Redewendungen: Episoden 2006 - Carsten Both - E-Book

Redewendungen: Episoden 2006 E-Book

Carsten Both

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Beschreibung

Behandelte Redewendungen: – wenn Ostern und Pfingsten/Weihnachten zusammenfallen/auf einen Tag fallen – (ein Gefühl) wie Weihnachten und Ostern (zusammen) – Sankt Nimmerleinstag – auf St.

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Carsten Both

Redewendungen: Episoden 2006

Redewendungen – Oft verwendet, Ursprung unbekannt?! – EPISODE 57 bis 62 (festliches Wetter und fatale Enden)

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Episode 57: Niemals! Und schon gar nicht feiertags!

Episode 58: Germanisch-italienischer Wetterbericht

Episode 59: Es werde Flut!

Episode 60: Ertrinken

Episode 61: Absonderliches Unwetter

Episode 62: Bombiges und Granatiges

Episode 63

Impressum neobooks

Episode 57: Niemals! Und schon gar nicht feiertags!

Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen!“

Da freut sich der Werktätige, der zwar in der ungebildeten Standardausführung sicherlich nicht weiß, dass so

Goethes

„Reineke Fuchs“ (1794) beginnt und dass Pfingsten das christliche Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Jünger am 50. Tag nach der Auferstehung des legendärsten aller Bauhandwerker ist, aber, und nur dieses Faktum ist fürs praktische Leben wichtig, dass dann der Montag automatisch – auch ohne routiniertes Bläuen [vgl. Episode 46] – frei ist. Und sollte es diesbezüglich eventuell zur Nachfrage bzw. Nachhilfe kommen oder sogar gedanklich mit der Abschaffung

„des lieblichen Festes“

gespielt werden, dann entdeckt der flexible Arbeitnehmer flink seine latente, regional anpassbare Religiosität, denn:

Die Leute glauben an das, was vor Ort die meisten Feiertage bringt.

Der gewiefte Werktätige meint dann sogar gehört zu haben, dass (freies) Pfingsten irgendwas mit der Gründung der christlichen Kirche zu tun gehabt hätte!? Und das müsste doch locker als Begründung für mindestens einen zusätzlichen freien Tag reichen!?

Gleichwohl wird der Arbeitnehmer-„Glaubenskampf“ um das längst vom dörflichen Brauchtum überstrahlte Pfingsten weitaus härter ausfallen als das (letzte) Gefecht um das zuvor stattfindende Ostereierfest. Dieses spielt im offiziellen Christentum nämlich die weitaus größere Rolle und deshalb werden die Arbeitgeber es als allerletztes (dann aber wahrscheinlich gleich zusammen mit dem Sonntag) abschaffen können – der Ostermontag wird folglich noch längere Zeit frei bleiben, um bunte Eier zu suchen und Osterfeuer abzubrennen. Reiner Zufall ist aber, dass an Feiertagen „niemals“ gearbeitet wird und dass – sicher ist sicher – gleich zwei christliche Festivitäten herangezogen werden, um die Zeitbestimmung „niemals“ auszudrücken: Wenn Ostern und Pfingsten zusammenfallen bzw. auf einen Tag fallen, was bei konstantem Sieben-Wochen-Abstand ebenso unwahrscheinlich ist wie „Maienostern“, gehört heutzutage wohl zur weitverbreitetsten Formulierung dieser Art. Seltener paart man in diesem Zusammenhang Ostern und Weihnachten (obwohl das in der Summe meist mehr freie Tage bringt!). Mit der Kombination von Geburts- und Auferstehungstermin wird primär eine (überraschende) Beglückung, eine übergroße Freude (über die Geschenke und freien Tage) ausgedrückt: „(Ein Gefühl) wie Weihnachten und Ostern (zusammen)“ verkünden dann pathetisch bis feierlich selbst freizeit- und konsumfixierte Nicht-Christen, für die Jehoschua Ben Joseph genauso real ist wie Osterhase und Weihnachtsmann. Diese Ungläubigen würden bestimmt noch nicht einmal davor zurückschrecken, Gottes Sohn auf einen Holzesel zu setzen und als heidnische Festtagsbelustigung durchs Dorf zu ziehen!?

Aus der wissenschaftlichen Sicht eines Häretikers ist übrigens interessant, dass Ostern ein kalendarisch „bewegliches Fest“ ist: Der Ostersonntag ist immer der erste Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, flexibel errechnet per Mondkalender. Der Auferstehungstermin scheint folglich nicht ganz genau festzustehen, ganz im Gegensatz zum Geburtstag. