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Zwei rechtsradikale Mörder brechen aus dem Gefängnis. Was haben die Fanatiker mit der Schmutzkampagne gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Adam A. Kettle zu tun? Die private Ermittlerin Lozen Graham soll es herausfinden. "Rechte Patrioten" ist nach "Die Vergangenheit stirbt nicht" und "Showdown" der dritte Lozen-Graham-Roman.
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Dicke Schneeflocken. Viele davon. So viele, dass man nicht weit sehen konnte. Trotz der Straßenbeleuchtung. Es war ein unangenehmes Gefühl, nicht weit sehen zu können. Lozen Graham mochte den Winter in Washington D. C. nicht. Es war die Jahreszeit, die ihr bewusst machte, dass sie aus New Mexico kam. Auch da war es während der vierten Jahreszeit in den Sierras kalt und in den Bergen lag Schnee, aber es war irgendwie anders, irgendwie erträglicher.
Die schlanke Frau nahm die Sporttasche vom Beifahrersitz und stieg aus dem Wagen. Sie trug eine schwarze Seemannsmütze über dem langen schwarzen Haar, einen schwarzen Rollkragenpullover, eine schwarze Lederjacke, eine schwarze Arbeitshose und schwarze Springerstiefel. Auf dem Parkplatz an der Stage Road, unweit des Morrow Drive, direkt vor dem William H. G. Fitzgerald Tennis Stadium im Rock Creek Park, stand nur ein weiterer Wagen, was um 1.00 Uhr nachts nicht verwunderte. Das Nummernschild des grünen Toyota war überklebt.
Ein Mann kletterte aus dem Wagen, schaute zu Lozen und winkte sie zu sich. Sie folgte der Aufforderung. Der Mann trug einen Parka mit Pelzkragen, darunter einen Kapuzenpulli und über dem Gesicht eine Skimaske.
„Stehenbleiben“, sagte der Mann, als sie zwei Meter vor ihm stand, „haben Sie es?“
Lozen hielt die Tasche mit der linken Hand hoch.
„Rüberwerfen.“
„Nicht so schnell. Haben Sie es?“, fragte Lozen. Dabei betonte sie das es.
Der Mann griff in die Seitentasche des Parkas, wühlte eine Weile und hielt schließlich einen USB-Stick in der Hand, der wie eine Spielzeugfigur des Superhelden Iron Man aussah.
„Ich habe keine Kopie gemacht“, sagte der Mann.
Lozen antwortete nicht. Menschen, die einem ungefragt versicherten, dass sie keine Kopie von was auch immer gemacht hatten, logen in 99 % der Fälle.
Sie warf dem Mann die Tasche vor die Füße. Der Mann bückte sich, klopfte den Schnee ab, zog den Reißverschluss auf, warf einen Blick hinein, nickte befriedigt, schloss die Tasche wieder, warf sie über die Schulter, stand auf, machte einen Schritt auf Lozen zu und reichte ihr den Stick. Dann ging er zum Toyota, öffnete die Tür, stieg mit der Tasche ein und fuhr los. Es gab zwei Möglichkeiten für ihn: Er konnte nach rechts oder nach links fahren. Der Mann entschied sich für Ersteres, Richtung Morrow Drive.
Ein Stümper, dachte Lozen. Vier Patzer in nicht mal 90 Sekunden. Fehler 1: Mit einem überklebten Nummernschild durch die Gegend zu fahren, lockte die Polizei an. Fehler 2: Sich zu bücken, die Tasche zu öffnen und sie dabei aus den Augen zu lassen. Sie hätte sich problemlos nähern und ihn ausschalten können. Fehler 3: Auf sie zuzugehen, ihr den USB-Stick zu überreichen und sich damit in ihre Schlagdistanz zu begeben. Fehler 4: Das Geld nicht aus der Tasche zu nehmen. Er konnte nicht wissen, ob sich unter der obersten Lage Geld oder Zeitungspapier befand. Außerdem musste er damit rechnen, dass sich ein Sender in oder an der Tasche befand.
Lozen ging zum Wagen, zog ein Headset aus der Jacke und legte es an.
„Wir haben es mit einem Amateur zu tun. Passt trotzdem auf“, sagte sie zu ihren Kollegen Karen Seymour und Ronan McIntire. Sie stand an der Kreuzung vom Morrow Drive, er auf dem hinteren Teil des Parkplatzes. Damit hatte es keine Rolle gespielt, welche Richtung der Mann wählte. Ronan McIntire fuhr mit einem alten Chevy an Lozen vorbei. Sie klopfte den Schnee von der Lederjacke ab, stieg in den Wagen und folgte ihrem Angestellten. Auf der Fahrt piepte ihr Smartphone. Eine SMS war angekommen. Sie öffnete sie. Eine Nachricht von ihrem Ex-Freund: Bitte melde dich. Kuss und Gruß, Arvist. Lozen löschte die Nachricht. Warum konnten Männer nie akzeptieren, wenn etwas zu Ende war?
