Pisa, Paris und Petra per se... - Jette Engels - E-Book

Pisa, Paris und Petra per se... E-Book

Jette Engels

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Beschreibung

Petra ist traurig und enttäuscht von ihrem Ehemann Franz, der sie für eine andere Frau verlässt. Nach dem ersten Schrecken nimmt sie diese Trennung in ihrem Leben hin und geht eigene Wege. Eine neue Liebe lässt nicht lange auf sich warten und Petra, erfolgreich in der Modebranche tätig, lernt Gregor, einen erfolgreichen und liebevollen Mann, kennen. Ist er ihre wahre Liebe? Eine unerwartete Wendung bahnt sich an. Eines Tages steht die Polizei vor Petras Tür. Ihr Ex-Mann und dessen neue Freundin verunglückten schwer. Nach dem ersten Schock nehmen die Paare ihr Leben und ihr Schicksal in die Hand. Sie durchleben alle großen Gefühle über Wut und Trauer bis hin zu Liebe und Hoffnung. Gemeinsam mit ihren besten Freunden schmieden die beiden große Pläne für ihre Zukunft. Wendet sich doch noch alles zum Guten? "Pisa, Paris und Petra per se..." erzählt davon, wie wertvoll Liebe und Freundschaft sind!

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Anruf von Franz

Begegnung mit Steffi

Erstes Treffen mit Gregor

Petra und das Schicksal

Franz, Begegnung am See

Steffi, eine neue Liebe

Franz´ Entscheidung

Steffi, ein Anfang und ein Ende

Franz und eine folgenschwere Einladung

Steffi und Franz, ein gemeinsamer Ausflug

Petra und eine unerwartete Wendung

Petra, ein verlockendes Angebot

Petra, Erfahrungen in London

Petra und ein Neuanfang

Nachwort

Vorwort:

Jeder neue Morgen ist wie ein unbeschriebenes Blatt Papier.

Alles ist möglich! Doch egal mit wieviel Erwartungen wir starten. Egal wie mulmig uns dabei ist mit unseren Ängsten, unseren Hoffnungen. Das Leben schreibt seinen ganz eigenen Text auf ein weißes Blatt Papier - eines jeden neuen Morgen. Jeder einzelne ist eine neue Chance. Manche verändern alles.

Christian Kohlund stieg in ein Taxi, um der Liebe seines Lebens zu folgen, da klingelte das Telefon.

„Nein, nicht jetzt“, zuckten Anne und ich zusammen, „nicht jetzt, zehn Minuten vor dem Happy End.“

Anne, meine beste Freundin, sah sich suchend um, machte einen Satz über die Sofalehne und fand das Telefon auf dem schmalen Sims des Kamins. Ich drückte genervt die Stopptaste der Fernbedienung. Das Standbild zeigte einen völlig verzweifelten, aber verliebten Christian Kohlund. Mir ging das Herz auf bei dieser Szene, gerne wäre ich die Verfolgte. Dieser Mann, diese Ausstrahlung ließen mich geradezu dahinschmelzen. Seine begnadete weiche Stimme, stundenlang könnte ich ihm zuhören, auch wenn die meisten Männer behaupteten, wir Frauen hätten in der Hinsicht ein Defizit. Erst kürzlich hatte ich eine Studie gelesen, die besagte, dass eine weiche Stimme Geborgenheit und Vertrauen vermittelte, beides sei eine Grundvoraussetzung für seelische Nähe. Allein der Klang der Stimme sei zu 38 % für die Wirkung eines Menschen verantwortlich.

„Für dich!“, rief Anne.

Sie zog die Mundwinkel genervt auseinander, als sie mir den Hörer übergab.

„Franz ist dran, der vermisst dich ja jetzt schon!“

„Kann nicht sein“, ich hielt die Sprechmuschel zu. „So lange ist es nun auch wieder nicht her“, und blinzelte auf mein Handy. „Genau vor 12 Stunden haben wir uns in der Küche verabschiedet.“

Franz und ich liebten das Land, die Ruhe, die frische Luft und den Abstand zum hektischen Alltag. Doch das Leben im Schlaraffenland hatte durchaus auch seine Schattenseiten. Egglham, ein kleiner Ort in Niederbayern und ungefähr 140 Kilometer von München entfernt. Es war ein wunderschönes Fleckchen Erde, keine Frage, aber manchmal auch das Ende der Welt. Franz wuchs in Niederbayern auf, arbeitete als freier Unternehmensberater von zu Hause aus, während ich als Einkäuferin für ein italienisches Modelabel in ganz Europa herumreiste. Der Dreh- und Angelpunkt der internationalen Modelwelt lag nun mal nicht in Egglham.

