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Nach einer spontanen Schnapsidee im Vollrausch landet Florence als Ersatzbraut vor dem Altar.
Wie hieß noch mal der Mann, den sie gleich heiraten soll? Ach ja, Noah, zweiundreißig,
verdammt süß und von der eigentlichen Braut im Stich gelassen.
Also wird fix die ganze Verwandtschaft und alle Freunde per Rund-SMS eingeladen,
aber die Eltern und Schwiegereltern müssen noch davon überzeugt werden,
dass man nicht den Verstand verloren hat und schon kann das glückliche Eheleben beginnen.
Oder etwa nicht?! Florence und Noah werden es herausfinden!
In diesem süßen Chick-Lit Liebesroman geht es um die große Liebe, die uns
manchmal an seltsamen Orten auflauert und nicht mehr loslässt.
Catch your Love! - lautet das Motto, denn Floh will um ihre Ehe kämpfen,
als alles den Bach hinuntergeht ...
Denn Noah hat noch eine kleine Tochter und die eigentliche Braut will endlich
ihr neues Liebesglück ohne Kind genießen.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Plötzlich Braut
von
Laura Sommer
Chick-Lit Liebesroman
Prolog
Es gibt Tage im Leben, an denen sollte man lieber im Bett bleiben. Und es gibt auch solche Nächte … ja, Nächte, oder Abende, in denen man sich weinend zu Hause verkriechen sollte, anstatt in eine Bar zu gehen. Eine Bar, die dazu verleitet, Alkohol zu trinken. Viel, ja, sehr viel Alkohol, welchen ich, im Übrigen, so absolut gar nicht vertrage. Und dann trifft man dumme Entscheidungen. Dumm? Okay, dumm ist absolut untertrieben. Absolut total bescheuerte Entscheidungen!
Jetzt stehe ich hier in einem weißen, wunderschönen Brautkleid und den wackeligsten Knien, die ich je hatte. Das könnte allerdings auch an den Schuhen liegen, die mir zwei Nummern zu groß sind. Tja, sind halt auch nicht meine eigenen.
Neben mir steht ähm, steht … ach, wie heißt er noch? Nun, neben mir steht dieser Kerl aus der Bar. Und er hat gerade allen Ernstes „Ja“ gesagt. Was daran so schlimm ist? Tja, der Pfarrer starrt mich an und möchte nun von mir selbiges hören. Aber … soll ich wirklich einen vollkommen fremden Mann heiraten, den ich gar nicht kenne? Ha! Noah-Sebastian heißt er! Gut, wenigstens kann ich mich an seinen Namen erinnern. Na, das ist doch mal ein Anfang …
Aber, soll ich wirklich ja sagen? Soll ich?
Plötzlich Braut
„Ähm, Floh? Was machst du da?“, ertönt es direkt neben mir.
„Hm?“ Ich werde aus meinem jämmerlichen Tagtraum gerissen und blicke zu Pea, die etwas irritiert auf meine Hände starrt. Ups! Ich schalte sofort die Maschine aus und suche die kleinen Kaffeebohnen zusammen, die mir aus dem Behälter gepurzelt sind. Tja, ich hätte mich eben konzentrieren sollen, aber so ist das nun mal, wenn man seinen dramatischen Gedanken von Einsamkeit und ich-werde-einsam-sterben-weil-mich-ja-sowieso-kein-Mann-haben-will-Fantasien freien Lauf lässt.
Pea hilft mir und gemeinsam verschließen wir den Röstkaffee, um ihn in die Auslage zu legen. In etwa dreißig Minuten öffnen wir, aber schon jetzt stehen die Kunden Schlange. Tja, kein Wunder! Unser „Böhnchen“, wie wir das Traditionsunternehmen „Zum Bohnenhaus“ gerne nennen, ist sehr begehrt und deutschlandweit bekannt. Wir bieten nicht nur Kaffee an, sondern auch Kaffeeschokolade und Kuchen, den man hier kaufen und vor Ort verspeisen kann. Ja, ich liebe meinen Job. Der Duft von Kaffee, Röstaromen und Kuchen liegt in der Luft und das von morgens bis abends, sechs Tage die Woche.
Ich atme tief ein und aus. Wenigstens dürfen wir uns hier gratis am Kaffee bedienen und unser Chef war sogar so nett, eine nigelnagelneue Kaffeemaschine zu spendieren, die sogar leckeren Schaum schlägt. Für Espresso dann natürlich, aber mit unseren frisch gemahlenen Bohnen schmeckt er einfach perfekt!
„Du bist wohl noch nicht ganz wach, was?“, neckt sie mich. Ach ja, Pea. Eine süße Maus. Mitte dreißig, verheiratet, zwei Kinder. Ein Haus. Dazu sieht sie super aus! Groß, grazil, blonde Haare, moderner Bob-Haarschnitt und ihre Finger……! Oh Gott, ich habe noch nie so hübsche Finger gesehen.
„Nicht so wirklich“, flunkere ich. Eigentlich kann ich seit Tagen nicht mehr schlafen, denn am Sonntag werde ich dreißig. Ja! Dreißig! Was für ein Albtraum. Ja, ich weiß, ich sollte nicht so viel jammern und es ist ja nicht so, dass ich an meinem Geburtstag plötzlich über Nacht ergrauen, überall Falten bekommen werde und alles der Schwerkraft zum Opfer fallen wird. Dennoch. Dann habe ich die drei vorne dran stehen. Die drei! Himmel Herrgott, eine drei. Keine zwei mehr. Was war ich damals glücklich, kein Teeny mehr zu sein und die blöde neunzehn wegzuhaben. Zwanzig war ein tolles Alter, wirklich.
Ich seufze theatralisch auf und wecke damit Julias und Peas Neugier. Julia putzt gerade noch über die Theke und wirft Pea einen wissenden Blick zu, bevor sie murmelt: „Der schwarze Tag rückt doch näher!“ Die zwei fangen an zu kichern, was ich allerdings gar nicht so lustig finde. Ja, ich bin eigentlich ganz schön albern, ich weiß.
„Ach so, ganz vergessen …“ Pea gluckst und hilft mir dabei, meine Schleife zu richten. Im „Böhnchen“ tragen wir nämlich hübsche Kostüme. Ein dunkelblaues Kleid mit langen Ärmeln, die bis zum Handgelenk reichen, darüber ist ein Stück weiße Bluse gestülpt, die im Kragen und an den Handgelenken eingenäht wurde. Pferdeschwanz ist Pflicht bei langen Haaren, so wie den meinen. Lang, dunkelbraun und lockig. Widerspenstig und kaum zu bändigen würde es aber auch gut treffen.
Das dunkelblaue Kleid reicht bis knapp über die Knie. Darüber tragen wir eine weiße Schürze, die im Nacken und um die Taille zusammengebunden wird. Alles muss sitzen.
Wir liefern hier Spitzenqualität an unsere Kunden und ein seriöses, ordentliches Auftreten ist sehr wichtig. Und ja, ich bin auch ein wenig stolz auf diesen Dresscode.
Julia, Pea und ich stehen hinter dem Verkaufstresen. Für den Service sind andere Mädels zuständig. Aber ich bin froh die zwei zu haben, wirklich.
Pea ist eher der mütterliche Typ. Ruhig, ausgeglichen und so fürsorglich. Und Julia ist mehr der Vamp. Dunkelrotes Haar, lang und glatt, worauf ich verdammt neidisch bin! Dazu eine schlanke Silhouette. Sie hat sich vor wenigen Monaten mit ihrem Freund verlobt. Die Hochzeit soll nächstes Jahr stattfinden, wenn beide achtundzwanzig werden. Die liebe Julia hat wohl auch Panik, mit dreißig noch keinen Mann zu haben. So wie ich. Oh weh, jetzt fange ich schon wieder an zu jammern, verdammt.
Ich bin eine starke, unabhängige Frau! Jawohl! Wenn ich mir das immer und immer wieder selbst einrede, glaube ich es sicher bald selbst, haha! Ha … ja. Toll. Seufz.
„Bleibt es denn dabei? Reinfeiern?“, wirft Julia in den Raum, doch mein aktueller Gemütszustand scheint sie etwas zu irritieren.
„Oder?“
„Hm, ehrlich gesagt möchte ich ungerne …“, murmele ich, doch Pea stupst mich einfach an und sagt: „Na klar wird gefeiert! Auf in ein neues Lebensjahrzehnt! Dreißig ist das neue zwanzig!“ Haha, ja genau.
„Mir wäre es ehrlich gesagt lieber, wenn wir uns gemütlich am Sonntag zum Brunchen treffen könnten. Bei mir zu Hause?“ Doch als ich das sage, starren mich die zwei an, als würde ich ihnen eine Rheumadecke andrehen wollen.
„Mit Kuchen und Brötchen …“, zähle ich auf, doch auch das sorgt nur für fassungslose Gesichter.
„Ich dachte eher an Disco, süße Männer, Fleischbeschau?“ Julia grinst mich frech an. Klar, süße Männer für mich, oder was? Die sind doch keine Quarkhörnchen mit Marmeladenfüllung … Ich blicke zu unserem Kuchenstand, wo wir selbige im Angebot haben. Mh, vielleicht kann ich mir zur Mittagspause ja eines gönnen? Yummy!
