Polizei- und Ordnungsrecht Berlin - Grundzüge des Zwangsrechts - Patrick Lerm - E-Book

Polizei- und Ordnungsrecht Berlin - Grundzüge des Zwangsrechts E-Book

Patrick Lerm

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Beschreibung

Das vorliegende Buch richtet sich primär an angehende Polizeikräfte (Auszubildende und Studierende) im Land Berlin, die sich gezielt und vertieft auf Prüfungen im Fach Polizei- und Ordnungsrecht (POR) vorbereiten möchten. Das Buch enthält alle gängigen Arten der Verwaltungsvollstreckung sowie die dazugehörigen Prüfschemata inklusive Musterlösungen. Patrick Lerm ist Polizeihauptkommissar und bereits seit nunmehr acht Jahren hauptamtlicher Dozent für das polizeiliche Eingriffsrecht. Das Buch wird ergänzt durch innovative QR-Codes, die auf korrespondierende Lernvideos auf dem YouTube-Kanal So geht Einsatzrecht! verweisen. Der Kanal wird eigeninitiativ vom Autor betrieben.

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Vorwort und Einführung

Das vorliegende Buch richtet sich primär an angehende Polizeikräfte (Auszubildende und Studierende) im Land Berlin, die sich gezielt und vertieft auf Prüfungen im Fach Polizei-und Ordnungsrecht (POR) vorbereiten möchten. Durch meine haupt- und nebenamtliche Lehrtätigkeit im Bereich des Sicherheitsrechts habe ich zahlreiche Anregungen und Anmerkungen durch Auszubildende/Studierende und Lehrgangsteilnehmer visuell aufbereitet und Lösungsansätze entwickelt.

Kompakt – übersichtlich – anschaulich:

Für mich stand bei der Erstellung dieses Werkes im Vordergrund, ein möglichst kompaktes Buch mit einer klaren Struktur zu schaffen. Zahlreiche Beispiele und Übersichten sollen den Lesefluss bewusst auflockern und den Prüfungsstoff immer wieder auf den Punkt zusammenfassen.

Meine Vorgehensweise:

Ich stelle, nach einer kurzen allgemeinen Einführung ins Verwaltungsvollstreckungsrecht, die grundlegenden Begrifflichkeiten des präventiven Zwangsrechts vor. Im Anschluss daran werde ich die relevanten Zwangsverfahren nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) darstellen. Dazu gehe ich grundsätzlich jeweils wie folgt vor:

Ebenso ist das besondere Verfahren nach § 15 ASOG enthalten – die unmittelbare Ausführung. Sehr wichtig für angehende Polizeikräfte sind Themen wie die Fesselung und der Schusswaffengebrauch und deren Voraussetzungen. Dazu finden Sie im Inhaltsverzeichnis separate Gliederungspunkte.

Ich möchte – um falschen bzw. zu hohen Erwartungen vorzubeugen – darauf hinweisen, dass ich bestimmte Inhalte nicht dargestellt habe: Dazu zählt beispielweise das Befugnisrecht des ASOG und die dortigen Voraussetzungen. Ich werde jedoch Bezüge dazu herstellen, wenn es für das Gesamtverständnis erforderlich ist. Im Übrigen verweise ich hierzu auf mein Buch „Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) Berlin – Definitionswissen kompakt“, welches voraussichtlich im 4. Quartal 2024 im Kommunalund Schul-Verlag erscheinen wird (siehe QR-Code bei Interesse).

Abschließende Hinweise zum Arbeiten mit diesem Werk:

„Das Gesetz muss beim Lernprozess immer neben Ihnen liegen!“

Diesen Satz hören Sie bestimmt nicht zum ersten Mal. Sie müssen auch in der Klausur eng am Gesetz arbeiten. Nur durch das enge Arbeiten am Gesetz können Sie die Inhalte nachvollziehen. Wie Sie auf den nachfolgenden Seiten feststellen werden, benötigen Sie mehrere Gesetze, um die Klausur erfolgreich zu bestehen.