Ich gehörte zu den Vielfliegern. Heute Mailand, übermorgen Paris, nächste Woche London oder Rom. Es gehörte zu meinem Beruf und ich liebte ihn, auch wenn ich mehr Zeit auf Flughäfen verbrachte, als mit Franz am Wochenende. Meine Termine in Mailand genoss ich ganz besonders, dann wohnte ich bei meiner Freundin Anne, die in Verona lebte und bei der ich mich auf mein Gästezimmer auf Dauer freute. Seit meiner Ausbildung in Pforzheim besaß ich in Baden-Württemberg eine kleine Penthousewohnung. Gut, hundertzwanzig Quadratmeter waren nicht gerade klein, aber diese geräumige Wohnung kaufte ich damals noch für ein paar Mark fünfzig, ließ sie sanieren, verdiente alles selbst, nichts geerbt. Ok, einen kleinen Obolus bekam ich von meiner Oma, bevor sie ein Jahr später bei einem Autounfall ums Leben kam. Die Wohnung nutzte ich immer, wenn ich in der Nähe angesagte Modehäuser besuchte, ein Vorteil, der mir zugutekam.

An der Hochschule für Mode und Design in der Goldstadt Pforzheim hatte ich studiert und auf dem Oechslefest Franz kennengelernt. Er war Unternehmensberater in einer der größten Frankfurter Banken, ein bisschen älter als ich, sah aber jünger aus. Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Männer in grauen Anzügen mit Dreitagebart. Franz hatte eine ziemlich genaue Vorstellung vom Leben. Klar und strukturiert. Ein Perfektionist. Das gefiel mir. Wir haben uns gleich gemocht, und sein Humor deckte sich mit meinem. Franz mochte an mir meine charmante Frechheit im Auftreten, und der herausfordernde Blick aus rehbraunen Augen faszinierte ihn so sehr, dass wir uns ineinander verliebten. Nur drei Jahre später wohnten und lebten wir nach einer aufwendigen Modernisierung in seinem Elternhaus in Egglham. Auch das gehörte zu seiner Vorstellung vom Leben. Erst genug Geld verdienen und dann zurück nach Niederbayern. Ein Bayer in Frankfurt, das ging für ihn auf Dauer gar nicht. Er liebte die Ruhe, die ihm das Dorf vermittelte, die Idylle, die Menschen und das Grillen. Franz war der perfekte Gastgeber und Profi am Grill, mit Zertifikat. Für diese Bescheinigung war er sogar 14 Tage in den Bayerwald gereist, um an einem Gourmet Grillseminar teilzunehmen. Es wurde zu einer richtigen Passion.

An den Wochenenden waren ständig irgendwelche Nachbarn oder Geschäftsleute bei uns zu Gast, und dann wurde gegrillt. Es kamen nicht nur Steak und Würstchen auf das Grillrost, sondern Franz zauberte herrliche Kreationen von gegrilltem, speziell gewürztem Gemüse, über Gourmet-Fleischstücke in hausgemachter Marinade, bis hin zu gegrillten Früchten als Dessert. Grillen war eine seiner Vorlieben, Höflichkeitsformen die andere und obwohl einige von ihnen längst erstarrt und sinnlos geworden waren, hielt er es mit der Etikette sehr genau. Sein Motto: nicht der Etikette folgen, um der Etikette willen, sondern die Etikette zu Eigen machen. Sie musste in Fleisch und Blut übergehen und gekonnt ausgeführt werden. Wenn er seinen Gästen den Salat vorlegte, dann nur mit einer Hand, die andere blieb elegant auf dem Rücken. Das hatte er so lange geübt, bis er es richtig draufhatte. Eine gewisse Perfektion musste sein, sonst hatte man keinen Spaß daran, seine Worte.

Spaß daran hatten Heidi, unsere Nachbarin und Franz` Jugendliebe von gegenüber. Heidi führte die Tradition weiter, die einst ihre Eltern von den Großeltern übernommen hatten. Sie bewirtschaftete mit ihrem Mann Robert den kleinen Bauernhof mit Hofladen, wobei sich Robert mehr um die geschäftlichen Belange, als um die Landwirtschaft kümmerte. Robert war auch kein echter Bayer. Robert kam aus Thüringen und war von Beruf Informatiker. Ich habe mich oft gefragt, wo sich die beiden über den Weg gelaufen sind!

Wenn Franz seiner Jugendliebe Heide ein Glas Sekt eingoss, dann immer so perfekt wie ein echter Kellner. Wie vom Blitz getroffen war sie, und ihr Gesicht lief peinlich rot an, wenn seine Augen ihre erfassten. Heidi betrachtete ihn wie ein Gemälde und Franz genoss es. Sie sprühte gerade vor Neugier und Abenteuerlust. Und, wenn man es mit einem Hundesprichwort ausdrücken wollte: Franz bellte, aber biss nicht. Jedenfalls nicht so, dass es mir zu denken geben musste.

Anruf von Franz

Am Morgen war ich zum Münchener Flughafen aufgebrochen, um nach Mailand zu fliegen. Dort traf ich Valentino, einen italienischen Modedesigner, der für ein exklusives Modehaus mit eigener Kostümmacherei arbeitete. Wie immer, wenn wir zum Meeting verabredet waren, hielten wir unsere Besprechung im nahe gelegenen Restaurant ab und ließen uns die mediterrane Küche schmecken. Hier konnten wir uns ungestört unterhalten und austauschen, ohne dass sich andere Gäste beim Essen gestört fühlten, oder Dinge vernahmen, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren. Nachdem alle wichtigen Details zur Mailänder Modemesse besprochen waren, überreichte mir Valentino immer ein exquisites Geschenk. Eine weiße, edle Schachtel, hübsch verpackt mit rosa Schleifenband, die in jedem Handgepäck noch Platz fand. Die besondere Note, die Visitenkarte des italienischen Modehauses.

