Pure Desire - Dir nah - Mia Williams - E-Book

Pure Desire - Dir nah E-Book

Mia Williams

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Beschreibung

Der dritte Band der aufregenden "Pure Desire"-Serie von Mia Williams: Romantik und Knistern pur Hazel liebt Jake, seit sie denken kann. Doch der hat in ihr nie mehr als eine gute Freundin gesehen. Nach fünf Jahren kehrt er endlich an den Lake Tahoe zurück, aber sein Hilfseinsatz im Ausland hat ihn stark verändert. Er weigert sich, über seine Erlebnisse zu sprechen, und lässt niemanden an sich heran. Bis auf Hazel. Je mehr Zeit die beiden miteinander verbringen, desto stärker spürt Hazel, wie es zwischen ihnen knistert. Aber die Bilder der letzten fünf Jahre lassen Jake nicht los. Um ihm Raum zu geben, macht Hazel ihm ein gewagtes Angebot: nur Sex, keine Verpflichtungen. Da könnte sie die Rechnung allerdings ohne ihr Herz gemacht haben …

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Seitenzahl: 378

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Mia Williams

Pure Desire - Dir nah

Band 3

FISCHER E-Books

Inhalt

Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Epilog

Kapitel 1

An den sanft abfallenden, noch immer schneebedeckten Bergen rund um den Lake Tahoe bricht sich das Licht der untergehenden Sonne. Ich angle nach der Sonnenbrille, die auf dem Beifahrersitz herumrutscht. Meine Zwillingsschwester Grace ist den Buick zuletzt gefahren und muss sie dort hingeschmissen haben. Liz, die älteste von uns Carson-Schwestern, oder ich hätten die Brille auf die Mittelkonsole gelegt, wo sie hingehört. Grinsend schüttle ich den Kopf und schiebe die alte Ray-Ban meines Dads auf die Nase, um nicht geblendet zu werden, während ich den Wagen auf die Zufahrt nach Pinewood Meadows lenke. Pinien säumen den gewundenen Schotterweg, der zu unserem Zuhause führt. Zwischen den Baumwipfeln blitzt das Dach des imposanten Blockhauses auf. Als ich näher komme, sehe ich den Steg, der von der Rückseite des Hauses in die Halfmoon Bay führt und das tiefblaue Wasser des Lake Tahoe teilt. Der Winter hat sich vom See zurückgezogen und den Vorboten des Frühlings Platz gemacht.

Ich mag diese Jahreszeit und verfluche sie nicht wie so viele andere. Die Stille der verschneiten Natur erinnert mich immer an Ma, deren liebste Jahreszeit der Winter war. Der Frühling lässt meine Gedanken eher zu Dad treiben, der jedes Frühjahr aufs Neue versuchte, doch noch Handwerker aus uns zu machen, indem er die Reparaturen in Pinewood Meadows selbst bewerkstelligte und uns gnadenlos zwang, ihm zu helfen. Allerdings hatten seine Bemühungen nur wenig Erfolg.

Ich atme tief ein. Noch immer hängt der Geruch nach halb aufgelösten Keksen aus unserer Kindheit in den Polstern. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. In diesem Wagen liegen genauso viele Erinnerungen wie in Pinewood Meadows oder in unserem Familien-Diner.

Ich fahre mir durch die langen blonden Haare und lächle, als in der nächsten Kurve das gewohnte Klappern ertönt. Fiona, die zweitälteste von uns Schwestern, hatte zusammen mit Jake, Liz’ bestem Freund, ein Legosteinchen in die hintere Lüftung gesteckt, als sie beide noch klein waren. Dad wollte es immer herausholen, hatte es aber zu Moms Ärger stets für dringendere Projekte hintangestellt. Nach dem Tod der beiden haben wir nie wieder ein Wort über den Stein verloren. Jedes Klappern erinnert uns an sie.

Ich parke den Wagen vor dem Haus, steige aus und halte kurz inne. Immer wenn ich nach Pinewood Meadows zurückkehre, egal ob ich nur für ein paar Stunden fort war oder Tage, überrascht es mich von neuem, wie verlässlich mich die kleine Bucht, das Holzhaus und der See erden und zur Ruhe kommen lassen.

Als ich wenig später die Haustür öffne, dringt lautes Lachen vom Wohnbereich in den Flur, wo ich die Schlüssel auf die Kommode werfe. Vielleicht ist es gar nicht so sehr der Ort, der mir Frieden schenkt, sondern meine wundervoll chaotischen Schwestern.

Ich betrete das Wohnzimmer und platze mitten in ein Carson-Eisgelage. Grace, mein Zwilling, und Amber, unser Küken, sitzen auf dem Boden in Deckenbergen, jede einen riesigen Becher Eis vor sich. Im Kamin brennt ein Feuer.

Selbst Liz ist mit von der Partie. Sie holt sich gerade ein Eis aus dem Gefrierfach, und als sie mich sieht, wirft sie mir auch einen Pott zu. Meine Lieblingssorte Salted Caramel.

Wir setzen uns zu unseren Schwestern, während Cole, Liz’ große Liebe, die Treppe hinunterkommt und sich seine Jacke anzieht.

Er und sein Bruder wollen heute ausgehen, was vermutlich bedeutet, dass Evan ihn durch die Clubs schleifen und dafür sorgen wird, dass Cole mehr trinkt als sein übliches Glas Wein.

»Okay, Mädels, ich bin weg.« Cole beugt sich zu Liz hinunter und gibt ihr einen sanften Kuss. »Die Nummer vom Krankenhaus hängt an der Pinnwand, sollte eine von euch einen Zuckerschock erleiden.« Er zwinkert uns zu und greift sich den Autoschlüssel von der Arbeitsfläche in der Küche. »Dann werde ich mal Sierra Shores Weinkeller abschließen und hoffen, dass meine Leber den Abend mit Evan unbeschadet übersteht.«

Amber sieht ihn zweifelnd an. »Ich dachte, der ist jetzt gut drauf und schwebt auf Wolke sieben. Oder hat Fiona ihm schon wieder das Herz gebrochen? Hätte gar nicht gedacht, dass der Typ überhaupt ein Herz hat, das brechen kann.«

»Du sprichst hier von meinem Bruder, Ambs«, bemerkt Cole mit sanfter Strenge. »Zwischen ihm und Fiona ist alles in Ordnung. So in Ordnung, dass er heute mit mir feiern will.« Cole betont das Wort feiern so, als wäre es in der Lage, ihn zu vergiften. »Wenigstens schläft er wieder, rennt nicht mehr in stinkenden Holzfällerhemden herum und säuft nicht mehr die Alkoholvorräte rund um den Lake Tahoe leer.« Er zuckt die Schultern. »Keine Ahnung, ob er vorhat, das heute zu ändern, um sein Glück zu begießen, aber ich werde es herausfinden.«

Sein Blick zeigt, dass er ernsthaft Angst hat, genau das könnte passieren. Es ist ungewohnt, dass Evan und er sich verstehen und nicht länger jedes Wort und jeder Schritt zwischen ihnen ein Kampf ist. Und dennoch, was das Durchhaltevermögen am Tresen eines Clubs angeht, hier sind sie nach wie vor so unterschiedlich, wie sie es nur sein könnten.