Auch, wenn man sich (als Auszubildender/bzw. Studierender – m/w/d) hinsichtlich der Prüfschemata eine Einheitlichkeit wünschen würde, so wird man doch rasch feststellen, dass es in der Literatur und in der Lehre hier und da (mehr oder weniger geringfügige) Abweichungen gibt. Bitte lassen Sie sich dadurch in Vorbereitung auf Klausuren nicht verunsichern. Es geht im Recht häufig nicht um richtig oder falsch, sondern darum, eine vertretbare Lösung zu entwickeln. Ich bin nun schon über acht Jahre haupt- und nebenamtlicher Dozent, Fachlehrer und Prüfer und ich kann Ihnen sicher sagen, dass Punkteabzüge in der Klausur in den aller wenigsten Fällen auf derartigen, durchaus vertretbaren Abweichungen beruhen. Meist sind es Verständnisprobleme, komplett fehlendes Wissen über Definitionen oder aber einfach nur die Zeitknappheit, die zu massiveren Punkteabzügen führen.

Soweit ersichtlich (und für mich überraschend), habe ich bisher kein veröffentlichtes Werk gefunden, welches das präventive Zwangsrecht mit Blick auf Berlin auf diese Art und Weise darstellt. Dies war auch einer der Hauptgründe für die Erstellung. Es geht mir darum,

Ihnen eine echte Lernhilfe zur Verfügung zu stellen. Erfahrungsgemäß kann es gerade in den ersten Auflagen (von neu erschienenen Büchern) zu kleineren Fehlern kommen, die auch bei äußerst gewissenhafter Durchschau meist unbemerkt bleiben. Darüber hinaus erhebe ich ausdrücklich nicht den Anspruch auf lückenlose Vollständigkeit. Sofern Sie beim Durcharbeiten des Buches auf Dinge stoßen, die verbesserungswürdig sind, oder haben Sie sonstige Anregungen, verfahren Sie bitte folgendermaßen: Richten Sie die Anmerkungen gerne an meine Mailadresse [email protected].

Korrespondierende Lernvideos auf meinem Kanal:

Ich habe bereits zahlreiche Lernvideos zum Thema „Zwangsrecht Berlin“ auf meinem YouTube-Kanal „So geht Einsatzrecht!“ veröffentlicht. Auf diesem Kanal veröffentliche ich bereits seit dem Jahr 2020 entsprechende Lernvideos.

Link: https://www.youtube.com/channel/UCg77frCU3HoKOx1cZ1JvvyQ

Um auf meinen Kanal zu gelangen einfach den nachfolgenden QR-Code scannen:

Die bisher veröffentlichten Lernvideos für das Zwangsrecht habe ich an den passenden Stellen im Buch eingefügt. Hier finden Sie dann den entsprechenden QR-Code.

Allgemeiner Hinweis: Soweit Personen- und Funktionsbezeichnungen aus Gründen der Lesbarkeit nur in der männlichen Form verwendet werden, gelten sie gleichermaßen für Frauen.

Ihr Patrick Lerm

Im Herbst 2024

Inhaltsverzeichnis

Vorwort und Einführung

A. Tipps zum Umgang mit diesem Buch

B. Lernziele

C. Verwaltungsvollstreckung und Rechtsquellen

I. Verwaltungsvollstreckung

II. Rechtsquellen

D. Ebenen polizeilichen Handelns

E. Gedankliche Vorprüfung beim Zwang

F. Formen des Verwaltungszwanges

I. Ersatzvornahme (§ 10 VwVG)

II. Zwangsgeld (§ 11 VwVG)

III. Unmittelbarer Zwang (§ 12 VwVG, §§ 1–7, 19–21b UZwG Bln)

G. Besonderheiten beim unmittelbaren Zwang

I. Fesselung (§ 20 UZwG Bln)

II. Einsatz der Hiebwaffe (§§ 19, 21 UZwG Bln)

III. Schusswaffengebrauch (§§ 8–16 UZwG Bln)

H. Verfahren im Überblick

I. Stufen des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens

II. Verfahrensgang bei der Ersatzvornahme

III. Verfahrensgang beim Zwangsgeld

IV. Verfahrensgang beim unmittelbaren Zwang

I. Verfahrensart 1: Gestrecktes Verfahren (§ 6 Abs. 1 VwVG)

I. Prüfungsschema (mit Erläuterungen)

II. Mustersachverhalt

III. Lösung zum Mustersachverhalt

J. Verfahrensart 2: Sofortvollzug / sofortiger Zwang (§ 6 Abs. 2 VwVG)

I. Prüfungsschema

II. Mustersachverhalt

III. Lösung zum Mustersachverhalt

K. Verfahrensart 3: Abgekürztes Verfahren (§ 6 Abs. 2 VwVG analog)

I. Prüfungsschema (mit Erläuterungen)

II. Mustersachverhalt

III. Lösung zum Mustersachverhalt

L. Sonderfall: Unmittelbare Ausführung (§ 15 ASOG)

I. Vorbemerkungen

II. Abgrenzung zum Sofortvollzug und Prüfungsschema

M. Übungsteil

I. Single-Choice-Fragen

II. Lösungen zu den Fragen

A. Tipps zum Umgang mit diesem Buch

TIPPS ZUM DURCHARBEITEN

Lesen Sie langsam, es gibt keinen Grund zur Eile. Niemand drängt Sie, so schnell wie möglich fertig zu werden. Lassen Sie sich Zeit.

Lesen Sie mehrmals. Versuchen Sie nicht unbedingt, sich gleich beim ersten Lesen alles einzuprägen. Setzen Sie auf die Erinnerung durch Wiederholung.

Beim zweiten oder dritten Lesen kommt Ihnen das meiste schon bekannt vor: Sie haben es bereits gelernt, fast ohne es zu bemerken.

Lesen Sie mit dem Bleistift in der Hand. Unterstreichen Sie oder markieren Sie sich (evtl. mit einem farbigen Marker) die wichtigsten Begriffe oder Passagen. So schaffen Sie sich Orientierungspunkte im Text. Aber unterstreichen Sie nicht zu viel, sonst sehen Sie hinterher vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

Notieren Sie sich Ihre Fragen. Machen Sie sich Fragezeichen an den Rand, wo Ihnen etwas unklar ist. In den meisten Fällen wird sich diese Unklarheit beim Weiterlesen oder beim wiederholten Lesen aufklären. Wenn doch einmal eine Frage bleibt, dann notieren Sie sich diese auf einem Extrablatt.

TIPPS ZUM LERNEN

Arbeiten Sie, wie oben bereits angedeutet, immer mit dem Gesetz und lesen Sie die relevante Stelle unbedingt nach.

Besonders effektiv können Sie lernen, wenn Sie selbst etwas aufschreiben. Sie können zum Beispiel Ihre eigenen Merksätze formulieren, oder Sie versuchen selbst einmal, mit Ihren eigenen Worten eine Zusammenfassung zu einem Kapitel zu schreiben. Darin halten Sie kurz und knapp alles fest, was Ihnen besonders wichtig erscheint.

Wenn Sie gerne systematisch vorgehen, dann besorgen Sie sich vielleicht einen Ringbuch-Ordner (DinA4), am besten mit einem bunten Register. Dort können Sie zu jedem Abschnitt dieses Buches geordnet Ihre Fragen, Ihre Merksätze oder Ihre Zusammenfassungen abheften und sammeln.

B. Lernziele

Am Anfang möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über die Inhalte und Ziele dieses Buches bieten, damit Sie wissen, was Sie erwartet.

Zwei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:

1. „Worum geht es in diesem Buch?“ (die Frage nach den

Inhalten

) und

2. „Was werde ich nach dem Durcharbeiten gelernt haben?“ (die Frage nach den

Zielen

).

In Form einer Tabelle möchten ich Ihnen die Lernziele und die Inhalte dieses Buches im Einzelnen vorstellen:

Ziele

Inhalte

Sie lernen den Begriff der Verwaltungsvollstreckung kennen und wissen, welche Rechtsquellen hier Berück- sichtigung finden.

Sie erfassen den Sinn und Zweck der Verwaltungsvollstreckung (Stichwort: Beugemittel) und gewinnen einen Überblick über bekannte und noch unbekannte Texte wie das VwVG und das UZwG Bln, die für die Prüfung unerlässlich sind

Sie lernen die drei grundsätzlichen Formen des Verwaltungszwangs kennen.

Sie können die Ersatzvornahme vom Zwangsgeld unterscheiden und wissen, was unmittelbarer Zwang ist und unter welchen Voraussetzungen dieser zur Anwendung kommt (ultima ratio).

Sie lernen die drei grundsätzlichen Stufen des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens kennen und können diese auf die Ersatzvornahme, das Zwangsgeld und den unmittelbaren Zwang beziehen.

Sie können den Sinn und Zweck der Androhung, der Festsetzung und der Anwendung sowie die Rechtsnatur dieser Verfahrensschritte bestimmen.

