in vollkommener Weise zu leben. Wie aber bei den Arbeiten von Fachleuten mit fest umrissenem Tätigkeitsbereich die passenden Werkzeuge zur Verfügung stehen müssen, wenn ihre Aufgabe erfolgreich erledigt werden soll, so auch bei dem Leiter eines Haushalts. Werkzeuge sind nun entweder leblos oder belebt; für den Steuermann ist z. B. das Steuerruder ein lebloses, dagegen der Untersteuermann auf dem Vorderschiff ein lebendes (Werkzeug), denn der Gehilfe vertritt in den Tätigkeiten von Fachleuten das Werkzeug. In dieser Weise ist auch der Besitz ein Werkzeug zum Leben – Besitz ist eine Vielzahl von Werkzeugen – und der Sklave ist ein belebtes Stück Besitz, und jeder dienende Gehilfe ist gleichsam ein Werkzeug, das jedes andere Werkzeug übertrifft. Wenn nämlich jedes Werkzeug auf Geheiß oder mit eigener Voraussicht seine Aufgabe erledigen könnte, wie man es von den (Standbildern) des Daidalos und den Dreifüßen des Hephaistos berichtet, die, wie der Dichter sagt, »sich von selbst zur Versammlung der Götter einfinden« – wenn so die Weberschiffchen von allein die Webfäden durcheilten und die Schlagplättchen Kithara spielten, dann brauchten die Meister keine Gehilfen und die Herren keine Sklaven.
Was man gewöhnlich Werkzeuge nennt, sind Werkzeuge [1254a] zum Herstellen von Dingen, Besitz ist dagegen ein Werkzeug für das Handeln. So ermöglicht ein Weberschiffchen neben seiner Benutzung die Herstellung eines Gegenstandes, ein Gewand und ein Bett erlauben aber nur die Benutzung. Weiterhin: da Herstellen und Handeln sich ihrem Wesen nach unterscheiden und beide Werkzeuge benötigen, müssen diese den gleichen Unterschied (wie die Tätigkeiten, für die sie benutzt werden,) aufweisen. Das Leben ist aber ein Tätigsein als Handeln, nicht als Produzieren, deswegen ist auch der Sklave Diener in den Dingen zum Handeln.
Von einem Stück Besitz spricht man aber in der gleichen Weise wie von einem Teil; denn ein Teil ist nicht nur der Teil eines anderen, sondern gehört völlig dem anderen – in gleicher Weise gilt das auch von einem Objekt, das jemand besitzt. Deswegen ist der Herr nur Herr des Sklaven, gehört aber jenem nicht. Der Sklave ist dagegen nicht nur der Sklave des Herrn, sondern gehört ihm völlig.
Was nun die Natur und Aufgabe des Sklaven ist, ist hiernach klar: Wer von Natur nicht sich selbst, sondern als Mensch [a15] einem anderen gehört, ist von Natur Sklave. Ein Mensch gehört aber einem anderen, wenn er als Mensch Besitz eines anderen ist, ein Stück Besitz ist aber ein physisch losgelöstes Werkzeug für das Handeln.
Kapitel 5. Hieran schließt sich nun zwangsläufig die folgende Untersuchung an: Besitzt jemand tatsächlich von Natur die beschriebenen Eigenschaften oder nicht? Und ist es für irgendjemand vorteilhafter und gerecht, als Sklave zu dienen oder nicht, sondern ist jede Sklaverei wider die Natur? Es ist nicht schwierig, diese Fragestellung sowohl in theoretischer Ableitung zu betrachten, als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen Erkenntnis zu gewinnen. Herrschen und Beherrschtwerden gehört nicht nur zu den unerläßlichen, sondern auch zu den nützlichen Dingen, und bei einigen besteht unmittelbar von Geburt eine Scheidung – der einen zum Beherrschtwerden, der anderen zum Herrschen. Und es gibt viele Arten von Herrschenden und Beherrschten; dabei ist immer die Herrschaft über die besseren Beherrschten besser, z. B. die Herrschaft über einen Menschen ist (besser) als die über ein Tier; denn die Leistung, die von den Besseren erbracht wird, ist besser – wo aber das eine herrscht, das andere beherrscht wird, da gibt es eine von diesen erbrachte Leistung. Was nämlich aus mehreren (Bestandteilen) zusammengesetzt ist – einerlei, ob diese miteinander verbunden oder voneinander getrennt sind – und zu einer eine Einheit bildenden Gemeinschaft wird, in allen (solchen zusammengesetzten Gebilden) wird ein herrschender und ein beherrschter Teil sichtbar, und es ist die universale Natur, von der her dieses (Ordnungsprinzip) den Lebewesen innewohnt; denn auch in Leblosem gibt es eine Art Herrschaftsverhältnis wie in Tonarten – aber das gehört vielleicht in eine eher außerhalb unseres Themas liegende Untersuchung. Ein Lebewesen ist aus Seele und Körper zusammengesetzt, von denen jene von Natur herrscht, dieser beherrscht wird.
Man muß aber einen Zustand, der von Natur ist, eher an Objekten betrachten, die naturgemäß sind, als an pervertierten. Deswegen müssen wir den Menschen zum Gegenstand unserer Betrachtung wählen, der sich an Leib und Seele in der besten Verfassung befindet; an ihm ist dieses (naturgemäße Herrschaftsverhältnis) offenbar, während bei Schlechten oder [1254b] Leuten in schlechter Verfassung häufig der Eindruck entstehen dürfte, daß der Körper über die Seele herrscht, weil sie schlecht und naturwidrig sind.
Es läßt sich also, wie wir sagten, zunächst an einem Lebewesen sowohl die despotische wie politische Herrschaftsform erkennen; denn die Seele übt über den Körper eine despotische Herrschaft aus, die Vernunft über das Begehren eine politische oder königliche. Bei ihnen ist es offensichtlich für den Körper naturgemäß und vorteilhaft, von der Seele beherrscht zu werden, und für den Seelenteil, der Sitz der Affekte ist, ist es (ebenso naturgemäß und vorteilhaft), von der Vernunft und dem Seelenteil, der Vernunft besitzt, beherrscht zu werden, eine gleichmäßige (Beteiligung an der Herrschaft) oder gar eine Vertauschung (der Herrschaftsstellung) ist dagegen für alle schädlich.
In gleicher Weise trifft dies dann auch auf den Menschen und die übrigen Lebewesen zu: Die zahmen Tiere sind in ihrer Natur besser als die wilden, und für sie alle ist es vorteilhafter, vom Menschen beherrscht zu werden, denn auf diese Weise wird ihr Überleben gesichert. Ferner ist im Verhältnis (der Geschlechter) das Männliche von Natur das Bessere, das Weibliche das Geringerwertige, und das eine herrscht, das andere wird beherrscht. Das gleiche muß aber auch unter allen Menschen [b15] Gültigkeit besitzen: diejenigen, die voneinander so weit unterschieden sind wie Seele und Körper, Mensch und Tier – und (einige Menschen) sind tatsächlich in dieser Weise voneinander unterschieden, wenn ihre Leistung der Gebrauch des Körpers ist und dies als das Beste von ihnen (zu gewinnen) ist – diese sind von Natur Sklaven. Für sie ist es vorteilhafter, dieser Herrschaft zu unterstehen, wie das auch bei den eben genannten der Fall war. Denn von Natur ist derjenige Sklave, der einem anderen gehören kann – deswegen gehört er ja auch einem anderen – und der in dem Maße an der Vernunft Anteil hat, daß er sie vernimmt, aber sie nicht (als ihn leitendes Vermögen) besitzt; denn auch die übrigen Lebewesen (besitzen) keine Vernunft, der sie gehorchen können, sondern da sie nur Sinneswahrnehmungen haben, folgen sie den Affekten. Und schließlich unterscheidet sich auch ihr nützlicher Beitrag nur wenig voneinander, denn beide, Sklaven und zahme Tiere, helfen mit dem Körper bei (der Bereitstellung) der lebensnotwendigen Mittel.
