Prinzessin Brambilla - E.T.A. Hoffmann - E-Book

Prinzessin Brambilla E-Book

E.T.A. Hoffmann

0,0

Beschreibung

Prinzessin Brambilla ist ein 1820 in Berlin von E. T. A. Hoffmann nach acht Kupferstichen von Jacques Callot geschriebenes literarisches Capriccio. In der ironischen Erzählung wird vom mäßig talentierten Schauspieler Giglio und der Giacinta erzählt, die anfangs in die kuriose Prinzessin Brambilla beziehungsweise dem Prinzen Cornelio verliebt sind. Am Ende der turbulenten Geschichte erkennen Giglio und Giacinta, dass sie ineinander verliebt sind. (aus wikipedia.de)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 226

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Prinzessin Brambilla

E. T. A. Hoffmann

Inhalt:

Ernst Theodor Amadeus (E.T.A.) Hoffmann – Biografie und Bibliografie

Prinzessin Brambilla

Vorwort

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Ernst Theodor Amadeus (E.T.A.) Hoffmann – Biografie und Bibliografie

Einer der originellsten und phantasiereichsten deutschen Erzähler, zugleich auch Musiker und Maler, geb. 24. Jan. 1776 zu Königsberg i. Pr., gest. 24. Juli 1822 in Berlin. Er studierte in seiner Vaterstadt die Rechte, arbeitete seit 1796 bei der Oberamtsregierung in Großglogau und seit 1798 bei dem Kammergericht in Berlin, wurde 1800 Assessor bei der Regierung in Posen, aber wegen einiger anzüglichen Karikaturen, die er gefertigt, 1802 als Rat nach Plozk und 1803 in gleicher Eigenschaft nach Warschau versetzt, wo damals auch J. E. Hitzig und Zacharias Werner als preußische Beamte tätig waren. Der Einmarsch der Franzosen 1806 machte hier seiner amtlichen Laufbahn ein Ende. Ohne Vermögen und ohne Aussichten im Vaterland, benutzte er seine musikalischen Talente zum Broterwerb und ging 1808 auf Einladung des Grafen Julius v. Soden als Musikdirektor bei dem neuerrichteten Theater nach Bamberg. Als dieses bald nachher geschlossen wurde, geriet er in die größte Not. Nachdem er sich einige Zeit durch Musikunterricht und Arbeiten für die Leipziger »Allgemeine musikalische Zeitung« die nötigsten Unterhaltsmittel erworben, erhielt er 1813 die Stellung als Musikdirektor bei der Secondaschen Schauspielergesellschaft und leitete bis 1815 das Orchester dieser abwechselnd in Dresden und in Leipzig spielenden Truppe. 1816 wurde er wieder als Rat bei dem königlichen Kammergericht in Berlin angestellt; er starb daselbst an der Rückenmarksschwindsucht nach qualvollen Leiden. H. hatte sich von Jugend auf mit Vorliebe dem Studium der Musik gewidmet. In Posen brachte er das Goethesche Singspiel »Scherz, List und Rache« aufs Thea ter, in Warschau »Die lustigen Musikanten« von Brentano, dazu die Opern: »Der Kanonikus von Mailand« und »Liebe und Eifersucht«, deren Text er nach ausländischen Mustern selbst bearbeitete. Auch setzte er die Musik zu Werners »Kreuz an der Ostsee« und komponierte für das Berliner Theater Fouqués zur Oper umgestaltete »Undine«, deren Partitur samt den prächtigen, nach Hoffmanns Entwürfen gefertigten Dekorationen bei dem Brande des Opernhauses zugrunde ging. Die Aufforderung, seine in der »Musikalischen Zeitung« zerstreuten Aufsätze zu sammeln, veranlaßte ihn zur Herausgabe der »Phantasiestücke in Callots Manier« (Bamberg 1814, 4 Bde.; 4. Aufl., Leipz. 1864, 2 Bde.), die großes Aufsehen machten und ihm die unterscheidende Bezeichnung »H.-Callot« verschafften. Weiter folgten: »Vision auf dem Schlachtfeld von Dresden« (Leipz. 