Sie lernen die Schemata der gängigsten präventiven Verfahrensarten des Zwangsrechts kennen und können diese auf Sachverhalte anwenden.

Sie können das gestreckte Verfahren vom sofortigen Zwang unterscheiden und Sie beherrschen auch den Übergang zum sog. „abgekürzten“ Verfahren.

Sie erhalten einen Überblick über den Sonderfall der umittelbaren Ausführung.

Sie lernen sie besonderen Voraussetzungen des § 15 ASOG kennen und nehmen die Abgrenzung zum Vollstreckungsrecht vor.

C. Verwaltungsvollstreckung und Rechtsquellen

I. Verwaltungsvollstreckung

Was bedeutet Verwaltungsvollstreckung?

Im Zentrum steht der Erlass eines Grund-VA, mit dem Handlungen, Duldungen und Unterlassungen erzwungen werden. (siehe dazu auch § 6 Abs. 1 VwVG)

Handlungspflicht

Duldungspflicht

Unterlassungspflicht

Bezug zur Polizei:

Die polizeilichen Befugnisse des ASOG sind überwiegend darauf gerichtet, dass dem Adressaten aufgegeben wird, zu

handeln

, etwas zu

dulden

oder etwas zu

unterlassen

, z. B. wird dem Bürger mit dem Platzverweis (§ 29 Abs. 1 ASOG) aufgegeben, einen bestimmten Ort umgehend zu verlassen.

Die durchzusetzende Pflicht wird sich in aller Regel aus einem Verwaltungsakt ergeben (Bezeichnung als sog. Grund-VA).

Die Bezeichnung Grund-VA wird deshalb genutzt, da dieser der eigentliche Grund für die Vollstreckung ist.

Die Verwaltungsvollstreckung ist nicht Strafe oder Buße, sondern

Beugemittel

. Wesentliche Voraussetzung der Zwangsanwendung ist, dass das Gegenüber einen entgegenstehenden Willen besitzt („

Das Gegenüber sagt Nein

!“).

Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs ist die sichtbarste Ausprägung des staatlichen Gewaltmonopols. Dass dieses Gewaltmonopol in jeder Lage verantwortungsvoll ausgeübt wird, ist entscheidend für die Akzeptanz und die Unterstützung der Bevölkerung, auf die die Polizei bei ihrer Arbeit angewiesen ist.1

Die Tötung des Afroamerikaners George Floyd (durch Ersticken) in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota am 25.5.2020 durch einen Polizisten hat weltweit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei geführt.2 In Deutschland kam es seitdem zu vermehrten gewalttätigen Übergriffen gegen die Polizei, so etwa in der Nacht des 20./21.6.2020 in Stuttgart3 oder in der Nacht des 18./19.7.2020 in Frankfurt4.

Der Staat – und damit auch die Polizei – hat das Recht der Selbsttitulierung und Selbstvollstreckung. Dadurch braucht er nicht auf ein Gerichtsurteil zu warten, bis er vollstreckt, sondern kann sich durch Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln) einen eigenen Titel verschaffen.

Erläuterungen zur Selbsttitulierung

Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren unterscheidet sich im Wesentlichen vom privatrechtlichen Vollstreckungsverfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung dadurch, dass sich die öffentliche Verwaltung anders als die Bürgerinnen und Bürger nicht der Gerichte oder besonderer Vollstreckungsorgane zur Durchsetzung ihrer Ansprüche bedienen muss.

Die Behörde kann vielmehr auf Grundlage des Verwaltungsaktes eine Forderung oder Verpflichtung nach den gesetzlichen Vorschriften selber durchsetzen. Der Verwaltungsakt ersetzt dabei den gerichtlichen Titel (Privileg der Selbsttitulierung und Selbstvollstreckung).

Damit wird der Verwaltungsakt auch zum Zentralbegriff des Verwaltungsvollstreckungsrechts, denn nur wenn und soweit die Verwaltung befugt ist, in dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Verwaltungsakt zu handeln, kommt auch eine verwaltungsrechtliche Vollstreckung in Betracht. Fehlt es im konkreten Fall an dieser Befugnis, dann muss die Behörde in der Regel wie jede Bürgerin oder jeder Bürger die Gerichte anrufen, ein vollstreckbares Urteil erwirken und die Vollstreckung dieses Titels veranlassen.

