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Deutsch lernen mit mörderischen Kurzgeschichten - Spannende Kurzkrimis zum Sprachenlernen - Schwierige Wörter werden extra erklärt. Für Fortgeschrittene (B1).
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Seitenzahl: 144
Mörderische Kurzkrimis
zum Deutschlernen
von Dominic Butler
PONS GmbHStuttgart
PONSUNTER DER ERDE
Mörderische Kurzkrimis
zum Deutschlernen
von Dominic Butler
Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
1.Auflage 2017
© PONS GmbH, Stöckachstraße 11, 70190 Stuttgart, 2017Alle Rechte vorbehalten
PONS Online-Wörterbuch: www.pons.euE-Mail: [email protected]
Projektleitung: Francesca GiamboniÜbersetzung und Adaptierung: Francesca Giamboni,Christian StraßenmeyerAutor: Dominic ButlerRedaktion: Christine BreslauerEinbandgestaltung: Anne Helbich, StuttgartLogoentwurf: Erwin Poell, HeidelbergLogoüberarbeitung: Sabine Redlin, LudwigsburgLayout: Petra Michel, Gestaltung & Typografie, EssenSatz: Datagroup Int. SRL, Timisoara
ISBN: 978-3-12-050118-3
Sie lesen gerne Krimis und möchten etwas für Ihr Deutsch tun? Mit diesen Kurzkrimis wird die deutsche Sprache zu einem spannenden und unterhaltsamen Erlebnis. Die verwendete Sprache passt genau zu Ihrem Lernniveau, so dass Ihnen das Lesen leicht fällt und Ihnen gleichzeitig viel Neues beibringt.
Die fett geschriebenen und nummerierten Wörter oder Ausdrücke zeigen, dass es hierzu Vokabelangaben gibt. Mit Klick auf ein fett geschriebenes und nummeriertes Wort öffnen Sie automatisch eine Fußnote mit der deutschen Übersetzung. Von hier können Sie zur Vokablelliste für das jeweilige Kapitel springen. Mit nochmaligem Klick auf das Wort in der Liste schließt sich diese wieder und Sie gelangen zurück zum Text.
Im Anhang können Sie nochmals alle Wörter und Ausdrücke in einer alphabetischen Wortliste nachschlagen.
Viel Spaß!
ÜBER DEN AUTOR
Dominic Butler
Dominic Butler stammt aus Nordengland. Er ist Englischlehrer und Schriftsteller. Nach seiner Schulzeit, die er an einer klassischen Grammar School (entspricht dem deutschen Gymnasium) verbrachte, studierte er Film und Literatur an der Sheffield Hallam University. Während seiner Studienzeit arbeitete er in Teilzeit als Gerichtsschreiber am Strafgericht in Sheffield. Dort erwachte sein Interesse für Kriminalfälle, die von nun an Thema vieler seiner Kurzgeschichten wurden. Dominic lebt und arbeitet zurzeit in Italien, wo er Englisch unterrichtet und gerade seinen ersten Roman beendet, einen düsteren, jedoch humorvollen Krimi.
„Das Allgäu ist ein Paradies für Skifahrer! Du kannst dich darauf verlassen1, du wirst diese Woche großen Spaß haben! Aber, wenn du alleine bist, komm doch gleich mit, du kannst gerne mit uns was essen“, sagte Lisa. Sie drückte die Tür der Berghütte2 auf und schaute sich nach ihren Freunden um. „Ah, da sind sie, komm mit. – Wie war dein Name nochmal?“
„Mia, ich heiße Mia.“
„Komm mit, Mia. Leute, könnt ihr noch ein bisschen zusammenrücken? Mia isst mit uns. Ich habe sie auf der Piste gefunden. Oder sie mich. Sie ist hier alleine und ich habe sie zu uns eingeladen. Mia, das sind Benedict, Sarah, Andrea, Mathias und Sebastian.“
„Hallo zusammen“, sagte Mia etwas schüchtern. Sebastian schaute sie dabei sehr interessiert an.