1814); »Elixiere des Teufels« (Berl. 1816); »Nachtstücke« (das. 1817, 2 Bde.); »Seltsame Leiden eines Theaterdirektors« (das. 1818); »Die Serapionsbrüder« (das. 1819–21, 4 Bde.; nebst einem Supplementband, der Hoffmanns letzte Erzählungen enthält, das. 1825); »Klein Zaches, genannt Zinnober« (das. 1819, 2. Aufl. 1824); »Prinzessin Brambilla, ein Capriccio nach Jakob Callot« (das. 1821); »Meister Floh, ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde« (Frankf. 1822); »Lebensansichten des Katers Murr, nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler, in zufälligen Makulaturblättern« (Berl. 1821–22, 2 Bde.); »Der Doppelgänger«[423] (Brünn 1822) und einige kleinere Erzählungen, von denen »Meister Martin und seine Gesellen«, »Das Majorat«, »Das Fräulein von Scudéry«, »Der Artushof«, »Doge und Dogaresse« etc. wahre Meisterstücke der Novellistik genannt zu werden verdienen. H. war ein durchaus origineller Mensch, mit den seltensten Talenten ausgerüstet, wild, ungebunden, nächtlichem Schwelgen leidenschaftlich ergeben (wobei er in Berlin besonders an Ludwig Devrient einen geistesverwandten Genossen hatte) und doch ein trefflicher Geschäftsmann und Jurist. Voll scharfen und gesunden Menschenverstandes, der den Erscheinungen und Dingen sehr bald die schwachen und lächerlichen Seiten ablauschte, gab er sich doch allerlei phantastischen Anschauungen und abenteuerlichem Dämonenglauben hin. Exzentrisch in seiner Begeisterung, Epikureer pis zur Weichlichkeit und Stoiker bis zur Starrheit, Phantast bis zum fratzenhaftesten Wahnsinn und witziger Spötter bis zur phantasielosen Nüchternheit, vereinigte er die seltsamsten Gegensätze in sich, Gegensätze, in denen sich auch seine meisten Novellen bewegen. In allen seinen Dichtungen fällt der Mangel an Ruhe zuerst auf, seine Phantasie und sein Humor reißen ihn unaufhaltsam mit sich fort. Finstere Gestalten umkreisen und durchkreuzen stets die Handlung, und das Wilddämonische spielt selbst in die Welt der philisterhaften und modernen Alltäglichkeit hinein. In der Virtuosität, gespenstiges Grauen zu erwecken, werden wenige Erzähler H. erreicht haben; es ist glaubhaft, daß er sich, wie man erzählt, vor seinen eignen gespenstigen Gestalten gefürchtet habe. Die Sprache handhabte er mit großer Gewandtheit, wenn auch nicht ohne Manier. Als Musikkritiker hielt er zu Spontini und den Italienern gegen K. M. v. Weber und die aufblühende deutsche Oper, wirkte aber für das Verständnis Mozarts und Beethovens. Eine Sammlung seiner »Ausgewählten Schriften« erschien Berlin 1827–28, 10 Bde., denen seine Witwe Micheline, geborne Rorer, 5 Bände Supplemente (Stuttg. 1839) beifügte, welche die Erzählungen aus seinen letzten Lebensjahren und die 3. Auflage von Hitzigs Biographie (»Hoffmanns Leben und Nachlaß«, zuerst Berl. 1823) enthalten. Eine neue Ausgabe erschien u. d. T. »Gesammelte Schriften« (Berl. 1871–73. 12 Bde.), in der Hempelschen Sammlung (das. 1879–83, 15 Tle.) und, besorgt von E. Griesebach, in M. Hesses Klassikerausgaben (»Sämtliche Werke«, Leipz. 1899, 15 Bde.); eine gut kommentierte Auswahl der »Werke« bot Schweizer (das. 1896, 3 Bde.), eine andre mit Einleitung von Lautenbacher erschien im Cottaschen Verlag (Stuttg. 1894, 4 Bde.). Vgl. auch »Das Kreislerbuch, Texte, Kompositionen und Bilder.« Zusammengestellt von Hans v. Müller (Leipz. 1903). H. war auch ein geschickter Karikaturenzeichner, von dem mehrere Karikaturen auf Napoleon I. herrühren. Interessante Erinnerungen an H. gab Funck (K. F. Kunz) in seiner Schrift »Aus dem Leben zweier Dichter, Ernst Theod. Wilh. H. und Fr. G. Wetzel« (Leipz. 1836). Im Ausland, besonders in Frankreich, ist H. vielfach übersetzt und nachgeahmt worden. Vgl. Ellinger, E. T. A. Hoffmann, sein Leben und seine Werke (Hamb. 1894); O. Klinke, E. T. A. Hoffmanns Leben und Werke. Vom Standpunkte des Irrenarztes (Braunschw. 1903).