Cole nickt uns zu, und wir winken ihm hinterher, als er durch den Flur verschwindet und wenig später den Motor seiner Redneckschleuder anschmeißt.

»Wo hast du eigentlich gesteckt, Hazel?«, fragt Liz und stopft sich eine Riesenladung Eis in den Mund.

»Ja, wo warst du?« Grace streckt sich wie eine Katze vor dem Kamin. »Du warst nach deiner Schicht im Diner plötzlich verschwunden. Mit dem Wagen«, fügt sie leicht vorwurfsvoll hinzu.

»Ich habe Cole gefragt, ob er euch nach Feierabend mitnimmt«, verteidige ich mich und umgehe so gekonnt die eigentliche Frage. Aber da habe ich die Rechnung ohne Grace gemacht. Wenn es um Dinge geht, die man nicht unbedingt erzählen will, ist sie wie ein Detective, der sich in einen kniffligen Fall verbissen hat.

»Und wo musstest du so dringend hin?«, fragt sie auch prompt, und ihr Blick ist bohrend.

»Ich war mit Jake in einer Bar.« Das ist nicht gelogen, impliziert aber, dass ich mit ihm aus war. Was so nicht stimmt. Er hat mich lediglich angerufen, weil er zu viel getrunken hatte und nicht mehr selbst fahren konnte. Etwas, das in letzter Zeit häufiger vorgekommen ist. Ich habe ihn also nach Hause gefahren. Mehr nicht.

Grace hebt die Augenbrauen. »Er vergräbt sich seit Monaten auf der Hunter-Werft und redet nicht mal mit Lizzie, und jetzt geht er mit dir aus?«

»Immerhin öffnet er sich irgendwem«, wirft Liz ein und runzelt die Stirn. »Was hat er gesagt? Wie geht es ihm?«

Wir alle machen uns Sorgen, seit sein Dad gestorben ist und Jake damit die Chance genommen wurde, die Dinge zwischen ihm und sich zu klären.

»Er hat nicht besonders viel gesagt«, sage ich. Das entspricht der Wahrheit und degradiert mich zu einer verlässlichen Taxifahrerin. Die ewig hilfsbereite Hazel.

»Immerhin hat er überhaupt mit dir geredet, und er geht aus«, bemerkt Liz einigermaßen zufrieden. »Das ist ein erster Schritt. Ein guter.«

Da bin ich mir nicht so sicher. Wenn sie wüsste, dass Jake bereits seit Wochen die Pubs und Clubs rund um den Lake Tahoe unsicher macht, um sich abzuschießen, und regelmäßig alkoholisiert Streit anfängt, würde sie sich genauso viele Sorgen machen wie ich. Ich rede mir ein, dass ich nur meinen Mund halte, damit sie sich nicht auch noch darüber Gedanken machen muss. Dabei weiß ich sehr genau, dass das nicht der Grund ist.

Seitdem Jake zurück am Lake Tahoe ist, spüre ich die alten Gefühle für ihn, egal wie irre es sein mag, sich auch nach fünf Jahren noch immer zu ihm hingezogen zu fühlen. Dabei hat er mir nie das Gefühl gegeben, mehr zu sein als eine gute Freundin. Ich bin ihm vermutlich nicht einmal aufgefallen. Jedenfalls nicht so, wie ich es mir in meiner Jugend oft ausgemalt habe.

In der Regel mag ich es, nicht im Mittelpunkt zu stehen. Anders als Liz, die die Chefin in unserem verrückten Schwestern-Clan ist. Oder als Fiona, die das Leben laut und wild ganz nach ihren Vorstellungen biegt. Selbst meine Zwillingsschwester Grace ist das komplette Gegenteil von mir. Sie ist witzig, streut über jeden Ärger eine Prise Ironie und erobert das Herz anderer, wie ein stürmischer Labrador es tun würde. Von meiner kleinen Schwester Amber brauchen wir gar nicht erst zu reden. Sie ist wie die explosive Mischung aus einem gothic-schwarz bemalten Tornado und einem Probleme speienden Vulkan.

Ich hingegen bleibe lieber im Hintergrund und habe laut Grace ein totales Helfersyndrom. Sie hält mich für den Ruhepol in unserer Familie und für so ausgeglichen, dass ich ihre verrückt-chaotische Art wieder wettmache. Ich bin gern dieser Mensch. Nur Jake hat mich schon immer dazu gebracht, lieber ein wenig mehr wie Liz, Fiona oder Grace sein zu wollen.

»Wenn Cole gehen darf, hau ich auch ab«, sagt Amber und rappelt sich von den Decken hoch, in die sie sich vor dem Kamin gekuschelt hat. Den fast vollen Eimer Cookie-Dough-Eis hält sie dabei fest in der Hand und hat ganz offensichtlich vor, ihn mit in ihr Zimmer zu nehmen. »Will noch ein bisschen Musik hören.« Ambers Bezeichnung für »ich schreibe eigene Songtexte, die mitten ins Herz treffen und die ich trotzdem nur über meine Leiche mit der Welt teile«.

Grace beugt sich blitzschnell vor und erobert einen Löffel Cookie Dough. »Das ist nicht fair. Sie hat meine Lieblingssorte und darf einen ganzen Becher allein vertilgen.« Sie sieht zu Amber hoch. »Wer hat das eigentlich erlaubt?«

Amber schert sich kein Stück um den Protest von Grace. »Ich bin im Wachstum. Bei mir setzt das wenigstens nicht an.« Mit dem Stil ihres Löffels piekst sie meiner Zwillingsschwester in eine imaginäre Fettrolle.

»Du Biest!« Mit einem Satz ist Grace aufgesprungen und jagt hinter Amber die Treppe hinauf. »Ich kriege dich und diesen Becher.« Ich höre, wie die beiden in Ambers Zimmer ringen und sich schließlich gemeinsam in einen Lachanfall hineinsteigern.

Es tut gut, nach Sams Tod mal wieder jemanden unbeschwert lachen zu hören.

»Und bei dir?« Liz sieht mich erwartungsvoll an.

»Ich genieße Salted-Caramel-Eis mit Brownie-Stückchen«, sage ich und lutsche mit einem genießerischen Augenverdrehen den Löffel ab.

»Du warst in letzter Zeit häufig bei Jake?«

Ich halte inne und nicke dann. Dass mein Herz noch immer an ihm hängt, geht selbst Liz nichts an. »Ich bringe ihm ab und an etwas zu essen vorbei, aber er will nicht reden und ist ziemlich verschlossen.« Diese Abfuhren treffen mich mehr, als sie sollten. »Jake lässt ausrichten, dass ihr es aufgeben sollt, ihn zum Reden zu zwingen.« Ich zucke die Schultern und verdrehe die Augen.