„Und wehe du sagst, du bist zu alt dafür!“ Für Pea ist die Sache wohl längst besiegelt. Na, da komme ich jetzt nicht mehr heraus …
Nach der Arbeit schlendere ich gedankenversunken durch München. Heute ist ein verdammt heißer Tag. Hier, in der Touristenmeile, ist ja eh immer etwas los. Am liebsten würde ich mir jetzt auch ein Eis kaufen, aber sechs Euro pro Kugel? Puh, ne, danke.
Ich liebe meinen Job wirklich. Aber er könnte besser bezahlt sein. Es reicht halt gerade so für eine kleine Mietwohnung am Münchener Stadtrand. Vierzig Quadratmeter, alles sehr funktional eingerichtet und mit der Unterstützung meiner Eltern, kein Problem. Schlimm genug eigentlich, mit neunundzwanzig noch Geld von den Eltern zu bekommen, aber anders wäre es nicht möglich. Ja, es wäre einfacher, einen Freund zu haben. Einen Partner. Einen Vertrauten.
Ich bleibe vor einem Brautmodengeschäft stehen. Die Kleider sehen so hübsch aus. Bestickt mit Perlen, Schleifen, Rüschen … ernsthaft? Rüschen? Okay, wer es mag.
Ich würde ein schlichtes Brautkleid tragen. Mit einem Herzdekolleté, einer Schleife auf dem Rücken, weißem Haarschmuck und weitem Rock. Ja, das wäre ein Traum.
Seufzend betrachte ich die junge Frau im Laden, die mit ihren Freundinnen da ist. So wie sie alle gekleidet sind, gehören sie wohl zur Schickeria in München. Diese Frauen können sich alles leisten und müssen nicht jeden Euro zweimal umdrehen. Oder besser noch: Jeden Cent.
Ach, nein! Ich darf nicht jammern. Es geht mir ja nicht schlecht. Auch wenn ich kein Auto habe und ein Urlaub nicht drin ist, so kann ich mir doch eine eigene Wohnung leisten, habe genug zu essen, schöne Kleidung und ein 1A-superduper- Busticket, mit dem ich über zig Umwege nach Hause komme, yes!
Aber jetzt stehe ich einfach hier und betrachte diese mir vollkommen fremden Frauen. Sie sieht jung aus. Vielleicht fünfundzwanzig? Und sie heiratet also …
Ich seufze abermals. Meine letzte Beziehung ist schon so lange her. Fast acht Jahre sind es nun. Acht Jahre. Ach du meine Güte! Es schüttelt mich bei dem Gedanken.
Wir waren auch nur ein gutes Jahr zusammen, bis Daniel auf die Idee kam, mehr Freiraum zu brauchen. Den gab ich ihm und was tat der Trottel? Schwängerte die Nächstbeste und versuchte es auch noch zu verheimlichen. Dank ihm hatte ich sogar einen fiesen Ausschlag. Auch wenn das Kind letztlich nicht von ihm war, so war das Vertrauen einfach dahin.
Naja. Es ist schon lange her. Eigentlich müsste ich über ihn hinweg sein, aber dieses blöde Herz in meiner Brust hängt ihm dann doch noch nach.
Ich seufze so heftig auf, dass die Scheibe beschlägt, also gehe ich weiter. Die Bäckerei meiner Eltern liegt ein paar Kilometer weiter weg, sodass ich sie heute leider nicht besuchen kann.
Aber irgendwie ist mir danach, eine Dummheit zu begehen.
Sonntag beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Mit dreißig ist man erwachsen, also habe ich nur noch heute und morgen Zeit, um ein paar verrückte Sachen anzustellen! Aber was nur?
Natürlich soll es keine Straftat sein und zu viel Geld ausgeben möchte ich auch nicht. Nein, es muss verrückt und lustig sein! Aber was nur?
Ich schaue auf mein Handy. Kurz vor zwanzig Uhr.
Vielleicht sollte ich in ein Café gehen? Oder in eine Bar? In ein Pub? Einen Biergarten? Und dann flirte ich einfach mit dem ersten Mann der mich ansieht! Männer sind doch eh auf One-Night-Stands aus, also kann ich doch einfach mitspielen.
Ja! Das ist es! Vor meinem dreißigsten will ich einen One-Night-Stand haben! Ich habe mich jetzt acht Jahre zurückgehalten und die paar Dates zählen einfach nicht. Denn mehr als küssen ist eh nicht gelaufen … also, warum nicht?
Ich bin in einer Seitenstraße gelandet und sehe mich neugierig um. Okay. Die Bar die ich suche, sollte nicht zu dreckig und nicht zu modern sein. Irgendwas Alteingesessenes, wo aber auch jüngere Männer verkehren. Keine zu jungen, aber auch keine alten Knacker. Hm.
Neugierig sehe ich mich um, laufe Straße um Straße durch München, bis mir die perfekte Bar ins Auge sticht.
Das „Blue Olivegarden Nr. 8“! Ha! Das ist doch ein Zeichen? Acht? Acht Jahre? Genau darauf habe ich gewartet! Perfekt!
Die Bar hat eine moderne Außenfassade und wirkt gemütlich. Zu voll ist es drinnen auch nicht und die Preise scheinen angemessen zu sein. Zumindest für Münchener Verhältnisse.
Also gut, Florence! Du schaffst das! Brust raus, Bauch rein! Das Shirt zurechtgezupft, Haare offen! Jetzt geht's auf Männerfang!
Doch kaum betrete ich die Bar, richten sich einige Blicke auf mich und was tue ich? Erstarren und panisch gucken. Super. Ganz toll gemacht Floh … was ist das denn?
Ich blicke mich unsicher um und erblicke den Tresen. Sehr gut! Fluchtartig eile ich zum Barkeeper, setze mich auf den freien Barhocker und kralle mich an meine kleine Handtasche. Uff! Ich habs halt nicht so mit Menschenmassen. Fremden. Blicken. Aber jetzt sitze ich ja hier und nur der Barkeeper sieht mich an.
„Na, was darfs denn sein?“, fragt mich der junge Mann, der etwa in meinem Alter ist.
„Ähm …“ Tja, gute Frage. Normalerweise würde ich ein Wasser bestellen, aber heute will ich auf den Putz hauen!
„Schnaps, Rum und einen Wodka Lemon!“, antworte ich ihm so selbstbewusst wie ich es nur vortäuschen kann.
Der Barkeeper hebt belustigt lächelnd beide Brauen.
„In einem Drink, oder in drei einzelnen?“ Dabei neigt er sich zu mir.
„In dreien, bitte.“ Ach schön, direkt mal wieder blamiert. Floh, oder anders ausgedrückt, die Fettnäpfchen-Jägerin!
An den Tischen sitzen viele Gäste, am Tresen nur vereinzelte Männer mit verklärtem Blick ins halbgeleerte Glas. Oder ins halbvolle? Na, ich wollte doch positiv denken, pah!
Links von mir steht ein leeres Schnapsglas und ein Bierglas, in dem noch etwas Restschaum vorhanden ist. Der Barkeeper putzt aber lieber gemütlich ein paar Gläser trocken, anstatt die mal wegzuräumen. Dann kümmert er sich um meine Bestellung.
Doch gerade, als ich meinen Schnaps erhalte, setzt sich jemand direkt neben mich, obwohl zwei Stühle weiter links und drei rechts noch frei sind! Na, das ging ja schnell mit dem Anflirten und das, obwohl hier noch dreckige Gläser stehen. Sofort setze ich mich aufrecht hin und nehme die Schultern zurück, doch der Mann scheint sich nicht eine Sekunde für mich zu interessieren. Sofort greift er zum Bierglas und blickt hinein. Nichts mehr drin, was?
Der Barkeeper reicht mir meinen Wodka, aber zuerst leere ich das Schnapsglas. Bäh! Bah! Pfui! Okay, das war eklig. Ich schüttele mich und keuche auf, stelle das Schnapsgläschen zurück auf den Tresen und schiebe es dem grinsenden Barkeeper entgegen. Danach ist der Wodka dran. Und runter damit! Oh Himmel! Wieviel Prozent sind denn da drin!
Ich muss husten und das bei gerade mal einem kleinen Schluck.
„Noch ein Bier, bitte!“, sagt der Mann links von mir, dessen Bein nervös zu zappeln beginnt, was ich dadurch bemerke, dass er dabei wie eine Schleifmaschine mein Knie abrubbelt. Ich nehme mein Bein etwas beiseite und werfe ihm einen skeptischen Blick zu.
Der Mann seufzt. Er wirkt total verzweifelt, rauft sich die Haare und zückt tatsächlich ein Taschentuch, um sich das Gesicht zu reinigen. Weint er etwa?
Seine Haare wirken leicht verschwitzt. Sie sind fast schwarz, voll und strubbelig, vielleicht auch lockig, was aber an der Feuchtigkeit liegen könnte. Er trägt eine schwarze Hose, schwarze Schuhe und ein weißes Hemd mit gelockerter Krawatte. Ach, jetzt sehe ich es! Auf dem Boden liegt ein wohl dazugehöriges, schwarzes Jackett, das über eine Aktentasche gelegt wurde. Na, die gehört dann wohl auch ihm. Ganz schön leichtsinnig, die hier stehen zu lassen und einfach zu verschwinden? Ich sehe mich um. Aus welcher Richtung kam er? Vielleicht von den Toiletten? Na trotzdem! Wenn sich in der Tasche Wertsachen befinden und sie würde gestohlen werden, wäre das doch sicher ärgerlich.