Eine gute Dreiviertelstunde später parkte Lozen neben den Wagen von Karen Seymour und Ronan McIntire. Sie befanden sich in der Nähe des Anacostia River. „Dritter Stock. Wohnung auf der rechten Seite“, sagte Karen Seymour. Sie zeigte auf ein Mietshaus, 50 Meter die Straße rauf.
Lozen zog fragend die Augenbraue hoch.
„Glückstreffer. Er hat sich am Fenster gezeigt. Und er war nicht allein. Eine Frau ist bei ihm.“
„Dann los.“
Sie gingen zum Haus. Schmal, dunkel, aus Holz, drei Stockwerke. Die besten Tage hatte der Bau hinter sich.
„Ich bleib’ unten“, sagte Karen Seymour. Die hochgewachsene Afroamerikanerin hatte zwei Touren in Afghanistan hinter sich gebracht und dank einer Mine auf einem staubigen Trampelpfad in Kunduz eine Beinprothese. Lozen hatte den Gliedersatz gesehen. Ein schmales Teil aus Metall, schwarz-glänzend lackiert. Auf geraden Strecken konnte sie mithalten, Treppen waren ein Problem.
Lozen und Ronan McIntire, ein untersetzter Ire mit roten Haaren, gingen in den dritten Stock. Rockmusik und Gelächter drangen aus der Wohnung ins Treppenhaus. Der Name Josh Norwick stand an der Tür. Lozen zog ihre Heckler & Koch P9S, die eine Modifikation für einen Schalldämpfer besaß, aus dem Gürtelholster und trat die Tür auf. Sie blickte in ein schäbig eingerichtetes Wohnzimmer, in dem ein Typ um die zwanzig eine tätowierte Rothaarige im Arm hielt, die BH, Minirock, Strumpfhosen und High Heels trug. Beide hielten Bierdosen in der Hand und blickten erschrocken in die Mündung von Lozens HK P9S. Ronan McIntire stellte die Musik aus und schloss die Tür.
Josh Norwick und seine Freundin waren lausige Erpresser. Der Senator von Maine war zu lange weg von Familie und Kindern gewesen, nach drei Bourbon der Rothaarigen verfallen, beim anschließenden Sex in einem Hotelzimmer gefilmt und mit den Aufnahmen erpresst worden. Der echte Washington D. C.-Klassiker mit einem dummen Politiker und genauso dummen Erpressern. Würde es die Klassiker nicht geben, Graham Security würde weit weniger Aufträge haben.
Ronan McIntire durchsuchte das Apartment, entdeckte auf einem Laptop Kopien der Aufnahmen, löschte sie, suchte nach weiteren Kopien, fand keine und zerstörte den Rechner. Er wühlte sich durch die Wohnung und fand einen Stick, den er einsteckte. Als er fertig war, nahm er die Tasche mit dem Geld und nickte Lozen zu.
„Ich erzähle euch nun, was als Nächstes passiert“, sagte sie, „ihr verlasst Washington und kommt nicht zurück. Sehen oder hören ich oder der Senator noch mal etwas von euch, wird es unangenehmer als dieses Mal.“
„Unangenehmer?“, fragte Josh Norwick.
Lozen griff in die Seitentasche der Lederjacke, in der sich ein Schlagring befand, zog ihn über und verpasste dem Erpresser einen rechten Haken, der ihm den Kiefer brach. „Schaff ihn zum Wagen“, sagte sie zur Rothaarigen, „und haut ab aus D. C.“
Der Senator hatte darauf bestanden, dass keine Polizei involviert wurde. Zu groß war die Angst des Politikers, dass ein geldgeiler Ordnungshüter eine Kopie des Sex-Tapes für ein paar Tausend Dollar an die Presse verkaufte. Deshalb die Drohgebärden.
Lozen nickte Ronan McIntire zu und sie verließen die Wohnung. Auf dem Weg nach unten klingelte Lozens Smartphone. Sie kannte die Nummer. Sie gehörte Harvey Farossi, Wahlkampfmanager von Adam A. Kettle, dem aktuellen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten – und ein Intrigant, ein Arsch, ein Kunde, der sie an ihre moralischen Grenzen trieb, weshalb sie sich nach jedem Auftrag schwor, niemals wieder für ihn zu arbeiten. Einmal hatte sie nach einem Streit sogar das Haus des Wahlkampfmanagers abgefackelt. Aber leider war Harvey Farossi auch ein Kunde, der die besten Preise bezahlte, und Geld war nun mal das Maß aller Dinge und Ethik eine unbezahlbare Tugend, wenn man eine kleine Sicherheitsfirma wie Graham Security in der US-amerikanischen Hauptstadt betrieb. Lozen nahm den Anruf an.