»Als würde ich ihn zum Reden zwingen«, stößt Liz frustriert hervor. »Er lässt mich ja nicht mal so nah an sich heran, dass ich das tun könnte. Er reagiert nicht auf meine Anrufe und öffnet mir nicht mal die Tür, wenn ich auf der Werft vorbeischaue. Und Fiona hat er freundlich gebeten, sein Haus zu verlassen, damit er allein sein kann. Du bist derzeit die Einzige, die er in seine Nähe lässt.«

Ich glaube nicht, dass das irgendetwas zu bedeuten hat. Ich bin lediglich jemand, der da ist und nichts von ihm fordert. »Er weiß, dass du ihn so gut kennst wie niemand sonst und mühelos unter seine Abwehrschichten sehen kannst. Deswegen meidet er dich, und was Fiona angeht: Vielleicht ist er nicht halb so einverstanden mit Fionas Entscheidung für Evan, wie er vorgibt.«

Liz sieht mich eindringlich an. »Dir ist klar, dass das Quatsch ist, oder?«

Jake war immer in Fiona verschossen. Und als sie den Lake Tahoe vor fünf Jahren verlassen hat, ist er ebenfalls gegangen. Nur wenige Wochen nach ihr. Warum also sollte es ihm jetzt egal sein, wenn sie mit Coles Bruder glücklich wird, den er zudem noch auf den Tod nicht ausstehen kann?

Liz legt ihren Kopf schief und schiebt sich einen Löffel Vanilleeis mit Zimtschlieren in den Mund. Sie isst eine Weile schweigend und leckt sich dann etwas Eis vom Finger, bevor sie den Becher beiseitestellt. »Er hatte nie etwas mit Fiona, und das weißt du. Die Sache ist längst verjährt.«

Mein Herz schlägt schneller, dabei sollte es mir egal sein. Ich sehe Liz zweifelnd an. »Und das glaubst du? Er ist damals wegen ihr gegangen.«

»Oder weil er sich mitschuldig an Moms und Dads Unfall fühlte.« Sie hebt die Augenbrauen. Im Obergeschoss beginnt Amber, Gitarre zu spielen, und bald mischt sich ihre Stimme unter die Melodie. Grace singt leise mit und trifft nicht halb so viele Töne wie unsere kleine Schwester. »Jake glaubt, wenn er Fiona an diesem Tag abgeholt hätte, würden Mom und Dad noch leben. Fiona wäre nicht gegangen und würde sich nicht mit solchen Idioten wie Evan abgeben.«

Ich stochere in meinem Eis herum. Vielleicht hat Liz recht. Es würde zu Jake passen, sich die Schuld für etwas zu geben, auf das er keinen Einfluss hatte. Aber ich bezweifle, dass das wirklich alles ist. »Du meinst echt, dass er nichts mehr für Fiona empfindet?«

Liz nickt und klaut sich einen Löffel von meinem Eis. »Bekomm jetzt aber bitte trotzdem kein Glitzern in den Augen.« Sie nimmt mir den Eisbecher aus der Hand und stellt ihn neben ihren. Ein breiter Kondenswasserrand hat sich auf dem niedrigen Wohnzimmertisch gebildet. »Ich weiß, dass du damals in ihn verliebt warst. Er ist mein bester Freund, mein Bruderersatz, aber er ist auch völlig kaputt, Haze!«

Ertappt senke ich den Blick und konzentriere mich auf meine Hände. »Dass ich verrückt nach ihm war, ist in etwa so lange her wie seine Verliebtheit in Fiona«, wiegle ich ab.

Aber Liz geht gar nicht auf meinen Einwand ein. Sie kennt mich zu gut, um mir abzunehmen, dass meine Gefühle für Jake einfach verschwunden wären.

»Er war schon immer kaputt und beziehungsgestört. Das ist kein Wunder, wenn man mit einem Vater wie Sam Hunter aufwächst. Aber irgendwas ist in Afrika passiert. Etwas, das ihn emotional noch unberechenbarer macht. Und der Verlust von Sam hat ihm den Rest gegeben.

Haze, du suchst jemanden, der dich glücklich macht und der sich wie du nach Liebe, Harmonie und der Schönheit des Lebens sehnt. Aber Jake wird dir das nicht geben. Dafür ist er einfach nicht der Typ«, beendet Liz ihr Plädoyer, und ich sehe sie stumm an. Ich weiß, dass jedes ihrer Worte stimmt und dass er außerdem nicht an mir interessiert ist, und doch zieht mich Jake Hunter an wie ein überdimensionaler Magnet.

Kapitel 2

Die Hunter-Werft liegt etwas außerhalb von Cooper Springs am Ende einer langen, gewundenen Auffahrt. Kiefern und Pinien säumen den Schotterweg. Im Sommer blühen hier wilde Blaubeeren, und die angrenzenden Hügel sind mit Taubnesseln bedeckt. Während ich den Buick die Zufahrt hinauflenke, erinnere ich mich, wie meine Schwestern, Jake und ich in unserer Jugend zusammen auf der Wiese neben den Werftgebäuden lagen und die honigähnliche Süße aus den Blüten saugten, während die Sonne vom azurblauen Himmel brannte. Manchmal habe ich meine Hand ausgestreckt, um Jake zu berühren, der neben mir im Gras lag. Ich erinnere mich an sein Lachen und daran, dass ich mich stets zurückzog, bevor er merken konnte, wie sehr ich in ihn verknallt war.

Hinter der letzten Biegung taucht das in die Jahre gekommene Haus der Hunters auf. Ein weißes Gebäude aus Holz mit dunklem Schieferdach, das sich wie eine alternde Diva vor der weitläufigen Werfthalle in den Himmel streckt. Moos bedeckt die Schindeln, und die Farbe ist durch die Witterung verblichen. An einigen Stellen blättert sie großflächig ab.

Sam, Jakes Vater, ist die letzten Jahre weder finanziell noch körperlich in der Lage gewesen, die nötigen Reparaturen zu bewerkstelligen. Ich blicke zur Veranda, die das gesamte Haus umgibt und sich zur Wasserseite hin verbreitert. Ein Holzbohlenweg führt von dort zum Steg, wo im Sommer die Boote vom Verleih liegen. Rechts dahinter erstreckt sich der Hof mit der Werfthalle. Sie steht zum Teil auf Stelzen über dem See, damit die Boote, die dort gebaut werden, direkt zu Wasser gelassen werden können.

Früher hörte man stets Geräusche aus der Halle. Das Kreischen der Sägen, Hämmern und Musik. In den letzten fünf Jahren hat jedoch kein Kiel die Wasseroberfläche der Hunter-Werft berührt, und es war stets gespenstisch still, wenn ich hier war. Ohne Jake hat Sam die Werft dichtgemacht und sich allein mit dem Bootsverleih über Wasser gehalten.

