Professor Zamorra 1307 - Michael Mühlehner - E-Book

Professor Zamorra 1307 E-Book

Michael Mühlehner

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Beschreibung

Dorian Gray beugte sich über Zamorra. "Mein Porträt", zischte er. "Sie werden es finden und mir übergeben. Ich habe die Macht, Ihre Begleiter auszulöschen. Ich kann Ihr lächerliches Château ausradieren, wenn es mir gefällt. Und vergessen Sie nicht ihre Freunde drunten in diesen widerlichen Kaff. Ich würde jedem Einzelnen die Kehle durchschneiden!"
Das Gesicht vor Zamorras Augen verwandelte sich in eine schreckliche Grimasse.
"Mein Porträt! Finden Sie es - oder ich komme wieder! Und denken Sie an Ihre Gefährtin, Zamorra - sie könnte auch mir gefallen!"

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Seitenzahl: 118

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Inhalt

Cover

Die Rückkehr des Dorian Gray

Leserseite

Vorschau

Impressum

Die Rückkehr des Dorian Gray

von Michael Mühlehner

Shanghai, nahe dem Hafen

Die Höhle barg ein entsetzliches Geheimnis.

Wo immer das Licht der Handscheinwerfer auch hinfiel, entriss es der modrigen Finsternis die wahre Bedeutung der Kammern und Nischen.

Inspektor Shanto Hoi wagte kaum, die jahrhundertealte Luft einzuatmen. Den Gestank von Fäulnis und Zersetzung gab es zwar nicht mehr, doch auch so schmeckte jeder aus der kleinen Gruppe das Miasma des Grabes ...

Tote Augenhöhlen starrten ihnen aus der Dunkelheit entgegen. Auf Strohmatten, kleinen Schlafkojen oder auf dem nackten Felsboden kauerten die Skelette von Menschen. Die Knochen, vom Alter und der Luft braun gefärbt, bedeckt von den Überresten armseliger Kleidung, ruhten seit gut hundert Jahren in der Höhle. Wenn nicht schon länger.

Ein Teil der von Säulen aus Steineiche gestützten Decke war eingebrochen, ebenso wie Abschnitte der plankenverstärkten Wände.

Umgeworfene primitiv gezimmerte Tische und Kisten lagen zwischen den Trümmern. Ein paar Öllampen und die Splitter von Opiumpfeifen.

Wahrscheinlich hatten die Schläfer ihr Ende gar nicht mitbekommen. Eingehüllt in den Wonnen des Opiumtraums war der Tod für sie nur eine weitere Halluzination. Die sie allerdings das Leben kostete.

Warum die Höhle eingestürzt war, mochte verschiedene Ursachen gehabt haben. Der Untergrund bestand aus hartem Felsen. In mühseliger Arbeit mussten die Stollen und Tunnel gegraben worden sein. Mit Spitzharke und Eisenpickel. Welches Gebäude ursprünglich über den Zugang in die Tiefe gestanden hatte, musste noch ermittelt werden. Eine Rolle spielte es nicht.

Der Bau eines U-Bahn-Tunnels hatte die Höhle zurück in die Wahrnehmung der Menschen geführt. Was nun damit passieren würde, hatten die Behörden zu entscheiden.

Shanto war sich der Unruhe der anderen sehr wohl bewusst. Mitarbeiter der Baufirma, einer aus der Architektengruppe, ein Ingenieur und ein Bauleiter.

Sie alle warteten gespannt auf Shanto Hois Entscheidung.

»Diese Höhle hat historisch keinerlei Bedeutung«, ließ sich der Architekt vernehmen. »Ich glaube nicht, dass sich das Amt für Archäologie dafür großartig interessiert.« Der Mann, sportiv, erfahren und gewohnt, seine Entwürfe in die Tat umgesetzt zu sehen, schaute den mittelgroßen, dünnen Inspektor erwartungsvoll an.

Mit seinen sechsundzwanzig Jahren war Shanto einer der jüngsten Inspektoren der Abteilung für Historie und Archäologie.