Prinzessin Brambilla, E. T. A. Hoffmann

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849616076

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Prinzessin Brambilla

Vorwort

Das Märchen »Klein Zaches, genannt Zinnober« (Berlin bei F. Dümmler, 1819) enthält nichts weiter als die lose, lockre Ausführung einer scherzhaften Idee. Nicht wenig erstaunte indessen der Autor, als er auf eine Rezension stieß, in der dieser zu augenblicklicher Belustigung ohne allen weitern Anspruch leicht hingeworfene Scherz mit ernsthafter wichtiger Miene zergliedert und sorgfältig jeder Quelle erwähnt wurde, aus der der Autor geschöpft haben sollte. Letzteres war ihm freilich insofern angenehm, als er dadurch Anlaß erhielt, jene Quellen selbst aufzusuchen und sein Wissen zu bereichern. – Um nun jedem Mißverständnis vorzubeugen, erklärt der Herausgeber dieser Blätter im voraus, daß ebensowenig, wie »Klein Zaches«, die »Prinzessin Brambilla« ein Buch ist für Leute, die alles gern ernst und wichtig nehmen. Den geneigten Leser, der etwa willig und bereit sein sollte, auf einige Stunden dem Ernst zu entsagen und sich dem kecken launischen Spiel eines vielleicht manchmal zu frechen Spukgeistes zu überlassen, bittet aber der Herausgeber demütiglich, doch ja die Basis des Ganzen, nämlich Callots phantastisch karikierte Blätter, nicht aus dem Auge zu verlieren und auch daran zu denken, was der Musiker etwa von einem Capriccio verlangen mag.

Wagt es der Herausgeber an jenen Ausspruch Carlo Gozzis (in der Vorrede zum »Ré de' geni«) zu erinnern, nach welchem ein ganzes Arsenal von Ungereimtheiten und Spukereien nicht hinreicht, dem Märchen Seele zu schaffen, die es erst durch den tiefen Grund, durch die aus irgendeiner philosophischen Ansicht des Lebens geschöpfte Hauptidee erhält, so möge das nur darauf hindeuten, was er gewollt, nicht, was ihm gelungen.

Berlin im September 1820.

Erstes Kapitel

Zauberische Wirkungen eines reichen Kleides auf eine junge Putzmacherin. – Definition des Schauspielers, der Liebhaber darstellt. – Von der Smorfia italischer Mädchen. – Wie ein kleiner ehrwürdiger Mann, in einer Tulpe sitzend, den Wissenschaften obliegt und anständige Damen zwischen Maultierohren Filet machen. – Der Marktschreier Celionati und der Zahn des assyrischen Prinzen. – Himmelblau und Rosa. – Pantalon und die Weinflasche mit wunderbarem Inhalt.

Die Dämmerung brach ein, es läutete in den Klöstern zum Ave: da warf das holde hübsche Kind, Giacinta Soardi geheißen, das reiche Frauenkleid von rotem schweren Atlas, an dessen Besatz sie emsig gearbeitet, beiseite und schaute aus dem hohen Fenster unmutig hinab in die enge, öde, menschenleere Gasse.

Die alte Beatrice räumte indessen die bunten Maskenanzüge jeder Art, die in dem kleinen Stübchen auf Tischen und Stühlen umherlagen, sorglich zusammen und hing sie der Reihe nach auf. Beide Arme in die Seiten gestemmt, stellte sie sich dann hin vor den offenen Schrank und sprach schmunzelnd: »In der Tat, Giacinta, wir sind diesmal fleißig gewesen; mich dünkt, ich sehe die halbe lustige Welt des Korso hier vor Augen. – Aber auch noch niemals hat Meister Bescapi bei uns solch reiche Bestellungen gemacht. – Nun, er weiß, daß unser schönes Rom dieses Jahr wieder recht aufglänzen wird in aller Lust, Pracht und Herrlichkeit. Gib acht, Giacinta, wie der Jubel morgen, an dem ersten Tage unsers Karnevals, sich erheben wird! Und morgen – morgen schüttet uns Meister Bescapi eine ganze Handvoll Dukaten in den Schoß. – Gib acht, Giacinta! Aber was ist dir, Kind? du hängst den Kopf, du bist verdrießlich – mürrisch? und morgen ist Karneval!«