Ich parke den Wagen direkt vor dem Wohnhaus, steige aus und werfe die Wagentür hinter mir zu. Auch heute fehlen die typischen Arbeitsgeräusche. Allerdings hat Jake wohl beschlossen, die Werft trotz des üblen Katers, den er haben dürfte, mit einem wütenden, harten Countrysong aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Musik schwappt in einer ohrenbetäubenden Lautstärke aus dem halbgeöffneten Tor der Werkstatt. Ich überquere den Platz zwischen Haus und Halle und klopfe leise, als ich den Eingang erreiche. Dann versuche ich es etwas lauter, aber es ist illusorisch anzunehmen, Jake könnte mich bei dem Lärm hören. Ich könnte die halbe Halle mit einem Gabelstapler abreißen, und er würde es nicht mitbekommen.

Also betrete ich einfach die Halle und sehe nach, ob ich ihn hier finden kann. Bevor Jake weggegangen ist, war es hier penibel sauber, was mich immer beeindruckt hat, denn es bedarf einiger Anstrengung, bei der Menge an Holz und Staub für Sauberkeit zu sorgen. Heute liegt alles unter einer zentimeterdicken Staubschicht. Die Maschinen sehen aus wie Artefakte aus einer anderen Epoche. Nicht so, als würden sie noch funktionieren. Ich finde Jake im hinteren Teil der weitläufigen Halle. Er sortiert Holz. Ich vermute, in einen Stapel mit noch brauchbarem Material und einen, den er entsorgen muss.

Ich zögere, bleibe stehen und bin unsicher, ob ich das Richtige tue. Aus den richtigen Gründen. Ich bin hier, um für Jake da zu sein, ihm zu helfen, nicht, weil ich mich noch immer an die romantisch verklärte Teenagervorstellung von uns klammere. Die Art, wie ich auf seinen Anblick reagiere, lässt mich jedoch stark daran zweifeln.

Früher war Jake eher schlaksig, und seine hellbraunen Haare waren deutlich kürzer. Jetzt trägt er sie lang. Seine Locken sind verschwunden. Die Sonne Afrikas hatte fünf Jahre Zeit, die Spitzen auszubleichen, so dass sie fast blond erscheinen, und seine Haut ist gebräunt. Seine Schultern sind in dieser Zeit breiter geworden, seine Arme muskulös und sein Körper männlicher. Das sind alles Dinge, die mir nicht einmal auffallen sollten.

Ich versuche, mich zu sammeln und ihn nicht anzustarren wie Fiona den Lovesick-Cup aus dem Diner, den sie regelmäßig futtert, ohne bei der Menge Eis, Schokosauce und Marshmallows einen Zuckerschock zu erleiden.

»Jake«, rufe ich, aber er ist absolut in seine Arbeit vertieft und wuchtet Holzbohle für Holzbohle auf die entsprechenden Stapel. Sein Shirt und das einfache Flanellhemd, das er darüber trägt, sind verschwitzt und staubig. Lediglich sein Hund Big Mac, der ihn aus Afrika hierher begleitet hat, erhebt sich von einem provisorisch für ihn errichteten Lager in der Ecke und kommt mir schwanzwedelnd entgegen. Ich fahre ihm gedankenverloren durch das struppige sandfarbene Fell und kraule ihn hinter den Ohren, was er mit einem Hundekuss quittiert.

Die Musik wechselt, und ich erkenne die Band, deren Song In Hell I’ll be in Good Company aus den riesigen Boxen unter der Decke dröhnt. Amber ist ein riesen Fan von The deep South. Ich vermute, weil die Musiker auch eine leicht dunkle Ader haben. Allerdings sind die Songs wirklich gut. Und wenn Amber sie auf ihrer Akustikgitarre am Strand der Halfmoon Bay spielt, werde auch ich zum Fan.

Ich näher mich Jake und berühre ihn leicht am Arm, bevor er die nächste Bohle hochwuchten kann. Er zuckt zusammen und dreht sich abrupt um.

»Haze«, sagt er, und Erleichterung schwingt in seiner Stimme mit. Vermutlich ist er dankbar, dass ich weder ein Axtmörder bin noch einer der Harris-Brüder, die sehr hartnäckig daran arbeiten, ihm die Werft abzukaufen. Wahrscheinlich würde Jake den Axtmörder Evan und Cole Harris vorziehen, wenn er die Wahl hätte.

»Der Hund eignet sich definitiv nicht zum Wachhund!«, sagt er, fährt Bic Mac über die Nase und drückt ihn zärtlich von sich weg. »Kumpel, du musst besser aufpassen. Was machst du hier?«, wendet er sich an mich und streicht sich die Haare aus der Stirn.

Sein markantes Kinn wird von einem ordentlich gestutzten Bart bedeckt, der ihn einnehmend verwegen aussehen lässt. Er senkt den Blick und sucht meinen. »Wenn es wegen gestern ist.« Er sieht mich zerknirscht an. »Ich hätte dich nicht anrufen sollen. Schon wieder.«

»Hast du aber. Und ich bin froh, dass du es getan hast.« Er hat mich während meiner Schicht im Diner kontaktiert, damit ich ihn vor dem Southalitos auflese. Seine Bitte war vom Alkohol verwaschen und endete mit einem: »Fuck, vergiss es einfach, war ’ne Scheißidee.« Natürlich habe ich es nicht vergessen, sondern habe früher Schluss gemacht und bin nach Tahoma gefahren, um ihn vor der Bar einzusammeln und nach Hause zu fahren. Er hat die gesamte Fahrt über nichts gesagt, starrte nur aus dem Fenster, anstatt zu reden, obwohl es jede Menge gäbe, über das er dringend reden sollte.

»Du stehst also darauf, wenn dich Freunde betrunken anrufen und dich bitten, um den halben See zu fahren, nur um ihren Hintern nach Hause zu verfrachten?«

»Ich stehe darauf, wenn Freunde um Hilfe bitten.« Es ist klar, dass ich nicht nur von gestern Abend rede, sondern auch von zukünftigen Malen und davon, dass es einen Grund gab, weswegen er so abgestürzt ist. Es ist ein Angebot, dass ich für ihn da bin, sollte er darüber reden wollen.

Jake schüttelt den Kopf. »Ich brauche keine Hilfe. Ich war total besoffen und hatte ’nen schwachen Moment. Passiert, wenn zu viel Alkohol im Spiel ist. Mach dir bitte keine Sorgen, das war nichts. Ich komm klar.« Er lächelt, aber es wirkt gezwungen. »Ich meine das ernst, Haze. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«

Ich denke doch, und je mehr er versucht, mir klarzumachen, er würde klarkommen, desto weniger glaube ich ihm. »Wie geht es dir?«

»Habe ich dir doch gerade gesagt.« Er strafft die Schultern. »Gut!«

Er gibt sich nicht mal Mühe zu verstecken, dass es eine Lüge ist. Bevor ich noch etwas sagen kann, hebt er eine Holzlatte hoch und wirft sie auf den wirr daliegenden Stapel mit unbrauchbarem Zeug.

Als ich nichts sage und ihm damit den Raum gebe, den Liz und die anderen ihm verweigern, weil sie denken, ihm so helfen zu können, hält er inne.

