Poetisches Entweder - Oder - Abdullah Rahhal - E-Book

Poetisches Entweder - Oder E-Book

Abdullah Rahhal

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Beschreibung

"Denn des Menschen Geist und Triebe Sind das Tanzen der Atome. Und die gottgeschenkte Liebe Schwimmt noch gegen jeden Strome." Zwei gegensätzliche Lebenseinstellungen werden in Gedichtform einander gegenübergestellt. Der Ästhetiker ist ein Nihilist, der nirgendwo einen wahren Wert erkennt und sich am liebsten nur dem Lebensgenuss hingeben würde. Dabei bleibt er verhängnisvoll vom Drang getrieben, nach Wahrheit und Sinn zu suchen. Dem gegenüber steht der Ethiker: ein ernster Mensch, der die moralische Pflicht anerkennt und fest an den guten Willen und den Sinn des Lebens glaubt. Wenn die beiden miteinander in Dialog treten, scheinen sie grundlegend unterschiedlich zu sein, dennoch lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen. Wie soll der Mensch wählen? Und lässt sich die Wahl zwischen zwei extremen Gegensätzen überhaupt vermeiden, wenn der Sinn ungreifbar geworden ist? Existenzphilosophie in Gedichtform

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ZUEIGNUNG

Ein nächtliches Gebet

O weites All, o Unergründlicher, was

Ficht dich an, dass Planetlein Erde

Unbändig sich verzehrt an Gier und Hass?

Doch heilst du sie mit Gnaden und Magie

Und grün und froh so wie zuvor, dann werde

Ich säen und stets mit Veilchen zieren sie.

INHALT

Dialog mit dem Nihilisten I

Erster Teil: Das Buch des Ästhetikers

Ästhetische Eindrücke

Dialog mit dem Nihilisten II

Zweiter Teil: Das Buch des Ethikers

Ethische Ausdrücke

Dialog mit dem Nihilisten III

Verzeichnis der Gedichttitel

DIALOG MIT DEM NIHILISTEN

Als Gott dem Menschen gab die Wahl,

Da fühlte dieser sich geehrt,

Doch wählte allzu bald verkehrt

Und sah in seiner Gabe seine Qual.

DIALOG MIT DEM NIHILISTEN I

ERSTER DIALOG

1. Über die Klugheit

Wilhelm

Was hat, mein junger Freund, berührt

Dein Herz dereinst am Wanderleben?

Was hat so mächtig dich verführt?

Was hat dein tiefer Geist gespürt,

Als er sich wandte ab vom Streben?

Endreß

So strebsam war ich freilich nie,

Ich ging bloß meiner Neugier nach.

Wie sie mich regt’, genoss ich sie,

Doch ward sie bald mein Weh und Ach.

Ach, wär’ ich bloß damals erbleicht,

Eh’ ich fing an, die Fragen stellen.

Gar einem Joch dies’ Gabe gleicht,

Die mir gekeimt in Hirnes Zellen.

So treibt Natur auch ihren Scherz

Mit uns, den scherzbegabten Wesen,

Dass wir uns bringen selbst den Schmerz

Mit eifernd’ Herz und emsig’ Lesen.

Wilhelm

Die Fragen Wie, Warum, Wofür

Sind nicht Dämonen, die eindringen.

Sie klopfen an des Geistes Tür

Als Gäste, die Geschenke bringen.

Und wenn sie keine Ruh’ gebracht,

Wenn sie dich nur mit Zweifel plagen:

Erst der, der namenlos erwacht,

Kann frei den eig’nen Namen tragen.

So öffne ihnen Geist und Herz,

Auf dass sie halten das Versprechen

Und lindern deinen Weltschmerz,

Der dich, o Kluger, droht zu brechen.

Denn hat sie sich einmal gestellt,

Die Frage sich dir aufgezwungen,

So trümmerhaft dich dünkt die Welt,

Bis dir die Antwort einst gelungen.

Doch öffnest du die Türe nicht,

Lässt zaghaft sie nur halbwegs offen,

So kann der Klügste nicht das Licht

Der Seelenruh’ zu sehen hoffen.

Und dann zum Dämon wird der Gast,

Und schwere Last wird jede Frage,

Bis bald es hängt von dürrem Ast,

Ein Leben, das man kaum ertrage.

Endreß

An meine Tür sie klopfen oft,

Ich lad’ sie ein, willkomm’ne Gäste.

Doch nie sie brachten, was erhofft,

Nur Rufe logischer Proteste.

So manches Fach hab’ ich besiegt,

Erforscht den Menschen und die Sterne,

Physik und was dahinter liegt,

Kultur und Ethik auch noch gerne.

Je mehr ich weiß, desto verhasster

Wird mir dies’ Höhlengleichnis, Erde.

Je mehr ich weiß, desto bewusster

Ich über mein Unwissen werde.

Und immer länger ward die Nacht,

Musst’ mich von Wert und Wahrheit trennen.

Der Mensch, der namenlos erwacht,

Muss sich nun einmal Wand’rer nennen.

Wilhelm

Solche Schwermut kannt’ ich gut,

Und ich lob’ des reifen Geistes Frust.

Ja, ein gar bewundernswertes Gut

Diese tief’ Verzweiflung in der Brust.

Und ich weiß auch, was du hältst von Leuten,

Die bei jeder Klage aus Maxime

Meinen, sie sollen’s besser deuten,

Weil ein guter Rat sich da gezieme.

Dies’ gesagt, es kommt nun doch ein Rat,

Denn ich muss halt ein Bedürfnis stillen.