Die Natur hat nun zwar die Tendenz, auch die Körper der Freien und Sklaven unterschiedlich auszubilden, die einen stark für die Verrichtung der notwendigen Arbeiten, die anderen dagegen aufrecht und untauglich für solche Tätigkeiten, jedoch tauglich für eine politische Existenz – diese untergliedert sich wieder in Tätigkeiten, die im Krieg bzw. im Frieden wahrgenommen werden. Häufig tritt aber gerade das Gegenteil ein, nämlich daß die einen zwar die Körper, die anderen dagegen die Seelen haben, wie sie Freien zukommen. Jedoch ist folgendes unumstritten: angenommen, einige wären allein körperlich so sehr überlegen, wie es die Standbilder von Göttern sind, dann dürfte jeder sagen, daß die dahinter Zurückbleibenden verpflichtet wären, jenen wie Sklaven zu dienen. Wenn dies aber schon im Falle des Körpers zutrifft, dann wird dies mit viel größerer Berechtigung, so bei (einer Überlegenheit in Eigenschaften) der Seele bestimmt. Die Schönheit der Seele läßt sich jedoch nicht ebenso leicht erkennen wie die des Körpers.
[1255a] Soviel ist nun klar: Für einige gilt, daß sie von Natur entweder frei oder Sklaven sind, und für diese ist es vorteilhaft und gerecht, als Sklaven zu dienen.
Kapitel 6. Daß aber auch diejenigen, die die entgegengesetzte Auffassung (I) vertreten, in gewisser Weise recht haben, läßt sich nicht schwer erkennen. Denn die Bezeichnung »als Sklave dienen« und »Sklave« wird in zweifacher Bedeutung gebraucht. Es gibt nämlich (neben dem Sklaven von Natur) einen Sklaven und den Mann, der als Sklave dient, auch aufgrund von Gesetz. Dieses Gesetz ist eine Übereinkunft, daß das, was im Krieg besiegt wurde, den Siegern gehört. Dieses Recht klagen nun viele (II), die sich mit Gesetzen beschäftigen, der Gesetzwidrigkeit an – wie einen Redner; denn es sei unerträglich, wenn das Opfer von Gewalt Sklave und Untertan dessen ist, der die Mittel hat, Gewalt auszuüben, und an Macht überlegen ist. Diese Ansicht vertritt die eine Richtung, jene zweite Auffassung die andere – und auch unter den Gebildeten gibt es diesen Meinungsstreit.
Ursache dieses Streites und (ein Umstand), der auch bewirkt, daß diese (entgegengesetzten) Meinungen sich doch zum Teil überschneiden, ist folgende Tatsache: in bestimmter Weise ist menschliche Vorzüglichkeit, die über die entsprechenden Mittel verfügt, am ehesten imstande, auch Gewalt auszuüben, und, was Macht ausübt, besitzt immer [a15] Überlegenheit in einer positiven Qualität. Daher kann die Auffassung (III) entstehen, Gewalt werde nicht ohne wertvolle menschliche Qualität ausgeübt, sondern die Meinungsverschiedenheit drehe sich ausschließlich um die Bestimmung dessen, was gerecht ist – deswegen gilt nämlich den einen (III a) Wohlwollen als Gerechtigkeit, den anderen (III b) gilt aber eben dieses als gerecht, die Herrschaft des Überlegenen.
Diese Meinungen liegen nun weit auseinander: demgegenüber fehlt es der anderen Auffassung (IV), nämlich daß das an hoher menschlicher Qualität Überlegene nicht herrschen oder despotisch gebieten dürfe, sowohl an jeglicher Stütze wie an Überzeugungskraft. Andererseits setzen einige (I/V) die im Verlaufe eines Krieges erzwungene Sklaverei für schlechthin gerecht; dabei berufen sie sich, wie sie glauben, auf eine bestimmte Form von Gerechtigkeit – denn das Gesetz ist eine bestimmte Form von Gerechtigkeit –, zugleich bestreiten sie das aber auch wieder; denn es kann vorkommen, daß Kriege in ungerechter Weise begonnen wurden, und in keiner Weise behauptet wohl jemand, wer nicht verdient, Sklave zu sein, sei ein Sklave. Andernfalls müßte sich ja ergeben, daß die, die im Ansehen höchsten Adels stehen, Sklaven und Nachkommen von Sklaven sind, wenn es sich ergibt, dass sie gefangen und (in Sklaverei) verkauft wurden. Deswegen wollen die Vertreter dieser Auffassung zwar solche Personen nicht als Sklaven bezeichnen, wohl aber die Barbaren. Wenn sie dies sagen, suchen sie jedoch nichts anderes als, was wir am Anfang Sklave von Natur nannten. Sie müssen ja zugeben, daß es einige gibt, die überall Sklaven sind, andere dagegen nirgendwo. Die gleiche Auffassung vertreten sie auch über den Adel; denn sie meinen, sie selbst würden nicht nur bei sich selber als adlig anerkannt, sondern überall, die Barbaren dagegen nur bei sich zu Hause, denn es gebe eine Form von Adel und Freiheit schlechthin, eine andere aber nicht schlechthin. So spricht auch die Helena des Theodektes:
»Mich, aus göttlichem Stamm von beiden Seiten,wer kann es für recht halten, mich Magd zu nennen?«
Jedoch wenn sie dies sagen, bestimmen sie Sklaven und Freie und Leute von edler und niedriger Geburt durch nichts anderes als durch hohe persönliche Qualität oder deren Fehlen. Sie [1255b] setzen nämlich voraus, daß genauso wie ein Mensch von einem Menschen abstammt oder ein Tier von Tieren, so auch ein Guter von Guten. Die Natur hat zwar in der Regel diese Absicht, aber sie kann dies nicht (immer) verwirklichen.
Es ist nun klar, daß der Einwand (von dem wir ausgingen) eine gewisse Berechtigung hat und nicht die einen von Natur Sklaven, die anderen Freie sind; zugleich ist auch klar, daß zwischen einigen dieser Unterschied doch so besteht; bei diesen ist es für die eine Seite nützlich und gerecht, als Sklaven zu dienen, für die andere, despotisch zu herrschen; und das eine muß beherrscht werden, das andere nach der Herrschaftsform herrschen, für die es von Natur bestimmt ist, und (das heißt,) daß es damit auch despotisch herrschen muß. Eine falsche (Einrichtung dieses Herrschaftsverhältnisses) ist aber für beide nachteilig, denn ein und dasselbe nützt dem Teil und dem Ganzen, dem Körper und der Seele – der Sklave ist aber ein bestimmter Teil des Herrn, gleichsam ein belebter, aber losgelöster Teil seines Körpers. Deswegen existiert auch zwischen Sklave und Herrn eine bestimmte Form von gegenseitigem Nutzen und Freundschaft, wenn sie der Natur gemäß diesem Rang zugewiesen wurden; umgekehrt aber bei denjenigen, (deren Dienst [b15] als Sklaven) nicht auf diese Weise begründet wurde, sondern nach (Kriegs-)Recht und als Opfern von Gewalt.