»Ich habe hier noch fünf Jahre Arbeit nachzuholen«, sagt er offenbar verwirrt. »Ich habe kein Bedürfnis zu reden. Das kannst du gern auch Liz klarmachen. Sie nervt mich nämlich unendlich damit, dass ich mich ihr öffnen soll. Heute Morgen hatte ich schon wieder eine Nachricht von ihr auf dem Handy.« Er schnaubt und sieht mich dann aus zusammengekniffenen Augen an.

»Das sagtest du bereits, und ich habe es ihr ausgerichtet. Aber du kennst Liz. Sie gibt nicht auf, und das ist es auch, was du an ihr liebst.«

Er betrachtet mich nachdenklich, wie ein Rätsel, das er nicht lösen kann, und stößt dann die Luft aus. »Willst du mir nicht auch raten, dass ich mir Zeit nehmen soll, den Tod von Dad zu verarbeiten? Und dass ich aufhören muss, durch die Clubs zu ziehen und mir Ärger einzuhandeln, dass ich mit einem von euch reden sollte? Oder am besten machen wir gleich einen Carson-Hunter-Gesprächskreis auf, in dem jeder sagen kann, was ihm auf der Seele liegt, und dann fassen wir uns alle an den Händen, und die Welt ist wieder in Ordnung?«

Ich gehe nicht auf Jakes Versuch, sich mit mir zu streiten, ein. »Sie machen sich einfach Sorgen, weil du niemanden an dich heranlässt.« Er muss verstehen, dass meine Schwestern das alles tun, weil sie ihn wie einen Bruder lieben. Nicht, weil sie ihm den letzten Nerv rauben wollen.

Er sieht mich unverwandt an und schüttelt dann den Kopf. »Ich habe bis vor kurzem mit deiner Schwester unter einem Dach gelebt. Näher heranlassen kann ich wohl niemanden, oder?«

Es versetzt mir einen Stich, dass er seine Nähe mit Fiona betont, die während ihrer Trennung von Evan einige Wochen auf der Hunter-Werft unterkam. Doch ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. »Aber du hast nicht mit ihr geredet«, sage ich sanft.

»Weil ich nicht reden will, verdammt!« Er sieht mich eindringlich an und wird dann etwas versöhnlicher. »Ich weiß wirklich zu schätzen, dass ihr euch alle um mich sorgt. Aber ich bin nicht der Typ, der redet, um Dinge zu verarbeiten. Ich …« Er macht eine diffuse Handbewegung, die das Chaos um ihn herum einschließt. »… ich arbeite.«

»Das sehe ich.« Ich lächle ihn vorsichtig an. »Allerdings solltest du ab und an auch essen. Deswegen bin ich vorbeigekommen.« Ich reiche ihm eine Lunch-Box mit Hackbraten und Kartoffel-Mash.

Jake greift danach und lacht tonlos. Ich sehe, wie er mit den Emotionen kämpft, weil die Erinnerungen an seinen Dad in diesem Moment übermächtig werden. Das war Sams Lieblingsessen. Genau wie Jakes. Dieser Hackbraten ist nur eines von so vielen Dingen, die die beiden verbunden haben, auch wenn Jake glaubt, es gäbe nichts bis auf Wut, Streit und gegenseitige Vorwürfe, die sich nun nicht mehr beheben lassen.

»Ich muss wirklich arbeiten«, sagt er leise. »Aber danke, Haze. Für gestern und …« – er klopft auf die Box mit dem Essen – »… hierfür. Ich weiß das zu schätzen.« Er stellt die Dose mit dem Essen ab und zieht mich in seine Arme, aber bevor ich die plötzliche Nähe zu ihm erwidern kann, dreht er sich um und verschanzt sich hinter den sprichwörtlichen Bergen an Arbeit.

---

Es ist mitten in der Nacht, und im Haus ist es still. Ich liege in meinem Bett und versuche krampfhaft, einzuschlafen und nicht an den Moment zu denken, als Jake mich an sich gezogen hat. Natürlich mit dem gegenteiligen Effekt. Das Ganze ist bereits eine Woche her, und dennoch kann ich nicht aufhören, daran zu denken.

Ich liege auf meinem Bett, das direkt unter dem breiten Erkerfenster steht. Die Vorhänge sind offen und geben den Blick auf einen klaren Himmel frei, der Abermillionen Sterne fasst. Grace und ich haben früher anstelle von Schafen immer Sterne gezählt, wenn wir nicht schlafen konnten, und genau das tue ich jetzt wieder. Aber auch dieser Kniff hilft nicht. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Ich muss endlich schlafen und aufhören, über einen Mann nachzudenken, der nie mehr sein wird als ein Freund. Immerhin habe ich morgen die Frühschicht im Diner. Molly, die gute Seele des kleinen Bed & Breakfast hier am See, feiert ihren Geburtstag mit den Bridge-Frauen, und es sind für diese Jahreszeit ungewöhnlich viele Touristen am Lake Tahoe. Der Diner ist die letzten Tage bis auf den letzten Platz besetzt gewesen, und das wird morgen vermutlich nicht anders sein.

Ich konzentriere mich auf meinen Atem, das Pochen meines Herzens und das Rauschen der Pinien im leichten Wind, und endlich dämmere ich langsam weg. Allerdings nur so lange, bis mich ein hartnäckiges Brummen im Kopf hochschrecken lässt. Ich brauche einen Moment, bis ich begreife, dass nicht mein Kopf brummt, sondern mein Handy, das unter dem Kissen liegt.

Ich kenne die Nummer nicht, die auf dem Display zu lesen ist, und nehme stirnrunzelnd den Anruf entgegen. Es ist Viertel vor eins, und ich kann mir niemanden vorstellen, der mich um diese Uhrzeit anrufen würde.

»Carson«, melde ich mich und nehme sofort die typischen Geräusche einer Bar wahr. Das leise Dudeln von Countrymusik, Gläserklirren, Stimmen.

»Brian Olsen, guten Abend.« Der Anrufer seufzt leise. »Sind Sie Hazel Carson?«

Ich nicke und erinnere mich dann daran, dass Brian Olsen mich ja nicht sehen kann. »Ja«, schiebe ich hinterher und setze mich auf. »Darf ich vielleicht erfahren, woher Sie diese Nummer haben? Und wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?«, frage ich mehr verwundert als ärgerlich.

Er lacht leise. »Kurz vor Feierabend«, scherzt er, wird aber sofort wieder ernst. »Ihr Freund sitzt in meiner Bar und weigert sich, trotz meiner Aufforderung zu gehen. Im Grunde sind das die lukrativsten Gäste für uns, aber Mr Hunter hat Ärger mit einigen meiner Stammgäste angefangen.«

»Jake?« Plötzlich bin ich hellwach.