Es war später Nachmittag, als ich mit den Leihwagen in Verona ankam. Die Fahrt hatte doch länger gedauert, als ich dachte, aber die Zeit gab mir Gelegenheit, meine beruflichen Gedanken zu sortieren, um stressfrei bei Anne anzukommen. Es war lange her, dass ich meine Freundin besuchte. Meistens war ich diejenige, die alte Freundschaften pflegte. Franz war viel zu träge, um sich in den Flieger zu setzen. Seine alten Freunde hatte er noch nie besucht, seit sie Bayern irgendwann den Rücken gekehrt hatten, weil sie einer Liebe oder einer neuen beruflichen Herausforderung folgten. Und Spontanbesuche kamen für ihn schon gar nicht in Betracht.

Anne lebte seit sechs Jahren mit Alberto, einem smarten Italiener und ihrer großen Liebe zusammen. Gemeinsam wohnten sie in einem kleinen, aber feinen Anwesen mit Blick auf den Gardasee. Kein Wunder, dass Verona die Stadt der Liebe war. Diese traumhafte Villa mit Pool und einem herrlichen Garten hatte Alberto von seinen Großeltern geerbt. Wenn ich in Mailand war, genoss ich die Zeit bei ihr und kam immer erholt und entspannt zurück.

Nach ein paar Tagen Verona freute ich mich sogar auf Egglham. Für eine Woche hatte ich mich dieses Mal bei Anne einquartiert. Wir wollten einkaufen, bummeln, ein bisschen um die Häuser ziehen, einfach Zeit miteinander verbringen. Nach 140 gefahrenen Kilometern war ich so beschwingt und gut gelaunt, dass ich es kaum noch abwarten konnte, sie zu sehen. Den Sekt hatte sie bestimmt schon kaltgestellt, genauso wie ein mediterranes Abendessen vorbereitet - ich kannte sie.

„Man muss jeden Tag zu einem Festtag machen“, sagte sie immer, „wer weiß, was morgen ist“.

Anne reichte mir den Hörer und ließ sich in die weichen Kissen des Sofas sinken. Sie drehte an ihren Locken und schaute auf das Standbild. Ohne mich schaute sie den Liebesfilm nicht zu Ende.

„Na Franz, was ist passiert?“ täuschte ich einigermaßen gute Laune vor. „Ich hoffe, du hast einen guten Grund zu stören, wir schauen gerade Christian Kohlund, es sind nur noch zehn Minuten bis zum Happy End. Kann ich dich später zurückrufen?“

„Petra, ich muss mit dir reden.“

„Jetzt? Sofort? Worüber denn?“

Ich verließ den Platz neben Anne, um mit dem Telefon ins Büro zu gehen. Irgendwas lag in seiner Stimme, die mich veranlasste, das Zimmer zu verlassen.

„Was ist denn so wichtig, das es keinen Aufschub duldet? Du machst es aber spannend…!“

Franz räusperte sich. „Petra, wir haben ein Problem!“

„Wir?“ Ich spürte eine leichte Erregung in mir aufkommen. „Was haben wir denn für ein Problem?“

Normalerweise löste Franz jede Art von Problemen am einfachsten mithilfe von Excel-Tabellen, da kannte er sich aus. Schriftlich festlegen und nacheinander abarbeiten. Aber wenn er um diese Uhrzeit in Schwierigkeiten steckte, hatte das allerdings etwas zu bedeuten. Gab es in seiner Firma Probleme? Ich verdrängte den Gedanken, dass es etwas mit uns zu tun haben könnte. Nur so ganz wollte der nicht aus meinem Kopf weichen. Plötzlich überkam mich ein schlechtes Gewissen. War er doch sauer, weil ich zu Anne gefahren war?

In den letzten Wochen hatten wir wenig Zeit füreinander gehabt, ich war viel unterwegs − er aber auch. Er war nie verstimmt, wenn ich fortfuhr, eher hatte er mich ermutigt. Auf Anhieb könnte ich Dinge aufzählen, die zwischen uns nicht mehr stimmten. Franz sprach nicht gerne über Gefühle, und ich, verdrängte sie meist, hoffte darauf, dass sich alles irgendwann wieder legte.

Wenn ich mit ihm über unsere Beziehung reden wollte, war es Franz, der sich im Bett umdrehte und so tat, als sei er bereits eingeschlafen. Ich fragte mich oft in den letzten Wochen, ob die alten Gewohnheiten, die Lust aufeinander zerstörten.

„Konnte ich es ändern? Ich allein?“

Plötzlich fiel mir sein seltsames Verhalten vom Wochenende ein, und ich wurde das Gefühl nicht los, das es kein Gewitter war, dass gerade vorüberzog, sondern etwas Ernstes.

