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"Denn des Menschen Geist und Triebe Sind das Tanzen der Atome. Und die gottgeschenkte Liebe Schwimmt noch gegen jeden Strome." Zwei gegensätzliche Lebenseinstellungen werden in Gedichtform einander gegenübergestellt. Der Ästhetiker ist ein Nihilist, der nirgendwo einen wahren Wert erkennt und sich am liebsten nur dem Lebensgenuss hingeben würde. Dabei bleibt er verhängnisvoll vom Drang getrieben, nach Wahrheit und Sinn zu suchen. Dem gegenüber steht der Ethiker: ein ernster Mensch, der die moralische Pflicht anerkennt und fest an den guten Willen und den Sinn des Lebens glaubt. Wenn die beiden miteinander in Dialog treten, scheinen sie grundlegend unterschiedlich zu sein, dennoch lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen. Wie soll der Mensch wählen? Und lässt sich die Wahl zwischen zwei extremen Gegensätzen überhaupt vermeiden, wenn der Sinn ungreifbar geworden ist? Existenzphilosophie in Gedichtform
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Seitenzahl: 61
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O weites All, o Unergründlicher, was
Ficht dich an, dass Planetlein Erde
Unbändig sich verzehrt an Gier und Hass?
Doch heilst du sie mit Gnaden und Magie
Und grün und froh so wie zuvor, dann werde
Ich säen und stets mit Veilchen zieren sie.
Dialog mit dem Nihilisten I
Erster Teil: Das Buch des Ästhetikers
Ästhetische Eindrücke
Dialog mit dem Nihilisten II
Zweiter Teil: Das Buch des Ethikers
Ethische Ausdrücke
Dialog mit dem Nihilisten III
Verzeichnis der Gedichttitel
Als Gott dem Menschen gab die Wahl,
Da fühlte dieser sich geehrt,
Doch wählte allzu bald verkehrt
Und sah in seiner Gabe seine Qual.
Wilhelm
Was hat, mein junger Freund, berührt
Dein Herz dereinst am Wanderleben?
Was hat so mächtig dich verführt?
Was hat dein tiefer Geist gespürt,
Als er sich wandte ab vom Streben?
Endreß
So strebsam war ich freilich nie,
Ich ging bloß meiner Neugier nach.
Wie sie mich regt’, genoss ich sie,
Doch ward sie bald mein Weh und Ach.
Ach, wär’ ich bloß damals erbleicht,
Eh’ ich fing an, die Fragen stellen.
Gar einem Joch dies’ Gabe gleicht,
Die mir gekeimt in Hirnes Zellen.
So treibt Natur auch ihren Scherz
Mit uns, den scherzbegabten Wesen,
Dass wir uns bringen selbst den Schmerz
Mit eifernd’ Herz und emsig’ Lesen.
Wilhelm
Die Fragen Wie, Warum, Wofür
Sind nicht Dämonen, die eindringen.
Sie klopfen an des Geistes Tür
Als Gäste, die Geschenke bringen.
Und wenn sie keine Ruh’ gebracht,
Wenn sie dich nur mit Zweifel plagen:
Erst der, der namenlos erwacht,
Kann frei den eig’nen Namen tragen.
So öffne ihnen Geist und Herz,
Auf dass sie halten das Versprechen
Und lindern deinen Weltschmerz,
Der dich, o Kluger, droht zu brechen.
Denn hat sie sich einmal gestellt,
Die Frage sich dir aufgezwungen,
So trümmerhaft dich dünkt die Welt,
Bis dir die Antwort einst gelungen.
Doch öffnest du die Türe nicht,
Lässt zaghaft sie nur halbwegs offen,
So kann der Klügste nicht das Licht
Der Seelenruh’ zu sehen hoffen.
Und dann zum Dämon wird der Gast,
Und schwere Last wird jede Frage,
Bis bald es hängt von dürrem Ast,
Ein Leben, das man kaum ertrage.
Endreß
An meine Tür sie klopfen oft,
Ich lad’ sie ein, willkomm’ne Gäste.
Doch nie sie brachten, was erhofft,
Nur Rufe logischer Proteste.
So manches Fach hab’ ich besiegt,
Erforscht den Menschen und die Sterne,
Physik und was dahinter liegt,
Kultur und Ethik auch noch gerne.
Je mehr ich weiß, desto verhasster
Wird mir dies’ Höhlengleichnis, Erde.
Je mehr ich weiß, desto bewusster
Ich über mein Unwissen werde.
Und immer länger ward die Nacht,
Musst’ mich von Wert und Wahrheit trennen.
Der Mensch, der namenlos erwacht,
Muss sich nun einmal Wand’rer nennen.
Wilhelm
Solche Schwermut kannt’ ich gut,
Und ich lob’ des reifen Geistes Frust.
Ja, ein gar bewundernswertes Gut
Diese tief’ Verzweiflung in der Brust.
Und ich weiß auch, was du hältst von Leuten,
Die bei jeder Klage aus Maxime
Meinen, sie sollen’s besser deuten,
Weil ein guter Rat sich da gezieme.
Dies’ gesagt, es kommt nun doch ein Rat,
Denn ich muss halt ein Bedürfnis stillen.
Doch um der Gesprächslaune willen
Geb’ ich ihn wie ein rätselhaftes Zitat:
Ist die Erde Höhlensein,
So ist Wissen Sonnenschein,
Der die Wände nie erhellt.