Die Kälte wird verschwinden. Vermutlich. Irgendwann. Eines Tages. Hoffentlich. Mieses, böses, schmerzendes Wetter, das in die Knochen ging. Es war Wintertag Nummer 31. Deputy Sheriff Eike Wolfen kam es vor, als wäre es der einunddreißigtausendste. Seit 1936 war es Anfang November nicht so kalt gewesen in Chayton County, South Dakota – das hatte zumindest der Wetterfrosch auf KELO-TV gestern Abend behauptet.
Eike Wolfen saß im Polizeiwagen. Er trug wie immer keine Uniform. Der Deutsche mit amerikanischer Staatsbürgerschaft beobachtete eine Gruppe frierender Infanteristen, die durch den Schnee stapften und einem Panzer in die Prärie folgten. Operation Swordfish, ein Manöver der US-Army, fand seit einer Woche in Chayton, Butte und Lawrence County statt. Die drei Bezirke lagen im Westen South Dakotas, an der Grenze zu Wyoming. Eike hatte Pahá Sápa angeschaltet, eine Radiostation, die von einer Gruppe Sioux betrieben wurde. Ein Komiker machte sich über die Verschwörungstheoretiker und Ultrakonservativen lustig, die sich im Vorfeld der militärischen Übung sehr besorgt gezeigt hatten. Sie glaubten, dass das Manöver ein Vorwand des US-Präsidenten war, den Ausnahmezustand auszurufen, die Waffen der Bürger einzusammeln, politische Gegner in Internierungslager einzusperren, die Verfassung außer Kraft zu setzen, die laufenden Präsidentschaftswahlen abzublasen und eine Diktatur der Juden und Farbigen über die Weißen zu errichten. Der amtierende Präsident war bei den Konservativen des Landes nicht beliebt. Weil er gegen Waffen, für Abtreibung und ein besseres Sozialsystem war.
Der Unsinn war für den Komiker eine Steilvorlage, doch Eike konnte nicht lachen. Für ihn war die Paranoia der Rechten kein Witz. Er beobachtete das Manöver im Auftrag von Joel Kraft, dem Bürgermeister von Homer City und Gouverneur von South Dakota. Der Politiker hatte auf die Spinner reagiert. Die Sheriff Offices der betroffenen Gebiete sollten das Manöver überwachen, um sicherzustellen, dass keine konstitutionellen, keine Eigentums- und Bürgerrechte verletzt wurden. Die republikanische Präsidentschaftskandidatin Sandra Mayweather hatte das Vorgehen als absolut legitim bezeichnet. In knapp zwei Wochen fanden die Wahlen statt. Für Eike stand außer Frage: Mit dieser Geste machten Mayweather und Kraft sich lieb Kind bei den rechten Kräften.
Eike schaute gähnend auf die Uhr. Es war 5.30 Uhr morgens. Seit 30 Minuten stand er mitten im Nichts und schaute zu, wie die Soldaten das Lager verließen und in die Wildnis zogen. Er gehörte zu den Deputys, die mit Verbindungsoffizieren der Army in Kontakt standen und Gouverneur Kraft Bericht erstatteten.
Ein Soldat öffnete die Wagentür und setzte sich neben Eike. Es war First Lieutenant Bill Compton, ein breitschultriger Mann mit blonden Haaren, der für Eike wie die Verkörperung der Comicfigur Steve Rogers, aka Captain America, aussah.
„Scheiße, ist das kalt.“
„Tja, es ist wirklich nicht das richtige Wetter für ihre Geländespiele. Vor allem, wo ich immer gedacht habe, unsere Feinde säßen in der Wüste.“
Aus der Tasche seiner schwarzen Lederjacke zog Eike einen Joint, zündete ihn an und reichte ihn Captain America.
„Das ist Zersetzung der Wehrkraft“, sagte der Soldat. Er war der Verbindungsoffizier.
„Das ist der Plan, Captain.“
„Ich bin First Lieutenant.“
„Ich bin ein Mensch.“
Captain America lachte, zog und gab den Joint zurück.
„Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so früh bekifft war.“
„Läuft’s?“
„Wir sind im Zeitplan.“
„Wann setzt ihr Gouverneur Kraft ab und verkündet die Diktatur?“
„Morgen früh.“
„Bitte nicht vor acht.“
„Ich schau, was ich tun kann.“
Eikes Smartphone klingelte. Der Klingelton war der Song Quickdraw der New Yorker Bluegrass/Rap-Band Gangstagrass. Den hatte Eike Sheriff Earl Arendts zugeteilt, seinem Boss und Vater seiner vor knapp drei Monaten verstorbenen Frau Chumani.