»Für wie lange bleibt der Bau eingestellt?«, fragte der Ingenieur. »Wir haben Zeitpläne, an die wir uns halten müssen. Schon jetzt musste die Bahngesellschaft wegen der Baumaßnahmen die Linien reduzieren. Sie können sich die wirtschaftlichen Verluste sicherlich vorstellen. Wir müssen so schnell wie möglich den neuen Tunnel fertigstellen. Längere Unterbrechungen kann sich niemand leisten!«

Und der Bauleiter brummte: »Wenn einer der Motoren des Bohrers nicht schlapp gemacht hätte, wüsste niemand von der Existenz dieser Opiumhöhle.«

Dann wäre der Spalt im Fels unentdeckt geblieben, und der gigantische Bohrkopf hätte in seinem Vortrieb die Höhle pulverisiert.

»Das Amt wird seine Untersuchung so schnell wie möglich durchführen«, erwiderte Shanto die stereotype Floskel seiner Behörde. »Aber zuerst müssen die sterblichen Überreste der Toten für eine Bestattung überführt werden.«

Architekt und Ingenieur sahen sich vieldeutig an, ehe sie den Bauleiter mit ihren Blicken aufspießten.

Aha, dachte Shanto Hoi. Er oder einer aus seinem Team hat sich an die Vorschriften gehalten und das Amt alarmiert. Wenigstens einer, der die Ruhe der Toten ehrt!

Ohne ein weiteres Wort ging der Inspektor tiefer in das halb zerfallene Gewölbe hinein. Der Lichtstrahl wanderte über die gähnenden Nischen, durch die Überreste halb zerfallener Stoffvorhänge und über simpel gehaltene Reliefbilder. Eine aus den Angeln gerissene Eisentür gab den Weg in einen schmalen Stollen frei.

Shanto hatte sich so seine Gedanken gemacht. Der Zustand der Höhle ließ durchaus den Schluss zu, dass eine Explosion für den Einsturz verantwortlich zeichnete. Vielleicht hatten rivalisierende Gangs oder Triaden um mehr Gebietsansprüche gekämpft.

Das lag durchaus im Bereich des Möglichen.

Er hörte die zögerlichen Schritte der anderen, als sie ihm durch den engen Tunnel folgten.

Ein schmaler Vorraum mit einem staubbedeckten Holztisch und mehreren Kisten an den Seiten bildete das Ende des Stollens.

Der Lichtstrahl fiel direkt gegenüber auf eine breite Jade-Platte. Etwa eineinhalb auf eineinhalb Meter groß, verziert mit mystischer Ornamentik.

Shantos Begleiter atmeten scharf ein.

Die Entdeckung der Platte bedeutete Schwierigkeiten!

Er wartete die Fragen der anderen erst gar nicht ab, sondern trat entschlossen an die Wand, betrachtete die feingearbeiteten Verzierungen, entdeckte vertraute Muster aus der chinesischen Mythenwelt und wusste instinktiv, dass er hier vor einer großen Entdeckung stand.

Vorsichtig hob er die Hand, seine Finger glitten über die Oberfläche der Platte, dann an den Kanten entlang. Die Platte ragte zwei Zentimetern heraus, und wie der Inspektor fachmännisch erkannte, war sie in den Fels eingelassen.

Mehr noch, sie verbarg eine Öffnung!

»Was ist das?« fragte der Bauleiter mit gepresster Stimme.

»Ein Siegel«, gab Shanto Hoi zur Antwort. »Leuchten Sie den Fels ab. Es muss irgendwo einen Öffnungsmechanismus geben. Die Platte verdeckt den Zutritt zu einem Raum!«

Niemand bezweifelte die Worte des Inspektors. Nach kurzer Suche entdeckten sie ein getarntes Loch im Gestein. Es barg einen Hebel. Er ließ sich mühelos bewegen und aktivierte eine raffinierte Mechanik.

Lautlos schwang die Jade-Platte auf.