Giacinta hatte sich in den Arbeitssessel gesetzt und starrte, den Kopf in die Hand gestützt, zum Boden nieder, ohne auf die Worte der Alten zu achten. Als diese aber gar nicht aufhörte, von der bevorstehenden Lust des Karnevals zu schwatzen, da begann sie: »Schweigt doch nur, Alte, schweigt doch nur von einer Zeit, die für andere lustig genug sein mag, mir aber nichts bringt als Verdruß und Langeweile. Was hilft mir mein Arbeiten bei Tag und Nacht? was helfen uns Meister Bescapis Dukaten? – Sind wir nicht bitterarm? müssen wir nicht sorgen, daß der Verdienst dieser Tage vorhalte, das ganze Jahr hindurch uns kümmerlich genug zu ernähren? was bleibt uns übrig für unser Vergnügen?«

»Was hat,« erwiderte die Alte, »was hat unsere Armut mit dem Karneval zu schaffen? Sind wir nicht voriges Jahr umhergelaufen vom Morgen bis in die späte Nacht, und sah ich nicht fein aus und stattlich als Dottore? – Und ich hatte dich am Arm, und du warst allerliebst als Gärtnermädchen – hihi! und die schönsten Masken liefen dir nach und sprachen zu dir mit zuckersüßen Worten. Nun, war das nicht lustig? Und was hält uns ab, dieses Jahr dasselbe zu unternehmen? Meinen Dottore darf ich nur gehörig ausbürsten, dann verschwinden wohl alle Spuren der bösen Konfetti, mit denen er beworfen, und deine Gärtnerin hängt auch noch da. Ein paar neue Bänder, ein paar frische Blumen – was bedarf es mehr für Euch, um hübsch und schmuck zu sein?« – »Was sprecht Ihr,« rief Giacinta, »was sprecht Ihr, Alte? – In den armseligen Lumpen sollt' ich mich hinauswagen? – Nein – ein schönes spanisches Kleid, das sich eng an den Leib schließt und dann hinabwallt in reichen dicken Falten, weite geschlitzte Ärmel, aus denen herrliche Spitzen hervorbauschen – ein Hütlein mit keck wehenden Federn, ein Gürtel, ein Halsband von strahlenden Diamanten – so möchte Giacinta hinaus in den Korso und sich niederlassen vor dem Palast Ruspoli. – Wie die Kavaliere sich hinandrängen würden – ›wer ist die Dame? – Gewiß eine Gräfin – eine Prinzessin‹, und selbst Pulcinella würde ergriffen von Ehrfurcht und vergäße seine tollsten Neckereien!« – »Ich höre,« nahm die Alte das Wort, »ich höre Euch zu mit großer Verwunderung. Sagt, seit wann ist denn solch ein verwünschter Hochmutsteufel in Euch gefahren? – Nun, wenn Euch denn der Sinn so gar hoch steht, daß Ihr es Gräfinnen, Prinzessinnen nachtun wollt, so seid so gut und schafft Euch einen Liebhaber an, der um Eurer schönen Augen willen tapfer in den Fortunatussäckel zu greifen vermag, und jagt den Signor Giglio fort, den Habenichts, der, geschieht es ihm, daß er ein paar Dukaten in der Tasche verspürt, alles vertrödelt in wohlriechenden Pomaden und Näschereien, und der mir noch zwei Paoli schuldig ist für den neugewaschnen Spitzenkragen.« –