„Was gibt’s, Earl?“
„Gefängnisausbruch in Maka Prison. Zwei Mörder sind raus. Die Highway Patrol, die benachbarten Sheriff Offices und die Reservatspolizei sind informiert. Ich möchte, dass du nach Maka fährst. Ich koordiniere die Fahndung nach den Flüchtigen.“
„Was ist mit dem Schutz der Demokratie in South Dakota?“
„Ausgesetzt.“
Von der Internetseite American Guard:
Amerikaner, passt auf. Sie sind da. Die Bundestruppen, die uns im Auftrag der Juden und Schwarzen unsere Rechte mit Gewalt nehmen wollen, die das glorreiche Erbe der Gründungsväter mit Füßen treten, für die die Verfassung der Vereinigten Staaten nur ein Blatt Papier ist. Patrioten, seid wachsam. Patrioten, seid bereit wie einst die Minutemen. Jeder kann ein Paul Revere sein. Die Stunde des Widerstands ist nah. Nichts kann wahre Amerikaner aufhalten. Keine verräterischen Richter, keine Gefängnismauern. Die Freiheit findet immer einen Weg. Möge Gott mit euch sein.
„Einen Drink?“, fragte Harvey Farossi.
Der Wahlkampfmanager liebte es zu provozieren. Er wusste, dass Lozen zu den Anonymen Alkoholikern ging. Ihr letzter Rückfall lag 61 Tage zurück.
„Ein Wasser, Harvey.“
Sie gähnte. Es war kurz vor zwei Uhr morgens. Sie war direkt nach dem Anruf zu Harvey Farossi gefahren. Der Wahlkampfmanager hatte darauf bestanden. Er füllte ein Glas mit Wasser und reichte es ihr. Er war mittelgroß, mit graumelierten Haaren und kleinen Narben um die Augen, die von einer Vergangenheit als Boxer zeugten. Seit sein Haus vor einigen Monaten abgebrannt war, lebte er in einem elegant eingerichteten Apartment in Georgetown.
„Worum geht’s?“
Mit der Fernbedienung schaltete Harvey Farossi den Fernseher an, ging ins Internet, klickte sich zur Mediathek von Vox 5 News durch, einem Onlineportal, das sich auf regionale Nachrichten spezialisiert hatte, und rief ein Webvideo vom Vortag auf.
Vox 5 News orientierte sich in der Machart stark an Fernsehnachrichten. Viele Berichte wurden von einem Reporter kommentiert. Auch in diesem Fall. Eine junge, indisch aussehende Frau erschien auf dem Bildschirm. Sie trug einen grauen Hosenanzug. Unter der Jacke trug sie ein rotes, tiefausgeschnittenes und enganliegendes T-Shirt. Lozen fand, dass der Ausschnitt zu sexy für eine Nachrichtenreporterin war.
Die Frau kündigte einen Skandal an, der die Familiengeschichte des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Adam A. Kettle betraf. Stichwortartig fasste sie diese zusammen. Lozen erfuhr nichts Neues: Die Kettles waren eine der bekanntesten und mächtigsten Familien der USA. Den Reichtum der Familie hatte William Albert Kettle mit einer Kinokette und der Produktion von Spielfilmen begründet, womit er in den 1910er Jahren begonnen hatte. In den 1920er hatte er WHAD gegründet, eine der ersten Radiostationen in New York. Das Medienimperium GEPRO, eine Abkürzung, die für Geronimo Productions stand, hatte bis heute Bestand. Sämtliche männlichen Kettles waren in der Politik tätig gewesen. William A. Kettle war in den 1920ern Wahlkampfmanager des New Yorker Bürgermeisters Jimmie Gone gewesen und hatte später im US-Senat gesessen, sein Sohn Michael Alexander war Bürgermeister von New York City und später Gouverneur von New York State geworden und hatte 1968 und 1972 vergeblich um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten gekämpft. William Albert Kettles Enkel war Direktor des CIA gewesen, sein Urenkel Adam A. Kettle war aktuell Gouverneur von New York und strebte das höchste Amt des Landes an.
Die Vox 5 News-Reporterin behauptete, sie hätte Beweise gefunden, die belegten, dass der Gründungsvater der Familie im Zweiten Weltkrieg ein Antisemit und Sympathisant der Nationalsozialisten gewesen sei. Sie zeigte ein Foto, auf dem der alte Kettle Propagandaminister Joseph Goebbels zuprostete, und spielte dazu Ausschnitte eines alten WHAD-Radiointerviews vor, das ein Einblender auf den 6. Februar 1939 datierte und den Sprecher als William Albert Kettle identifizierte:
„Ich spreche mich gegen eine Intervention in Europa aus. Wir brauchen Hitlers Deutschland. Es ist ein unverzichtbares Bollwerk gegen den Kommunismus. Die Roosevelt-Administration, die Engländer und Juden wollen die USA in den aufkeimenden Konflikt hineinziehen … Gerade für die Juden halte ich das für einen gefährlichen Weg. Sie werden im Fall eines Konfliktes als Erste die Folgen zu spüren bekommen. In Zeiten des Krieges gibt es keine Toleranz mehr … und missverstehen Sie mich nicht: Ich habe nichts gegen Juden. Wenn es nicht zu viele sind, sind sie wertvolle Mitglieder der Gesellschaft. Ich war stets ein Anhänger der Vielfältigkeit …“
Lozen trank einen Schluck Wasser.