Der Raum dahinter war unbeschädigt und hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Grabkammer. Diamantgrüne Lichtreflexe blitzten im Schein der Taschenlampen auf. Shantos Begleiter murmelten aufgeregt durcheinander. Der Inspektor wartete noch ein paar Sekunden, ehe er die Kammer betrat.

Staub lag fingerdick auf der spärlichen Einrichtung. Es gab geschnitzte Truhen, Holzmasken mit Jadesplittern hingen an den Wänden und ein altarartiges Gestell, in dem kristallene Phiolen steckten.

Ein merkwürdiger, sargartiger Kasten nahm die Mitte des Raums ein. Irgendwie erinnerte der Gegenstand Shanto an eine alchimistische Apparatur. Eine menschengroße Kiste, deren Seitenverkleidung zum Teil aus jadegrünen Steinplatten bestand, zum Teil aus in Blei gefassten Glasscheiben. Das Alter hatte sie blind gemacht, jedenfalls ließen Staub und Spinnweben einen Blick ins Innere nicht zu. Ein Deckel aus grünem Kristall schloss die Kiste ab. Seine Oberfläche zierten verworrene filigrane Muster. Rätselhaft waren auch die fünf, fast kniehohen Opiumpfeifen, die links und rechts und am Kopfende des Behälters standen. Schläuche führten zu Öffnungen am Sarkophag. Jede Opiumpfeife schmückte ein Symbol der fünf traditionellen Elemente der chinesischen Alchemie: Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser.

Vorsichtig machte Shanto ein paar Schritte. Hinter sich hörte er die anderen, wie sie die Kammer betraten. Das Licht der Lampen hellte das Innere jetzt aus.

Die Luft roch trocken und irgendwie widerlich süß. Niemand dachte daran, dass vielleicht Keime den Raum kontaminierten. Shanto glaubte es auch gar nicht.

Die Kammer war ein so genannter Opium-Divan, davon war der Inspektor überzeugt.

Und der Sarkophag erfüllte auch nicht die Funktion einer Totenkiste, sondern einer speziellen Liegestatt für den Opiumschläfer.

Ohne dass die Männer es bemerkten, richteten sie alle ihre Scheinwerfer auf den Jadedeckel.

Die filigranfeinen Zeichen und Symbole darauf waren dem Inspektor völlig fremd. Er konnte sie keiner alten Dynastie zuordnen.

Als er sich in die Knie beugte, hörte er die fragende Stimme des Ingenieurs.

»Was machen Sie da, Inspektor?«

Shanto wandte leicht den Kopf. »Keine Sorge, ich möchte nur einen Blick riskieren.« Er griff in seine Hosentasche und wischte mit einem Taschentuch über das schmutzige Glas. Neugierig traten die drei Männer näher.

Shanto versuchte durch das Glas zu sehen, doch die Lichtreflexionen waren zu stark.

»Warten Sie«, sagte der Vorarbeiter. »Vielleicht geht es so besser.« Von einem Halter an der Höhlenwand nahm er eine alte Blendlaterne. Sie enthielt noch Öl, und kurze Zeit später wuchs eine Flamme am Docht hoch.

Mit der brennenden Laterne trat der Mann an den Sarkophag und reichte sie Shanto Hoi.

»Das Licht ist weicher. Vielleicht können Sie jetzt mehr erkennen.«

Zuerst sah Shanto nur Schatten. Aber dann konnte er Konturen ausmachen. Und schließlich erkannte er den Inhalt der schreinartigen Kiste.

Er hatte sich nicht getäuscht. Es war die Liegestatt eines Opiumschläfers!

Eine beinahe mumifizierte Gestalt lag darin. Langes, spärliches Haar umrahmte ein faltiges, fleischloses Gesicht. Auf Stirn- und Wangenknochen spannte eine fast bräunliche Haut. Wie Löcher klafften die Augenhöhlen im Schädel. Die langen Wimpern erinnerten an Spinnenkokons. Die Nase war ein verschrumpelter Knorpel. Ein lippenloser Mund enthüllte schwarzgelbliche Zähne. Ein grauer, unansehnlicher Bart wallte bis auf den eingefallenen Oberkörper.