„Bitte nenn mich Seb, nur meine Steuerberaterin nennt mich Sebastian. Setz dich, bitte. Lisa, was hättet ihr denn gerne? Wir haben gerade bestellt. Pils und Punsch3 und zum Essen das Übliche. Also diese Dinger da, Speckknödel4. Soll ich für euch beide dasselbe bestellen?“
„Für mich gerne, danke, das hört sich gut an!“, lächelte Mia freundlich. Es machte ihr nichts aus, allein zu sein, aber diese Leute machten einen netten Eindruck. Sie freute sich schon auf die Gesellschaft. Und natürlich auf das warme Essen.
Als Sebastian zurückkam, war Mia schon im Gespräch. Und sie saß leider nicht neben ihm: Lisa saß zwischen ihnen. Benedict war gerade dabei, das Urlaubskonzept der Clique5 zu erklären: „Jedes Jahr machen wir einen Urlaub zusammen und jedes Jahr ist jemand anders an der Reihe, das Urlaubsziel festzulegen. Im Sommer finden wir meistens keinen Zeitraum, in dem wir alle können, also fahren wir immer im Winter. Und wir machen immer Sporturlaube. Das Allgäu hat Lisa ausgesucht. Wir sind auch schon in Südtirol gewesen, in Skandinavien und in Island. Aber kalt muss es sein, das gefällt uns gut. Und du? Kommst du öfter hierher?“
„Nein, in der Regel mache ich eher im Sommer Urlaub, aber dieses Jahr wollte ich was Neues ausprobieren. Ich habe mich spontan entschieden und keiner konnte mit, also bin ich allein hier.“
Andrea und Mathias hatten sich kurz vorgestellt, sich dann aber wieder in ihr Gespräch vertieft. Immer wieder wurden sie lauter und man konnte das Gespräch mithören.
„Mann, das ist wirklich krass6!“
„Was ist krass?“, fragte Benedict.
„Wir hatten es gerade von einem sehr speziellen Thema. Es geht um den perfekten Mord. Wir sind ... Also wir beide Andrea und ich arbeiten in einem Verlag, wir lesen Tausende von Manuskripten jedes Jahr. Na gut, also vielleicht nicht Tausende, aber viele. Und Krimis bekommen wir natürlich reichlich. Wir haben uns neulich darüber ausgetauscht7 und mussten feststellen, dass wir sozusagen Kriminalgedanken haben, seitdem wir in dem Job sind. Wir stellen uns einfach Situationen vor.“
Andrea fuhr fort: „Na ja, das ist auch nicht so wichtig. Jedenfalls sind wir vorhin in die Hütte hereingekommen und haben den geschmolzenen8 Schnee auf dem Boden gesehen. Daraufhin habe ich zu Mathias gesagt, dass alles eine Spur hinterlässt. Auf dieser Erde gibt es absolut nichts, das keine Spur hinterlassen würde. Zwar ist eine Spur nicht immer gut zu erkennen, aber alles verändert die Welt, auch die kleinste Bewegung. Und eine Spur bleibt immer. Aber wir wollen euch ja nicht langweilen.“
„Ganz im Gegenteil, das ist ein sehr spannendes Thema. Aber, wenn alles eine Spur hinterlässt, dann kann es kaum den perfekten Mord geben, oder?“, fragte Mia, plötzlich nicht mehr so schüchtern.
„Theoretisch nicht, das stimmt, aber in der Praxis gibt es welche, die nicht so einfach zu entdecken sind. Zum Beispiel … Also ich weiß, dass die Idee nicht allzu neu ist, aber ich finde, dass ein Eiszapfen9 als Mordwaffe ziemlich perfekt ist. Das Eis schmilzt, man kann also nicht sehen, wo es herkam und es gibt natürlich auch keine Fingerabdrücke“, erwiderte Andrea und zeigte offensichtliche Freude am Thema.
„Ja, das ist clever“, sagte Mia und fing an, sich Schal und Mütze auszuziehen. In der Berghütte war es angenehm warm und sie spürte, wie sich die Wärme von ihren Füßen an den Beinen entlang ihren Weg nach oben bahnte. Mia schaute sich kurz um. Die meisten Gäste sahen so aus, als wären sie nach einigen Schnäpsen und Bieren nicht mehr in der Lage, wieder Ski fahren zu gehen. Nicht umsonst passieren die meisten Unfälle auf den Pisten nachmittags. Ihre Nummer wurde gerufen, das Essen musste vorne an der Theke abgeholt werden. Sie standen zu dritt auf. Sebastian nutzte danach geschickt die Gelegenheit, sich neben Mia zu setzen.
„Was sagst du dazu, gefällt dir die Idee mit dem Eiszapfen?“, fragte Andrea laut, um die Lautstärke der fröhlichen Skifahrer zu übertönen.
„Ja, nicht schlecht, aber ich bevorzuge Feuer“, meinte Mia.
„Interessant, und wieso?“, wollte Mathias wissen.
„Vor allem, weil ein Brand wie ein Unfall aussehen kann.“
„Das stimmt, du hast Recht. Und was ist mit dem Motiv10? Wenn es ein perfekter Mord sein soll, darf das Motiv nicht offensichtlich sein. Hättest du da eine Idee?“
„Also, wer könnte wen mit Feuer umbringen?“, fragte Andrea.
„Ok. Sagen wir, es gäbe ein schönes, junges, verliebtes Pärchen.“
„Und er bringt sie um?“, schlug Mathias vor.
„Nein, sie ihn.“
„Alles klar. Aber, wenn sie verliebt sind, dann ist es wegen des Geldes? Sie will sein Geld erben11?“, fragte Mathias weiter.
„Nein, sie ist die Reiche.“
„Moment. Sie bringt ihn mit Feuer um. Sperrt sie ihn in einem Zimmer ein und zündet dann das Haus an?“
Andrea war nicht überzeugt.
„Nein, er könnte fliehen. Nein, sie muss sicher sein, dass alles nach Plan läuft. Die beiden essen zusammen zu Abend, wie jeden Abend. Sie hat gekocht. Und sie hat ihm seine eigenen Schlaftabletten ins Essen gemischt. Eine Stunde nach dem Abendessen geht sie wie immer joggen. Es ist Hochsommer und der Himmel ist noch hell. Sie wartet, bis er auf dem Sofa einschläft. Dann stellt sie eine Kerze neben den Vorhang und, wenn sie sicher ist, dass er brennt, geht sie aus dem Haus. Sie läuft eine belebte12 Strecke, so dass sie von vielen Leuten gesehen und gegrüßt wird. Sie wohnen in einem kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt“, erläuterte Mia ihren Plan sehr gefasst13.
„Ja, ok, aber die Schlaftabletten, die kann man bei der Obduktion14 sicher nachweisen.“ Andrea war immer noch nicht überzeugt.
„Nein, nicht diese Schlaftabletten. Ab einer bestimmten Temperatur lösen sich ihre Spuren im Blut komplett auf15. Und außerdem sind das seine Schlaftabletten, er nimmt sie täglich, jeder weiß, dass er nicht so gut schlafen kann“, erklärte Mia.
„Sehr geschickt!“, sagte Mathias. „Aber der Ehepartner ist immer der erste Verdächtige16.“
„Ja, du hast Recht, aber nicht in diesem Fall. Denn es ist so: Sie kommt von ihrer Joggingrunde zurück und einige Leute stehen vor der Tür und die Feuerwehr ist schon im Einsatz. Dann rennt sie ins Haus und versucht – so denken alle – ihn zu retten. Sie kommt dann in letzter Sekunde raus und hat sich mehrere Brandverletzungen geholt, sie hat für ihn ihr Leben aufs Spiel gesetzt17.“
„Ja, gut, OK, vielleicht würde die Polizei das sogar glauben, aber was für ein Motiv sollte sie denn haben?“, fragte Mathias.
„Ich weiß nicht. Ich glaube, dass man manchmal einfach nur Lust hat zu töten“, sagte Mia und schaute auf zu Sarah, Benedict und Lisa, die gerade mit den beladenen Tabletts zurückkamen, vorsichtig, um nichts umzuwerfen.
Sie kamen an und verteilten Teller und Gläser.
„Alles in Ordnung bei euch?“, fragte Sarah. „Mia, wenn sie etwas Komisches gesagt haben, mach dir nichts daraus18: Die beiden sind ein wenig speziell!“ Sie schaute provozierend zu ihren zwei Freunden hinüber, die einen etwas nachdenklichen Eindruck machten.