Kapitel 7. Aus diesen Darlegungen geht auch klar hervor, daß despotisches Gebieten und politische Herrschaft nicht dasselbe sind, und auch, daß nicht alle Arten von Herrschaft einander gleich sind, wie das einige behaupten. Denn politische Herrschaft wird über von Natur Freie ausgeübt, despotische jedoch über diejenigen, die (von Natur) Sklaven sind; und die Leitung eines Hauses hat die Form einer Monarchie – denn jedes Haus wird monarchisch geführt – die politische Herrschaft dagegen wird über Freie und Gleiche ausgeübt.
Die Bezeichnung »Gebieter von Sklaven« wird nicht im Hinblick auf seine Kenntnis, sondern seine bestimmte Qualität gebraucht, und genau so gilt das für den Sklaven und den Freien. Es gibt jedoch auch eine spezifische Kenntnis für den Gebieter und den Sklaven: Eine Vorstellung von der Art der Kenntnis, die Sklaven benötigen, bietet die Lehrtätigkeit eines gewissen Mannes in Syrakus: dort bildete jemand gegen Bezahlung Sklaven in den üblichen Dienstleistungen aus. Der Unterricht könnte aber auch über solche Gegenstände hinausgehen und z. B. das Zubereiten von feinen Speisen und andere solche Arten von Dienstleistungen umfassen; diese sind ja voneinander verschieden: die einen stehen in höherem Ansehen, die anderen dienen dagegen mehr grundlegend notwendigen Bedürfnissen. So heißt es auch im Sprichwort: »ein Sklave taugt mehr als der andere, und ein Herr mehr als der andere«.
Soweit haben wir über die Kenntnisse von Sklaven gespr-ochen. Die Kenntnis des Herrn besteht dagegen darin, die Sklaven zu gebrauchen. Denn der Herr ist nicht dadurch bestimmt, daß er die Sklaven anschafft, sondern daß er Sklaven gebraucht. Diese Kenntnis hat aber nichts Bedeutsames oder Ehrwürdiges an sich. Denn es sind ja nur die Aufgaben, die der Sklave auszuführen verstehen muß, welche der Gebieter anzuordnen verstehen muß. Daher übernimmt bei den Herren, die die Mittel besitzen, sich nicht selber damit abzuplagen, ein Verwalter diese Vorzugsstellung, während sie selber sich der Politik oder der Philosophie widmen.
Verschieden von beiden genannten Kenntnissen ist aber die Kenntnis, (Sklaven) anzuschaffen – ich meine die gerechte Form, die in den Bereich der Kriegs- oder der Jagdtechnik gehört. Das soll als Bestimmungen über Sklaven und Herrn genügen.
[1256a]Kapitel 8. Wir wollen aber umfassend nach der vorgezeichneten Methode den gesamten Besitz und die Kunst, sich Besitz zu erwerben, untersuchen, zumal ja auch der (eben behandelte) Sklave ein Teil des Besitzes war. Zunächst könnte man die Frage aufwerfen, ob die Kunst des Besitzerwerbes identisch mit der Führung des Haushaltes oder ein bestimmter Teil von ihr oder ihr untergeordnet ist – und falls sie untergeordnet ist, ob so, wie die Herstellung von Weberschiffchen der Webkunst untergeordnet ist oder wie die Metallgewinnung der Bildhauerkunst; denn nicht auf die gleiche Weise erfüllen diese Tätigkeiten eine untergeordnete Funktion, sondern die eine liefert die Werkzeuge, die andere das Material – als Material bezeichne ich den zugrundeliegenden Stoff, aus dem ein Produkt hergestellt wird, z. B. die Wolle (als Material) für den Weber, und das Metall für den Bildhauer.
Es leuchtet ein, daß die Kunst der Haushaltsführung nicht mit der Beschaffungskunst identisch ist; denn diese hat die Aufgabe, die Mittel bereitzustellen, jene andere dagegen, sie zu gebrauchen. Denn welche Kunst, wenn nicht die der Führung eines Haushalts, sollte die Mittel im Haus gebrauchen?
Ob aber die Beschaffungskunst einen Teil der Führung eines Haushalts bildet oder eine besondere Art (von Kenntnis) ist, ist eine Frage, zu der man unterschiedliche Meinungen vertreten [a15] kann. Wir gehen davon aus, daß derjenige, der sich um den Erwerb kümmert, zusehen muß, woher Geld und Besitz gewonnen werden können. Besitz und Reichtum können aber mehrere Formen umfassen; daher ist zuerst zu prüfen, ob (eine Form von Erwerb), der Ackerbau, ein Teil der Beschaffungskunst ist oder eine eigene Art bildet, und (die gleichen Fragen stellen sich) insgesamt auch für die Sorge um die Nahrung und (derartigen) Besitz.
Es gibt aber eine Vielzahl von Arten der Ernährung und daher eine Vielzahl von Lebensformen bei Menschen und Tieren; denn ohne Nahrung ist Leben unmöglich. So haben die Unterschiede in der Nahrung die Unterschiede in den Lebensformen der Lebewesen hervorgebracht: einige Tiere leben in Herden, andere vereinzelt, je nachdem, wie das eine oder andere der Sicherung der Nahrung nützt, weil einige von ihnen Fleischfresser, andere Pflanzenfresser, wieder andere Allesfresser sind. Um es ihnen leichter zu machen und ihre Wahl zu begünstigen, hat die Natur ihre Lebensart je besonders festgelegt. Da aber von Natur nicht einem jeden das gleiche zusagt, sondern jeweils verschiedene Lebewesen auch Verschiedenes vorziehen, sind auch selbst innerhalb der Fleisch- und der Pflanzenfresser die Lebensformen je voneinander verschieden. Das gilt aber genauso auch unter den Menschen; denn auch ihre Lebensformen weichen beträchtlich voneinander ab: am wenigsten müssen die Nomaden stetiger Arbeit nachgehen, denn Nahrung, die ihnen die Weidetiere bieten, erhalten sie ohne Mühe in beschaulicher Ruhe. Da aber die Herdentiere wegen der Weiden weiterziehen müssen, sind sie gezwungen, auch selber mitzuziehen, der Ackerbau, dem sie nachgehen, lebt sozusagen. Andere gewinnen ihren Lebensunterhalt von der Jagd – und dabei verschiedene Gruppen von je verschiedenen Arten von Jagd, z. B. einige von Raub, andere, die in der Nähe von Teichen, feuchten Niederungen, Flüssen oder fischreichem Meer wohnen, vom Fischfang, noch andere von (der Jagd auf) Vögel oder wilde Tiere. Die größte Zahl von Menschen lebt jedoch von (den Erträgen) der Erde und dem Anbau von Früchten.
Damit haben wir so ziemlich alle Lebensweisen, bei denen (Menschen) ihre Tätigkeiten unmittelbar auf die Natur bezogen haben und die Nahrung nicht durch Tausch oder Handel gewinnen, aufgezählt: (nämlich) die Lebensform der [1256b] Nomaden, der Räuber, Fischer, Jäger und Ackerbauern. Andere, die mehrere (dieser Erwerbsweisen) verbinden, leben angenehm, indem sie eine kärgliche Lebensform da, wo sie allein nicht ausreicht, aufbessern. So führen einige zugleich ein Leben als Nomaden und Räuber, andere als Bauern und Jäger. Das gleiche gilt auch für die anderen Lebensformen: wie die Bedürfnisse sie zwingen, so gestalten sie ihr Leben.