„Dass dieses Interview und das Foto keine 14 Tage vor der Wahl auftauchen, ist kein Zufall“, sagte sie.
„Sicher nicht. Es ist nicht auszuschließen, dass es Adam den Sieg kostet. Er verkauft sich unter anderem über die Familientradition. Dass William A. Kettle, der legendäre Urvater seiner Familie, als Rassist und Nazi-Freund dasteht, ist eine Katastrophe.“
Er ging mit der Fernbedienung auf eine Ansicht, auf der er Schlagzeilen gesammelt hatte. Präsidentschaftskandidat Kettle hat Nazi-Vorfahren war noch eine der netteren.
„Natürlich haben ABC, NBC, CBS, CNN und FOX die Meldung übernommen.“
„Wie habt ihr reagiert?“
„Eine Pressekonferenz von Adam, mit den in einem solchen Fall üblichen unterstützenden Worten von populären Parteikollegen und Showgrößen.“
Harvey Farossi spielte die Pressekonferenz von Adam A. Kettle ab. Er gab sich kämpferisch, sprach von einer Schmutzkampagne seiner Gegner, von seinem unerschütterlichen Glauben an die amerikanische Demokratie, der seine Familie seit Generationen diente. Der Kandidat wirkte aufrichtig und wirklich wütend. Authentisches Auftreten war eine seiner Stärken. Die Leute glaubten ihm. Aber in diesem Fall?
„Was sagt Mayweather?“, fragte Lozen.
Sandra Mayweather, 56, eine erzkonservative Senatorin aus Texas, hübsch, eine Wirtschaftsexpertin, die bei Konzernbossen und Frauen gut ankam, weil sie eine Software-Firma mit Umsätzen in Milliardenhöhe besaß. Sie war Adam A. Kettles Gegnerin bei den Präsidentschaftswahlen.
„Sie hat Adam A. Kettle für unwählbar erklärt.“
Harvey Farossi rief ein Video auf. Sandra Mayweather stand auf einer Bühne in der amerikanischen Provinz. Hinter ihr stand ihr erklärter Vizepräsident Wes Bindella. Bis nicht die genauen Hintergründe geklärt wären, könne keiner, der an die Demokratie glaube, Adam A. Kettle wählen, erklärte Sandra Mayweather.
„Was richtig weh tut, ist die Häme von rechts und links“, sagte der Wahlkampfmanager und warf verschiedene Memes auf den Bildschirm. Ein mit Photoshop verfremdetes Bild von Adam A. Kettle, das ihn auf einer Demonstration amerikanischer Nazis zeigte, dazu der Satz Einer von uns. Ein anderes Meme zeigte ein Portrait des Kandidaten mit Hitler-Bärtchen.
„Woher haben die das Interview und das Foto?“
„Bisher gibt es keine Angaben von Vox 5 News. Das rauszufinden, ist dein Job.“
„Wieviel?“
Harvey Farossi sah sie an. Lozen wusste, dass er in diesem Fall nicht handeln, sondern sofort eine anständige Bezahlung in Aussicht stellen würde. Denn es war nicht auszuschließen, dass die Person, die das Interview ausgegraben hatte, noch mehr gefunden hatte.
„10 000 pro Tag. Dafür will ich dein ganzes Team. Ab sofort.“
„Eine Erfolgsprämie?“
„Erfolgsprämie?“
„Ja.“
Er dachte nach.
„250 000.“
„Deal.“
„Gut. Dann stell’ deine Fragen.“
Es beunruhigte Lozen, wie routiniert sie und der Wahlkampfmanager miteinander umgingen. Wie ein altes Ehepaar. Ein Zeichen, dass sie zu häufig mit ihm arbeitete. Das belegte auch der Umstand, dass sie beide wussten, dass die Vorwürfe gegen William A. Kettle stimmten. Während der Vorwahlen war ein Tagebuch von William A. Kettle aufgetaucht, das Lozen sichergestellt hatte. Jedes Wort ein Skandal. Wie sich herausstellte, hatte der alte Kettle den Grundstock seines Vermögens nicht mit Filmen, sondern mit Alkoholschmuggel – während der Prohibition in den 1920ern und 1930ern – gemacht und bis 1939 tatsächlich Sympathien für Nazi-Deutschland gehegt.
Lozen und Harvey Farossi waren ein seltsames Team. Sie besaß einen hohen moralischen Anspruch. Für viele seiner Aufträge war der zu hoch, für einige genau richtig. Moralischer Anspruch bedeutete Verlässlichkeit und Ehrlichkeit. Dinge, die gelegentlich für Farossi wichtig und schwer zu finden waren. Deshalb besaß Lozen einen hohen Wert für ihn. Das war das Paradoxon ihrer Beziehung: Sie, die Moralistin, arbeitete gegen die Stimme ihres Gewissens, für den reinen Profit, für Harvey Farossi – er heuerte sie wegen einer Sache an, die er für Geld sonst nirgendwo bekommen konnte.