Während dieser Reden hatte die Alte die Lampe in Ordnung gebracht und angezündet. Als nun der helle Schein Giacinten ins Gesicht fiel, gewahrte die Alte, daß ihr die bittren Tränen aus den Augen perlten: »Giacinta,« rief die Alte, »um alle Heiligen, Giacinta, was ist dir, was hast du? – Ei, Kind, so böse habe ich es ja gar nicht gemeint. Sei nur ruhig, arbeite nicht so emsig; das Kleid wird ja doch wohl noch fertig zur bestimmten Zeit.« – »Ach,« sprach Giacinta, ohne von der Arbeit, die sie wieder begonnen, aufzusehen, »ach, eben das Kleid, das böse Kleid ist es, glaub' ich, das mich erfüllt hat mit allerlei törichten Gedanken. Sagt, Alte, habt Ihr wohl in Euerm ganzen Leben ein Kleid gesehen, das diesem an Schönheit und Pracht zu vergleichen ist? Meister Bescapi hat sich in der Tat selbst übertroffen; ein besonderer Geist waltete über ihn, als er diesen herrlichen Atlas zuschnitt. Und dann die prächtigen Spitzen, die glänzenden Tressen, die kostbaren Steine, die er zum Besatz uns anvertraut hat. Um alle Welt möcht' ich wissen, wer die Glückliche ist, die sich mit diesem Götterkleide schmücken wird.« »Was,« fiel die Alte dem Mädchen ins Wort, »was kümmert uns das? wir machen die Arbeit und erhalten unser Geld. Aber wahr ist es, Meister Bescapi tat so geheimnisvoll, so seltsam – Nun, eine Prinzessin muß es wenigstens sein, die dieses Kleid trägt, und bin ich auch sonst eben nicht neugierig, so wär' mir's doch lieb, wenn Meister Bescapi mir den Namen sagte, und ich werde ihm morgen schon so lange zusetzen, bis er's tut.« »Ach nein, nein,« rief Giacinta, »ich will es gar nicht wissen, ich will mir lieber einbilden, keine Sterbliche werde jemals dies Kleid anlegen, sondern ich arbeite an einem geheimnisvollen Feenschmuck. Mir ist wahrhaftig schon, als guckten mich aus den glänzenden Steinen allerlei kleine Geisterchen lächelnd an und lispelten mir zu ›Nähe – nähe frisch für unsere schöne Königin, wir helfen dir – wir helfen dir!‹ – Und wenn ich so die Spitzen und Tressen ineinanderschlinge, dann dünkt es mich, als hüpften kleine liebliche Elflein mit goldgeharnischten Gnomen durcheinander und – O weh!« – So schrie Giacinta auf; eben den Busenstreif nähend, hatte sie sich heftig in den Finger gestochen, daß das Blut wie aus einem Springquell hervorspritzte. »Hilf Himmel,« schrie die Alte, »hilf Himmel, das schöne Kleid!« nahm die Lampe, leuchtete nahe hin, und reichliche Tropfen Öls flossen über. »Hilf Himmel, das schöne Kleid!« rief Giacinta, halb ohnmächtig vor Schreck. Unerachtet es aber gewiß, daß beides, Blut und Öl, sich auf das Kleid ergossen, so konnte doch weder die Alte, noch Giacinta auch nur die mindeste Spur eines Flecks entdecken. Nun nähte Giacinta flugs weiter, bis sie mit einem freudigen: »Fertig – fertig!« aufsprang und das Kleid hoch in die Höhe hielt.

»Ei, wie schön,« rief die Alte, »ei, wie herrlich – wie prächtig! – Nein, Giacinta, nie haben deine lieben Händchen so etwas gefertigt – Und weißt du wohl, Giacinta, daß es mir scheint, als sei das Kleid ganz und gar nach deinem Wuchs geschnitten, als habe Meister Bescapi niemandem anders als dir selbst das Maß dazu genommen?« »Warum nicht gar?« erwiderte Giacinta über und über errötend, »du träumst, Alte; bin ich denn so groß und schlank, wie die Dame, für welche das Kleid bestimmt sein muß? – Nimm es hin, nimm es hin, verwahre es sorglich bis morgen! Gebe der Himmel, daß beim Tageslicht kein böser Fleck zu entdecken! – was würden wir Ärmste nur anfangen? – Nehmt es hin!« – Die Alte zögerte.