Besitz in diesen Dingen ist offensichtlich allen von der Natur selber gegeben; wie dies gleich bei der Geburt der Fall ist, genauso auch, nachdem sie zur Reife gelangt sind. Denn einzelne Tiere, wie die, die Larven oder Eier legen, bringen gleich bei dem Gebären so viel Nahrung mit hervor, daß diese bis zu dem Zeitpunkt ausreicht, da das Tierjunge sich allein versorgen kann. Dagegen führen diejenigen, die lebende Junge gebären, für eine bestimmte Frist Nahrung für die Neugeborenen [b15] bei sich, den natürlichen Stoff, den man Milch nennt. Daher muß man offensichtlich annehmen, daß in gleicher Weise auch nach ihrer Geburt (für sie Vorsorge getroffen ist und) die Pflanzen um der Tiere willen da sind, die übrigen Tiere um der Menschen willen – die zahmen zur Nutzung und Nahrung, die wilden – wenn nicht alle, so doch die meisten – zur Nahrung und anderen nützlichen Diensten, (etwa) damit aus ihnen Kleider und anderes, wie Werkzeuge, verfertigt werden. Wenn nun (gilt, daß) die Natur nichts unvollendet und nichts umsonst tut, dann folgt daraus zwingend, daß die Natur dieses alles um der Menschen willen geschaffen hat. Deswegen fällt auch von Natur unter die Erwerbskunst in gewisser Weise die Kriegskunst – zu der als ein Teil ja die Jagdkunst gehört –, die man sowohl gegen Tiere einsetzen muß als auch gegen die Menschen, die zwar von Natur dazu bestimmt sind, beherrscht zu werden, aber sich dazu nicht bereit finden wollen; in diesem Falle ist ein Krieg von Natur gerechtfertigt.
(Diese) eine Form der Erwerbskunst ist von Natur ein Teil der Kunst der Haushaltsführung; denn ein reichlicher Vorrat an Gütern, die für das Leben unerläßlich und für die staatliche und häusliche Gemeinschaft nützlich sind, muß vorhanden sein – oder die Erwerbskunst muß diesen Vorrat bereitstellen, damit er vorhanden ist.
In solchen Gütern scheint der wahre Reichtum zu bestehen. Denn der für ein vollkommenes Leben ausreichende Umfang eines solchen Besitzes geht nicht ins Grenzenlose, wie es Solon in seinem Gedicht meint: »keine sichtbare Grenze des Besitzes ist den Menschen festgelegt« – (vielmehr) ist dem Besitz, wie auch sonst fachmännischen Tätigkeiten, eine Grenze gesetzt. Denn in keiner Tätigkeit ist ein Werkzeug an Menge oder Größe unbegrenzt; Reichtum ist aber eine Vielzahl von Werkzeugen zur Führung eines Haushaltes oder eines Staates. Daß für die Leiter eines Hauses und eines Staates eine bestimmte Form von Erwerbstätigkeit naturgemäß ist und aus welchem Grunde das gilt, ist somit geklärt.
Kapitel 9. Es gibt aber noch eine weitere Art der Beschaffungskunst; dies ist die Art, die man insbesondere – und mit Recht – gewinnsüchtige Erwerbskunst nennt; sie ist verantwortlich für die Auffassung, Reichtum und Besitz sei keine [1257a] Grenze gesetzt. Wegen ihrer Verwandtschaft meinen nun viele, diese sei ein und dieselbe wie die gerade besprochene Erwerbskunst. Sie ist aber weder identisch mit der beschriebenen, noch liegt sie weit ab von ihr: die eine von ihnen war naturgemäß, während diese (gewinnsüchtige Form) nicht naturgemäß ist, sie verdankt ihre Entstehung vielmehr eher einer Erfahrung und einem fachmännischen Können. Für ihre Betrachtung wollen wir folgenden Ausgangspunkt wählen:
Jedes Stück Besitz läßt eine zweifache Weise des Gebrauchs zu; bei beiden Formen wird (der Gegenstand) als solcher benutzt, jedoch nicht in gleicher Weise als solcher, sondern die eine benutzt den Gegenstand (seiner Funktion) entsprechend, die andere nicht – ich meine z. B., daß man einen Schuh trägt oder ihn zum Tausch verwendet: beides sind Möglichkeiten, einen Schuh zu gebrauchen; denn wer einem anderen, der einen Schuh benötigt, diesen im Tausch gegen Geld oder Nahrung übereignet, gebraucht zwar den Schuh als Schuh, aber nicht zu der ihm eigenen Verwendung; denn Schuhe sind ursprünglich nicht zum Zweck des Tausches hergestellt worden. Das gleiche gilt auch für die anderen Gegenstände des Besitzes; denn Warenumschlag läßt sich auf alle Güter ausdehnen.
(Dieser Handel mit jeder Art von Gütern) begann [a15] ursprünglich damit, daß Menschen naturgemäß Tausch betrieben, weil sie einige Güter in größerer, andere in geringerer Menge, als (für ihre Bedürfnisse) ausreichten, besaßen. Daraus geht auch hervor, daß die Erwerbsweise durch Handel nicht (mehr) von Natur ist. Denn (um die naturgemäße Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen sicherzustellen), waren sie gezwungen, so viel zu tauschen, bis sie hinreichend besaßen. In der ersten Gemeinschaft, dem Haushalt, gibt es offensichtlich keine Gelegenheit dafür, sondern erst als die Gemeinschaft schon eine größere Zahl von Mitgliedern umfaßte; denn jene Mitglieder des Hauses teilten untereinander noch die gleichen Dinge, diese (Mitglieder der größeren Gemeinschaften), die getrennt voneinander lebten, dagegen viele Güter von jeweils unterschiedlicher Art. Davon mußten sie nach den jeweiligen Bedürfnissen den anderen abgeben, wie es noch viele barbarische Volksstämme tun, durch Tausch: nur nützliche Dinge tauschen sie gegen nützliche, z. B. geben und nehmen sie Wein gegen Getreide an und ebenso jeden anderen Gegenstand dieser Art; aber darüber gehen sie nicht hinaus. Ein solcher Tauschhandel ist weder gegen die Natur, noch ist er eine Art dieser gewinnsüchtigen Erwerbskunst. Denn er diente dazu, die Mittel so zu vervollständigen, daß man naturgemäß mit allen Gütern versorgt war.
Aus dieser Erwerbsweise entstand aus gutem Grund jene gewinnsüchtige Erwerbskunst. Denn da man zur Abhilfe (des unausgeglichenen Warenangebotes) durch Einfuhr von Gütern, die man benötigte, und Ausfuhr derer, woran man überreichlich besaß, in immer weitere Ferne vorstieß, wurde notwendigerweise der Gebrauch des Münzgeldes eingeführt; nicht alle von Natur notwendigen Güter waren ja leicht (über so weite Strecken) zu transportieren. Deswegen trafen sie untereinander die Übereinkunft, zur (Erleichterung des) Handels einen Gegenstand herauszugeben und entgegenzunehmen, der selber zu den für das Leben nützlichen Objekten gehört und eine vielfältig brauchbare Verwendung im täglichen Leben erlaubt, ich meine Eisen, Silber und anderes, sofern es diese Eigenschaften besitzt. (Sein Wert) wurde zunächst einfach nach Größe und Gewicht festgelegt, schließlich schlugen sie auch ein Gepräge ein, damit dieses das Wiegen überflüssig mache. Denn die Aufprägung wurde als Zeichen der Gewichtsmenge eingepresst.
Nachdem das Münzgeld eingeführt war, entstand aus dem [1257b] Tauschhandel in lebensnotwendigen Dingen die zweite Art der Erwerbstätigkeit, die in der Form des gewerbsmäßigen Handels, die zunächst wohl einfach ausgeübt wurde, danach aber aufgrund von Erfahrung schon eine Fachkenntnis darüber anwandte, von wo und wie sie durch Warenumschlag den größten Gewinn erzielt. Deswegen entsteht auch der Eindruck, der Erwerbskunst gehe es hauptsächlich um Geld und ihre Aufgabe liege in der Fähigkeit herauszufinden, woher sich möglichst viel Geld gewinnen läßt; denn sie produziert Reichtum und Geld. Deswegen versteht man häufig unter Reichtum die Menge Geld, (das man besitzt,) weil die gewinnsüchtige Erwerbskunst und Handelstätigkeit sich darum bemühen. Bisweilen erscheint dagegen Geld als leeres Wort und von willkürlich gesetzter Geltung, in keiner Weise aber von Natur; denn wenn diejenigen, die es benutzen, (ihre Währung) ändern, ist es nichts wert und nicht für (den Erwerb) irgendeines der lebensnotwendigen Dinge brauchbar, und es geschieht häufig, daß einem, der viel Geld besitzt, doch die notwendige Nahrung fehlt. Es ist jedoch ungereimt, daß Reichtum, mit [b15] dem man gesegnet ist, die Auswirkung haben soll, daß man an Hunger zugrunde geht. So soll es nach der Sage auch dem Midas ergangen sein, als alles, was ihm vorgesetzt wurde, wegen der Unersättlichkeit seines Wunsches zu Gold wurde. Deswegen sucht man auch eine andere Bestimmung von Reichtum und Erwerbskunst – mit Recht: denn Erwerbskunst und Reichtum, der naturgemäß ist, bilden eine eigene Form, sie fallen unter die Kunst der Haushaltsführung; diese andere aber, die nach Art des gewerbsmäßigen Handels ausgeübt wird, bringt Besitz hervor – nicht mit allen Mitteln, sondern durch Handel mit Besitz. Und dieser gewinnsüchtigen Erwerbsweise scheint es um das Geld zu gehen, denn das Geld ist notwendiger Bestandteil und Zweck des Handels.
Bei dieser Form von Reichtum, der durch die gewinnsüchtige Erwerbsweise aufgehäuft wird, gibt es keine Begrenzung. Denn auch die Medizin zielt auf eine unbegrenzte Herstellung der Gesundheit ab; überhaupt lassen sich alle fachmännischen Tätigkeiten bei der Festlegung ihres Zweckes keine Grenze setzen, denn sie wollen ihn ja so gut wie möglich verwirklichen – bei den Mitteln zum Zweck gehen sie jedoch nicht bis zum Grenzenlosen, denn der beabsichtigte Zweck setzt allen die Grenze – genauso nimmt auch diese gewinnsüchtige Erwerbskunst bei der Festsetzung ihres Zieles keine Begrenzung hin: ihr Ziel ist diese bestimmte Form von Reichtum, der Besitz von Geld. Eine Begrenzung gibt es dagegen bei der Erwerbskunst, die in den Bereich der Haushaltsführung fällt; denn solchen (unbegrenzten Reichtum zu gewinnen), ist nicht die Aufgabe der Ökonomik. Deswegen entsteht auch von diesem Standpunkt her der Eindruck, jedem Reichtum müsse eine Grenze gesetzt sein, in Wirklichkeit trittt aber, wie wir beobachten, das Gegenteil ein: alle, die sich gewinnbringender Tätigkeit verschreiben, versuchen Geld bis ins Unendliche zu vermehren. Ursache dafür ist die enge Verwandtschaft (beider Formen von Erwerbskunst): denn ihre Anwendung richtet sich auf die gleichen Gegenstände und überschneidet sich somit; sie nutzen die gleiche Art von Besitz, aber nicht in der gleichen Weise, sondern bei der einen liegt der Zweck (der Nutzung) außerhalb (des Besitzerwerbs), bei der anderen ist dagegen seine Vermehrung der Zweck der Erwerbstätigkeit. Daher meinen einige, dies sei die Aufgabe der Ökonomik, und halten beharrlich an der Auffassung fest, man müsse das Vermögen an Geld entweder im Umfang bewahren oder bis zum Unendlichen steigern.
Diese Einstellung ist darin begründet, daß Menschen mit [1258a] ihrem ganzen Eifer dem bloßen Leben dienen, aber nicht dem vollkommenen Leben. Da dieser Lebenshunger keine Begrenzung kennt, sucht man auch ohne jede Grenze die Mittel, die es ermöglichen, ihn zu stillen. Diejenigen, die aber auch das vollkommene Leben anstreben, suchen das Leben körperlicher Genüsse. Und da auch deren Befriedigung durch den Besitz ermöglicht zu werden scheint, richtet sich ihr ganzes Tun und Trachten auf gewinnbringende Tätigkeit, und daraus entstand diese zweite Form der Erwerbskunst. Denn da ausschweifender Genuß in der Übersteigerung besteht, sucht man die Mittel, die die Übersteigerung ausschweifenden Genießens ermöglichen. Und wenn Menschen sich diese nicht durch die gewinnsüchtige Erwerbskunst beschaffen können, versuchen sie es auf anderem Wege, indem sie dafür jede Fähigkeit nutzen – nicht naturgemäß; denn Aufgabe der Tapferkeit ist es nicht, Geld, sondern Mut zu machen, und ebenso haben Feldherrnkunst und Medizin nicht diese Aufgabe, sondern die eine soll den Sieg erringen, die andere Gesundheit wiederherstellen. Aber jene Leute machen alle diese Künste zu Mitteln, Gewinn zu erzielen, als sei das das Ziel und auf das Ziel müsse alles ausgerichtet sein.
Damit sind nun folgende Themen behandelt: das Wesen der Erwerbskunst, die nicht den notwendigen [a15] Lebensbedürfnissen dient; die Gründe, weshalb sie bei uns praktiziert wird; der Unterschied zwischen dieser Erwerbskunst und jener, die für das Leben unerläßlich ist, nämlich der Kunst, Nahrung zu beschaffen, die naturgemäß zur Ökonomik gehört und nicht wie jene (andere Form) unbegrenzt ist, sondern eine Begrenzung hat.
Kapitel 10. Damit ist aber auch die Frage leicht zu klären, die wir am Anfang aufgeworfen haben, nämlich: ist die Beschaffungstätigkeit Aufgabe des Vorstandes eines Haushaltes und leitenden Staatsmannes oder nicht? Oder müssen vielmehr diese Dinge, (die die Erwerbskunst beschafft, für den Haushaltsvorstand und leitenden Politiker zuvor) vorhanden sein? Denn wie die praktische Politik die Menschen nicht hervorbringt, sondern von der Natur übernimmt und dann mit ihnen umgeht, so muß auch die Natur für die Nahrung Ackerland oder das Meer oder etwas anderes zur Verfügung stellen; danach ist es aber die Aufgabe des Leiters des Haushaltes, über (ihre Verwendung) in der erforderlichen Weise Bestimmungen zu treffen. Denn es ist auch nicht die Funktion der Webkunst, die Wolle herzustellen, sondern sie zu verarbeiten und zu beurteilen, welche gut und geeignet oder schlecht und ungeeignet ist.