Typisch Mann! Betrunken und absolut handlungsunfähig. Na, ob das was bringt, mit ihm einen One-Night-Stand zu haben? Der kann ja sicher kaum noch stehen … geschweige denn rhythmisch seine Hüfte bewegen und … wenn ich jetzt ans Golfen und Einlochen denke, klingt meine innere Stimme vielleicht nicht ganz so anzüglich. Ja, doch. Einlochen. Ne, er schlägt wohl eher den Ball meilenweit daneben!
Ich kichere und gönne mir einen zweiten Schluck Wodka. Bäh, nein! Nein … der schmeckt genauso scheußlich wie der erste. Ich weiß schon, warum ich lieber Saft, Kaffee, Tee oder Wasser trinke. Ich kann mit Alkohol einfach nichts anfangen.
„Schmeckt wohl nicht, was?“, murmelt er. Ich bemerke, wie er mich ansieht. Seine Augen wirken müde und verklärt. Dabei sieht er eigentlich ganz süß aus, aber durch die ungekämmten Haare und das verschwitzte Gesicht … okay, das könnten wirklich Tränen sein, wirkt er nicht mehr ganz so süß als wenn er frisch geschniegelt und gestriegelt wäre.
„Nein“, gebe ich zu, trinke das Glas dann aber leer. Der Barkeeper reicht mir meinen Rum. Oh Gott, das ja auch noch … tja, was solls. Runter damit!
Als ich das Gesicht verziehe, lacht der Mann leise und nickt dem Barkeeper freundlich zu, als er noch ein weiteres Bier bekommt. Okay, dann ist das definitiv sein Platz gewesen und kein Fremder, der sich hier einfach hingesetzt hat. Somit bin ich diejenige, die sich direkt neben ihn gesetzt hat. Schicksal?
„Wenn es dir nicht schmeckt, warum trinkst du es dann?“, fragt er mich mit einem Lächeln, das mich doch ein wenig dahinschmelzen lässt. Sind das aber hübsche blaue Augen, wow! Leicht gräulich, metallisch, wenn ich genau hinsehe. Eine nasse Haarsträhne, die sich zu einem lustigen Kringel geformt hat, reicht ihm bis über die Augenbraue, die ich fasziniert betrachte.
„Ich will mir heute mal so richtig die Kante geben, weil ich ein beschissenes Leben habe!“ Oha, da spricht wohl der Alkohol aus mir! Das ging ja schnell. Nein, also ich habe wirklich ein gutes Leben. Tolle Eltern. Tolle Freundinnen. Eine tolle Wohnung. Ja, alles ist toll. Tollig tolltoll oll ollol… lol … hicks. Oh weh, das war wohl echt zu viel!
„Hm. Was ist denn so beschissen?“, fragt er mich. Seine Stimme klingt richtig männlich und hat eine schöne Farbe. Je länger ich ihn betrachte, desto attraktiver wird er für mich. Liegt das etwa auch am Alkohol? Das würde doch viel zu schnell gehen, oder?
Ich lächele und meine: „Ich bin neunundzwanzig, werde am Sonntag dreißig und bin unverheiratet. Ich hänge in einem Job ohne Aufstiegschancen fest mit einem Gehalt das okay ist, aber besser sein könnte und … ein Traummann ist nicht in Sicht. Darum sitze ich hier und trinke, um mir das Leben ein bisschen schöner zu machen.“
„Das ist ja hart …“, antwortet er mir und hebt sein Bierglas, um mit mir anzustoßen. Ich hebe mein Glas Rum und treffe sogar, nicke und gönne mir einen weiteren Schluck. Mann, haut der rein! Uff!
„Und du?“, frage ich ihn. Was er wohl für einen Grund hat, hier zu sitzen und zu trinken? Sicher nicht, weil er noch nicht verheiratet ist. Männern ist das ja so ziemlich egal, aber uns Frauen halt nicht! Natürlich nicht allen, aber mir ist es verdammt wichtig!
„Willst du das wirklich wissen?“
„Klar …“ Wenn wir schon mal hier sitzen und reden?
„Dann brauchst du noch ein Glas. Hey, für die Dame noch einen Rum bitte!“, ordert er für mich. Also, wenn er auch die Rechnung übernimmt, gerne. Der Barkeeper schenkt mir nach und ich lümmele mit der Hand an der Wange, wende mich ihm zu und lächele.
„Dann erzähl doch mal …“ Oh weh, ich lalle schon. Mir wird ganz warm und meine Knie werden so komisch zittrig. Ich sollte lieber aufhören, mehr zu trinken, das reicht schon jetzt vollkommen.
„Morgen findet meine Hochzeit statt …“ Als er das sagt, fange ich an zu lachen und er ebenso. Na, das passt ja mal wie die Faust aufs Auge!
„Nicht dein Ernst!“, gackere ich und hebe mein Glas, um ihm zuzuprosten: „Glückwunsch!“ Er nickt und hebt sein Bier, um abermals mit mir anzustoßen.
„Und deswegen bist du so fertig? Jetzt fängt wohl der Ernst des Lebens an, was? Haus. Kinder. Verpflichtungen. Nie wieder Sex mit einer anderen!“ Dann muss ich mir wohl doch einen anderen Kerl suchen. Mit einem Mann, der morgen heiratet oder allgemein eine Freundin oder Ehefrau hat, werde ich sicher nichts anfangen!
„Nein, ich bin so fertig, weil sie heute mit meinem besten Freund durchgebrannt ist und ich morgen nicht heiraten werde“, sagt er lachend und haut das Bier in einem Zuge weg, um danach das geleerte Glas auf den Tresen zu hauen.
„Noch eins!“, bestellt er, während ich zu einem Eisklotz erstarrt bin. Was hat er da gerade gesagt?
Mir steht der Mund offen und ich wage es gar nicht mich zu bewegen, doch da sieht er mich lächelnd an und murmelt: „Aber unverheiratet zu sein ist natürlich auch nicht so gut. Trotzdem denke ich, dass ich gewonnen habe, was meinst du?“ Allerdings, die Runde geht an dich, mein Freund.
„J-ja … das ist echt scheiße“, murmele ich verlegen und leere peinlich berührt das Glas.
„Noch einen für die Dame!“, weist er den Barkeeper an, der lächelnd nachgießt. Bei ihm klingelt heute ordentlich die Kasse.
„Oh, aber das ist dann lieber der Letzte, so viel Geld habe ich gar nicht dabei“, meine ich und werfe dem Typen einen mitleidigen Blick zu. Wahnsinn! Einen Tag vor der Hochzeit verlassen zu werden, ist echt der pure Albtraum!
Der Typ hebt beide Augenbrauen, lacht dann laut los und greift sich in die Hosentasche. Ach da hat er sein Portmonee! Er kramt darin herum und haut ein paar Hunderter auf den Tisch, als wäre es Spielgeld! Mit weit aufgerissenen Augen schaue ich auf die drei, vier Scheine, ach du meine Güte! Vierhundert Euro?! Was hat er denn bitte heute noch vor?
„Stimmt so und jetzt bitte nachfüllen“, lallt er lachend.
Während der Barkeeper beschäftigt ist und sich das Geld krallt, wende ich mich dem Typen zu.
„Wie heißt du?“, frage ich ihn.
„Noah“, antwortet er mir lächelnd.
„Danke, Noah. Ich bin Florence, aber alle nennen mich Floh. Aber bitte nicht Flöhchen, ja?“
„Klingt doch süß, Flöhchen!“ Wir müssen beide lachen, was wohl dem Alkohol geschuldet ist. Jetzt, wo er es so lallend ausspricht, finde ich es auch ganz witzig. Wir kichern und stoßen noch einmal an.
„Die ist echt einfach abgehauen?“ Der durchaus edle Tropfen, oder die Plörre, je nachdem, was wirklich in den Gläsern ist, scheint meine Zunge zu lockern wie die einer alten, neugierigen Bewohnerin, die immerzu am offenen Fenster lauert und die Nachbarn belauscht, nur um den neuesten Tratsch anschließend im Dorf zu verbreiten. Aufgebauscht und natürlich vollkommen überzogen. Aber so in etwa fühle ich mich gerade.
„Yep. Mit meinem besten Freund. Fabian. Ich kenn den Drecksack seit der Uni!“ Kurz verfinstert sich Noahs Miene, dann schaut er jedoch ins geleerte Glas und fängt fröhlich an zu grinsen.
„Und das ist lustig?“, frage ich ihn neugierig.
„Um ehrlich zu sein, habe ich sie eh nicht geliebt. Die Hochzeit morgen war erzwungen, sozusagen. Georgina und ich waren jetzt fast sechs Jahre ein Paar und meine und ihre Eltern bestanden auf diese Hochzeit. Aber jetzt hat Fabian sie an der Backe!“ Er lacht und winkt dem Barkeeper zu, der ebenso erstaunt ist wie ich, wieviel Noah doch so schlucken kann. Gut, es sind kleine Biergläser, keine Krüge. Trotzdem!
„Bring mir am besten ein ganzes Fass!“, sagt er, doch der Barkeeper wiegelt ab: „Ich denke du hast genug …“
„Bitte …“ Noah beugt sich vor und flüstert: „Noch eines, um mein armes, gebrochenes Herz zu flicken, ja?“ Das scheint den Barkeeper wohl tatsächlich zu beschwichtigen, denn er füllt tatsächlich noch einmal nach, während ich mein Glas leere.