»Ja, genau der. Er ist total hinüber, und ich glaube kaum, dass er noch weiß, was er tut. Er scheint im Grunde ein guter Kerl zu sein. Deswegen habe ich die Cops auch noch nicht gerufen. Aber wenn er sich nicht bald beruhigt oder verschwindet, bin ich gezwungen, das zu ändern, und das will keiner von uns. Sie sollten also herkommen und ihn abholen.«

Ich schlüpfe bereits in ein Paar Jeans und suche im Schrank nach einem Pullover. »Ich bin unterwegs. Könnten Sie mir die Adresse geben, damit es schneller geht … Und bitte rufen Sie nicht die Polizei!« Jake hatte bereits Ärger mit dem Gesetz. Das ist zwar lange her, und ich bin nicht einmal sicher, ob seine Nacht in der Zelle irgendwo vermerkt wurde, aber ich will kein Risiko eingehen.

Der Barbetreiber versichert mir, dass er mir eine Nachricht mit dem Standort schicken wird, und legt dann auf. Leise und ohne die anderen zu wecken, verlasse ich erst das Haus und dann in Dads altem Buick Pinewood Meadows und folge den Anweisungen des Navigationssystems auf meinem Handy, bis ich die Flamingo-Bar erreiche. Sie liegt etwas außerhalb von Prepper City auf einem platt gewalzten Schotterstück zwischen der Interstate 50 und der 395. Die Bar teilt sich einen langgezogenen Bungalow mit einem 24-Stunden-Waschsalon, der um diese Uhrzeit verlassen, aber hell erleuchtet auf Kunden wartet.

Ich steige aus dem Wagen und schließe gewissenhaft ab. Scheint mir nicht die Gegend zu sein, in der man sein Auto unabgeschlossen auf einem Parkplatz stehen lassen sollte. Ich betrete die Bar durch eine getönte Eingangstür, die beim Öffnen über einen abgewetzten Teppich schabt. Nur noch wenige Gäste sitzen an Resopaltischen aus den Siebzigern. Nippes hängt an den Wänden, und jeder Quadratzentimeter Stellfläche ist mit unnützem Kitsch besetzt. Selbst auf der langen Theke aus dunklem Holz konkurrieren mehrere Flamingos und ein überdimensionaler Sombrero um Aufmerksamkeit.

Jake sitzt an der Bar und streitet sich mit dem Mann hinter dem Tresen, ob er noch etwas zu trinken bekommt. Vor ihm liegt eine ganze Rolle Scheine, und gerade besteht er darauf, dass ein zahlender Gast bewirtet werden muss.

»Kumpel, ich habe es dir schon mehrmals gesagt: Wenn du dich nicht beruhigst, rufe ich die Cops, und das wollen wir beide nicht.« Der Barkeeper sieht mich, und Erleichterung ist ihm ins Gesicht geschrieben. »Wir alle drei wollen das nicht.« Er deutet auf mich, und Jake dreht sich in einer verwaschenen Bewegung zu mir um.

»Haze«, bringt er brüchig hervor, und für einen Moment gelingt es ihm nicht, die Emotionen zu verbergen, die mein Auftauchen hervorrufen. Sie brechen sich auf seinem Gesicht. Seine ansonsten so gut funktionierende Schutzmauer ist durch den Alkohol aufgeweicht, und er wendet den Blick ab, als ich näher komme.

»Deine Kleine ist da. Steck dein Geld ein, und fahr mit ihr nach Hause. Du hattest genug.« Der junge Mann beugt sich über den Tresen, berührt Jake an der Schulter und nickt ihm aufmunternd zu.

»Ich bin Hazel«, stelle ich mich vor und gebe dem Mann die Hand, während ich mit der anderen Jakes Arm berühre. Eine kleine Wunde zieht sich von seiner Stirn bis zum Haaransatz.

»Er hat sich nicht gerade Freunde gemacht«, sagt der Barkeeper und deutet auf die Verletzung.

»Wir hatten telefoniert?«, frage ich und versuche, mich auf den jungen Mann zu konzentrieren und nicht auf Jake, der noch immer zusammengesunken vor dem Tresen hängt und umständlich versucht, sein Geld zu verstauen.

Brian Olsen nickt und reicht mir ein Handy. »Ich habe ihm das Telefon abgenommen. Er hat irgendwas davon gefaselt, dass er nach Afrika telefonieren will, und ich dachte mir, das wäre in seinem Zustand keine gute Idee. Die Rechnung dürfte hoch ausfallen, und er ist kaum in der Lage, das zu überblicken.«

»Ich kann euch hören. Das ist mein fucking Telefon«, stößt Jake durch seine Hände gedämpft hervor, und der ganze Satz hört sich wie ein schwingendes Wort an, das über einem dunklen Abgrund balanciert.

Ich nicke und lasse das Telefon in meine Tasche gleiten. »Danke, Brian. Auch dafür, dass Sie Schlimmeres verhindert und die Cops aus dem Spiel gelassen haben.« Dann wende ich mich Jake zu. Noch immer liegt meine Hand auf seinem Oberarm. Ich übe leichten Druck aus und lasse sie dann sinken. »Lass uns gehen, ja!«, fordere ich ihn leise auf.

»Ich will nicht gehen.« Jake hebt sein Gesicht und sieht mich an. Sein Blick ist nicht fokussiert. »Du solltest nicht in dieser Klitsche sein.« Er schlägt mit der Faust auf den Tisch, und ich zucke zusammen. »Ich will etwas zu trinken, und sie sollte verdammt nochmal nicht hier sein«, zischt er dem Barkeeper zu.

»Du wolltest, dass genau sie herkommt«, erinnert Brian Olsen ihn sanft. »Nur sie.«

Ich versuche, dieser Information nicht allzu viel Beachtung zu schenken. Jake ist vollkommen betrunken, und keine seiner Entscheidungen ist zu diesem Zeitpunkt durchdacht, sinnvoll oder hat etwas zu bedeuten. Auch nicht sein Wunsch, mich zu sehen. »Komm«, flehe ich ihn an. »Mein Wagen steht direkt vor der Tür. Ich fahre dich nach Hause.«

Zu meinem Erstaunen nickt Jake und versucht aufzustehen. Seine Bewegungen sind unkoordiniert, und um ein Haar fällt er bei dem Versuch, sich zwischen Hocker und Bar herauszuwinden. Ich halte ihn, und Jake stützt sich schwer auf mich, während wir zur Ausgangstür taumeln.

»Du hättest nicht kommen sollen«, murmelt Jake, als er sich gegen die Karosserie des Wagens lehnt und ich die Tür aufschließe. Er beugt sich vor, und ich spüre seinen Atem an meinem Hals. Ein Prickeln durchläuft meinen Körper, während seine Finger eine meiner Haarsträhnen umschließen. Ich versuche, meinen Atem zu kontrollieren und Abstand zwischen uns zu bringen. Aber Jake lehnt seine Stirn gegen meine und atmet tief durch. »Ich habe noch nicht genug getrunken, damit es aufhört«, flüstert er. Seine Augen sind geschlossen. Seine Kiefer mahlen, und plötzlich sind seine Lippen nur Zentimeter von meinen entfernt.