Doch um der Gesprächslaune willen

Geb’ ich ihn wie ein rätselhaftes Zitat:

Ist die Erde Höhlensein,

So ist Wissen Sonnenschein,

Der die Wände nie erhellt.

Doch Erkenntnis ist die Helle,

Die in sonnenloser Welt

Strahlt als eig’ne Lichtquelle.

Endreß

Nichts als Rätselhaftigkeit

Macht den guten Lehrer aus.

Denn der Geist wird erst gescheit,

Wenn man fordert ihn heraus.

Was doch hier die Weisheit ist,

Fürcht’ ich, musst du mich belehren.

Zwar ’ne int’ressante Wortes List,

Aber leider musst du sie erklären.

Ob es Wissen oder Erkenntnis

Oder was noch treibt den Geist,

Nichtswissen ist die Erkenntnis,

Die sich als die einzige erweist.

Welche menschlich’ Wunderkraft

Kann Erkenntnis uns gewähren?

Das Labor der Wissenschaft

Kann uns nur Erfahrung lehren.

Alles, was der Mensch erfährt,

Muss ihm sinnlich erst erscheinen.

Wer den Schein der Dinge lehrt,

Kann von Wahrheit wenig meinen.

Wenn zur Hilf’ man Logik zieht,

Von Gesetzen lässt sich leiten,

Dann mit Logik, wie man sieht,

Lässt sich alles doch bestreiten.

Was der eine Grübelgeist

Folgerichtig hier beweist,

Macht des andern Antwortbrief

Klipp und klar dort relativ.

Nur die Meinung, die man schätze,

Dürft’ der Logik Test bestehen,

Dass man müsst’ der Logik Sätze

Fast als Zaubersprüche sehen.

Und der Zauberer beschwöret

In die Welt die Bücherschränke,

Wo der Laie eifrig höret,

Was dogmatisch jener denke.

Wilhelm

Ist eben mit Absicht die Ironie passiert?

Die ist dir ja stets ’ne Verführung.

Nicht oft wird denn die Logik kritisiert

In einer so logischen Gedankenführung.

Die Logik macht den Klugen reich,

Und doch würd’ er sie gerne los?!

Ja, was sie schreibt, verwischt sie gleich,

Und das, versteht sich, ärgert bloß;

Doch wie langweilig wär’ der Erdenkloß,

Wär’ diese Neugier nicht, und wie trist?

Grad’ du musst wissen, wie famos

Die Leidenschaft des Forschens ist.

Endreß

Nicht so langweilig wär’ in meinem Fall

Gar ohn’ den ganzen Fleiß der Erdenball.

Zwar ab und zu genieß’ ich das Getu’

Der Klugheit, doch es gibt mir keine Ruh’!

Vielmehr, wie ich fürwahr gestehen muss,

Zieht jede Frage hinter sich Verdruss.

Drum wär’ es besser, man fragt nicht

Und wandert sorglos unterm Sonnenlicht.

Wilhelm

Da habe ich wahrlich nichts einzuwenden,

Dass wir mehr wandern und weniger lesen.

Nur lässt es dabei ein Geist nicht bewenden,

Des erster Wunsch die Erkenntnis gewesen.

Es sei denn, was den Wand’rer dreht und wendet,

An sich der Drang, das Wahre zu erstreben,

Und gar mit Recht, wenn dieses sich entwendet

Dem bloßen Denken, so könnt’ man es erleben.

Dem klugen Geist wird’s stets danach verlangen,

Die Fragen immer wieder sich zu stellen.

Doch will er zur Erkenntnis je gelangen,

Dann muss er sich zum weisen Herz gesellen.

2. Über die Weisheit

Endreß

Das weise Herz ist bloß ein Menschenkenner;

Es kennt nur das, was menschlich es erlebt.

Drum sind pragmatisch gute Staatsmänner

Nur die, die Weisheit lernend angestrebt.

Sie steht Gott zu; dem Teufel steht sie gut,

Der uns verführt und weiß um uns’re Grenzen,

Dass, wenn der Teufel lenkend Böses tut,

Er weiß, die Weisheit trefflich einzusetzen.

Die Klugen treibt er an mit Bildern neuer Welten,

Dass sie nicht leben, ehe sie gestorben.

Die Guten zehrt er aus und rühmt die Helden,

Bis alle Unschuld nach und nach verdorben.

Und da er nie ein sittlich’ Urteil fällt,

Kann er mit Macht behaglich existieren.

So gib dem Teufel Herrschaft übers Geld,

Und er, der Weise, wird die Welt regieren.

Wilhelm

Den, von dem ich Neues lern’,

Unterbrech’ ich gar ungern.

Doch zu weit ein Irrtum geht,

Wo verstellt der Weise steht.

Wenn der Teufel je regiert’,

War es sein’ gewiefte List,

Weisheit nicht, die ihn beriet,

Dass er nun der Herrscher ist.

Nie doch geht auf solche Reise

Für die Macht mit List und Tück’,

Besser weiß es denn der Weise,

Weiß den Weg zu Wert und Glück.

Menschenkenntnis ist die erste

Von der Weisheit vielen Stufen,

Deren erste nicht die Schwerste,

Auf Erfahrung doch berufen.

Kennt man sich noch so gut aus

Mit der menschlichen Natur,

Weisheit ist ein Treppenhaus,

Steig’ hinauf den Flur nach Flur.

Kurz: sie liegt im Wählen schlicht.

Wähl’ ich Lust oder wähl’ ich Pflicht.