„Also bist du eigentlich froh, dass sie weg ist?“, frage ich ihn.
„Irgendwie schon, aber das große Problem ist, dass für morgen alles arrangiert ist. Und bezahlt!“ Dabei hebt er mahnend einen Zeigefinger und krallt sich danach das kühle Bier, an dem er sparsam nippt.
„Kirche. Brautkleid. Blumen. Alle Gäste sind geladen und bereits in ihren Hotels untergebracht. Die Feier im Salon und das Essen natürlich. Die Band. Georgina wollte ja unbedingt eine pompöse Hochzeit mit allem Drum und Dran und jetzt? Alles umsonst!“
„Wow … und du wolltest das nicht?“
„Ich wollte sie ja gar nicht heiraten, aber man gewöhnt sich an einen Menschen. Sie hat mich echt verletzt. Ihre Worte hallen noch immer in meinem Kopf. Und dann auch noch mit meinem besten Freund …“ Er fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht und seufzt laut auf.
„Meine Eltern werden mich umbringen!“
„Du kannst ja nichts dafür, dass sie mit deinem besten Freund abhaut!“, versuche ich zu erklären, um Noah zu beruhigen.
„Oh doch. Oh doch … ich bin immer an allem schuld. An allem. Das wird eine Katastrophe morgen, ich will gar nicht daran denken! Dann stehe ich alleine vorm Altar und keine Braut taucht auf!“ Er lacht laut los, während ich mich ihm nähere und meine: „Ey, ich hab da ne total geniale Idee!“ Das ist es doch, oder nicht? Dieser Mann löst all meine Probleme!
Ich lege beide Hände an seine Wangen und betrachte mir sein Gesicht noch etwas genauer. Kichernd und mit wackelnden Augenbrauen natürlich.
„Du bist süß, ehrlich. Und ich, ich seh doch auch nicht so schlecht aus, oder?“, beginne ich. Noah blickt mich fragend an, schaut kurz an mir hinab und wieder herauf, nickt dann zögerlich, während ich seine Wangen knete.
„Ich will heiraten. Du auch! Was ist denn, wenn wir zwei einfach morgen heiraten, hm? All unsere Probleme wären gelöst!“, platzt es aus mir heraus. Noahs Augen beginnen zu leuchten und ich lasse von ihm ab. Wir strahlen uns beide an, wie Schloss und Schlüssel, die zur Schatzkammer gehören. Aber natürlich! Es passt perfekt! Wir passen perfekt zueinander!
„Ja! Ich brauche eine Braut und du? Du brauchst einen Bräutigam!“ Jetzt scheint Noah es auch verstanden zu haben, Strike!
„Ja, sag ich doch!“ Darauf müssen wir jetzt anstoßen, nicht? Ich winke den Barkeeper herbei, der mir ein letztes Mal das Glas auffüllt: „Das reicht für dich dann aber auch, ne?“
„Klar doch, Meister!“ Ich hebe mein Glas und stoße noch einmal mit Noah an.
„Also heiraten wir morgen?“, frage ich meinen zukünftigen Ehemann, der mich angrinst und nickt.
„Wir heiraten! Besiegelte Sache!“ Wir trinken unsere Gläser leer und versuchen dann aufzustehen, doch das funktioniert leider nicht … der blöde Boden ist aber auch wackelig!
„Also hören Sie mal!“, beginne ich zu schimpfen.
„Wer hat denn hier den Boden gemacht? Das ist ja alles total uneben hier!“
„Soll ich euch lieber ein Taxi rufen?“ Der Barkeeper lächelt mich so komisch an und wedelt dabei mit dem Telefon.
„Super Idee!“ Mensch! In dieser Kneipe schlummert ja ein riesiges Potenzial an frischen Ideen! Ein Quell der Weisheit ein … Blackout. Und zack… sind alle Lichter aus. Gute Nacht!
He? Was? Was ist los?
Ich verdrehe die Augen, blinzele schlaftrunken vor mich hin und sehe dabei auf einen knackigen, nackten Hintern. Männlich, würde ich sagen. Oder? Doch, ja, eindeutig männlich.
Ich liege äußerst unbequem auf der Seite, alle viere von mir gestreckt und keine zwanzig Zentimeter von meinem Gesicht entfernt erhasche ich einen Blick auf diesen Knackpo. Nanu? Ich weiche zurück und bemerke, dass ich nackt auf einem zerwühlten Bett liege. Ein Kopfkissen befindet auf meinem Fuß und die Decke auf dem Boden. Der Kerl neben mir hat nichts weiter an, bis auf eine schwarze Socke, die andere hängt über dem Lampenschirm.
Ach du meine Güte, was ist denn hier bitte passiert?
Ich fahre mir mit beiden Händen über das Gesicht, welches noch Rückstände des Make-Ups aufweist. Igitt.
Das Bett ist weiß bezogen, aber dank meiner Hände nun mit Mascara vollgeschmiert.
Ich sehe mich fragend um und kralle mir die Bettdecke, deren Bezug ich vom Innenleben befreie. Denn ich sehe hier nirgends meine Kleidung! Eine Männerhose, ein Hemd, Boxershorts … ja, aber wo sind meine Sachen bitte?
Ich wickele mir das Laken um den Körper und blinzele verschlafen und mit dröhnendem Schädel durch das Zimmer. Wo bin ich hier? Ist das ein Hotelzimmer?
Es ist groß, mit einem Bett und zwei Sesseln bestückt, die direkt beim Fenster stehen. Einen Fernseher gibt es hier und eine kleine Kommode, auf der ein Telefon steht. Ja, sieht nach Hotelzimmer aus.
Ich sitze noch immer auf dem Bett und begutachte den Kerl, der noch nach wie vor tiefschlafend neben mir liegt, etwas genauer.
Moment mal. Es dämmert mir langsam. Ist das nicht dieser Noah? Der Typ aus der Bar? Dem seine Frau weggelaufen ist? Also, Verlobte, wenn man es genauer nimmt.
Ja, aber natürlich! Das ist Noah! Und wir sind beide nackt! Also haben wir miteinander geschlafen! Oh Gott!
Ich sehe mich noch einmal um und versuche mich dann zu erinnern, aber es ist alles weg. Verdammt! Da bin ich endlich aus meinem langweiligen Spießerleben ausgebrochen und kann mich nicht an die letzte Nacht erinnern!
Ich atme tief ein und aus. Komm schon liebes Gehirn, sei mir bitte nicht böse, dass ich mir gestern so die Kante gegeben habe. Schenke mir bitte ein paar Erinnerungen zurück! Denn ich weiß nur noch, dass wir mit dem Taxi wegfahren wollten, aber alles danach ist weg….. nichts als Schwärze in meinem Kopf.
Das ist wohl der berühmte „Hangover“. Doch gerade als ich aufstehen will, um meine Sachen zu suchen, geht mit einem Ruck die Zimmertür auf, die sich neben dem Bett befindet.
„Überraschung!“, brüllen drei mir unbekannte Männer, die einfach so ins Zimmer stürmen!
„Ah!“, kreische ich erschrocken und robbe zurück, wobei ich Noah anrempele. Die drei Männer haben Partyhütchen auf, Flaschen in der Hand und einer von ihnen pfeift auf einer Trillerpfeife herum. Doch ihre Blicke sprechen Bände. Sie verharren und starren mich vollkommen entsetzt an.
„Alter, Scheiße! Sind wir im falschen Zimmer?!“, stammelt der Erste.
„Nein Mann, 126, das ist richtig, definitiv!“, kontert der Zweite.
„Das ist aber nicht Georgina!“, sagt der Dritte.
Erst jetzt regt sich etwas hinter mir.
„Mhmm…“, murmelt Noah verschlafen und blinzelt in Richtung der drei Männer.
„Noah, verdammt! Was hast du gemacht? Das ist nicht Georgina!“, sagt der Erste, der sich panisch über das Gesicht fährt und die Tür verschließt, während ich versuche, jeden Zentimeter mit dem Laken zu verdecken. Na, wie gut, dass ich mich damit bedecken konnte, sonst würde ich hier jetzt nackt herumtanzen!
„Jungs?“, fragt Noah, der sich endlich aufrappelt. Geistesgegenwertig kralle ich mir das Kissen und drücke es ihm in den Schritt. Ein Unterleib, der ein neongrünes Kondom zum Vorschein bringt, welches noch halb an ihm klebt. Okay, wir hatten definitiv Sex. Oh Gott! Oh verdammt!
Ich halte mir beschämt eine Hand vor das Gesicht, während Noah endlich in Interaktion mit seinen vermutlich besten Freunden tritt.
„Was macht ihr denn hier?“, fragt er die drei.
„Mann, Alter! Wir dachten, das ist ein Scherz!“, sagt der Erste, der blonde, kurze Haare hat.
„Du hast uns allen heute Nacht zig SMS geschickt, weißt du das etwa nicht mehr?“ Lukas hat rote Haare und ein paar Sommersprossen, ist etwas füllig und wirkt total panisch.
„Du hast diese Nachricht nicht nur uns geschickt, sondern auch der ganzen Hochzeitsgesellschaft! Die drehen alle total durch! Aber wir haben gesagt, dass das alles nur ein Scherz von dir war und jetzt liegst du hier mit einer Prostituierten im Bett!“ Der Dritte ist wohl der Boygroup-Star der Gruppe, oder was? Braungebrannt, hellblaue Augen, schwarzes Haar, das locker zur Seite gekämmt ist.
„P-Prostituierte? Also entschuldigt bitte mal, ich bin sicher keine Hure! Wir haben uns gestern in einer Bar kennengelernt und …“ Doch ich werde leider von dem Dritten, dem schwarzhaarigen Typen jäh unterbrochen: „Der heiratet heute! Genauer gesagt in sechs Stunden!“
„Nein, Jungs … nein, das werde ich nicht …“ Noah fährt sich schlaftrunken durch die Haare. Ihn hat es wohl noch übler erwischt als mich, so wie er ausschaut.
„Nein Mann, alles gut! Wir werden Georgina nichts sagen! Keine Sorge! Sie ist auch noch nicht aufgetaucht, also alles easy!“, erklärt der Blondschopf.
„Ja, genau! Das ist nur ein kleiner Ausrutscher gewesen, ihr könnt noch immer heiraten“, meint der Rothaarige.
Doch Noah ist da ganz anderer Meinung: „Georgina ist mit Fabian abgehauen. Sie hat mir gestern eine Nachricht geschickt, dass sie mich nicht liebt, mich nicht heiraten will und dass ich sie nicht anrufen soll. Fabian hat mir einen ähnlichen Text geschickt. Es gibt also keine Braut …“ Noah seufzt, während ich mir verdammt fehl am Platz vorkomme, vor allem, da ich mich gerade an ein winzig kleines Detail erinnern kann. War da nicht was? Braut? Hochzeit? Heiraten? Ersatz? SMS … Moment mal.
Plötzlich vibriert etwas unterhalb des Bettes. Oha! Könnte das mein Handy sein?
Ich robbe, etwas umständlich, dank des Lakens, zur Bettkante und taste den Boden ab. Ha! Tatsächlich! Ich spüre den Gurt meiner Handytasche und fische diese hervor. Oha, da ist ja auch mein Slip … wie schön, dann ist der wenigstens nicht weg.
„D-dann war das doch kein Scherz?!“, stammelt der Blonde, der sein Handy zückt und darauf herumtippt, während ich in meiner Tasche wühle.
„Was meinst du?“, fragt Noah ihn.
„Alter! Du hast uns allen geschrieben … hier, ich lese es dir vor: Liebe Gäste! Da mich meine Verlobte verlassen hat, möchte ich die Hochzeit aber dennoch nicht absagen. Ich habe gestern die tollste Frau der Welt kennengelernt und sie wird Georginas Platz einnehmen. Sie heißt Flöhchen und wird morgen meine Frau!“
Als der Blonde das vorliest, erstarre ich zu Stein, denn plötzlich gaffen mich Noahs Freunde entsetzt an.
„Hi, ich bin das Flöhchen …“ Ich hebe kurz meine Hand zum Gruß, bevor ich hochrot auf mein Handy sehe.
„Ach du je! 178 neue Nachrichten? Und 63 verpasste Anrufe?“ Mir schwant Böses! Was für ein Chaos haben wir denn da bitte angerichtet?!
„Scheiße, hab ich das echt geschrieben?“ Noah streckt seinen Arm nach dem Handy aus, welches er von seinem Kumpel gereicht bekommt, während ich in meinen Posteingang schaue.
„Nicht nur du. Ich habe etwas Ähnliches geschrieben …
Ihr Lieben! Heute ist es soweit. Ich habe meinen Traummann getroffen und wie der Zufall es will, werden wir morgen heiraten. Bitte findet euch um siebzehn Uhr in der St. Georg Kirche am Kapellenplatz ein. Ich freue mich auf euch, eure zukünftige Florence von Bern
Ich blicke zu Noah und murmele: „Von Bern?“
„Ja, das ist mein Nachname. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir tatsächlich über so etwas nachgedacht …“
„Nicht nur nachgedacht! Wir haben allen Gästen und meiner Familie, meinen Freunden und … oh weh! Ich habe sogar meinem Chef eine Nachricht geschrieben, dass wir heute heiraten werden!“ Ich fange an zu lachen, blicke panisch in die Runde und dann … laufen bei mir die Tränen.
„Das ist eine Katastrophe! Die halten mich doch jetzt für total verrückt!“ Mal ganz davon abgesehen, dass ich heute Dienst hatte und nicht zur Arbeit erschienen bin!
„Oh Gott! Ich werde sicher gefeuert! Es ist ja schon kurz vor elf! Ich hätte längst auf der Arbeit sein müssen!“ Ich springe panisch auf, werde aber von Noah festgehalten, der mich zurück ins Bett zieht.
„Da bist du jetzt eh schon zu spät, wir müssen das hier erst einmal klären!“ Noah scheint die Sache ja voll im Griff zu haben, ganz im Gegensatz zu mir. Schluchzend sitze ich neben ihm, während er die Anweisungen erteilt!
„Björn! Du holst uns beiden ein paar Becher Kaffee, Frühstück, Wasser und Kopfschmerztabletten! Die starken!“ Der Blonde nickt und verlässt sofort das Zimmer. Na, die hat er ja gut abgerichtet. Ich muss Noah mal fragen, wie das funktioniert.
„Lukas! Du nimmst mein Handy und rufst jeden an, dem ich gestern eine SMS geschrieben habe und sagst, dass sie, wie besprochen, um siebzehn Uhr in der Kirche sein sollen. Die Hochzeit findet statt!“ Äh, bitte was? Okay, ich nehme alles zurück! Noah, sag mal spinnst du?!
Doch der Rothaarige nickt nur, nimmt Noahs Handy und verlässt ebenfalls den Raum, auch wenn er den gleichen, panisch irritierten Gesichtsausdruck hat wie ich.
„Und du Kai … hör auf, Florence auf die Brüste zu starren!“
„H-hab ich nicht!“
„Hast du wohl!“
„Alter, wir haben gerade größere Probleme als die Titten deiner …“
„Wehe du nennst mich nochmal Prostituierte!“, gifte ich Kai an, der beschämt beiseite sieht.
„Du rufst bitte beim Standesamt an und versuchst für heute noch einen Termin für mich und Florence zu bekommen. Dann rufst du in der Kirche und im Saal an und teilst denen mit, dass sich der Name der Braut ändert, okay?“
„Warte mal, du willst sie wirklich heiraten? Wie lange kennt ihr euch denn bitte?!“, will Kai wissen. Tja, gute Frage … Ich sehe zu Noah, der blinzelnd zur Decke starrt und meint: „Nun, etwa zwölf Stunden. Aber wir haben jetzt keine Zeit mehr, zu diskutieren! Diese Hochzeit findet statt. Nicht wahr, Floh?“ Noah sieht zu mir und scheint sich wohl deutlich besser an gestern Abend zu erinnern als ich.
„J-ja, na klar. Natürlich! Ich bin dabei!“, platzt es lächelnd aus mir heraus. Äh, bitte was? Liebes Gehirn! Hallo? Tust du mal bitte das was ich dir sage? Du solltest meinem Mund doch befehlen zu schreien und die Worte; Nein, auf keinen Fall und spinnst du – zu verwenden. Was ist denn da bitte schiefgelaufen?
„Sehr schön …“ Noah nickt zufrieden und blickt zu Kai, der uns beide entsetzt anstarrt.
„Kannst du das bitte für mich erledigen?“, bohrt Noah nach, doch Kai kontert: „Fabian hatte alle Unterlagen, richtig? Das wird also ne Weile dauern, bis ich die Telefonnummern herausgefunden habe …“
„Noch ist ja Zeit!“ Noah und Kai sehen sich intensiv an, als würden sie gerade in Gedanken zueinander sprechen, doch dann unterbricht Noah die Stille: „Ich sitze im Schneidersitz da. Nackt. Und ich muss dringend aufs Klo. Mit einer Morgenlatte. Dass du mich so anstarrst, hilft mir gerade nicht wirklich weiter, Kai!“
„Ah, sorry!“ Kai verzieht angeekelt das Gesicht, ebenso wie ich selbst. Igitt. Also Kerle können wirklich so widerlich sein! Hoffentlich setzt er sich hin, denn so wie ich dieses Hotelzimmer einschätze, wird es nur eine Toilette geben!
Kai verlässt schimpfend das Zimmer, sodass ich mich endlich entspannen kann. Ach ne, geht ja gar nicht. Ich heirate ja in sechs Stunden! Panik ist angesagt! Panik! Schreie! Weinen! Fluchen und vielleicht ein kleines bisschen Freude?
Doch dann werde ich aus meinen wirren Gedanken gerissen, denn Noah küsst meine Wange. Ich sehe fragend und verblüfft zu ihm und schaue in ein lächelndes Gesicht.
„Die letzte Nacht war wunderschön … ich, ähm … bin kurz im Bad und dann reden wir noch einmal miteinander, ja? Es wird heute nämlich ganz schön hektisch werden.“ Noah legt das Kissen beiseite und steht einfach so auf, während ich hochrot zur Seite starre. Oha! Mit ihm hatte ich also heute Nacht Sex? Kein Wunder, dass ich mir so ausgeleiert vorkomme! Was für ein Teil!
Kaum ist Noah im Bad verschwunden, schaue ich auf mein Handy. Meine Mutter hat mich bereits diverse Male angerufen, aber ich sehe mir zuvor lieber die SMS durch, die ich bekommen habe. Aber eines weiß ich jetzt schon mit Sicherheit: Ich werde nie wieder Alkohol trinken!