Denn andernfalls könnte auch jemand die Frage aufwerfen, weshalb zwar die Erwerbskunst Teil der Haushaltsleitung ist, die Medizin aber kein Teil – obwohl doch die Mitglieder des Hauses gesund sein müssen, genauso wie sie leben müssen und andere notwendige Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Es ist sicherlich in gewisser Hinsicht die Aufgabe des Haushaltsvorstandes und des Herrschers, auch für die Gesundheit zu sorgen, in gewisser Hinsicht ist es jedoch nicht ihre Aufgabe, sondern die des Arztes. So auch bei den Besitzgütern: in gewisser Hinsicht liegt die Sorge dafür bei dem Leiter des Haushaltes, in anderer Hinsicht jedoch nicht bei ihm, sondern bei einer ihm untergeordneten Tätigkeit. Am ehesten müssen diese Dinge, wie eben gesagt wurde, von Natur zur Verfügung stehen, da es die Aufgabe der Natur ist, ihrem Geschöpf Nahrung zu geben; denn für jedes Lebewesen ist der nicht verbrauchte Rest des Stoffes, aus dem es entsteht, seine Nahrung.
Naturgemäß ist für alle daher eine Erwerbsweise, (die Güter) gewinnt, die aus Früchten und Tier(produkten) bestehen. Nun gibt es aber zwei Formen von Gütern, wie wir schon sagten: die eine fällt in den Bereich der gewinnsüchtigen Händlertätigkeit, die andere in den der Ökonomik. Aber nur diese (zweite) befriedigt notwendige Bedürfnisse und findet lobende [1258b] Anerkennung, während die Erwerbskunst nach Art des gewinnsüchtigen Handels mit Recht getadelt wird – denn sie wird nicht entsprechend der Natur ausgeübt, sondern besteht darin, daß Menschen aus (geschäftlichem Verkehr) untereinander Güter gewinnen. Daher wird mit der allergrößten Berechtigung (eine dritte Form der Erwerbstätigkeit,) der Geldverleih gegen Zinsen gehaßt; denn dabei stammt der Gewinn aus dem Münzgeld selber, nicht aus der Verwendung, für die es geschaffen wurde – denn es entstand (zur Erleichterung) des Warenumschlages. (Bei Geldgeschäften) vermehrt jedoch der Zins das Geld, daher hat er ja auch diesen Namen (Erzeugtes), denn das Erzeugte gleicht dem Erzeuger. Zins ist aber Geld gezeugt von Geld. Daher ist auch diese Form von Erwerb am meisten wider die Natur.
Kapitel 11. Wir haben nun für die theoretische Seite dieser Dinge ausreichende Bestimmungen getroffen und sollten jetzt die Fragen der praktischen Verwirklichung behandeln. In allen diesen Angelegenheiten ist die theoretische Beschäftigung dem Range eines freien Mannes angemessen, die praktische Erfahrung dagegen aufgezwungen.
Nützliche Teile der Erwerbskunst sind praktische Kenntnis in folgenden Bereichen: (a) welche Arten von Vieh sind am rentabelsten, und wo und wie, z. B. welcher Bestand an Pferden, Rindern oder Schafen und genauso der anderen Tieren ist [b15] am profitabelsten? Denn man muß praktische Kenntnis davon besitzen, welche von diesen den größten Gewinn abwerfen, wenn man sie untereinander in ihrem Wert vergleicht, und welche unter welchen jeweiligen örtlichen Bedingungen, denn die einen gedeihen in diesen, die anderen in jenen Gebieten. Dann (b) praktische Kenntnis im Ackerbau – und hierbei wieder der Bodenbestellung und der Anlage von Pflanzungen früchtetragender Bäume und Sträucher, und (c) in Bienenzucht und (der Haltung) anderer Tiere, von Fischen oder Geflügel, von denen man Nutzen ziehen kann. Dies sind nun die Teile der Erwerbskunst, die im eigentlichen Sinne diesen Namen verdient (I), und die Erwerbszweige, die an erster Stelle stehen. Innerhalb der Erwerbskunst, die Geschäftsverkehr (zwischen Menschen) ist (II), bildet der Handel die wichtigste Sparte – auch davon gibt es drei Teile: Fernhandel von Schiffseignern, Warentransport und Feilbieten von Gütern zum Verkauf; diese unterscheiden sich voneinander dadurch, daß der eine ein geringeres Risiko enthält, der andere dagegen höhere Einnahmen verschafft; an zweiter Stelle folgt Geldverleih gegen Zinsen, an dritter Stelle Lohnarbeit – davon ist ein Zweig die Tätigkeit handwerklicher Fachkräfte, der andere die Ungelernter, die allein durch Körperkraft nützlich sind. Die dritte Form der Erwerbstätigkeit (III) liegt zwischen dieser und der ersten; denn sie reicht sowohl in die naturgemäße Erwerbsweise wie in die des Geschäftsverkehrs hinein – sie gewinnt Produkte aus der Erde selber oder Produkte aus Stoffen, die aus der Erde stammen, zwar nicht eßbare, aber doch nützliche Dinge; unter sie fällt zum Beispiel Gewinnung von Holz und Bergwerksbetrieb jeder Art – auch dieser umfaßt viele Arten, denn es gibt eine Vielzahl von Rohstoffen, die aus der Erde gewonnen werden.
Über jede dieser Formen ist auch damit nur eine allgemeine Feststellung getroffen worden; sie aber im einzelnen detailliert und gründlich zu behandeln, ist zwar für die Ausübung der Tätigkeiten vorteilhaft, uns aber damit aufzuhalten, wäre eine unwürdige Aufgabe. Unter diesen Tätigkeiten haben diejenigen am meisten den Rang eines fachmännischen Könnens, bei denen am wenigsten dem Zufall überlassen bleibt; diejenigen sind am ehesten Tätigkeiten eines Arbeiters, bei denen man am stärksten den Körper in Mitleidenschaft zieht; am ehesten sklavisch sind diejenigen, für die man am meisten den Körper benutzt, von niedrigstem Rang schließlich diejenigen, für die man am wenigsten charakterliche Qualität braucht.