„Bist du noch mit dem Blogger zusammen?“, fragte der Wahlkampfmanager.
„Mit Arvist? Nein, er ist nach New York gezogen und führt eine Kneipe. Für Distanzbeziehungen habe ich keine Zeit.“
„Schade. Er hat zu dir gepasst.“
„Er war ein Freak.“
Ein verdammt anhänglicher Freak, der verdammt viele SMS schreibt, dachte Lozen.
„Wenn du es sagst.“
Das Letzte, was Lozen wollte, war, mit dem Wahlkampfmanager über ihr Liebesleben zu sprechen.
„Angenommen, du hast recht und jemand hat die Reporterin von Vox 5 News mit dem Material gefüttert, wer könnte das sein?“
„Mayweather, Bindella, irgendwelche Lobbyisten-Gruppen, was weiß ich.“
Harvey Farossi verschränkte die Arme vor der Brust und dachte nach.
„Gouverneur Kraft hat das Thema ziemlich ausgeschlachtet. Aber das muss nichts bedeuten. Er ist sehr aktiv im Wahlkampf“, sagte er schließlich.
Der Wahlkampfmanager rief einen aufgezeichneten Livestream auf. Ein hochgewachsener Mann mit hoher Stirn und krausem Haar stand vor einem Pult und sprach zu Menschen in irgendeiner Halle. Der Politiker forderte Adam A. Kettle wortreich auf, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen.
Als Lozen später ins Auto stieg und bei weiterhin starkem Schneefall nach Hause fuhr, dachte sie über Arvist Bunger nach. Er war ein netter Typ. Kreativ, gebildet, an Kultur interessiert, ahnungslos, wenn es um Faustkämpfe und Schießereien ging, ein Fremder in ihrer Welt. Wäre er in Washington geblieben, hätte es auch nicht funktioniert, sagte sie sich. Auf der anderen Seite fragte Lozen sich, mit wem es bisher funktioniert hatte. Der General, den sie seit Jahren traf, zählte nicht, weil beide Seiten es als Affäre und nicht als Beziehung deklarierten. Und wenn sie auf eine schnelle Nummer aus war, ging sie in eine Soldatenkneipe. Als sexuelle Notdurft verrichten hatte es ihr Angestellter Nick Davout bezeichnet. Ein ekelhafter Begriff, fand sie.
„Die Aufnahmen sind authentisch“, sagte Nick Davout, der so etwas wie das Gehirn von Graham Security war. „Ich habe es anhand anderer verfügbarer Audioquellen von William A. Kettle überprüft. Fragwürdig hingegen sind die Quellenangaben des Senders.“
Er legte eine kurze Pause ein, zu kurz, als dass Lozen oder jemand aus dem Team, mit dem er im Tagungsraum der Sicherheitsfirma saß, nach dem „Wieso“ hätte fragen können. Es war eine Marotte von ihm, die seine Kollegen mittlerweile kannten und tolerierten. Sie wussten, dass Nick Davout in einer Welt leben musste, die viel zu langsam für ihn war. Das Genie mit einem fotografischen Gedächtnis hatte mit 18 seinen Doktortitel erworben, mit 19 hatte sich das Computer-Ass gelangweilt und seine Vergangenheit getilgt, sich einen neuen Namen und einen neuen Lebenslauf gegeben und beim Geheimdienst angeheuert. Aber strenge Hierarchien, viel Bürokratie und kleine Büros waren nicht sein Ding, und er war zu Lozen gekommen.
„Auf der Internetseite und von der Pressestelle von Vox 5 News wird mittlerweile das Fernseh- und Radiomuseum in New York City, das Paley Center for Media, als Quelle angegeben. Ich hab’ angerufen. Dort weiß man von solch einer Aufnahme nichts. Außerdem habe ich Harvey Farossi kontaktiert, der versicherte, man habe nach dem Auftauchen des Tagebuchs aus dem Paley Center und den Archiven von GEPRO sämtliche belastenden Ton- und Bildaufnahmen entfernt.“
„Wer hat laut Aussage des Senders die Aufnahme gefunden?“, fragte Ronan McIntire.
„Eine Reporterin namens Janis Dehane.“
Er legte erneut eine kurze Pause ein, wieder zu kurz, als dass jemand fragen konnte, wer Janis Dehane war.