Der Kuss schwebt zwischen uns, und mein Herz schlägt unnatürlich schnell. Ich wünschte, das hier wäre echt. Es ist genau das, was ich mir so viele Jahre gewünscht habe, aber Jake ist betrunken. Was immer hier gerade passiert, ist seinem Alkoholpegel geschuldet und bedeutet nichts. Also schiebe ich ihn von mir und trete einen Schritt zurück, obwohl es mir unendlich schwerfällt. »Was soll aufhören, Jake?«, frage ich sanft.

Er schwankt leicht. Sein Blick bohrt sich in meinen und löst ein Flattern in meiner Magengegend aus. Aber dann schüttelt er den Kopf, öffnet die Autotür und klettert auf den Beifahrersitz.

Der Moment ist vorbei. Und auch wenn es mir leidtut, ist es besser so.

Schweigend fahren wir zur Hunter-Werft. Der Himmel ist nicht mehr tiefschwarz, und dennoch ist die Morgendämmerung noch Stunden entfernt. Jake lehnt an der Scheibe des Buicks und hat die Augen geschlossen. Ich stelle das Radio an und warte, bis der Sendersuchlauf KBNC findet. Die rauchige Stimme von Dolly Parton gibt Jolene zum Besten.

Ich stimme leise in den Gesang ein, während der Buick über den nächtlichen Asphalt gleitet, und plötzlich schiebt Jake seine Hand über meine. Ich verstumme und sehe von seiner Hand auf die Straße und zurück zu ihm. Mein Herz klopft so schnell wie früher, wenn wir gemeinsam vom Diner bis zur Hunter-Werft gerannt sind und uns, dort angekommen, atemlos ins Gras schmissen.

Noch immer hat Jake die Augen geschlossen. »Deine Stimme macht, dass es weniger weh tut«, murmelt er und verändert seine Position an der Scheibe minimal.

Ich will etwas sagen, aber dann lasse ich es. Stattdessen beginne ich wieder zu singen und sehe ein verwaschenes Lächeln auf Jakes Gesicht. Sein Atem wird regelmäßig und seine Hand auf meiner schwerer, als sich seine Muskeln im Schlaf entspannen. Vermutlich hört er mich längst nicht mehr, und trotzdem singe ich weiter. So lange, bis wir die Hunter-Werft erreichen und ich Jake wecke, um ihn ins Haus zu schaffen.

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Wir haben nicht über den Abend in der Flamingo-Bar geredet. Nicht darüber, dass Jake mir so nah war, dass wir beide den Kuss, der zwischen uns stand, bereits erahnen konnten. Nicht einmal darüber, dass es etwas gibt, dem entweder meine Stimme oder jede Menge Alkohol die Wucht nehmen muss, weil Jake sonst nicht damit klarkommt.

Er war betrunken, und ich belasse es dabei. Auch wenn dieser Moment etwas mit mir gemacht hat. Mit meinem Herzen, das verdammt nochmal nicht involviert sein sollte, wenn es um Jake Hunter geht.

Und trotz des Gefühlswirrwarrs in meinem Inneren oder gerade deswegen fahre ich regelmäßig zur Hunter-Werft raus und sehe nach ihm. Wir reden ein wenig über den Klatsch und Tratsch von Cooper Springs, oder wir schweigen gemeinsam. Dann nimmt Jake mein mitgebrachtes Essen entgegen und arbeitet weiter. Mir gefallen diese Treffen, und Jake scheint es ähnlich zu gehen.

Auch heute bin ich nach meiner Schicht im Diner zu ihm gefahren. Ich schalte den Motor aus und schnappe mir die zwei Muffins, die Fiona während ihrer Liebeskummerzeit gebacken hat und die ich schon am Morgen vor der Arbeit aus unserer Gefriertruhe befreit, aufgetaut und mitgebracht habe. Blaubeer-Muffins mit Schokoladensplittern – Jakes Lieblingssorte. Die Törtchen auf der Handfläche balancierend, gehe ich zu den Hallen hinüber. Heute ist die Musik leiser, und als ich eintrete, sehe ich, dass der Haufen mit dem Ausschuss, der in den letzten Wochen stetig angewachsen ist, verschwunden ist. Genau wie Jake. Ich durchquere die Halle und folge dabei den Reifenspuren seines Pick-ups, die sich in den Staub gegraben haben, durch ein weit geöffnetes Tor wieder nach draußen. Neben der Bootshalle, in der die Verleihboote und eine Handvoll fremder Yachten überwintern, werde ich fündig. Jake hat die Holzreste auf der freien Fläche zwischen den Gebäuden abgeladen und verbrennt sie. Der Wind weht den Rauch über den See, weswegen ich ihn erst wahrnehme, als ich aus der Halle trete. Es ist ein beachtliches Feuer, das durch die kühle Frühlingsluft züngelt, und es bekommt ständig Nachschub, den Jake von der Ladefläche in die Flammen wirft.

Ich nähere mich ihm und schließe die Augen, als mich die Wärme des Feuers einhüllt. Für einen Moment genieße ich einfach nur die Hitze, die die Kälte an diesem Frühlingstag vertreibt.

»Haze?«

Erst Jakes tiefe Stimme bringt mich dazu, die Augen zu öffnen und mich ihm zuzuwenden. Er sieht mich eindringlich an. Wahrscheinlich fragt er sich, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Dabei genieße ich nur die Wärme. Den Geruch von brennendem Holz, der jetzt ganz nah am Feuer intensiv ist, bevor er sich über dem See verliert. Das Knacken der Scheite. Und Jakes Nähe. Letzteres ist nicht besonders klug, also schiebe ich diese Empfindung als einzige beiseite.

Ich reiche ihm einen Muffin, den er mir aber nicht abnimmt. »Deine Lieblingssorte«, bemerke ich überflüssigerweise, weil er das sicher schon gesehen hat. Mac stromert etwas entfernt durch die Büsche und löst mit seinem Schwanz winzige Tauwasserlawinen aus, die von den Ästen der Pinien in sein Fell fallen.

»Fi ist ein wandelndes Liebeskummer-Klischee«, bemerkt Jake trocken, und ein leises Lächeln huscht über seine Lippen. »Wenn dieser Harris-Idiot das nicht wieder geradegebogen hätte, hättet ihr eine Bäckerei neben dem Diner aufmachen müssen.«

Noch immer halte ich den Muffin zwischen uns hoch, bis Jake ihn mir schließlich abnimmt. Zufrieden setze ich mich auf die fast leere Ladefläche des alten Dodge und beiße in mein eigenes kleines Törtchen. Es schmeckt himmlisch, und ich seufze leise. Die Frische der Früchte mischt sich perfekt mit dem schweren, süßen Geschmack der Schokolade.

Jake hat seinen Muffin noch immer nicht angerührt. Er stellt ihn neben sich auf die Stoßstange des Wagens, anstatt zu probieren, und wirft ein weiteres Holzbrett in die Flammen. Mit dem Schuh scharrt er die feuchte Erde beiseite. »Warum kommst du immer wieder her, Haze?«, fragt er schließlich.