»Freilich,« sprach Giacinta, das Kleid betrachtend, weiter, »freilich, bei der Arbeit ist mir manchmal es so vorgekommen, als müsse mir das Kleid passen. In der Taille möcht' ich schlank genug sein, und was die Länge betrifft« – »Giacinta,« rief die Alte mit leuchtenden Augen, »Giacinina, du errätst meine Gedanken, ich die deinigen – Mag das Kleid anlegen, wer da will, Prinzessin, Königin, Fee, gleichviel, meine Giacinina muß sich zuerst darin putzen.« – »Nimmermehr,« sprach Giacinta; aber die Alte nahm ihr das Kleid aus den Händen, hing es sorglich über den Lehnstuhl und begann des Mädchens Haar loszuflechten, das sie dann gar zierlich aufzunesteln wußte; dann holte sie das mit Blumen und Federn geschmückte Hütchen, das sie auf Bescapis Geheiß zu dem Anzuge aufputzen müssen, aus dem Schranke und befestigte es in Giacintas kastanienbraunen Locken. – »Kind, wie dir schon das Hütchen allerliebst steht! Aber nun herunter mit dem Jäckchen!« So rief die Alte und begann Giacinta zu entkleiden, die in holder Verschämtheit nicht mehr zu widersprechen vermochte.

»Hm,« murmelte die Alte, »dieser sanft gewölbte Nacken, dieser Lilienbusen, diese Alabasterarme, die Mediceerin hat sie nicht schöner geformt, Giulio Romano sie nicht herrlicher gemalt – Möcht' doch wissen, welche Prinzessin nicht mein süßes Kind darum beneiden würde!« – Als sie aber nun dem Mädchen das prächtige Kleid anlegte, war es, als ständen ihr unsichtbare Geister bei. Alles fügte und schickte sich, jede Nadel saß im Augenblick recht, jede Falte legte sich wie von selbst, es war nicht möglich zu glauben, daß das Kleid für jemanden anders gemacht sein könnte als eben für Giacinta.

»O all ihr Heiligen,« rief die Alte, als Giacinta nun so prächtig geputzt vor ihr stand, »o all ihr Heiligen, du bist wohl gar nicht meine Giacinta – ach – ach – wie schön seid Ihr, meine gnädigste Prinzessin! – Aber warte – warte! hell muß es sein, ganz hell muß es sein im Stübchen!« – Und damit holte die Alte alle geweihte Kerzen herbei, die sie von den Marienfesten erspart, und zündete sie an, so daß Giacinta dastand von strahlendem Glanz umflossen.

Vor Erstaunen über Giacintas hohe Schönheit und noch mehr über die anmutige und dabei vornehme Weise, womit sie in der Stube auf und ab schritt, schlug die Alte die Hände zusammen und rief: »O, wenn Euch doch nur jemand, wenn Euch doch nur der ganze Korso schauen könnte!«

In dem Augenblick sprang die Türe auf, Giacinta floh mit einem Schrei ans Fenster, zwei Schritte ins Zimmer hineingetreten, blieb ein junger Mensch an den Boden gewurzelt stehen, wie zur Bildsäule erstarrt.

Du kannst, vielgeliebter Leser, den jungen Menschen, während er so laut- und regungslos dasteht, mit Muße betrachten. Du wirst finden, daß er kaum vier-bis fünfundzwanzig Jahre alt sein kann und dabei von ganz artigem hübschen Ansehen ist. Seltsam scheint wohl deshalb sein Anzug zu nennen, weil jedes Stück desselben an Farbe und Schnitt nicht zu tadeln ist, das Ganze aber durchaus nicht zusammenpassen will, sondern ein grell abstechendes Farbenspiel darbietet. Dabei wird, unerachtet alles sauber gehalten, doch eine gewisse Armseligkeit sichtbar; man merkt's der Spitzenkrause an, daß zum Wechseln nur noch eine vorhanden, und den Federn, womit der schief auf den Kopf gedrückte Hut phantastisch geschmückt, daß sie mühsam mit Draht und Nadel zusammengehalten. Du gewahrst es wohl, geneigter Leser, der junge also gekleidete Mensch kann nichts anders sein, als ein etwas eitler Schauspieler, dessen Verdienste eben nicht zu hoch angeschlagen werden; und das ist er auch wirklich. Mit einem Wort – es ist derselbe Giglio Fava, der der alten Beatrice noch zwei Paoli für einen gewaschenen Spitzenkragen schuldet.