Ich stand am Fenster in Annes Büro und schaute in die Dunkelheit der aufkommenden Nacht. Nur das gedämpfte Licht der Straßenlaternen ließ die Gehsteige hell erleuchten und den Nieselregen sichtbar werden. Irgendwie passte die Welt da draußen, der Nieselregen, der Wind, die Finsternis zu meiner eigenartigen Stimmung. Wie aus dem Nichts spürte ich meinen rasenden Herzschlag und begann zu zittern.

Plötzlich wurde der Wind stärker. Die Fensterläden klopften wie leichte Taktschläge an die Hauswand. Aus der Ferne war ein dumpfes Grollen zu hören. Der Nieselregen wurde zu einzelnen dicken Tropfen und dann strömend. Starkregen prasselte vom Himmel. Grelle Blitze kreuz und quer entluden sich am Himmel, sie ließen das Büro so hell erscheinen, dass ich meine Augen für einen Moment schloss.

„Da braut sich was zusammen,“ dachte ich.

Den Blitzen folgte ein lauter, grollender Donner. Das Gewitter war direkt über uns.

„Franz, was ist los? Du rufst nicht ohne Grund um diese Uhrzeit an. Oder hast du getrunken?“

„Nein, habe ich nicht, es ist nur … ich habe nachgedacht.“

„Okay! Worüber denn um diese Zeit?“

„Ich… ähm, Petra, ich will mich von dir trennen.“ Franz räusperte sich und schwieg.

Gefühlt traf mich in diesem Moment der Blitz. Ich verstand nichts von dem, was gerade passierte.

„Franz, was soll das? Spinnst du? Du hast doch getrunken. Wenn das ein schlechter Scherz sein soll…“

„Du weißt, ich beliebe nie zu scherzen.“

„Du sagst es. Du trennst dich von mir per Telefon? Heute Morgen war doch alles in Ordnung. Warum hast du nichts gesagt, hat dir da der Mut gefehlt, mir das direkt ins Gesicht zu sagen? Hey, ich wäre daheimgeblieben und wir hätten reden können.“

Franz räusperte sich erneut und schwieg.

Meine Stimme wurde lauter und ich merkte, dass mir eine unglaubliche Hitze ins Gesicht stieg. Mir war so flau im Magen. War ich im falschen Film?

„Franz, sag endlich was.“

Wie in Dauerschleife ließ ich die letzten Wochenenden Revue passieren, eigentlich waren sie wie immer. Alles gut und in bester Ordnung. Wir feierten seinen Geburtstag, waren mit Freunden zum Essen in der Dorfkneipe, es war nett, wir hatten gelacht und alle hatten gute Laune. Als wir zurückkamen, ging Franz gleich ins Bett, er hätte zu viel Wein getrunken und sei müde. Der Sonntag war wie alle anderen Sonntage zuvor. Erst Frühstück, danach arbeitete jeder an seinem Schreibtisch und bereitete sich für die kommende Woche vor. Mittags kamen die Meiers zum Kaffee. Später bügelte ich vor dem Fernseher, auch wie immer, und Franz las in seinem neuen Konsalik-Roman, auch wie immer. Nach dem Tatort packte ich meine Tasche für Mailand, alles ganz normal.

„Franz rede mit mir. Du kannst nicht einfach bei Anne anrufen und mir so einen Schwachsinn um die Ohren hauen. Was ist denn los mit dir? Ist es dein Job, wird dir alles zu viel? Aber egal, was es ist, wir kriegen das doch zusammen hin. Wir müssen einfach wieder mehr Zeit füreinander haben, müssen reden, aber nicht am Telefon.“

„Darum geht es nicht, Petra. Ich habe mich verliebt, ich will einfach nicht mehr mit dir leben.“

Mir war unglaublich schlecht. Seine Stimme war anders, und sein Ton schärfer als sonst. In diesem Moment begriff ich, wie ernst die Lage war, und dass er das, was er sagte, auch wirklich so meinte.

Mir verschlug es die Sprache, ich war fassungslos, und hatte das Gefühl keine Luft zu bekommen. Ich zuckte zusammen und schüttelte immer wieder den Kopf. Ich konnte es nicht glauben, was er da sagte. Er hatte tatsächlich, das Fenster, in Alternativen zu denken, wieder geöffnet. Hatte sich wieder anderweitig umgeschaut, obwohl er versprochen hatte, die Internetforen nicht mehr anzurühren. Wie oft hatte ich damals darüber nachgedacht, diesen Mann und dieses Dorf zu verlassen.

„Oder war Heidi die Alternative? Sie war schließlich seine Jugendliebe. Hatte es nie aufgehört, zwischen den beiden zu funken? Sie hatte mir bei Franz´ Geburtstagsessen immer so zugelächelt. Irgendwas in diesem Lächeln war anders als sonst. Aber Heidi und Franz?“

Ich verwarf den Gedanken.

„Heidi war verheiratet. Und Franz hasste Kühe und Stallarbeit. Oder war Franz´ frühere Kollegin aus Frankfurt wiederaufgetaucht?“

Der Gedanke zog mich noch mehr runter und ich sah gleich wieder ihr weißes Cabriolet vor mir, die damals mehr als nur eine Kollegin war und mich mit ihren Spielchen verdrängen wollte. Die Affäre mit ihr hatte er damals abgestritten. Aber als ich einen Tag früher nach Hause gekommen war, stand ihr Auto bei uns in der Einfahrt.