Ich starre auf seinen braungebrannten Nacken und ziehe die Beine an meinen Körper. Ich sollte nicht auf ihn reagieren. Zumal er mir gerade durch die Blume sagt, dass er Abstand will. »Einfach so«, sage ich leise.

»Hat Liz dich geschickt?« Er wirkt angespannt. »Ich will nicht reden, das habe ich ihr schon tausendmal gesagt.«

»Liz hat nichts damit zu tun.«

Jake geht gar nicht auf meinen Einwand ein. »Ich brauche niemanden, der mir erzählt, dass ich essen soll.« Er hebt den Muffin auf und wirft ihn achtlos auf die Ladefläche, so dass er in einem Halbkreis auf den Abgrund zukullert und in den Matsch fällt. »Oder dass ich mehr schlafen und weniger trinken muss. Oder dass diese Scheiße hier besser wird, wenn ich darüber spreche.«

Ich sage nichts, sondern sehe ihn nur an, und schließlich verstummt Jake und fährt sich resigniert durch die Haare. Seine Hand liegt in seinem Nacken, als er mir endlich in die Augen sieht. »Es tut mir leid, Haze. Ich weiß, du meinst es nur gut, aber Liz hat heute angerufen, und sie ist echt unerbittlich, wenn sie der Meinung ist, sie müsste einen therapieren. Das macht mich wahnsinnig. Ich brauche einfach nur ein bisschen mehr Zeit. Das ist alles.«

Ich nicke und reiche ihm meinen Muffin. Zu meinem Erstaunen nimmt er ihn und beißt ein großes Stück ab. Er will nicht reden, aber meine Stimme tut ihm gut. Das hat er selbst gesagt, also suche ich nach etwas, was ich ihm erzählen könnte. Etwas, das ihm vielleicht hilft. Ich atme tief durch. »Dein Dad war nicht nur dieser Granitblock, gegen den du immer angerannt bist und der halb Cooper Springs gegen sich aufgebracht hat. Ich war in den letzten Jahren oft hier und habe ihn anders kennengelernt, habe ihn liebgewonnen.« Ich blinzle gegen das Sonnenlicht an und lächle vorsichtig.

Jake sagt eine Weile nichts, bevor er kaum merklich nickt. »Wir reden aber schon noch von dem Sam Hunter, der so stur wie ein Rammbock war und Gefühle für eine ansteckende Krankheit hielt?«

Ich nicke. »Wir waren so etwas wie Freunde, denke ich. Natürlich in Sam-Parametern gemessen.« Ich kann Jakes Reaktion auf diese Tatsache nicht deuten. Er starrt mich an, und sein Gesicht ist so ausdruckslos, als müsste er mir beweisen, dass ihn die Erwähnung seines Dads und die Tatsache, dass er zu Gefühlen fähig war, die er Jake sein Leben lang verwehrt hat, nicht berührt. »Er war sehr einsam, nachdem du weg warst«, setze ich leise nach.

Jake stößt die Luft aus den Lungen. Ein sarkastisches Prusten. »Es war ihm egal. Er war gern allein, und das weißt du. Ich war ihm scheißegal. Es hätte keinen Unterschied gemacht, ob ich in Afrika geblieben oder früher zurückgekommen wäre.«

Ich schüttle nur den Kopf und warte, bis Jake sich neben mich setzt.

»Okay, du warst also oft hier«, sagt er versöhnlich und fordert mich damit auf, weiterzusprechen.

»Ich war hier, weil er Gesellschaft brauchte. Er hat dich vermisst. Ich denke, dass solltest du wissen.« Ich lächle ihm zu. »Aber ich gebe dir recht. Ihr seid euch ähnlich darin, das unter keinen Umständen zu zeigen.«

»Was erwartest du von mir?«, fragt Jake, und seine Stimme ist tonlos. »Soll ich dir jetzt glauben, dass er auf seine alten Tage gefühlsduselig geworden ist? Du weißt, an ihm war absolut nichts Rührseliges.«

Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht und blinzle ihm vorsichtig zu. »Er hat Fehler gemacht. Fehler in der Größenordnung eines Mount Everest, aber er hat dich geliebt, Jake.«

Sein Blick zeigt deutlich, dass er mir kein Wort glaubt, aber er fordert mich auch nicht auf, zu gehen oder still zu sein. Also greife ich hinter mich, nehme eines der Bretter und werfe es in die Flammen. Es fängt zischend und knackend Feuer.

»Kurz nachdem du weggegangen bist, ist er schwer gestürzt. Er hat es dir nicht erzählt, oder?«

Jake stemmt sich auf die Ladefläche und sitzt jetzt direkt neben mir. »Nein, hat er nicht«, sagt er und fährt sich erneut durch die Haare.

»Ich bin hergekommen, um nachzudenken. Der Steg zu Hause ist Fionas Platz. Und auch wenn sie nicht mehr da war, fühlte es sich falsch an, ihr diesen Ort streitig zu machen. Also bin ich hierhergekommen, um meine Gedanken zu sortieren.« Ich zucke mit den Schultern, als wäre es keine große Sache, dabei ist es kein Zufall, dass mein Rückzugsort ausgerechnet auf der Hunter-Werft liegt. »Ich habe hier gesessen und versucht, all die Veränderungen für mich klarzukriegen. Mom und Dad waren gerade erst gestorben. Fiona weg. Und dann bist du gegangen.« Ich verscheuche die Gedanken an diese dunkle Zeit. Ich bin kein Typ, der sich an Tiefpunkte klammert. »Es war Zufall. Ich saß hier und habe mitbekommen, wie ihn ein Krankentransport nach Hause brachte. Er war in der Klinik, weil er sich den Oberschenkelhals gebrochen hatte. Er ist wirklich nicht besonders gut im Umgang mit Menschen. Deswegen ist es niemandem aufgefallen, dass er drei Wochen lang weg war. Wir haben zwar bemerkt, dass er nicht in den Diner kam, haben uns aber nichts dabei gedacht. Er hatte ja immer mal wieder eigenbrötlerische Phasen und ließ sich dann wochenlang nicht blicken.«

Jake nickt nur, aber ich kann sehen, wie es in ihm arbeitet. In jener Zeit hatten er und sein Dad lange keinen Kontakt. Und ich bin mir sicher, Jake hat bis jetzt andere Gründe dafür verantwortlich gemacht. »Ich habe mich von da an um ihn gekümmert, soweit er das zuließ.«

»Du meinst, er war in etwa so offen dafür wie ich, sich helfen zu lassen.« Jake lacht leise und atmet dann tief durch. »Er hat es nie erwähnt.«

»Er hatte es vor«, widerspreche ich.

Jake sieht mich zweifelnd an, und ich weiß warum. »Ich war dabei, als er deine Nummer gewählt hat, aber dann hat er aufgelegt, bevor du rangehen konntest«, erkläre ich.