»Ha! was seh' ich?« begann Giglio Fava endlich so emphatisch, als stände er auf dem Theater Argentina, »ha! was seh' ich – ist es ein Traum, der mich von neuem täuscht? – Nein! sie ist es selbst, die Göttliche – ich darf es wagen, sie anzureden mit kühnen Liebesworten! – Prinzessin – o Prinzessin!« – »Sei kein Hase,« rief Giacinta, sich rasch umwendend, »und spare die Possen auf für die folgenden Tage!« –

»Weiß ich denn nicht,« erwiderte Giglio, nachdem er Atem geschöpft, mit erzwungenem Lächeln, »weiß ich denn nicht, daß du es bist, meine holde Giacinta, aber sage, was bedeutet dieser prächtige Anzug? – In der Tat, noch nie bist du mir so reizend erschienen, ich möchte dich nie anders sehen.«

»So?« sprach Giacinta erzürnt; »also meinem Atlaskleide, meinem Federhütchen gilt deine Liebe?« – Und damit entschlüpfte sie schnell in das Nebenstübchen und trat bald darauf, alles Schmucks entledigt, in ihren gewöhnlichen Kleidern wieder hinein. Die Alte hatte indessen die Kerzen ausgelöscht und den vorwitzigen Giglio tüchtig heruntergescholte, daß er die Freude, die Giacinta an dem Kleide gehabt, das für irgendeine vornehme Dame bestimmt, so verstört und noch dazu ungalant genug zu verstehen gegeben, daß solcher Prunk Giacintas Reize zu erhöhen und sie liebenswürdiger als sonst erscheinen zu lassen vermöge. Giacinta stimmte in diese Lektion tüchtig ein, bis der arme Giglio, ganz Demut und Reue, endlich so viel Ruhe errang, um wenigstens mit der Versicherung gehört zu werden, daß seinem Erstaunen ein seltsames Zusammentreffen ganz besonderer Umstände zum Grunde gelegen. »Laß dir's erzählen,« begann er, »laß dir's erzählen, mein holdes Kind, mein süßes Leben, welch ein märchenhafter Traum mir gestern nachts aufging, als ich, ganz müde und ermattet von der Rolle des Prinzen Taer, den ich, du weißt es, ebenso die Welt, über alle Maßen vortrefflich spiele, mich auf mein Lager geworfen. Mich dünkte, ich sei noch auf der Bühne und zanke sehr mit dem schmutzigen Geizhals von Impresario, der mir ein paar lumpichte Dukaten Vorschuß hartnäckig verweigerte. Er überhäufte mich mit allerlei dummen Vorwürfen; da wollte ich, um mich besser zu verteidigen, einen schönen Gestus machen, meine Hand traf aber unversehens des Impresario rechte Wange, so daß dabei Klang und Melodie einer derben Ohrfeige herauskam; der Impresario ging ohne weiteres mit einem großen Messer auf mich los, ich wich zurück, und dabei fiel meine schöne Prinzenmütze, die du selbst, mein süßes Hoffen, so artig mit den schönsten Federn schmücktest, die jemals einem Strauß entrupft, zu Boden. In voller Wut warf sich der Unmensch, der Barbar über sie her und durchstach die Ärmste mit dem Messer, daß sie sich im qualvollen Sterben winselnd zu meinen Füßen krümmte. – Ich wollte – mußte die Unglückliche rächen. Den Mantel über den linken Arm geworfen, das fürstliche Schwert gezückt, drang ich ein auf den ruchlosen Mörder. Der floh aber schnell in ein Haus und drückte vom Balkon herunter Truffaldinos Flinte auf mich ab. Seltsam war es, daß der Blitz des Feuergewehrs stehenblieb und mich anstrahlte wie funkelnde Diamanten. Und so wie sich mehr und mehr der Dampf verlor, gewahrte ich wohl, daß das, was ich für den Blitz von Truffaldinos Flinte gehalten, nichts anders war als der köstliche Schmuck am Hütlein einer Dame – O all ihr Götter! ihr seligen Himmel allesamt! eine süße Stimme sprach – nein! sang – nein! hauchte Liebesduft in Klang und Ton – ›O Giglio – mein Giglio!