„Wann bist du denn wieder hier?“, fragte mich eine Stimme, die mir fremd geworden war.

Obwohl Franz wusste, dass eine Woche bei Anne ausgemacht war, stellte er mir diese bescheuerte Frage.

„Vielleicht kannst du dich erinnern, was wir ausgemacht haben. Eine Woche Verona. Dafür fährst du mit deinem Bruder eine Woche zum Angeln“, wartete aber seine Antwort nicht ab.

„Ich komme gleich morgen zurück.“

„Gut, dann reden wir. Aber das ändert nichts an meinem Entschluss.“

„Bis morgen.“

Franz hatte bereits aufgelegt.

Gedankenverloren ging ich zurück ins Wohnzimmer, das Telefon noch immer in der Hand. Ich dachte, dass es bessere und schlechte Tage mit Franz gab, aber dieser Tag gehörte definitiv zu den ganz schlechten.

„Na endlich“, stöhnte Anne, „was war denn so wichtig, dass es nicht bis nach dem Happy End hätte warten können.“

Ich schaute auf den verliebten Christian Kohlund und dann in Annes gespanntes Gesicht.

„Franz hat gerade unsere Ehe beendet.“

Ich reichte Anne den Hörer, sie warf ihn achtlos auf den Boden. Ich spürte mein Herz, wie es sich zusammenzog. Tränen nahmen unaufhaltsam ihren Lauf, obwohl ich es nicht wollte, schon gar nicht in Selbstmitleid versinken, tat es aber trotzdem.

Anne war fassungslos, setzt sich kerzengerade hin und sah mich mit leeren Augen an.

„Das ist ein Witz, oder?“

Als ich verneinte, reagierte sie, wie wohl die meisten Frauen in der heutigen Zeit, mit Wut und Rachegelüsten.

„Dieser verdammte Mistkerl“, schrie sie, „hat der sie noch alle? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass dein so toller Gatte es vorzieht, lieber ohne dich als mit dir zu leben. Der konnte doch immer machen, was er wollte. Konnte einladen, wen er wollte, grillen, wann immer er wollte, ob es dir gepasst hat oder nicht. Du hast nie etwas gesagt. Der hatte alle Freiheiten, vielleicht zu viele, da kommt man schon mal auf dumme Gedanken. Heißt es nicht, Gelegenheit macht Liebe?“

Was Anne sagte, zog mich noch mehr runter. Schon wieder liefen die Tränen.

„War ich so blind? Habe ich all diese Dinge nicht gesehen?“ dachte ich.

Ich wusste nicht, was ich machen sollte.

Normalerweise drückte sich Anne gewählter aus. Der letzte „Mistkerl“ aus ihrem Mund war schon eine ganze Weile her und galt ihrem Ex-Mann. Bevor sie weiter brüllte, nahm ich sie in den Arm und wir weinten gemeinsam. Anne wohl aus Mitleid. Ich ertrug den Schmerz nicht, hatte eher das Gefühl, ihn verteidigen zu müssen, doch mir fiel nichts ein. Im nächsten Moment sah ich ihn vor meinem geistigen Auge, mal halb liegend, mal halb sitzend, in seinem Bürostuhl wippend im Internet surfen. Das zog mich noch mehr runter.

„Das ist so verletzend“, sagte Anne, immer noch aufgewühlt.

Zwei Stunden später hatte ich mich etwas beruhigt, die Flasche Rotwein leer getrunken, dabei hatte Anne meine letzten Ehejahre aufgezählt und Kopfschmerzen bekommen. Annes pädagogische Ausbildung als Lehrerin funktionierte wohl auch bei mir. Sie hörte sich geduldig alles an, kommentierte, analysierte, reichte mir Taschentücher und ließ mich reden.

„Franz und eine andere Frau“ dachte ich.

Er war in den letzten Jahren so bequem und leidenschaftslos geworden, dass ich ihm so eine Anstrengung gar nicht zutraute. Fast musste ich lachen.

„Franz ist ein komischer Mensch, habe ich dir immer gesagt, außerdem ist er älter, du kannst Jüngere haben“, sagte Anne überzeugt. Sie wurde konkreter: „Der hat sie ja nicht alle, der ist völlig übergeschnappt. Du willst aber nicht um deine Ehe kämpfen?“, fragte sie mit einem Gesichtsausdruck, der Bände sprach.

Ich zuckte mit den Schultern. „Nein“, sagte ich nach einer Weile, „den Gefallen werde ich ihm kein zweites Mal tun.“

„Petra, überleg mal, du hast eine eigene, tolle Wohnung mitten in Pforzheim, du kennst die Stadt, hast Freunde dort und kommst endlich raus aus der Provinz. Sieh es positiv!“

„Typisch Anne“, dachte ich. Sie dachte immer rational. Sie war ein besonderer Mensch. In besonderen Situationen brauchte man eine Freundin. Eine echte Freundin, eine, die einen schon lange kannte, zuhörte und ohne große Worte verstand, was zu tun war.