Julia
Haha! Du verrückte Nudel! Da hat wohl jemand ziemlich viel gebechert heute Nacht, was ;)? Mach keinen Unsinn, Süße :*
Pea
Und ich sage dir noch, stell nichts an. Finger weg vom Alkohol. Du bist mir eine … melde dich mal, wenn du wieder nüchtern bist, würde mich ja doch mal interessieren, welchen Mann du da heute Nacht abgeschleppt hast :)
Mama
Floh?
Geh an dein Handy!
Floh! Sofort!
Papa und ich sind ganz aufgeregt, weil du nicht an dein Handy gehst. Ruf uns bitte sofort an, wir machen uns große Sorgen!
Du hast die Nachricht auch an Oma geschickt? Kind, was ist los mit dir! Geht es dir gut?
Floh! Geh ans Telefon, sofort!
Oh weh, ich glaube ich rufe meine Mama als Erste an, die Arme macht sich ja schreckliche Sorgen. Gesagt getan, auch wenn ich furchtbares Bauchweh habe, ihr von der bevorstehenden Hochzeit zu erzählen.
Es klingelt. Die Bäckerei hat heute natürlich auch geöffnet. Da es kurz vor Mittag ist, sollte nicht allzu viel los sein.
„Bäckerei Knusperbraun“, meldet sich meine Mutter.
„Hi Mama, ich bin es, Fl…“
„Oh Gott! Florence! Bist du denn verrückt?!“ Na, das war ja klar, dass meine Mutter sofort hysterisch wird. Aber kann ich es ihr verübeln? Im Hintergrund höre ich meinen Vater, der angerannt kommt und meiner Mutter das Telefon aus der Hand reißt.
„Florence Braun! Wie kannst du deiner Mutter und mir nur so einen Schrecken einjagen! Wir konnten die ganze Nacht nicht schlafen!“ So wütend habe ich ihn aber schon lange nicht mehr erlebt. Das letzte Mal, als er einen Auszubildenden dabei erwischt hat, wie er Blau gemacht hat und seine Urlaubs- und Partybilder im Internet gepostet hat. Tja, der arme Tropf musste dann gehen. Selber schuld. Aber da hat mein Vater auch so gebrüllt, obwohl er sich jetzt doch etwas zusammennimmt. Sicher sind Kunden da. Aber die Wut höre ich trotzdem deutlich aus seiner Stimme heraus.
„Es tut mir leid, ich habe gestern zu viel getrunken, und …“, versuche ich mich zu entschuldigen, doch nun ist meine Mutter wieder dran: „Wir hätten fast die Polizei gerufen!“
„Das tut mir auch wirklich leid, Mama. Es ist nur so, dass …“
„Sogar Tante Gerda hast du angeschrieben und deine ganzen Cousinen und Cousins!“, erzählt sie weiter.
„Und meinen Bruder!“, wirft Papa ein. Oh weh, ich habe wohl niemanden in meiner Kontaktliste ausgelassen.
„Mich auch!“, meldet sich Amadeus im Hintergrund. Mein kleiner Bruder, süße zweiundzwanzig und recht gechillt unterwegs, wie die jungen Leute von heute das so nennen.
„Wo bist du denn jetzt?“, will meine Mutter von mir wissen.
„Das wollte ich ja sagen, aber ich kann ja nie ausred…“
„Wo bist du?!“
„Im Hotel …“
„Was für ein Hotel?“
„Na, das weiß ich ja noch nicht. Ich bin wach geworden und habe dich gleich angerufen …“
„Du musst doch wissen, in was für einem Hotel du bist!“, meckert sie mich an. Seufzend erhebe ich mich und schlurfe bis ans Fenster. Okay … der Ausblick ist wunderschön und wenn mich nicht alles täuscht, ist das da vorne das Stadttheater, mit den alten, griechischen Säulen davor.
„Also es ist ein Hotel am Theater. Das, was so griechisch aussieht, aber wo genau wir sind, kann ich dir erst später sagen“, murmele ich.
„Wir? Wer ist wir?!“
„Äh, mein … Verlobter und ich?“ Ich muss wirklich bescheuert sein. Ernsthaft. Kein normaler Mensch würde diesen Quatsch mitmachen. Aber ich kann ja schlecht meine ganze Familie über die Hochzeit informieren und dann einen Rückzieher machen. Nein, da hat Noah schon ganz recht. Ich erinnere mich an das Gespräch von gestern Abend, als wir noch in der Bar saßen. Alle waren bereits eingeladen und er konnte das Ganze unmöglich absagen.
Die Hochzeit wird also wirklich stattfinden … und zwar mit mir als Braut!
„Kind. Hast du Drogen genommen?“, schluchzt meine Mutter verzweifelt und überreicht meinem Vater wieder das Telefon: „Drogen? Drogen?! Ich habe dir doch gesagt, dass du davon die Finger lassen sollst!“
Ich schüttele verzweifelt den Kopf und lasse diesen dann erschöpft hängen. Typisch … überbesorgte Eltern.
„Ich habe keine Drogen genommen, Papa! Ich habe gestern nur zu viel getrunken und ja, ich werde heute heiraten!“
„D-das ist doch verrückt! Siebzehn Uhr oder was stand in der Nachricht?!“, stammelt mein Vater.
„Genau. Es wäre schön, wenn ihr kommt. Also, ich werde da sein, ich bin ja schließlich die Braut!“ Wenn ich so weitermache, komme ich aus dem tiefen Erdloch nicht mehr heraus, in welches ich mich gerade einbuddele. Ach, nennen wir das Kind doch beim Namen … ich stecke tiefer in der Scheiße als eine Fliege, die von einem Pferd in eben jene gedrückt wurde! Heul!
„Wer ist denn der Mann? Du hast uns nie gesagt, dass du …“, stammelt mein Vater, doch dann ergreift meine Mutter wieder das Wort: „Du wirst heute nicht heiraten!“
Oh, da kennt mich meine Mutter aber schlecht. Wenn sie mir so kommt, erwacht die Zicke in mir.
„Doch, das werde ich!“ Äh, eigentlich hat meine liebe Mutter ja recht. Warum um Himmels willen reite ich immer weiter in mein Verderben? Ich kann Noah schließlich nicht aus Mitleid heiraten …
Apropos Noah. Dieser kommt gerade aus dem Badezimmer, nur mit einem Handtuch um die Hüften gebunden.
„Äh, willst du auch duschen? Sonst würde ich schnell vor dir gehen?“, fragt er mich. Ich drehe das Handy zur Seite und meine: „Lass dir Zeit, ich telefoniere gerade mit meinen Eltern …“ Tja Floh. Chance verpasst.
Jeder normale Mensch, oder eher gesagt, jede andere Frau in deiner Situation hätte gesagt: „Du, Noah. Wir waren beide betrunken und haben uns zu einer vollkommen verrückten Idee hinreißen lassen. Wir sagen schnell alles ab. Es ist doch irrsinnig, jemanden zu heiraten, den man gar nicht kennt!“ Aber was tue ich? Schön mitspielen.
Ich kann hören, wie meine Eltern sich am Telefon streiten und verzweifelt nach mir rufen.
„Hört mir doch bitte mal zu. Wenn ihr die ganze Zeit wild durcheinanderredet, dann kommen wir nie zu einem Ergebnis!“ Und endlich ist es ruhig. Schön. Ich atme tief ein und aus, bevor ich sage: „Ja, es ist sehr spontan. Ich weiß. Aber ich habe genug davon, alleine zu sein. Manchmal muss man eben etwas abenteuerlich und spontan sein. Noah ist nett, wirklich. Ihr werdet ihn mögen … um siebzehn Uhr geht es los. Es wäre wirklich schön, wenn ihr kommt und allen Bescheid geben könntet, dass ich heute tatsächlich heiraten werde.“
Immer noch Stille. Wahrscheinlich starren sich meine Eltern gerade panisch an und glauben noch immer, ich stünde unter dem Einfluss von Drogen.
"Ich muss dann auch auflegen, hab euch lieb!“ Kurz bevor ich auflege, höre ich noch ein: „Wag es nicht, jetzt aufzule…!“ Doch da ist es schon zu spät. Glück für mich, oder?
Ich kann hören, wie Noah die Dusche angestellt hat und irgendein Lied summt, welches mir aber nicht bekannt vorkommt.
Ich brauche Unterstützer! Und da gibt es nur zwei, nein, drei, die mir jetzt helfen können.
Also schreibe ich an Pea und Julia:
Mädels! Das war ernst gemeint, ich ziehe es durch! Ja, ich weiß, es klingt abgedreht, aber Noah ist wirklich nett, er macht einen sehr lieben Eindruck und ist echt süß. Wir möchten es beide und wenn es schiefgeht, nun ja, dann lassen wir uns halt wieder scheiden. Aber die Hochzeit findet statt! Es wäre toll, wenn ihr meine Brautjungfern sein könntet und vielleicht eure Kleider in Blau auswählt, ja? Ein schönes Blau, möglichst im gleichen Ton … ich freue mich auf euch. <3
Und meinem Bruder schreibe ich:
Liebster Bruder … bau ja keinen Mist! Bitte überrede Mama und Papa, dass sie zu der Hochzeit kommen. Ich brauche sie und Papa muss mich schließlich zum Altar führen! Lass mich bitte nicht hängen, ja? Bitte!