Shanto versuchte mehr zu erkennen. Die Fetzen eines Kittels bedeckten Brust und Schultern des Toten. Die Arme waren dünn wie morsche Zweige, die Nägel an den Fingern überlang.

Der Mann musste schon Jahrzehnte in dem Behälter liegen. Der Opiumrausch mochte für einen unbeschwerten Tod gesorgt haben.

»Was sehen Sie, Inspektor?« Shanto achtete nicht auf die Frage. Stirnrunzelnd hob er die Laterne leicht an. Irgendetwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er presste den Kopf an das Glas, starrte mit zusammengekniffenen Augen. Täuschte ihn das Licht, schuf es eine Halluzination, ein Trugbild. Es konnte doch nicht sein, das ...

Aber jetzt sah er es ganz deutlich. Der Brustkorb der Leiche hob sich in einem flachen Rhythmus. Das – das waren Atemzüge!

»Inspektor, was ist mit Ihnen?« Der Vorarbeiter beugte sich herab, schaute selbst, brummte etwas beim Anblick der mumienhaften Gestalt.

»Sehen Sie auf seinen Brustkorb«, keuchte Shanto mit schweißnasser Stirn. »Fällt Ihnen etwas auf?«

»Bei den Göttern – er atmet! Ist das denn möglich?«

Die anderen wollten jetzt auch wissen, was hier vor sich ging. Shanto zog sich etwas zurück, um den Architekten und dem Ingenieur Platz zu machen.

»Das muss eine Täuschung sein!« riefen sie.

»Es gibt nur eine Möglichkeit, Es herauszufinden«, sagte der Inspektor entschlossen und stemmte sich gegen die Jadeplatte. Alleine war er zu schwach, doch seine Begleiter waren jetzt ebenfalls von einer fiebrigen Aufregung erfasst. Sie legten ihre Taschenlampen weg und gemeinsam gelang es ihnen, den Jadestein zu verschieben.

Ein winziger Spalt wurde rasch größer, zum Schluss lag der Kristalldeckel verschoben auf der Kiste.

Nicht Modergeruch entströmte dem Inneren, sondern der süßliche Duft verbrannten Opiums

Und das drohende Knurren eines angriffsbereiten Raubtieres. Die anderen wichen entsetzt zurück, aber da war es schon zu spät.

Die Jadeplatte flog zur Seite, fortgeschleudert als hätte sie kein Gewicht. Ein Schemen sprang aus dem Inneren der Schlafstätte, Shanto glaubte blau leuchtende Augen zu sehen und karmesinrote Lippen. Weiße, blutlose Haut schimmerte über fleischlose Rippen.

Im nächsten Moment wurde er von etwas getroffen, das Jacke und Hemd vor seiner Brust zerfetzte. Er landete halb betäubt auf dem harten Felsboden, der Schmerz im Oberkörper raubte ihm schier den Atem.

Schreie gellten plötzlich durch die Kammer.

Wie eine Raubkatze sprang das Geschöpf aus dem Sarg, Schatten füllten die Jadekammer, das Licht der Taschenlampen und der Blendlaterne schuf bizarre Formen. In das Schreien der Männer mischte sich das wilde Knurren des Unheimlichen. Noch um Atem ringend, hörte der Inspektor Kampfgeräusche. Fäuste, die mit der Wucht von Schmiedehämmern auf Körper einschlugen, das Brechen von Knochen, das Reißen von Fleisch. Der Geruch warmen Blutes breitete sich aus. Ein Mann wurde gegen die Wand neben den Eingang geworfen, ein anderer krachte gegen eine schwere Truhe. Der dritte starb mit einem gurgelnden Schrei auf den Lippen.

Shanto versuchte auf die Beine zu kommen, da stand das Wesen plötzlich vor ihm. Dürr und hager, die Fetzen des Kittels glänzten blutbesprenkelt. Purpurrote Flüssigkeit tropfte von den klauenartigen Fingern. Die tief in den Höhlen liegenden Augen fixierten Shanto Hoi mit einem leidenschaftslosen Blick.