II. Rechtsquellen

Hinsichtlich von (präventiven) Grund-Verwaltungsakten benötigen Sie für das Verständnis der Thematik wie gewohnt das ASOG. Auch sollte bereits bekannt sein, dass in Berlin grundsätzlich das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes – VwVfG (Bund) – zur Anwendung kommt. Die entsprechende Verweisvorschrift ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung (nachfolgend: VwVfG Bln).

Für die Verwaltungsvollstreckung gilt:

(Bitte zwingend die nachfolgende Vorschrift aufschlagen!)

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG Bln gilt das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes – VwVG – (Hinweis und Empfehlung für eine Klausur: Diese Prüfungskette, also § 8 Abs. 1 S. 1 VwVfG i. V. m. der jeweiligen Norm des VwVG, ist jedenfalls bei der ersten Zitierung in Prüfungsarbeiten regelmäßig aufzuzeigen).

Sofern durch die Polizeikräfte Berlins unmittelbarer Zwang zur Anwendung kommt, ist weiterhin noch das

Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin

(nachfolgend UZwG Bln) zu beachten. Das UZwG Bln ist ein Verfahrensgesetz:

Es regelt,

wie

bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges zu verfahren ist.

Das UZwG Bln regelt

nicht,

ob

unmittelbarer Zwang angewendet werden darf. Das UZwG Bln begründet keine Verpflichtung, unmittelbaren Zwang anzuwenden. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, hat die Vollzugsdienstkraft vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anwendung unmittelbaren Zwanges zu entscheiden.

5

Aus der folgenden Grafik geht hervor, welche Rechtsnormen Sie bereits kennen und welche für das Zwangsrecht noch hinzukommen. Daran können Sie aber auch erkennen, dass die Thematik eine gewisse Komplexität besitzt und dass Sie einige Zeit der Einarbeitung benötigen, um sich die Struktur zu erschließen.

Übersicht mit den bekannten und „neuen“ Texten

Für grundlegende Kostenfragen benötigen Sie weiterhin:

Gesetz über Gebühren und Beiträge (GebBtrG BE)

Gebührenordnung für die Benutzung polizeilicher Einrichtungen (Polizeibenutzungsgebührenordnung - PolBenGebO -); diese wurde aufgrund des § 6 Abs. 1 des GebBtrG BE erlassen.

Übersicht mit den wesentlichen Kostenregelungen

Hinweisen möchte ich zusätzlich noch auf die – meiner Meinung nach – sehr wichtigen Ausführungsvorschriften für Vollzugsdienstkräfte der Polizeibehörde zum UZwG Bln (nachfolgend AV Pol UZwG Bln) vom 6.9.2021, die ich (wie Sie bereits auf den ersten Seiten mitbekommen haben) an bestimmten Stellen auch mit eingearbeitet habe.

Diese ist online abrufbar unter:

https://www.berlin.de/sen/inneres/sicherheit/polizei/rechtsgrundlagen/avpoluzwgbln_2021_amtsblatt.pdf (zuletzt abgerufen am 5.9.2023)

Nachfolgend ein kleiner Auszug aus der AV Pol UZwG Bln:

[…]

Zu § 4

[…]

16. Vor Anwendung von Zwang ist zu prüfen, ob das Ziel nicht mit anderen Mitteln (zum Beispiel gütliches Zureden, energisches Auftreten) erreicht werden kann.

[…]

Zu § 19

[…]

76. Der Gebrauch des Schlag- bzw. Mehrzweckstocks gegen Personen kommt nur in Betracht, wenn besonders hartnäckiger oder gewaltsamer Widerstand zu brechen ist.

a) Gezielte Schläge auf Kopf, Nierengegend oder Unterleib sind unzulässig. Der Schlagstockgebrauch gegen Störerinnen und Störer, die sich nach Aufforderung entfernen, hat zu unterbleiben. […]

Ergänzendes Lernvideo:

„Einführung Verwaltungsvollstreckung“

1 Ausführungsvorschriften für Vollzugsdienstkräfte der Polizeibehörde zum UZwG Bln (nachfolgend abgekürzt: AV Pol UZwG Bln), Einleitung, S. 3.

2https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/floyd-justizminister-kritik-100.html (zuletzt abgerufen am 5.12.2023).