Gut, wäre das schon mal geklärt.
Ich bekomme eine SMS von Pea zurück:
???
Ja, sehr informativ. Danke.
Darum schreibe ich zurück:
Kein Scherz, bitte komm mit Julia, damit ich Brautjungfern habe und bringt beide eure Männer mit, falls mein Vater mich nicht zum Altar führen will! Danke und Küsschen : ).
Dann wäre das hoffentlich endlich geklärt, sodass ich zuvor noch ein Wörtchen mit Noah wechseln kann, doch dann klopft es an der Tür. Ich schlurfe dorthin und öffne sie.
Der Blondschopf steht mit zwei Kaffeebechern und einer Tüte da, die er sich unter seinen Arm geklemmt hat. Wie hieß er noch? Ach ja, Björn.
„Oh, Kaffee! Danke!“ Ich nehme ihm beide Becher aus der Hand, muss mich aber zugleich um das improvisierte Kleidchen kümmern. Nicht, dass ich hier noch nackt herumstehe und er mich von allen Seiten betrachten kann wie eine Piñata … den Schläger hat er ja schon mal dabei, hehe. Oh Gott, was denke ich da nur? Böse, Floh! Böse!
„Ähm … bitte. Wo ist Noah?“, fragt er mich irritiert und schließt dabei die Tür.
„Duschen. Aber er ist sicher gleich fertig, sodass du ihn dir krallen kannst, während ich mich frisch mache. Dann kannst du ja versuchen, ihm die Hochzeit mit mir auszureden.“ Ja, bitte! Mach es! Noah muss zur Vernunft kommen! Ich kann nämlich nicht mehr nein sagen, das wäre viel zu peinlich!
Björn hebt beide Augenbrauen und lacht verzweifelt auf, kratzt sich dann am Hinterkopf und fragt mich: „Also, du bist Floh? Und weiter? Wie heißt du richtig? Was machst du in deiner Freizeit? Was hast du für einen Job? Und warum … willst du ihn heiraten, hm?“
„Ich kann es dir wohl nicht verübeln, dass du das wissen möchtest. Normalerweise lernt man sich ja erst einmal kennen, dann die Freunde, die einen auch unter die Lupe nehmen wollen und irgendwann, nach vielen Verabredungen, dem Zusammenziehen, gemeinsamen Urlauben und einer Verlobung, wird die Hochzeit geplant. Aber wir springen ins kalte Wasser … Tja und was deine Fragen angeht; ich heiße Florence Braun, werde morgen dreißig Jahre alt, arbeite in einer Kaffeerösterei hier in München, habe meine eigene Wohnung und treffe mich gerne mit Freundinnen. Hm, und warum ich Noah heiraten will …“
„Du weißt auch, dass er Noah-Sebastian heißt?“ Ich schüttele den Kopf, meine dann aber: „Jetzt ja …“
Ich trinke etwas Kaffee und öffne die Tüte, die er mir reicht, in der sich ein paar belegte Brötchen, eine Wasserflasche und Kopfschmerztabletten befinden. Großartig! Ich nehme gleich zwei davon, um dieses nervige Dröhnen aus meinem Kopf zu verbannen. Jetzt wäre es schon ganz gut, klar denken zu können.
„Ich ging gestern in eine Bar, weil ich einen Typen abschleppen wollte. Noah saß neben mir und wir kamen ins Gespräch, haben uns amüsiert … und als wir hier im Hotel gelandet sind …“ Ja, die Erinnerungen kommen langsam wieder!
„Wir haben geredet. Die ganze Nacht hindurch. Ich habe noch nie in meinem Leben einen derartig tollen Mann getroffen, der so klug und witzig ist wie Noah.“
„Dann sagt die Hochzeit ab, verabredet euch, lernt euch kennen. Wir erfahren alle mehr übereinander und dann schaut ihr in ein paar Monaten oder Jahren, ob es funktioniert. Aber so überstürzt zu heiraten ist doch verrückt! Noah ist sicher nur in einer Krisensituation, weil Georgina ihm weggelaufen ist!“
„Sie ist mir nicht weggelaufen“, antwortet Noah, der in der Badezimmertür steht. Er rubbelt sich gerade die Haare trocken und wirft seinem Kumpel einen wütenden Blick zu.
„Sie ist mit Fabian durchgebrannt und zu allem Übel haben sie die Flugtickets mitgenommen!“
„Flugtickets?“, frage ich verwundert und wende mich dabei an Noah, der nickt.
„Wir wollten morgen nach Hawaii fliegen. Vier Wochen. Aber sie haben meinen Namen auf Fabians umschreiben lassen und sind schon einen Tag eher ins Hotel gefahren, da der Flug morgen früh um fünf Uhr startet.“ Noah lässt den Kopf hängen und ergänzt: „Sie haben das schon länger geplant. Seit Wochen oder Monaten sogar. Georgina hat mich über so einen langen Zeitraum betrogen! Und das Schlimmste ist, dass sie auch noch Lilly mitgenommen hat! Sicher, es war so geplant, aber trotzdem!“ Jetzt wäre ja die Frage … wer ist Lilly?
Björn blickt zu Boden. Dann klopft es an der Tür, die sich kurz danach öffnet. Kai kommt mit der Hotelkarte herein. Warum zum Teufel hat er die überhaupt? Wollten sie das Hotelzimmer schmücken, weil hier die Hochzeitsnacht stattfinden sollte?
„Also das Standesamt habe ich tatsächlich erreicht, die Kirche noch nicht. Beim Festsaal ist alles in Ordnung und ich habe noch die Konditorei informiert. Die zwei Figuren auf der Torte müssen schließlich ausgetauscht werden. Jetzt steht dort eine Braut mit braunen Haaren, nicht mit blonden.“
„Wenigstens DU denkst mit. Danke, Kai!“ Noah nickt erleichtert und gesellt sich dann zu mir, legt seine Hand um meine Hüfte und hält vor seinen Jungs eine kleine Ansprache: „Ich weiß, es klingt durchgeknallt. Aber Florence ist die Richtige für mich. Ich hatte mit ihr heute Nacht die schönsten Gespräche meines Lebens …“ An die ich mich nur grob erinnern kann!
„Und ich will es wagen. Die Hochzeit können wir jetzt eh nicht mehr absagen und ich glaube an das Schicksal! Dass ich in der Bar, in der ich mir die Kante gebe, weil ich einen Tag vor meiner Hochzeit sitzengelassen werde, genau die Frau treffe, die wiederum dringend heiraten möchte, das muss einfach Schicksal sein!“ Noah strahlt mich an, doch Kai und Björn betrachten einander skeptisch.
„Ach. Sie war in der Bar und wollte jemanden zum Heiraten finden? Das ist ja interessant … dass sie ausgerechnet auf dich gestoßen ist!“, meint Kai und verschränkt dabei seine Arme.
„Warum?“, frage ich unsicher nach. Kai wirkt so wütend und Björn blickt mich auch so komisch an, als hätten sie einen gar finsteren Plan hinter meiner kleinen Sauforgie entdeckt. Einen Plan, der aber nicht existiert!
„Was für ein Zufall, meine ich nur. Dass es ausgerechnet Noah war und kein armer Schlucker …“, meint Björn. Beide sehen zu Noah, der kurz zögert und dann zu mir sieht: „Von Bern. Sagt dir das was?“
„Klingt … adelig? Bist du ein Prinz oder was?“ Ich lache amüsiert, doch mein Lachen verwandelt sich nach und nach in ein etwas Panisches, da mich noch immer zwei wütende Augenpaare anfunkeln.
„Sie weiß gar nicht wer ich bin, ihr spinnt!“, verteidigt er mich.
„Eben! Sie hat keine Ahnung und du willst sie heiraten! Du bist hier der Spinner!“, schreit Kai ihn an.
„Das ist meine Sache!“, schreit Noah zurück.
„Jungs! Jetzt beruhigen sich mal alle wieder!“ Björn versucht zu schlichten und sorgt tatsächlich für Ruhe. Jetzt würde mich allerdings schon sehr interessieren, ob Noah nicht vielleicht ein Prominenter ist? Oh weh, ich lese doch keine Klatschzeitschriften!
„Bist du ein Prominenter? Sänger? Schauspieler?“, flüstere ich zu Noah, der laut zu lachen beginnt.
„Nein, keine Sorge, es ist alles gut. Du bist nicht so eine. Georgina ist so eine! Oder glaubt ihr ernsthaft, sie wäre mit Fabian durchgebrannt, wenn er ein armer Schlucker wäre, hm?“ Er blickt zu seinen Freunden, doch dann schwant mir Übles.
Meine Erinnerungen kehren Stück für Stück zurück!
Die Aktentasche. Die vielen Geldscheine, die er dem Barkeeper gab. Der Taxifahrer, den er mit einem üppigen Trinkgeld entlohnte. Dieses Hotelzimmer, das nicht nach einer billigen Absteige aussieht und das Ausweichen meiner Fragen in Bezug auf seinen Beruf. Und jetzt sagt er auch noch das mit dem armen Schlucker!
Ich weite panisch meine Augen und starre Noah an, der meinen Blick bemerkt und fragt: „Was denn?!“
„H-hast du etwa Geld? Viel Geld?!“ Ach du je! Das würde natürlich die Reaktionen seiner Freunde erklären! Wenn Noah viel Geld besitzt und ich ihn spontan heiraten möchte, dann ist doch wohl klar, worauf das Ganze hier hinausläuft! Sie glauben, dass ich hinter seinem Vermögen her bin!