Da einige Autoren hierüber Schriften verfaßt haben, z. B. [1259a] Charetides von Paros und Apollodor von Lemnos über Ackerbau, sowohl über (Fruchtanbau) durch Aussaat als auch den Obstanbau, genauso auch andere Schriftsteller über andere Gegenstände, da soll der, dem daran liegt, daraus seine Kenntnisse gewinnen. Außerdem muß man die verstreuten Äußerungen über die Mittel, durch die einige Leute bei ihrer Erwerbstätigkeit erfolgreich waren, zusammenfassen. Denn dieses alles ist denen von Nutzen, bei denen sich Besitzerwerb einer hohen Wertschätzung erfreut, zum Beispiel auch die Geschichte über Thales von Milet. Denn diese enthält eine für den Besitzerwerb brauchbare Einsicht; man schreibt sie Thales wegen seiner Weisheit zu, doch gibt sie eine allgemeingültige Einsicht wieder: als man ihm wegen seiner Armut vorhielt, die Philosophie sei eine unnütze Beschäftigung, da, so sagt man, habe er aus der Berechnung der Gestirne erschlossen, daß eine reiche Olivenernte bevorstehe; er habe noch im Winter, als er gerade über bescheidene Mittel verfügte, für sämtliche Ölpressen in Milet und auf Chios Anzahlungen hinterlegt und sie für einen geringen Betrag gemietet, da niemand ein höheres [a15] Angebot machte. Als aber die Ernte kam und zur gleichen Zeit und plötzlich viele Ölpressen gesucht wurden, habe er sie nach Bedingungen, wie sie ihm gefielen, vermietet; er habe viel Geld gewonnen und bewiesen, daß es den Philosophen leicht ist, reich zu werden, wenn sie wirklich wollen – jedoch dies sei es nicht, worauf sie ihr Streben richten. Thales soll so einen Beweis seiner Weisheit gegeben haben. Ein solches Vorgehen, nämlich wenn es jemand gelingt, sich ein Monopol zu sichern, ist, wie wir sagten, allgemein eine gewinnbringende Methode. Deswegen eröffnen sich auch einige Staaten diese Einnahmequelle, wenn sie in Geldnot stecken: sie setzen für bestimmte Waren ein Monopol fest. So kaufte in Sizilien einer, bei dem Geld hinterlegt worden war, alles Erz aus den Erzgewinnungsanlagen, und als danach die Händler von den Handelsplätzen kamen, war er der einzige, der es zu verkaufen hatte; er tat es ohne großen Aufschlag auf den üblichen Preis, und trotzdem machte er mit seinen fünfzig Talenten hundert Talente Gewinn. Als Dionys davon Kunde erhalten hatte, gestattete er ihm, das gewonnene Geld mitzunehmen, untersagte ihm aber für die Zukunft den Aufenthalt in Syrakus, weil er Einnahmequellen gefunden habe, die gegen seine Interessen gerichtet seien. Dieser Einfall ist identisch mit dem des Thales. Denn beide haben es fertiggebracht, sich eine Monopolstellung zu sichern.
Auch für leitende Staatsmänner ist es von Bedeutung, solche Kenntnisse zu haben, denn viele Staaten sind auf solche Einnahmen und Einküfte angewiesen, genau wie ein Haushalt, nur in größerem Umfang. Deswegen machen auch einige der leitenden Staatsmänner dies zum einzigen Inhalt ihrer Politik.
Kapitel 12. Es gibt, wie wir festgestellt haben, drei Teilbereiche der Leitung eines Haushaltes. Einer ist die despotische Herrschaft, die vorher behandelt wurde, ein (weiterer) die väterliche, ein dritter die eheliche; denn (der Hausherr) gebietet auch über die Gattin und die Kinder – über beide als Freie, jedoch nicht in der gleichen Herrschaftsweise, sondern über die [1259b] Gattin wie man unter Bürgern herrscht, über die Kinder dagegen wie ein König. Denn von Natur hat das Männliche eher die Führung als das Weibliche – wenn sie nicht eine naturwidrige Verbindung eingegangen sind – und das Ältere und in seiner Entwicklung Vollendete eher als das Jüngere und noch nicht fertig Ausgebildete. In den meisten Herrschaftsbeziehungen unter Bürgern wechseln sich Regierende und Regierte (in der Bekleidung eines Amtes) ab, denn sie beanspruchen, in ihrer Natur gleich zu sein und keinen Unterschied aufzuweisen. Jedoch solange der eine Teil herrscht, während der andere beherrscht wird, suchen (die Regierenden) in der äußeren Erscheinung, der Anrede und ehrenden Attributen eine Heraushebung, wie das auch Amasis mit dem Fußwaschbecken zum Ausdruck brachte. In diesem Verhältnis steht aber das Männliche zum Weiblichen (nicht nur zeitweilig, sondern) immer.
Die Herrschaft über die Kinder entspricht der eines Königs; denn der Vater übt seine Herrschaft mit Liebe und aufgrund der Autorität des Alters aus, was ja die königliche Herrschaftsform ausmacht. Deswegen hat Homer treffend für Zeus die Anrede gewählt: »Vater der Menschen und Götter«, für ihn als den [b15] König von diesen allen. Seiner Natur nach muß sich der König nämlich (vor den Untertanen) auszeichnen, aber er muß vom gleichen Schlag sein. Das ist ja auch der Fall bei den Älteren gegenüber den Jüngeren und dem Vater gegenüber dem Kind.
Kapitel 13. Es ist offensichtlich, daß die Sorge der Ökonomik in größerem Maße den Menschen als dem Besitz an leblosen Dingen gilt, und mehr dem besten Zustand der Menschen als dem des Besitzes, den wir Reichtum nennen, und mehr dem besten Zustand der Freien als dem der Sklaven.
Bei Sklaven könnte man die Frage aufwerfen, ob es neben seiner Tüchtigkeit als Werkzeug und Diener bei einem Sklaven eine weitere, wertvollere Tüchtigkeit gibt – ich meine maßvolle Besonnenheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit oder irgendeine andere Eigenschaft dieser Art, oder ob er neben den körperlichen Dienstleistungen keine (solche charakterliche Qualität) besitzt. Die beiden möglichen Antworten enthalten aber ihre Schwierigkeiten: Entweder besitzen nämlich die Sklaven eine solche Qualität – worin soll dann aber der Unterschied zu den Freien bestehen? Oder sie besitzen sie nicht – aber dies ist doch widersinnig, da sie Menschen sind und an der Vernunft teilhaben.
Fast das gleiche Problem wird aber auch für Frau und Kind aufgeworfen: besitzen auch sie vollkommene Charakterqualität und muß eine Frau besonnen, tapfer und gerecht sein, und kann es bei Kindern nicht nur Zuchtlosigkeit, sondern auch Besonnenheit geben oder nicht?
Allgemein und grundsätzlich muß untersucht werden, ob die charakterliche Qualität der von Natur Beherrschten und Herrschenden gleich oder verschieden ist. Wenn nämlich von beiden Anteil an vornehmer und guter Wesensart verlangt wird, weshalb soll dann ein für allemal der eine herrschen, der andere beherrscht werden? Im größeren oder geringeren Grad (von menschlicher Vorzüglichkeit) kann ja der Unterschied (zwischen Herrschenden und Beherrschten) nicht begründet sein; denn Herrschen und Beherrschtwerden unterscheiden sich der Art nach, ein größerer oder geringerer Grad dagegen nicht der Art nach. Wenn aber nur der eine diese Eigenschaften besitzen muß, der andere jedoch nicht, dann wäre das ein erstaunliches Resultat; denn entweder wird der Herrschende nicht maßvoll und gerecht sein, wie wird er dann richtig herrschen? Oder der Beherrschte (besitzt diese Eigenschaften nicht), wie wird er sich richtig regieren lassen? Denn als zügelloser und träger Mensch wird er keine seiner [1260a] Aufgaben erledigen. Es ist also klar, daß beide charakterliche Qualität besitzen müssen, daß es aber darin Unterschiede geben muß, wie dies auch unter den von Natur Beherrschten der Fall ist. Und dies ist unmittelbar an den Bedingungen in der Seele deutlich: in dieser übt nämlich der eine Teil von Natur die Herrschaft aus, der andere wird dagegen beherrscht; ihre jeweilige Qualität ist, wie wir behaupten, verschieden, zum Beispiel die des vernunftbegabten bzw. vernunftlosen Teils. Offensichtlich liegen nun die gleichen Bedingungen auch in den anderen (Verhältnissen) vor, so daß es von Natur mehrere Arten von Herrschenden und Beherrschten gibt; denn auf eine andere Weise herrscht der Freie über den Sklaven und das Männliche über das Weibliche und der Vater über das Kind, und in jedem sind die genannten Seelenteile vorhanden, aber sie sind in verschiedener Weise vorhanden: Der Sklave besitzt die Fähigkeit zu praktischer Vernunft überhaupt nicht, die Frau besitzt sie zwar, aber nicht voll wirksam, auch das Kind besitzt sie, jedoch noch nicht voll entwickelt. Genauso muß [a15] dies auch bei den guten charakterlichen Haltungen der Fall sein: Alle Gruppen müssen daran Anteil haben, jedoch nicht in der gleichen Weise, sondern in dem Umfang, in dem jede diese Eigenschaften für ihre Aufgabe braucht. Deswegen muß der Regierende die charakterliche Qualität in ihrer vollendeten Ausprägung besitzen – denn jede Handlung ist schlechthin als Leistung dessen anzusehen, der die leitende Planung ausübt, die leitende Planung liegt aber bei der Vernunft; jeder der übrigen soll aber davon so viel besitzen, wie er (für seine Aufgabe) braucht. Damit ist deutlich, daß alle genannten Gruppen die guten charakterlichen Haltungen besitzen, daß aber die besonnene Mäßigung bei Frau und Mann nicht identisch ist, auch nicht Tapferkeit und Gerechtigkeit, wie Sokrates annahm, vielmehr ist die eine (Form von) Tapferkeit dem Herrschenden eigentümlich, eine andere den Dienenden, und das gleiche gilt für die anderen genannten Eigenschaften.