„Ha, ha, sehr witzig, Sarah“, erwiderte Mathias. „Wir haben uns gut benommen19, du kannst beruhigt sein. Oder, Mia?“
„Ja, sicher!“ Sie lächelte und nahm ihren Teller entgegen. „Oh, das sieht wirklich lecker aus, vielen Dank fürs Holen.“
„Kein Problem! Also dann, guten Appetit zusammen! Und Prost!“, sagte Benedict und fing an, einen Knödel durchzuschneiden.
„Hier fehlt zweimal Besteck, gibt es da vorne noch welches?“, fragte Mathias und wollte gerade aufstehen.
„Ich gehe schon, bleib doch sitzen“, sagte Mia und stand sofort auf. Mathias und Andrea beobachteten sie, wie sie zur Theke lief und sich über die Besteckkörbchen beugte. Plötzlich schauten sich die beiden erschrocken an. Konnte das sein? War das eine Verbrennung an ihrem Hals?
Ich erinnere mich nicht mehr an meinen Namen. Das ist das erste, woran ich denke, als ich zu mir komme1. Ich schaue mich irritiert um und versuche irgendetwas im dichten, dunklen Nebel zu erkennen. Ich ertaste mit der Hand mein Gesicht und fühle eine kleine Nase und einen kleinen Mund. Ich versuche, mich an mein Aussehen, an die Farbe meiner Haare oder die Form meiner Augen zu erinnern. Ich versuche, mich an irgendein Detail zu erinnern, Aber ich habe keine Ahnung, wer ich bin. Ich liege auf dem Boden, auf kaltem, nassem Gras. Ich bin allein. Wieso bin ich hier? Ich suche nach einer Antwort, finde aber keine. Der Nebel ist so dicht, dass ich in alle Richtungen nur ein paar Meter weit sehen kann. Ich versuche aufzustehen, aber ich bemerke einen pochenden Schmerz2 am Kopf, ich spüre ihn hinter meinem rechten Ohr. Ich fasse mich vorsichtig an und fühle eine große Beule3 und eine klebrige Flüssigkeit. Ich schaue auf meine Finger und selbst in der Dunkelheit kann ich die rote Farbe erkennen. Ich werde etwas unruhig, dann wird die Unruhe schnell zu Angst: Ich kann Gestalten4 im Nebel sehen. Ich merke dann schnell, dass es doch keine sind. Ich habe aber das Gefühl, dass ich irgendwohin muss und die Zeit knapp wird. Ich setze mich auf und untersuche meine Klamotten. Die Jeanshose scheint neu zu sein, sie ist aber mit Schlamm und Grasflecken verschmutzt. Das T-Shirt ist mir auch nicht vertraut: Es ist schlicht und schwarz. Ich leere meine Hosentaschen und zuerst finde ich nichts Interessantes: Kein Portemonnaie, keine Schlüssel, kein Handy. Aber dann sehe ich das Bild und ich halte inne5. Es ist eine Frau, und auch im Dunkeln kann ich sie erkennen. Ihre kurzen Haare stehen ihr so gut und ihre freundlichen blauen Augen sind einfach perfekt. Ja, ich kenne sie! Ich freue mich so, dass ich trotz der Schmerzen lachen muss. Wie ist ihr Name? Ich nehme einen letzten Gegenstand aus meiner Hosentasche heraus. Es ist eine Serviette mit einem einzigen Wort wieder und wieder darauf geschrieben. „Melanie“, sage ich leise in den Nebel hinein und der Klang meiner Stimme kommt mir kalt und merkwürdig6 vor. Melanie. Ich bin mir sicher, dass ich sie kenne, aber ich weiß nicht, woher. Ist sie meine Frau? Meine Freundin? Ich glaube, dass wir zusammen sind und plötzlich habe ich Angst, dass ihr etwas zustoßen7 könnte. „Melanie!