„Sie ist die Reporterin, die im Video zu sehen ist. 25 Jahre alt. Geboren in Alexandria, Virginia. Vater: Charles Dehane, Lehrer. Mutter: Aishwarya Chopra, Friseurin. Studierte in Washington Journalismus. Dehane ist seit drei Jahren bei Vox 5 News und hat bisher nicht sonderlich von sich reden gemacht.“
„Was sich jetzt wohl geändert hat“, sagte Karen Seymour. „Korrekt. Kein Sender, kein Internetportal, wo sie nicht über ihren Fund gesprochen hat.“
Nick Davout schaltete den hinter ihm hängenden Flachbildschirm ein und spielte ein Video ab, das Janis Dehane im Gespräch mit einer CNN-Moderatorin zeigte. Die Reporterin trug wie in dem Vox 5 News-Video einen grauen Hosenanzug und ein rotes, zu tief ausgeschnittenes T-Shirt.
Wie sie das Interview gefunden hätte, wollte die CNN-Moderatorin wissen. Es sei ein bisschen Glück gewesen, antwortete Janis Dehane. Sie habe den Auftrag gehabt, einen historischen Beitrag über den Kettle-Clan zu machen, und sei dafür nach New York gereist, wo sie sich im Paley Center for Media alte WHAD-Sendungen aus den 30er-Jahren angehört habe. Dabei sei sie auf das Interview mit William A. Kettle gestoßen. Im Katalog sei es als ein Gespräch über eine anstehende Filmpremiere verzeichnet gewesen. Von den Aussagen über das Dritte Reich und Juden sei nichts erwähnt worden. Und woher sie das Foto habe, erkundigte sich die Moderatorin. Das habe ihr ein befreundeter Journalist aus Berlin zukommen lassen.
Nick Davout stoppte das Video.
„Wie gesagt: Die Herkunftsangaben der Dehane sind fragwürdig.“
„Es könnte aber so gewesen sein, wie sie es erzählt“, sagte Ronan McIntire.
„Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Zu viele Zufälle: Sie stößt auf ein nicht verzeichnetes Interview, das Farossis Leute übersehen haben, kriegt zeitgleich das passende Foto, und das beides kurz vor den Wahlen. Nein, es ist äußerst unwahrscheinlich. Allein, dass eine Reporterin einer Internetseite für regionale Nachrichten nach New York reisen darf, ist schon nicht glaubwürdig. Welche lokale Website gibt so viel Geld für Recherche aus?“
„Was für Geschichten hat Dehane vorher gemacht?“, fragte Lozen und nippte an ihrem Kaffee, in den sie wie immer ein wenig Karamellsirup gespritzt hatte.
„Unfälle, Verbrechen, Herzschmerz-Geschichten.“
„Also keine ausgewiesene Politexpertin.“
Nick Davout sah Lozen ausdruckslos an. Er mochte es nicht, wenn jemand das Offensichtliche aussprach. Sie machte es gelegentlich, um ihn zu provozieren.
„Politische Ausrichtung?“
„Unbekannt.“
„Wie gehen wir weiter vor? Vorschläge?“, fragte Lozen.
„Vorerst keine direkte Kontaktaufnahme. Wir müssen erst mehr über Janis Dehane in Erfahrung bringen“, sagte Nick Davout.
„Wir sollten uns bei der Journalistin umsehen“, sagte Karen Seymour.
„Sehe ich auch so. Außerdem sollten wir recherchieren, wer Memorabilien aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs verkauft. Vielleicht kommen das Foto und die Interviewaufnahmen aus dieser Ecke“, sagte Ronan McIntire.
Nick Davout nickte zustimmend.
„Eine ganz andere Frage“, sagte Bedford Balu Brummel, der für die Finanzen bei Graham Security zuständig war.
„Die da wäre?“, fragte Lozen.
„Der Senator von Maine ist im Besitz seiner privaten Aufnahmen?“
„Ja, du kannst die Rechnung stellen.“
„Gut. Was diesen Fall betrifft: Du hast gesagt, Farossi will das ganze Team buchen. Das wird nicht gehen. Nick organisiert den Einsatz in Pakistan, und Karen und Ronan sind als Bodyguards für Ken Lopez engagiert, der in dieser Woche Termine in D. C. hat. Und wie du weißt, Lozen, könnte sich durch Lopez eine neue Klientel für uns eröffnen.“
Die Klientel von Graham Security bestanden größtenteils aus Politikern und Lobbyisten. Lopez war ein angesagter Schauspieler und Sänger, den Arvist Bunger an Lozen vermittelt hatte. Der kannte den Star, weil er freiberuflich als Kulturjournalist arbeitete und Lopez seit seinen Tagen als Schauspielschüler kannte. Wenn der für Graham Security Werbung machte, konnte das wirklich einen neuen Kundenkreis bedeuten. Lozen fand Personenschutz zwar langweilig, aber es war lukrativ.