‹ – und ich schaute ein Wesen in solch göttlichem Liebreiz, in solch hoher Anmut, daß der sengende Schirokko inbrünstiger Liebe mir durch alle Adern und Nerven fuhr und der Glutstrom erstarrte zur Lava, die dem Vulkan des aufflammenden Herzens entquollen. – ›Ich bin‹, sprach die Göttin, sich mir nahend, ›ich bin die Prinzessin –‹« »Wie?« unterbrach Giacinta den Verzückten zornig; »wie? du unterstehst dich von einer andern zu träumen als von mir? du unterstehst dich in Liebe zu kommen, ein dummes einfältiges Traumbild schauend, das aus Truffaldinos Flinte geschossen?« – Und nun regnete es Vorwürfe und Klagen und Scheltworte und Verwünschungen, und alles Beteuern und alles Versichern des armen Giglio, daß die Traumprinzessin gerade so gekleidet gewesen, wie er eben seine Giacinta getroffen, wollte ganz und gar nichts helfen. Selbst die alte Beatrice, sonst eben nicht geneigt, des Signor Habenichts, wie sie den Giglio nannte, Partie zu nehmen, fühlte sich von Mitleid durchdrungen und ließ nicht ab von der störrischen Giacinta, bis sie dem Geliebten den Traum unter der Bedingung verzieh, daß er niemals mehr ein Wörtlein davon erwähnen sollte. Die Alte brachte ein gutes Gericht Makkaroni zustande, und Giglio holte, da, dem Traum entgegen, der Impresario ihm wirklich ein paar Dukaten vorgeschossen, eine Tüte Zuckerwerk und eine mit in der Tat ziemlich trinkbarem Wein gefüllte Phiole aus der Manteltasche hervor. »Ich sehe doch, daß du an mich denkst, guter Giglio,« sprach Giacinta, indem sie eine überzuckerte Frucht in das Mündchen steckte. Giglio durfte ihr sogar den Finger küssen, den die böse Nadel verletzt, und alle Wonne und Seligkeit kehrte wieder. Tanzt aber einmal der Teufel mit, so helfen die artigsten Sprünge nicht. Der böse Feind selbst war es nämlich wohl, der dem Giglio eingab, nachdem er ein paar Gläser Wein getrunken, also zu reden: »Nicht geglaubt hätt' ich, daß du, mein süßes Leben, so eifersüchtig auf mich sein könntest. Aber du hast recht. Ich bin ganz hübsch von Ansehn, begabt von der Natur mit allerlei angenehmen Talenten; aber mehr als das – ich bin Schauspieler. Der junge Schauspieler, welcher so wie ich verliebte Prinzen göttlich spielt, mit geziemlichen O und Ach, ist ein wandelnder Roman, eine Intrige auf zwei Beinen, ein Liebeslied mit Lippen zum Küssen, mit Armen zum Umfangen, ein aus dem Einband ins Leben gesprungenes Abenteuer, das der Schönsten vor Augen steht, wenn sie das Buch zugeklappt. Daher kommt es, daß wir unwiderstehlichen Zauber üben an den armen Weibern, die vernarrt sind in alles, was in und an uns ist, in unser Gemüt, in unsre Augen, in unsre falschen Steine, Federn und Bänder. Da gilt nicht Rang, nicht Stand; Wäschermädchen oder Prinzessin – gleichviel! – Nun sage ich dir, mein holdes Kind, daß, täuschen mich nicht gewisse geheimnisvolle Ahnungen, neckt mich nicht ein böser Spuk, wirklich das Herz der schönsten Prinzessin entbrannt ist in Liebe zu mir. Hat sich das begeben, oder begibt es sich noch, so wirst du, mein schönstes Hoffen, es mir nicht verdenken, wenn ich den Goldschacht, der sich mir auftut, nicht ungenützt lasse, wenn ich dich ein wenig vernachlässige, da doch ein armes Ding von Putzmacherin« – Giacinta hatte mit immer steigender Aufmerksamkeit zugehört, war dem Giglio, in dessen schimmernden Augen sich das Traumbild der Nacht spiegelte, immer näher und näher gerückt; jetzt sprang sie rasch auf, gab dem beglückten Liebhaber der schönsten Prinzessin eine solche Ohrfeige, daß alle Feuerfunken aus jener verhängnisvollen Flinte Truffaldinos vor seinen Augen hüpften, und entsprang schnell in die Kammer. Alles fernere Bitten und Flehen half nun nichts mehr. »Geht nur fein nach Hause, sie hat ihre Smorfia, und dann ist's aus,«