“, schreie ich im Dunkeln, aber es kommt keine Antwort. Ich will ein zweites Mal nach ihr rufen, als es mir plötzlich einfällt. Es ist Melanies Gesicht, aber sie lächelt nicht wie auf dem Foto: Ihre Augen sind ängstlich und man kann Panik in ihrem Gesicht erkennen. Sie ist geknebelt8, so dass sie nicht reden kann, und sie ist an eine Säule gefesselt, so dass sie sich auch nicht bewegen kann. Nein, nein, ich muss das verhindern! Ich stelle mich hin und versuche, das Gleichgewicht zu halten. Für einen Moment weiß ich nicht, was ich tun soll, aber dann ist mir klar, dass ich sie schnellstmöglich finden muss. Ich muss ihr helfen. Ich denke an die Verletzung an meinem Kopf und frage mich, ob sich jemand hier in der Dunkelheit verstecken könnte. Hat dieser Jemand Melanie bei sich und will er ihr wehtun oder sie vielleicht gar umbringen? Ich hole Luft und stoße fast einen Schrei aus, aber dann überlege ich es mir anders: Wenn die Person, die Melanie gefangen hält, mich hört, ist Melanie in Gefahr. Und jetzt kommt mir noch ein Bild in Erinnerung: Es ist das Gesicht eines Mannes. Es ist ein gewöhnliches9 Gesicht mit dunklen Augen und fettigen dunklen Haaren. Das Gesicht hat nichts besonders Bösartiges an sich, aber ich weiß sofort, dass das der Mann ist, bei dem Melanie ist. Auf einmal hasse ich diesen Mann aus tiefster Seele. Ich fange an zu laufen, erst langsam, unsicher, in welche Richtung ich gehen soll. Der Weg wird auf einmal sehr steil und ich denke, dass das die richtige Richtung ist. Ich laufe jetzt schneller, auch wenn ich immer wieder ausrutsche, denn das Gras ist sehr glatt. Ich versuche, so schnell wie möglich voranzukommen. Während ich verzweifelt Richtung Bergspitze laufe, fallen mir immer mehr Details wieder ein. Ich kenne Melanie. Ich sehe sie vor meinem geistigen Auge10, als sie eine schwarze Schürze11 trägt. Oben an der Schürze steckt ein Namensschild mit ihrem Namen. „Hallo, Süßer“, sagt sie zu mir, „wie war dein Tag im Büro?“ Ich antworte nicht viel, schließlich muss ich nicht: Wir verstehen uns auch ohne Worte. Und ich weiß noch, dass ich dann auf dem Parkplatz auf sie warte, nachdem ich mit dem Essen fertig bin. Sie ist überrascht, mich dort aufzufinden. Aber das bin ich eben, spontan und immer voller Überraschungen.
Plötzlich höre ich den Knall eines Schusses und falle zu Boden. Kurz denke ich, dass ich gleich sterben werde und Melanie nicht werde helfen können. Aber dann merke ich ein Licht am Himmel und verstehe, dass es nur eine Leuchtrakete12 war. Ich sehe dem Licht zu, wie es den Berghang erhellt. Wer hat sie abgeschossen? Der Mann mit den fettigen Haaren? Weiß er, dass ich hier bin? Es ist gut, dass er nach mir sucht, so kann er Melanie nicht wehtun. Ich stehe wieder auf und laufe noch schneller bergauf. Sind das Stimmen hinter mir? Ich drehe mich um, aber der Nebel ist immer noch zu dicht, er verschleiert13 alles. Vor mir scheint er aber dünner zu werden und ich laufe jetzt etwas langsamer. Aus irgendwelchen Gründen bin ich mir sicher, dass ich sehr nah am Ziel bin – nah an Melanie? Ich fange an, den großen Umriss14 eines Gebäudes zu erahnen, das auf der Spitze des Hügels steht.
„Die Grabkapelle Württemberg“, kommt automatisch aus meinem Mund heraus.
„Ja“, antwortet eine Stimme, „und hier endet es auch.“
Ein großer Mann kommt hinter einer Säule15 hervor. Ich erwarte, dass er dunkle Augen und fettige Haare hat, aber er sieht anders aus: Seine Haare sind blond und seine Augen hell. Das ist nicht der Mann, der Melanie gefangen hält. Vielleicht ist das sein Partner, sein Komplize. Ich will rennen, als ich die Pistole in seiner Hand erblicke16.
„Ich will nur Melanie wiederhaben“, sage ich, aber ich sehe den Hass in seinen Augen, er hat überhaupt nicht vor, sie freizulassen. Er wird sich nicht überzeugen lassen, nicht mit bloßen Worten. Plötzlich fällt mir wieder ein, wo sie ist. Meine einzige Chance ist es, sie selber zu befreien und zusammen mit ihr zu fliehen.