„Ähm …“ Noah grinst und scheint zu überlegen.
„Oh nein, Mist! Hey! Ich will dein Geld nicht! Ich will nur jemanden heiraten, weil ich mir eine Beziehung wünsche! Weil ich einen Mann an meiner Seite und Kinder haben möchte! Eine Familie! Mit allem Drum und Dran! Ich bin nicht hinter deinem Geld her! Ich gehe arbeiten und habe einen tollen Job!“, verteidige ich mich, aber mein kleiner hysterischer Anfall kommt bei Björn und Kai gar nicht gut an. Sie lachen auf und Kai meint: „Wer es glaubt …“
„Ich habe genug. Selbst wenn wir uns scheiden lassen sollten, dann bekäme sie halt die Hälfte. Na und? Es ist einen Versuch wert!“
„I-ich will dein Geld doch gar nicht …“, stammele ich verzweifelt. Hilfe! Dass es so laufen würde, konnte ja nun wirklich keiner ahnen.
„Seht ihr? Georgina hätte sofort aufgezählt, was ich ihr kaufen soll. Florence ist da anders. Vertraut mir doch endlich mal, Jungs! Und wenn ihr das nicht tut, seid ihr offiziell von der Hochzeit ausgeschlossen!“ Noah findet deutliche Worte, die bei Björn und Kai pures Entsetzen auslösen.
„Jungs, bitte …“ Ich löse mich von Noah und sage: „Bevor eure Freundschaft meinetwegen kaputtgeht, heiraten wir lieber nicht.“ Als ich das sage, herrscht kurz Ruhe, sodass ich die Chance ergreife, noch etwas zu sagen: „Ich muss dringend ins Badezimmer. Und dort werde ich duschen und mich anziehen. In der Zwischenzeit könnt ihr euch in Ruhe unterhalten und wenn ich wieder da bin, reden wir beide mal alleine miteinander, ja?“ Ich gehe ein paar Schritte und entdecke neben der Kommode einen Koffer. Moment mal. Ist das nicht mein Koffer?
Pink, weiße Punkte, Herzanhänger. Ja, der sieht aus wie meiner. Und da erinnere ich mich wieder, dass wir kurz in meiner Wohnung waren. Ach ja … stimmt. Ich habe mir etwas Frisches zum Anziehen herausgelegt und Noah half mir beim Packen. Seufzend kralle ich mir den Koffer und verschwinde damit im Badezimmer.
Ich werde nie, nie wieder so viel trinken. Was für ein Chaos habe ich da nur angerichtet? Wie komme ich aus diesem Schlamassel nur je wieder heraus?
Zumindest kommt meine Erinnerung zurück …
Gemeinsam schaffen wir es bis zum Taxi. Mann, meine Beine sind total am Schlottern und es dreht sich alles. Aber ich bin so euphorisch!
„Das wird der Hammer! Braut verloren? Kein Problem. Braut gefunden, yes!“, jubelt Noah glücklich, der mich in seine Arme zieht und dann gegen die Taxitür drückt. Ehe ich mich versehe, küsst Noah mich einfach leidenschaftlich auf den Mund. Gierig und fordernd, mit Zunge! So tief, dass ich glaube, er versucht noch den letzten Tropfen Rum aus mir zu schlecken.
Endlich werde ich mal wieder geküsst! Sofort schlinge ich meine Arme um ihn und lasse zu, dass Noah meinen Hals liebkost.
„Äh, tschuldigung? Wolln se mitfahrn oder watt wird dat hier?!“, fragt uns der Taxifahrer mit dem wuscheligsten Schnauzbart, den ich in meinem ganzen Leben je gesehen habe. Noah und ich blicken zu ihm, schauen uns dann an und brechen in schallendes Gelächter aus.
„Ja, bitte! Einmal ins Adlon!“
„Adler, was?“, frag ich und hickse, als Noah mir die Tür öffnet.
„Die Dame …“ Dabei macht er eine Verbeugung vor mir.
„Oho, danke, der Herr!“ Ich steige ein und zerre Noah lachend mit mir. Was für ein Spaß!
„Also jut … Adlon, wa? Welches Adlon denn?“, fragt der Taxifahrer gut gelaunt und betrachtet uns zwei Lachgurken durch den Rückspiegel.
„Das in der Königsstraße, direkt am griechischen Theater“, erklärt Noah, der sich sofort zu mir neigt und mich erneut küsst.
„Allet klar, ik gurk dann ma los, wa?“ Dieser Akzent! Wahnsinn! Das hört sich an wie eine Mischung aus Berlinerisch und Norddeutsch. Total niedlich! Und wenn er spricht, beginnt sein buschiger Schnauzer so lustig zu tanzen. Gott, wie herrlich! Was für ein entzückender Taxifahrer, hihi!
Aber ich habe ja jetzt Noah an meiner Seite, jawohl!
„Oh, aber was soll ich morgen anziehen?!“, frage ich schockiert, als Noah mit Mund und Nase in meinem Dekolletee verschwindet.
„Uhm …“ Noah blickt mich an und verlässt kurzerhand die warme Gebirgslandschaft, leckt sich über die Lippen und murmelt: „Also Georginas Kleid ist noch bei mir zu Hause, du kannst dich da morgen umziehen.“
„Okay. Und beim Standesamt?“
„Hm, ja, hast recht. Herr Taxifahrer?“
„Watt is denn, mehn Jung?“, fragt dieser.
„Wir müssen vorher zu ihr nach Hause!“, korrigiert er die Reiseroute und versinkt sofort wieder zwischen meinen Brüsten.
„Und wo soll det sein?“, fragt der Fahrer interessiert.
„Kornblumenweg 83, an der St. Petrus Kirche, da wo der Mecces am Bahnhof is und der schnuckelige Schuhladen, in dem es diese zuckersüßen Stiefel für 59,99 gibt!“
„Ach der, ja jut, ik fahr los!“, meint der Taxifahrer verständnisvoll. Der kennt den Schuhladen? Wahnsinn!
Die weitere Fahrt über verbringen wir knutschend, als seien wir verliebte Teenager. Das kann gerne so weitergehen, wirklich!
Bei mir zu Hause angekommen, bitten wir den Fahrer, kurz zu warten.
„Die Uhr läuft, wa?“, ruft er uns noch hinterher, steigt aus und raucht erstmal eine.
„Oh, schnell, schnell, schnell!“, drängele ich Noah, als ich ihn die Treppen hinaufzerre. Hm, aber irgendwie ist Noah jetzt vor mir und ich laufe rückwärts. Äh? Ups. Ach ja, ich muss nach oben!
Gemeinsam schaffen wir es in den zweiten Stock, wobei uns meine Nachbarn freundlicherweise begrüßen, das Licht einschalten und uns die Uhrzeit verraten. Wie nett von ihnen, ja, das sind noch Nachbarn, die hilfsbereit sind. Toll! Und da sagt man immer, die Menschen in der Großstadt wären unhöflich, tsis.
Ist das auch der richtige Schlüssel? Ach ne, das ist mein Glitzerherzanhänger, damit geht die Tür nicht auf. Und das? Ne, Lippenpflegestift. Und solange der kein Zauberstab ist, wird auch er mir nicht die Tür öffnen. Verdammt. Warum habe ich so viel Zeugs in der Tasche?
Doch dann ist es endlich geschafft. Die Tür ist offen, der Lichtschalter ist gefunden und Noah drängt mich lachend in die Wohnung. Die Tür fällt mit einem lauten „Wumms“ ins Schloss und wir landen kichernd auf meiner Couch.
„Ich wollte doch packen!“, beschwere ich mich, doch Noah legt sich einfach auf mich drauf, küsst mich an jeder freien Stelle, die nicht von Stoff bedeckt ist und murmelt: „Ich will aber nicht warten …!“
„Wir haben noch die ganze Nacht Zeit …“ Nanu? Was pikst mich denn da? Taschenlampe?
„Hey, hast du da ne Taschenlampe in der Hosentasche?“, frage ich ihn naiv.
„Ne …“
„Was sticht mich denn da?“ Ich taste mich hinab und versuche herauszufinden, was sich da so vehement in meinen Oberschenkel zu bohren versucht.
„Oh Gott, ja!“, wimmert Noah grinsend.
„Ach, das gehört zu dir? Sorry!“ Hätte ja auch ne Taschensalami sein können, so für den kleinen Hunger zwischendurch, hihi.
„Oh ja, das gehört zu mir, aber wenn wir weitermachen, wird es auch zum Teil in dir sein, hehe …“, murmelt er in meine Halsbeuge. He? Will er mir ein Scheibchen abschneiden, oder was? Igitt, ein Stück Penis in einer Geschenkschachtel mit Schleife drum. Bäh. Okay, warum muss ich ausgerechnet in so einer anregenden Situation an solch ekliges Zeug denken?
„Was hast du vor?“, frage ich etwas verunsichert.
„Hm, kannst du dir das nicht denken?“ Noahs Hand gleitet unter meinen Rock und streichelt über meinen Oberschenkel. Oh ja! Gute Stelle! Schöne Hand und tolle Position!
Allerdings …
„Wollten wir nicht packen?“, fällt mir ein.
„Mhm, ja schon … willst du etwa aufhören?“
„