Doch Erkenntnis ist die Helle,
Die in sonnenloser Welt
Strahlt als eig’ne Lichtquelle.
Endreß
Nichts als Rätselhaftigkeit
Macht den guten Lehrer aus.
Denn der Geist wird erst gescheit,
Wenn man fordert ihn heraus.
Was doch hier die Weisheit ist,
Fürcht’ ich, musst du mich belehren.
Zwar ’ne int’ressante Wortes List,
Aber leider musst du sie erklären.
Ob es Wissen oder Erkenntnis
Oder was noch treibt den Geist,
Nichtswissen ist die Erkenntnis,
Die sich als die einzige erweist.
Welche menschlich’ Wunderkraft
Kann Erkenntnis uns gewähren?
Das Labor der Wissenschaft
Kann uns nur Erfahrung lehren.
Alles, was der Mensch erfährt,
Muss ihm sinnlich erst erscheinen.
Wer den Schein der Dinge lehrt,
Kann von Wahrheit wenig meinen.
Wenn zur Hilf’ man Logik zieht,
Von Gesetzen lässt sich leiten,
Dann mit Logik, wie man sieht,
Lässt sich alles doch bestreiten.
Was der eine Grübelgeist
Folgerichtig hier beweist,
Macht des andern Antwortbrief
Klipp und klar dort relativ.
Nur die Meinung, die man schätze,
Dürft’ der Logik Test bestehen,
Dass man müsst’ der Logik Sätze
Fast als Zaubersprüche sehen.
Und der Zauberer beschwöret
In die Welt die Bücherschränke,
Wo der Laie eifrig höret,
Was dogmatisch jener denke.
Wilhelm
Ist eben mit Absicht die Ironie passiert?
Die ist dir ja stets ’ne Verführung.
Nicht oft wird denn die Logik kritisiert
In einer so logischen Gedankenführung.
Die Logik macht den Klugen reich,
Und doch würd’ er sie gerne los?!
Ja, was sie schreibt, verwischt sie gleich,
Und das, versteht sich, ärgert bloß;
Doch wie langweilig wär’ der Erdenkloß,
Wär’ diese Neugier nicht, und wie trist?
Grad’ du musst wissen, wie famos
Die Leidenschaft des Forschens ist.
Endreß
Nicht so langweilig wär’ in meinem Fall
Gar ohn’ den ganzen Fleiß der Erdenball.
Zwar ab und zu genieß’ ich das Getu’
Der Klugheit, doch es gibt mir keine Ruh’!
Vielmehr, wie ich fürwahr gestehen muss,
Zieht jede Frage hinter sich Verdruss.
Drum wär’ es besser, man fragt nicht
Und wandert sorglos unterm Sonnenlicht.
Wilhelm
Da habe ich wahrlich nichts einzuwenden,
Dass wir mehr wandern und weniger lesen.
Nur lässt es dabei ein Geist nicht bewenden,
Des erster Wunsch die Erkenntnis gewesen.
Es sei denn, was den Wand’rer dreht und wendet,
An sich der Drang, das Wahre zu erstreben,
Und gar mit Recht, wenn dieses sich entwendet
Dem bloßen Denken, so könnt’ man es erleben.
Dem klugen Geist wird’s stets danach verlangen,
Die Fragen immer wieder sich zu stellen.
Doch will er zur Erkenntnis je gelangen,
Dann muss er sich zum weisen Herz gesellen.
Endreß
Das weise Herz ist bloß ein Menschenkenner;
Es kennt nur das, was menschlich es erlebt.
Drum sind pragmatisch gute Staatsmänner
Nur die, die Weisheit lernend angestrebt.
Sie steht Gott zu; dem Teufel steht sie gut,
Der uns verführt und weiß um uns’re Grenzen,
Dass, wenn der Teufel lenkend Böses tut,
Er weiß, die Weisheit trefflich einzusetzen.
Die Klugen treibt er an mit Bildern neuer Welten,
Dass sie nicht leben, ehe sie gestorben.
Die Guten zehrt er aus und rühmt die Helden,
Bis alle Unschuld nach und nach verdorben.
Und da er nie ein sittlich’ Urteil fällt,
Kann er mit Macht behaglich existieren.
So gib dem Teufel Herrschaft übers Geld,
Und er, der Weise, wird die Welt regieren.
Wilhelm
Den, von dem ich Neues lern’,
Unterbrech’ ich gar ungern.
Doch zu weit ein Irrtum geht,
Wo verstellt der Weise steht.
Wenn der Teufel je regiert’,
War es sein’ gewiefte List,
Weisheit nicht, die ihn beriet,
Dass er nun der Herrscher ist.
Nie doch geht auf solche Reise
Für die Macht mit List und Tück’,
Besser weiß es denn der Weise,
Weiß den Weg zu Wert und Glück.
Menschenkenntnis ist die erste
Von der Weisheit vielen Stufen,
Deren erste nicht die Schwerste,
Auf Erfahrung doch berufen.
Kennt man sich noch so gut aus
Mit der menschlichen Natur,
Weisheit ist ein Treppenhaus,
Steig’ hinauf den Flur nach Flur.
Kurz: sie liegt im Wählen schlicht.
Wähl’ ich Lust oder wähl’ ich Pflicht.