Auch eine Betrachtung, die sich mehr auf die jeweils besonderen Bedingungen richtet, kann dies verdeutlichen; denn diejenigen, die nur die sehr allgemeine Bestimmung treffen, charakterliche Qualität sei die richtige Verfassung der Seele oder sei Rechttun oder etwas Ähnliches dieser Art, täuschen sich selbst. Viel genauer als die, die solche Begriffsbestimmungen vornehmen, treffen es nämlich diejenigen, die, wie Gorgias, die einzelnen charakterlichen Haltungen aufzählen. Deswegen muß man voraussetzen, daß für alle Eigenschaften gilt, was der Dichter über die Frau sagte: »einer Frau gereicht Schweigen zur Zier«, für einen Mann trifft das aber nicht mehr zu. Da aber ein Kind noch nicht in seiner Entwicklung abgeschlossen ist, besitzt es offensichtlich nicht eine eigene charakterliche Haltung, die an ihm selber orientiert ist, sondern diese ist auf die Vollendung und den, der es leitet, bezogen; das gleiche gilt auch für den Sklaven im Verhältnis zum Herrn. Wir haben aber festgestellt, daß der Sklave für die Erledigung der lebensnotwendigen Aufgaben nützlich ist. Daher braucht er offensichtlich auch nur geringe charakterliche Qualität, nämlich so viel, daß er nicht durch Zuchtlosigkeit oder mangelnde Tatkraft seine Aufgaben vernachlässigt.
Wenn diese Behauptung wahr ist, könnte jemand aber die Frage aufwerfen, ob auch die Handwerker charakterliche Qualität brauchen; denn häufig vernachlässigen sie infolge von Zuchtlosigkeit ihre Aufgaben. Oder macht nicht folgendes den größten Unterschied (zwischen beiden) aus? Der Sklave nimmt am Leben (des Herrn) teil, während der Handwerker mit ihm nur aus größerer Ferne zu tun hat; daher braucht er charakterliche Qualität nur in dem Maße, wie er Sklave ist. Denn der banausische Handwerker untersteht einer [1260b] eingeschränkten Sklaverei; der Sklave hat diese seine Stellung von Natur, ein Schuster oder ein anderer Handwerker aber (seinen Beruf) niemals.
Es leuchtet nun ein, daß der Herr für die Ausbildung der charakterlichen Qualität des Sklaven, wie sie oben bestimmt wurde, verantwortlich sein muß – ohne daß er die despotische Kenntnis besitzt, die (sklavischen) Dienstaufgaben zu lehren. Deswegen haben diejenigen Unrecht, die Sklaven von vernünftiger Unterredung ausschließen und fordern, daß man ihnen nur Anordnungen gibt. Vielmehr muß man dem Sklaven mehr Mahnungen geben als den Kindern. Dazu soll es mit diesen Bestimmungen sein Bewenden haben.
Aber (in einem anderen Zusammenhang,) in den Untersuchungen über die Verfassungen müssen wir Mann und Frau, und Kinder und Vater erörtern. (Wir werden dann) die besondere charakterliche Qualität eines jeden von ihnen behandeln, was in den Beziehungen untereinander richtig ist und was nicht, und auf welche Weise man hierbei das richtige Verhalten anstreben, das schlechte meiden muß. Denn jeder Haushalt ist ein Teil des Staates, die vorher genannten (Personen) bilden aber die Teile des Haushalts, und der beste Zustand des Teiles muß auf den des Ganzen ausgerichtet sein. Daher ist es erforderlich, [b15] sowohl die Kinder wie die Frauen auf die Verfassung hin zu erziehen; denn daß auch die Kinder und die Frauen gute Eigenschaften besitzen, hat einen Einfluß auf den guten Zustand des Staates. Und es muß einen Einfluß haben, denn die Frauen bilden die Hälfte der Freien und aus den Kindern gehen diejenigen, die (als Bürger) an der Verfassung teilhaben, hervor.
Da nun diese Gegenstände ausreichend bestimmt sind, wir aber über die ausstehenden Fragen an anderer Stelle reden müssen, wollen wir die hier vorgetragenen Erörterungen als abgeschlossen verlassen. Wir wollen unsere Untersuchung von einem neuen Ausgangspunkt her fortsetzen, indem wir zuerst die Schriftsteller, die über den besten Staat ihre Auffassungen geäußert haben, einer Prüfung unterziehen.
Kapitel 1. Wir haben uns die Aufgabe gestellt zu untersuchen, welche unter allen Formen staatlicher Gemeinschaft die beste für Leute ist, die, so weit wie möglich, ihren Wünschen entsprechend ihr Leben führen können. Für ein solches Vorhaben müssen wir auch die anderen Verfassungen einer Prüfung unterziehen, sowohl Verfassungen, die in einigen Staaten in Kraft sind, welche wegen ihrer trefflichen gesetzlichen Ordnung in gutem Rufe stehen, als auch andere Verfassungen, die von gewissen Männern entworfen wurden und als vorbildlich gelten. Wir tun dies in folgender Absicht: einmal soll das Richtige und Nützliche erkannt werden, und außerdem soll nicht der Eindruck entstehen, als sei die Suche nach etwas Neuem neben den bestehenden der Zeitvertreib von Leuten, die um jeden Preis etwas spitzfindig ersinnen wollen; es soll vielmehr deutlich werden, daß wir uns diese Untersuchung deswegen vorgenommen haben, weil die Verfassungen, die jetzt vorliegen, unzulänglich sind.
Wir müssen zu allererst den Ausgangspunkt wählen, der naturgemäß Ausgangspunkt einer solchen Betrachtung ist: zwangsläufig (kann es nur drei Möglichkeiten geben): entweder (1) haben alle Bürger an allen Dingen teil oder (2) an nichts oder (3) zwar an einigen Dingen, an anderen jedoch nicht. Daß sie jedoch an nichts teilhaben (2), ist offensichtlich ausgeschlossen. Denn die Bürgerschaft ist eine Gemeinschaft der Teilhabe, und zuallererst müssen (die Bürger) das Staatsgebiet teilen; zu einem einzigen Staat gehört ja auch nur [1261a]