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Kann uns eine pseudonyme Welt verführen? Dieser Überlegung widmet sich dieses kleine Büchlein mit kurzen Geschichten und Fragmenten. Eine pompöse Twitter-Hymne erzählt von einer Zeit kultureller Blüte, während uns ein Höhlengleichnis vor der Freiheit pseudonymer Schatten warnt. Ein Mädchen träumt von ihrer Unschuld in digitalen Zeiten, ein Nerd von ihren Selfies.
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Seitenzahl: 41
Kann uns eine pseudonyme Welt verführen?
Dieser Überlegung widmet sich dieses kleine Büchlein mit kurzen Geschichten und Fragmenten. Eine pompöse Twitter-Hymne erzählt von einer Zeit kultureller Blüte, während uns ein Höhlengleichnis vor der Freiheit pseudonymer Schatten warnt. Ein Mädchen träumt von ihrer Unschuld in digitalen Zeiten, ein Nerd von ihren Selfies.
Liebe Leserin / Lieber Leser / Liebes Les,
wer sind wir in einer pseudonymen Welt, wenn sie uns die Wahl lässt? Wir bleiben, wer wir bereits sind. Viel zu beschäftigt für die eigene Phantasie, zu selbstbezogen für eine fremde Idee. Dabei könnten wir all die neuen pseudonymen Räume als Nymphen bevölkern und als diese „Pseudonymphen“ das Neue als eine Möglichkeit lieben. Als freie Geister wären wir unserer Natur weiter auf der Spur. Wir könnten offenlassen, was uns reizt.
Doch die alte Welt folgt uns und will uns nicht lassen. Sie drängt in unsere Nischen, in unsere abgelegenen Tümpel und Blockhütten am Rande des schnöden Daseins. Wir fliehen weiter vor ihrem misanthropen Ernst und geben uns neue Namen, um diesem Fatalismus zu trotzen, der unsere Freiheit für seine eigene hält.
Die folgenden Texte deuten diese Flucht und ihre Möglichkeiten nur an. Nicht jeder wird sie verstehen. Dieser Umstand bleibt eine ihrer Ursachen.
Felipe oGnzo
„Legen wir unsere Namen ab und wählen wir in Zukunft selbst, wer wir sind.“
Zizi Zola
Ein pseudonymes Höhlengleichnis
Zuckerwatte
Camouflage
Nach richten
Sporen statt Spuren
Ein Tweet am Ende des Stroms
Den Ernst genommen
Die Welt hinter dem Duckface
Nur ein Kompliment
Eintreiber des Glücks
Masse und Maß
Eklektrizität
Nachwort
– Angenommen, es gäbe einen Ort, der uns ein Handeln ohne Konsequenzen böte…
– Wie könnte ein solcher Ort existieren? Wachen nicht die Götter über uns, ist es nicht das Schicksal, dem wir unterliegen?
– Warte noch mit deinen Zweifeln und folge zunächst meinem Gedankenspiel, mein Freund. Angenommen, es gäbe einen Ort, an dem wir sein dürften, ohne dass die Götter uns sehen könnten, ohne dass unsere Nachbarn und Verwandten stetig ihr Urteil fällen über unser Tun. An dem wir uns geben könnten, wie es unser Wunsch ist, frei von Zwängen und den Regeln der Priester…
– Wo könnte dieser Ort sein. Einsam und hoch oben in den Bergen, oder in einer tiefen Höhle versteckt und ohne Tageslicht?
– Es könnte ein Raum sein, an dem wir heimlich Zeichen niederlegen, ohne unseren Namen zu hinterlassen, ein Ort, zu dem jeder einen eigenen Eingang besitzt, den niemand anderes benutzen kann und zu dem man stets ungesehen Zugang findet. Man könnte in diesem Raum über Schriften und Tafeln kommunizieren, die man dort auslegt, und man wäre entgegen deiner Vermutung nicht allein, aber doch für sich.
– Was interessiert dich an diesem wundersamen Ort, den es nicht gibt?
– Die Freiheit.
– Willst du behaupten, wir, die wir hier versammelt sind, wären nicht frei, Abhängige oder Sklaven gar?
– Nein, sicher nicht, mein Freund. Und doch sprichst du zu deiner Frau wohl anders als mit mir, mit deinen Kumpanen oder mit den Dienern der Tempel.
– Wohl wahr.
– Was also wärest du, wenn du die Freiheit hättest? Der Mann, der du für deine Frau bist, der Mann, der du für deine Kumpanen bist oder der ehrfürchtige Besucher eines Tempels?
– Wenn ich all dies sein könnte, so wäre ich dies auch dort. Ich bin ein freier Mann.
– Angenommen, dir ständen zahlreiche Zugänge zur Verfügung zu diesem besonderen Ort und keiner der Eingänge wäre ersichtlich mit dem anderen verbunden, jeder böte dir ein geheimnisvolles Pseudonym, einen Namen, den du dir selbst geben dürftest: Würdest du dich nicht ausprobieren und deinen Geist erforschen, dein Denken trainieren und auch deine Mitmenschen testen, weil es dir möglich ist. Wäre es dort tatsächlich dein Ziel, der zu sein, der du bereits warst, oder würde dich die Freiheit verführen, über dich hinaus zu finden? Erinnere dich: Keiner könnte dich sehen und dich doch hören wie dein Echo im Tal. Du könntest dich zu allen Belangen äußern, ohne mit Strafe zu rechnen oder verstoßen zu werden.
– Du testest mich. Nein, all dies klingt für mich nach einem gottlosen Ort, nach einem entrückten Delirium, dem wohl nur Wahrsager und Orakel sich hingeben sollten.
In dieser Dunkelheit ohne Grenzen, die du ‚Freiheit‘ nennst, würde ich wohl versuchen, weiter ich selbst zu bleiben, um mich darin nicht zu verlieren. Ich würde an die Liebe zu meiner Frau, an meine Kinder, an meine Ehrfurcht vor dem Plan der Götter und meine engsten Freunde denken, an alles, was mir im Diesseits wichtig ist. Ich würde alle Nebeneingänge zum Einsturz bringen, um mich nicht zu verirren, und über den verbliebenen Eingang schließlich meinen richtigen Namen schreiben, damit mich niemand einen Feigling nennt und die Götter mich als ihren Diener ernst nehmen und besuchen.