„Ich werde auf gar keinen Fall in diesem Dorf bleiben“, sagte ich entschlossen. „Ich bin nur Franz zuliebe in diesem Haus, in diesem Kaff geblieben. Bestimmt werden sie sich schon die Mäuler zerreißen. So was macht ja schnell die Runde, alle werden Bescheid wissen, nur ich nicht.“

Ich merke, wie ich mich in Rage redete und war überrascht, wie gut sich das anfühlte. Irgendwie war ich gefasster, ruhiger, sogar mein Herzschlag, der noch vor wenigen Minuten aus dem Takt geraten war, schlug wieder im normalen Rhythmus.

„Gut so“, sagte Anne, „raus mit all deiner Wut, das befreit.“

Zu uns aufs Land kam selten jemand von meinen Freundinnen. Zu weit, zu umständlich. Lauter Ausreden, weil sie Franz nicht besonders mochten. Und bei Franz hielt sich die Freude ebenfalls in Grenzen, er war nicht gerade ein Experte im Verdrängen seine Unlust, wenn Gäste aus meinem Umfeld kamen. Einmal kam eine Freundin spontan bei uns vorbei. Sie besuchte ihren Mann in Bad Füssing in der Kur und bei uns stand sie vor der Tür - mit ihrem kleinen Hund. Franz beobachtete nur den Hund, sprach kein Wort, obwohl der Cocker friedlich in der Ecke saß. Als sie gegangen war, saugte er sofort Staub. Leider kam sie noch einmal zurück, denn sie hatte den Hundenapf vergessen. Franz öffnete die Haustür, den Staubsauger in der Hand. Es blieb ihr einziger Besuch.

„Und jetzt", sagte Anne spontan, „jetzt gehen wir eine Runde laufen, das macht den Kopf noch freier.“

„Was jetzt, mitten in der Nacht?“

„Jetzt! Das Gewitter ist vorbei, die Luft herrlich kühl.“

„Ich zeige dir den Weg, den Alberto und ich immer laufen.“

„Mitten in der Nacht?“

Als ich später im Bett lag, fingen die Gedanken an zu kreisen. Das Laufen mit Anne hatte gutgetan. Die Luft war nach dem Gewitter klar und nicht mehr so drückend, und irgendwie roch sie anders als in Niederbayern, meinte ich. Es ging mir nicht wirklich gut. In einem Moment war ich fröhlich gestimmt, aber schon im nächsten, änderte sich wieder alles. Eine Achterbahn der Gefühle. Ein ständiges rauf und runter. Auch wenn ich mich bei Anne geborgen fühlte, spürte ich nach unserer Rückkehr plötzlich wieder diese Einsamkeit und meine Stimmung kippte noch weiter, als ich an morgen dachte. An das Gespräch mit Franz.

Ich putzte mir die Nase und stellte den Fernseher aus. Das Happy End musste warten.

Begegnung mit Steffi

Auf dem Rückflug nach München schwirrten die Stimmen hinter mir durcheinander. Ich saß in einer Dreierreihe allein, hatte ausreichend Platz für Beine und Gepäck. Überhaupt war das Flugzeug mit wenigen Passagieren besetzt. Ich versuchte zu entspannen, lehnte ich mich zurück und ließ die letzten Stunden noch einmal an mir vorbeiziehen. Vor allem das Gespräch mit Anne heute Morgen hatte mir gutgetan. Sie hatte mir noch einmal klargemacht, wie unabhängig ich war, dass ich noch jung genug sei für eine neue Beziehung. Das Leben sei nun mal kompliziert und ich würde nur Zeit verschwenden, wenn ich darauf warten wollte, dass es unkompliziert würde.

„Petra“, hatte sie gesagt, „du bist gerade mal 48 Jahre, hast keine finanziellen Sorgen, keine Kinder, keine Eltern, die irgendwann vielleicht zu versorgen wären. Hast einen interessanten Job, bist dort unterwegs, wo andere Urlaub machen. Es gibt nur dich. Und um Franz musst du dir keine Sorgen mehr machen, der ist versorgt, in jeder Hinsicht.“

Nach dem Gespräch wurde mir bewusst, dass sie recht hatte. Es half nichts, ich durfte den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken, ich musste nach vorne schauen, eine Rückbesinnung auf das, was wichtig war, auf das Wesentliche. Und sie hatte recht, wenn sie sagte, dass wir in Wirklichkeit eine Beziehung auf Distanz führten, und dass sie nur deshalb so lange Bestand hatte. Jeder in seinem Reich.

Ich fühlte mich besser und meine Stimmung hellte etwas auf.