3 Aktuelle Stunde zu den Ausschreitungen vom 21. Juni in Stuttgart (03.07.2020), https://www.youtube.com/watch?v=xkdzjkjOe58 (zuletzt abgerufen am 5.12.2023).

4https://www.focus.de/panorama/welt/21-taeter-noch-unbekannt-randale-nacht-infrankfurt-mit-diesen-fotos-sucht-die-polizei-jetzt-nach-taetern_id_12354737.html (zuletzt abgerufen am 5.12.2023).

5 AV Pol UZwG Bln, S. 2.

E. Gedankliche Vorprüfung beim Zwang

Vor der Prüfung, ob die Anwendung von Zwang rechtmäßig war, sollte man gedanklich folgende Fragen beantworten:

Warum wende ich Zwang an?

Handle ich präventiv oder repressiv?

Welche Maßnahme setze ich mit Zwang (als Beugemittel) durch?

Wehre ich eine Gefahr für mich, Kollegen/Kolleginnen oder Dritte ab oder setze ich den Strafverfolgungsanspruch des Staates durch?

Hatte ich noch Zeit, eine Maßnahme und die Androhung auszusprechen?

Hat man diese fünf Stichpunkte für sich beantwortet, hat man die Aufgabe im Prinzip schon gelöst. Bevor man aber mit dem eigentlichen Schreiben beginnt, sollte man sich mit Hilfe einer Lösungsskizze den Lösungsweg „aufzeichnen“. Beim Erstellen der Lösungsskizze wird die Gedankenleistung erbracht. Bei der eigentlichen Anfertigung der Lösung sollte es sich immer um reine „Schreibarbeit“ handeln.

F. Formen des Verwaltungszwanges

Der Zwang ist das schärfste Schwert, das einer Verwaltungsbehörde zur Durchsetzung ihrer Maßnahmen zur Verfügung steht. Zwang hat jedoch keinen Selbstzweck, noch dient dieser der Bestrafung. Wenn ein Polizeivollzugsbeamter oder eine Polizeivollzugsbeamtin Zwang anwenden will, dann wenden diese den Zwang stets an, um eine (Grund-)Maßnahme durchzusetzen. Der Einsatz von Zwangsmitteln hat keinen Selbstzweck, sondern dient dazu, eine präventiv-polizeiliche (oder strafprozessuale) Maßnahme durchzusetzen.

Wichtig

Zwang dient als Beugemittel und ist ultima ratio der Rechtsdurchsetzung.

Oder etwas anders ausgedrückt:

Was passiert, wenn der Bürger NEIN sagt?

Der Staat / die Polizei muss handlungsfähig bleiben.

Im Verwaltungsvollstreckungsrecht gibt es grundsätzlich drei Zwangsmittel, um eine Maßnahme zu vollstrecken (siehe dazu § 9 Abs. 1 VwVG). Es existieren drei zulässige Zwangsmittel; andere Zwangsmittel sind unzulässig.

Übersicht präventive Zwangsmittel

Im täglichen Streifendienst dürfte für Polizeikräfte in aller Regel nur der unmittelbare Zwang gemäß § 12 VwVG von Bedeutung sein. Dennoch sind die beiden anderen Vollstreckungsarten für die Polizei als Behörde nicht ganz ohne Bedeutung.

I. Ersatzvornahme (§ 10 VwVG)

Kurzdefinition:

Bei der Ersatzvornahme handelt es sich um die Vornahme einer vertretbaren Handlung anstelle und auf Kosten des Handlungspflichtigen durch einen Dritten.

Durch § 10 VwVG wird der Begriff der Ersatzvornahme legal definiert – bitte jetzt lesen. Eine Ersatzvornahme ist die (kostenpflichtige) Beauftragung eines Dritten zur Vornahme einer vertretbaren Handlung, da der Polizeipflichtige die Handlung selbst nicht vornimmt und auch nicht vornehmen will. Es liegt demnach nur eine Ersatzvornahme vor, wenn die Behörde einen selbstständigen Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrags oder im Rahmen eines werkvertragsähnlichen Vertrags beauftragt.

Ersatzvornahme

Tatbestand

Rechtsfolge

1. TBM:

Beauftragung eines Dritten

Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen (nur positives Tun; kein Dulden und kein Unterlassen)

durch die Vollzugsbehörde mit der Vornahme der Handlung

2. TBM: Vertretbare Handlung?

Kostentragung

durch den Pflichtigen

Eine Handlung ist vertretbar, wenn die Vornahme durch einen Dritten tatsächlich und rechtlich zulässig ist und es für den Berechtigten (hier: Polizei Berlin) tatsächlich und wirtschaftlich gleichbleibt, ob der Pflichtige oder ein anderer die Handlung vornimmt.