„Wir erfüllen natürlich die bestehenden Kontrakte. Farossi muss ja nichts davon wissen. Und wenn wir Unterstützung brauchen, können wir externe Kräfte anheuern. Farossi zahlt genug.“
„Du sprichst von den Slackers?“
„Zum Beispiel.“
Die Slackers waren die zwei Kautionsjäger José Martinez und Zac Egger. Ehemalige Cops, Freunde von Karen Seymour und Ronan McIntire, die Lozen innerhalb von D. C. für Aufträge anheuerten. Sie und ihr Team nannten sie die Slackers, die Faulenzer, weil sie selten vor ein Uhr mittags erreichbar waren.
Nach der Konferenz ging Lozen in ihr Büro und setzte sich hinter den massiven Schreibtisch. Ihre Mitarbeiter nannten es spöttisch Theodor Roosevelts Wohnzimmer, weil der Raum entsetzlich altmodisch eingerichtet war. Die Wände, an denen Westernlandschaften von Albert Bierstadt hingen, bestanden aus dunklem Holz. Vor dem Schreibtisch standen ein dunkelgrüner Chesterfield-Ledersessel und das passende Sofa. Der Vormieter der Büroräume hatte es so hinterlassen. Ohne es begründen zu können, fühlte Lozen sich in dieser konservativen Umgebung wohl.
Sie fuhr den Laptop hoch und suchte und fand in der Mediathek eines TV-Senders eine Chronologie der zurückliegenden Vorwahlen. Eine Ansammlung von Peinlichkeiten, die nicht für die Qualität der angetretenen Politiker sprach und belegte, dass teilweise noch jahrhundertealte Moralvorstellungen existierten: John Miles Bunker, republikanischer Senator aus Maine, trat in der ersten Woche der Vorwahlen zurück, weil ein Foto auftauchte, das ihn beim Rauchen eines Joints während seines Studiums zeigte. Die demokratische Kandidatin Shannon Warwick beendete ihren Wahlkampf, nachdem herauskam, dass die verheiratete Frau in ihrer Studienzeit eine Liebesbeziehung mit einer Frau gehabt hatte. Und dann der Außenseiter Pete Ayer, ein afroamerikanischer Zahnarzt, der der Republikanischen Partei angehörte und durch seinen Vergleich des amtierenden Präsidenten mit Adolf Hitler in die Schlagzeilen gekommen war. Er hatte aufgeben müssen, nachdem er einem Journalisten einen Fausthieb versetzt hatte.
Der nächste Fall betraf Gouverneur Joel Kraft. Er hatte während der Vorwahlen um die Nominierung bei den Republikanern gekämpft, war aber von der Kandidatur zurückgetreten, nachdem herausgekommen war, dass die CIA in Deutschland mithilfe ehemaliger Stasi-Spione Wirtschaftsspionage betrieben hatte und Gerüchte aufgetaucht waren, dass er verwickelt war. Lozen wusste, dass dies der Wahrheit entsprach. Sie hatte an dem Fall gearbeitet, aber keine Beweise gefunden. Natürlich war sie auch damals für Harvey Farossi unterwegs gewesen. Sie arbeitete wirklich zu oft für den Mann.
Lozen schaute auf den Bildschirm des Laptops. Joel Kraft war zu sehen. Es wäre ziemlich dreist von dem Politiker, nur Monate nach seinem Rückzug eine Schmutzkampagne gegen Adam A. Kettle zu starten, dachte Lozen. Harvey Farossi hatte recht. Es gab viele Verdächtige.
Das eiserne Tor öffnete sich langsam, nachdem sich Eike identifiziert hatte, und er fuhr in den Innenbereich. Die Uniformierten auf den Wachtürmen beobachteten ihn. Nach 50 Metern folgten ein Drahtzaun und ein zweites Tor, hinter dem der Parkplatz lag. Eike hielt sich nicht gerne in Gefängnissen auf. Sie lösten ein Gefühl der Beklemmung bei ihm aus.
Windböen trieben den Schnee durch die Luft. Eike knöpfte die Lederjacke zu, stieg aus und lief zum Y-förmigen Bau im Zentrum der Anlage. Links und rechts lagen jeweils drei hintereinanderstehende, rechteckige, rote Gebäude. In Maka Prison saßen 3 000 Häftlinge ein, die von 1 400 Wärtern bewacht wurden. Das Gefängnis war einer der größten Arbeitgeber in Chayton County und galt bisher als ausbruchssicher.
Im Eingangsbereich des Y-förmigen Baus wartete eine dicke Frau mit grimmigem Gesicht, der man die indianischen Vorfahren ansah und die ein blaues Kostüm trug. Es war Ethel Geller, die Direktorin von Maka Prison.
Sie war fast so groß wie der knapp eins achtzig lange Eike. Er klopfte sich den Schnee aus dem dunkelblonden Haar.
„Was ist passiert, Direktorin?“, fragte er, nachdem sie einander die Hände geschüttelt hatten.
„Um 5.30 Uhr morgens wurde die Abwesenheit der Häftlinge Woody Schembechler und Rod Hayes bemerkt und der Alarm ausgelöst.“
„Wie sind sie rausgekommen?“
„Ich zeige es Ihnen.“