„Ich war zwar nicht vermögend“, dachte ich, „aber ich bin in der Lage, meinem Leben finanzielle Freiheit und Sicherheit zu verleihen, wenn ich einfach das tue, was Millionen andere Menschen auch jeden Tag tun. Meinem Job nachgehen, den ich liebe und mit Herzblut erfülle.“

Ich wusste nicht, ob es Wut oder mein Selbstwertgefühl war, das mir einen Tritt in den Hintern verpasste. In dem Moment als ich die Haustür in Egglham aufschloss, fühlte ich eine Stärke in mir, die mich aufrecht hineingehen ließ. Das war mein Tag, mein Auftritt, jetzt bloß keine Schwäche zeigen. Doch die Konfrontation rumorte in mir, und während ich daran dachte, spürte ich einen Kloß im Hals. Wer war in der Zwischenzeit hier gewesen? Sofort dachte ich an das weiße Cabriolet, würde es demnächst vor seinem Haus stehen? Oder doch Heidi, heimlich, in der Nacht, wenn ihr Robert mal wieder in Thüringen war? Es schüttelte mich, und ich hielt kurz inne. Ich musste an etwas anderes denken, sonst sank mein Selbstwertgefühl und meine Stärke kippte wieder.

Seine Bürotür stand offen, er saß nicht an seinem Schreibtisch. Sicher war er in der Küche. Ein seltsames Gefühl überkam mich. Hatte er mich überhaupt gehört?

Ich kam zurück aus Mailand, eigentlich wie immer, nur heute war es anders, ich würde ein letztes Mal in diesem Haus, in dieser Küche sein. Es drängte sich etwas in mir auf, vor allem Erinnerungen. Fröhliche Abende, gutes Essen mit den Nachbarn und auch aufregende Nächte mit Franz in diesem Haus. Der Versuch, keine Emotionen aufkommen zu lassen, fiel mir schwer.

„Woher kennt er diese neue Frau“, fragte ich mich neugierig, während ich aus dem Fenster schaute.

„Wer ist sie, wenn nicht Heidi oder seine Kollegin? Ist sie älter als ich, oder jünger? Gibt es die zweite große Liebe im Leben und wie schafft man es, auf der Suche nach ihr nicht in jedes erdenkliche Fettnäpfchen zu treten?“ Die Gedanken kreisten.

„Es war lange her“, sagte ich mir, „sie kommen zum falschen Zeitpunkt und ich kann sie nicht aufhalten. Das schleichende Ende haben wir beide wohl nicht bemerkt, indem wir es verdrängt haben? Oder doch? Egal. Früher oder später wäre eine andere gekommen und hätte meinen Platz in diesem Ort in diesem Haus eingenommen.“

Und auch wenn der neue Partner nicht äußerlich anders war, war es doch ein emotionaler Neuanfang.

„Sicher zerrissen sich alle schon die Mäuler im Dorf, so was machte ja schnell die Runde. So wie ich sie kannte, standen sie hinter ihren Fenstern und beobachteten die Lage, ob ich bliebe oder gleich wieder führe. Letzteres wird der Fall sein, keine Angst, ich bleibe nicht länger als nötig. Mein Stolz ist zu sehr verletzt, hier hält mich nichts mehr“, dachte ich und ging in die Küche, um mir einen Kaffee herauszulassen. Schmutziges Geschirr türmte sich in der Spüle.

„Keine Zeit, die Spülmaschine einzuräumen?“, fragte ich mich. Ich versuchte Tassen, Gläser, Bestecke und Töpfe zu ignorieren. Heidi konnte es also nicht sein, so ein Chaos, hätte sie nicht hinterlassen. Aber das ging mich alles nichts mehr an. Ich ließ mir einen Kaffee raus, und während ich mit der Tasse verträumt vor dem Küchenfenster stand, hörte ich Schritte die Treppe herunterkommen. Es waren mehrere Schritte. Er war also nicht allein!

„Ich wusste nicht, wann du kommst“, sagte Franz, als er die Küche betrat. Seine Handbewegung deutete auf das Geschirr.

„Ich hätte noch aufgeräumt“ und es hörte sich fast wie eine Entschuldigung an.

Franz ließ sich ebenfalls einen Kaffee raus. Wie immer, groß, schwarz und stark. Ausgerechnet die Tasse, die ich ihm letztes Jahr aus Mailand mitgebracht hatte.

„Du hättest anrufen können?“

„Ich hab’s versucht, dein Handy war wohl ausgeschaltet.“

Zu einem weiteren Dialog zwischen Franz und mir kam es nicht. Eine weitere Person kam herein. Franz schwieg. Überrascht drehte ich mich um und sah eine Frau. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Darauf, sie hier anzutreffen, war ich nicht vorbereitet. Er schaffte wirklich klare Verhältnisse, schnell und ohne Zögern. Sie trug eine graue Jogginghose, dazu eine lange blaue Bluse und dicke Wollsocken. Ich staunte, es war eines von Franz´ guten Hemden, dass sie trug. Gute Wahl, dachte ich. Walbusch, bequem und knitterfrei. Sie nahm Franz die gefüllte Kaffeetasse aus der Hand und trank einen Schluck. Danach öffnete sie den Brotschrank und griff nach Toast und Butter. Sie schien schon öfter hier gewesen zu sein, so wie sie sich auskannte.

„Hallo“, sagte sie, und reichte Franz die Tasse zurück.

„Ich nehme an, Sie sind Petra? Ich bin Steffi. Ich kann mir vorstellen, dass ihnen das Ganze hier ziemlich sonderbar vorkommen muss. Eine fremde Frau in ihrer Küche?“

Irritiert schaute ich beide an. Konnte sie Gedanken lesen?