Wichtig:

Der Bürger zeigt gegenüber der Behörde einen entgegengesetzten Willen. Der Sinn der Ersatzvornahme ist es, den Verpflichteten zu zwingen, die geforderte Maßnahme vorzunehmen. Demnach kann der Verpflichtete die Handlung bis zur Durchführung der Ersatzvornahme selbst vornehmen. Nimmt die Vollzugsbehörde die Handlung selbst vor, liegt keine Ersatzvornahme, sondern eine Selbstvornahme gemäß § 12 VwVG (= unmittelbarer Zwang) vor.

Der Vollstreckungsschuldner hat die Kosten zu tragen („auf Kosten des Pflichtigen“). Die Voraussetzung ist die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Vornahme einer bestimmten – vertretbaren – Handlung.

Definition vertretbare Handlung:

Eine Handlung ist vertretbar, wenn die Vornahme durch einen Dritten tatsächlich und rechtlich zulässig ist und es für den Berechtigten tatsächlich und wirtschaftlich gleichbleibt, ob der Pflichtige oder ein anderer die Handlung vornimmt.

Grundsätzlich kommt hierfür

nur positives Tun

in Betracht.

Dulden und Unterlassen ist nie vertretbar. Auch höchstpersönliche Handlungen sind nicht vertretbar (bspw. das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Corona-Pandemie).

Die drei Akteure bei der Ersatzvornahme im Überblick6:

Die Ersatzvornahme kommt nur bei vertretbaren Handlungen in Betracht. Wenn eine höchstpersönliche, d. h. eine unvertretbare Handlung vorliegt, entfällt die Ersatzvornahme (siehe dazu die nachfolgende Tabelle).

Unterscheidung

Vertretbare Handlung

Unvertretbare Handlung

Eine vertretbare Handlung kann

auch durch Dritte

vorgenommen werden. Rechtlich

Eine unvertretbare Handlung kann

nicht durch Dritte

vorgenommen werden.

und tatsächlich bleibt es für die Polizei oder die Ordnungsbehörde gleich, ob der Betroffene oder ein anderer diese erfüllt.

Dies sind höchstpersönliche Handlungen (z. B. die Vorladung, das Vorzeigen des Ausweises), die nur der Adressat erbringen kann.

Wird auch als

Fremdvornahme

bezeichnet.

Beispiel:

Beispiel:

Auf einem Berliner Grundstück in Rei- nickendorf brach eine Rattenplage aus, weil eine unbekannte Person den Tieren Futter serviert. Sie kletterten auch in die Dämmung des Nachbargebäudes. Nach einer Ortsbesichtigung durch das Gesundheitsamt verpflichtete das Bezirksamt

die nicht einsichtige Eigentümerin

des Grundstücks dazu, binnen einer Woche eine Fachkraft mit der Durchführung der Rattenbekämpfung zu beauftragen und hierüber das Bezirksamt schriftlich zu informieren.

Sollte dies nicht geschehen, drohte das Bezirksamt an, die nötigen Maßnahmen selbst auf Kos

ten der Eigentümerin vorzuneh

men.

Die Eigentümerin ist laut VG verpflichtet, die Plage zu bekämpfen - auch wenn sie diese nicht selbst heraufbeschworen hat.

7

Der X erhält einen Platzverweis. Kontrollfragen: Wer – außer der X – kann den Platzverweis vornehmen bzw. umsetzen? Was soll ein Dritter hier tun?

Antwort:

Nur der X, da der Platzverweis eine höchstpersönliche Handlung darstellt. Eine Ersatzvornahme kommt hier von Grund auf schon nicht in Betracht.

Weiterführend dazu VG Münster, Urt. v. 1.8.2024, 8 K 3248/22:

Ein Rentner, von dessen Grundstück Äste und Sträucher in einen Radweg hineinragen, muss die Kosten für deren Beseitigung übernehmen. Das Verwaltungsgericht (VG) Münster wies die Klage eines Mannes ab, der eine vom Landesbetrieb Straßen.NRW an ihn verschickte Rechnung für den Rückschnitt nicht bezahlen wollte.