»Nein!«, keuchte der Inspektor von Grauen erfüllt. Aber das unheimliche Geschöpf kannte keine Gnade.

Zwei Tage später saß ein schweigsamer Mann in einer verrufenen Spelunke am Hafen. Er machte einen verwahrlosten Eindruck, der grüne Mantel, den er trug, hatte schon bessere Tage gesehen. Das einst weiße Unterhemd war schweißfleckig und starrte vor Schmutz. Vor sich hatte er einen Glaskrug mit dünnem Bier stehen. Bisher hatte er noch keinen Schluck davon getrunken. Stumpfsinnig stierte er vor sich hin, das graue, fettige Haar hing ihm wild in das derbe Gesicht. Der wuchernde Vollbart unterstrich noch sein gossenhaftes Aussehen. Die lauten Geräusche um sich herum nahm er nur gelegentlich war. In seinem getrübten Geist wechselten sich verwirrende Erinnerungen mit neuen Bildern ab. Ab und zu starrte er auf seine schmutzigen Hände. Breite, rauhe Finger, die ihn anwiderten und ihm völlig fremd waren. Er glaubte noch jetzt das Blut daran zu sehen.

Wenn er sich rührte, klirrten in den Manteltaschen ein paar Münzen Kleingeld und das Kristall der Glasphiolen.

Er musste sich konzentrieren, um einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Umwelt war nicht nur laut und aggressiv, sondern fremd und unbekannt. Seit zwei Tagen irrte er durch das Hafenviertel, die Umgebung raubte ihm fast den Verstand. Das war kein Hafen, wie er ihn in Erinnerung hatte. Ein riesiger Moloch, der einen Menschen leicht verschlucken konnte, und dabei war das Viertel nur ein Teil einer riesigen Stadt, die nicht nur in die Ferne, sondern auch in den Himmel wuchs.

Die Bilder erschlugen fast den Verstand des Fremden. Gewaltige Hochhäuser, die an den Wolken kratzten, Straßen, bevölkert von Menschen und mobilen Maschinen. Lichter, die Tag und Nacht leuchteten, Stimmen, die die Luft erfüllten. Gestank, Lärm, Hektik. Eine bizarre Welt, deren Regeln er nicht kannte.

Mehrmals hatte er sich vor uniformierten Polizisten verstecken müssen. Er hatte sich Kleidung beschafft und Geld, denn wenn sich die Welt auch verändert hatte, eines hatte festen Bestand. Geld war der beherrschende Faktor.

Wieder glitten seine Gedanken ab. Seine Erinnerungen waren wie ein blutig roter Albtraum. In seinen Adern und Venen brannte das Verlangen nach Opium. Sein Gehirn schmerzte vor Entzugserscheinungen. Er wusste die Phiolen in seiner Manteltasche, kannte deren Inhalt. Mit Opiaten versetzter Theriak. Aber noch war es zu früh, um einen weiteren Schluck davon zu nehmen. Irgendjemand – vielleicht er selbst – hatte es seinem Verstand so eingetrichtert. Womöglich vor langer Zeit, bevor er sich in dem Jadeschrein zur Ruhe legte. Der Welt entsagte – nein, vor ihr floh.

Er verspürte plötzlich Angst im Herzen. Eine Furcht, die sein brütendes Denken lähmte, die seinen Geist erstarren ließ.

Nicht vor der Welt war er geflohen, dachte der Fremde. Da war etwas anderes. Eine Bedrohung, gegen die er keinen anderen Ausweg wusste.

Wieder zerbrach eine Gedankenkette, stürzte sein Bewusstsein in ein bedeutungsloses Grübeln.

Als würde Dunkelheit sein Inneres verschlingen. Irgendwann schälte sich wieder ein Gedanke aus dieser wesenlosen Schwärze.

Ihm war kalt, und er fühlte sich von allen Seiten angestarrt, beobachtet von Augen, in denen Gier und Gewalt mit der erbarmungslosen Bereitschaft zum Töten wetteiferten.

Wer bin ich