Die Neue unterbrach die Stille, fast entschuldigend, sie streckte mir ihre Hand entgegen und wartete. Wie fremdgesteuert erwiderte ich ihre Geste und reichte ihr meine Hand.

„Tja, nun ist die Katze aus dem Sack“, dachte ich.

Das ging ja schneller als gedacht.

„Ja“, sagte ich, „das ist in der Tat etwas sonderbar.“

Höflichkeitsformen hatte sie drauf, das wird Franz gefallen. Nach einer Zufallsbekanntschaft sah mir das eher nicht aus, dafür war ihr Benehmen ziemlich locker und sehr vertraut. So sehr vertraut, dass sie sogar in meiner Küchenordnung Bescheid wusste. Trotzdem war ich überrascht, Steffi war eine eher unscheinbare Person, sah viel älter aus, als sie wahrscheinlich war, vielleicht sogar älter als Franz. Ihr langes, dunkles Haar war leicht ergraut, ihr Kleidungsstil eher bieder als modern, bis auf Franz‘ Walbusch-Hemd. Beinahe musste ich lachen.

„Was für ein Vergleich?“, dachte ich und hatte fast Mitleid mit ihm. Aber irgendwas würde sie haben. Das machte es wohl aus.

„Petra“, Franz räusperte sich, „was soll ich sagen?“, versuchte er zu erklären, ohne zu zögern, legte er den Arm um Steffis Schulter. „Jetzt weißt du es. Ich habe mich in Steffi verliebt und Steffi in mich.“

Unwillkürlich hielt ich den Atem an, seine Wortwahl irritierte mich. So viel Mut hatte ich ihm gar nicht zugetraut. Ich versuchte klug und sicher zu reagieren. Seine Nähe konnte ich nur noch schwer ertragen.

„Wenigstens führt er kein Schmierentheater auf“, dachte ich. „Erspare mir weitere Details“, antwortete ich mit einem leicht ironischen Ton.

Fast beleidigt schauten die beiden drein.

„Nicht wo – nicht wie – und nicht wann es angefangen hat, ich will es nicht wissen.“

Schnurstracks verließ ich die Küche.

Auf der Fahrt vom Flughafen nach Egglham hatte ich eine Spedition beauftragt, einige Kartons und Kleinmöbel, in den nächsten Tagen bei Franz abzuholen und nach Pforzheim zu transportieren. Gedanklich hatte ich alle notwendigen Schritte vor Augen. Auch blieb mir genügend Zeit, Dinge zu erledigen, die mir durch den Kopf gingen.

„Ich schaffe das alles,“ beruhigte ich mich, „bevor ich in einer Woche wieder nach Mailand fliegen muss, um mit Valentino die letzten Messevorbereitungen zu besprechen.“

Sofort dachte ich dabei an Anne und freute mich, sie so schnell wie möglich wiederzusehen. Sie gab mir den Halt, den ich jetzt brauchte.

Bis auf die Kleidung, viele Schuhe und Accessoires hielten sich meine persönlichen Gegenstände in diesem Haus in Grenzen. Problemlos bekam ich alles in meinem Auto verstaut. Selbst die kleine Stehleuchte, die ich aus meiner Wohnung mitgebracht hatte, fand noch ihren Platz im Kofferraum. Mein Hab und Gut in diesem Haus war tatsächlich sehr eingeschränkt, das stellte ich fest.

„Das ist dann wohl der Moment der Taschentücher“, dachte ich, bevor ich ins Auto stieg und ein letztes Mal auf lieb gewordene Plätze zurückschaute. Meine Walkingstrecke würde ich jedenfalls vermissen, genauso wie die Inlinerbahn, die ich jeden Sonntag bei gutem Wetter lief. Ein bisschen Wehmut überkam mich, die herrliche Aussicht, bei der man bei freier Sicht die Alpen sehen konnte und überhaupt, alles, was dieses Niederbayern zu bieten hatte. Aber eben auch abgelegen, man muss es mögen. Ich schloss die Autotür.

„Habe ich dadurch mit Egglham und Franz Eberhuber abgeschlossen?“

Ich war aufgewühlt, spürte immer noch den Kloß im Hals, als ich auf die Autobahn fuhr und einen letzten Blick in den Rückspiegel warf.

„Alles wird gut Petra“, sagte ich laut zu mir, bevor ich das Radio weiter aufdrehte. „Auf nach Pforzheim, zurück in die Stadt, in der ich zu Hause bin. Und bin mal wieder ganz meiner Meinung.“

Es war der erste Tag, an dem ich mit einem einigermaßen guten Gefühl aufwachte. Die Spedition hatte inzwischen die Kleinmöbel und Kartons geliefert, alles war untergebracht bis auf die Schuhe. Obwohl die Wohnung über Jahre mein zweites Zuhause war, alles vertraut und stimmig, war es anders als noch vor wenigen Tagen. Die Raumaufteilung war eine andere. Hier war alles auf einer Ebene. Die Wohnung hatte einen offenen Wohn-Essbereich, mit moderner Küche und Kochinsel in der Mitte. Große Fensterfronten mit Blick über die Stadt Pforzheim.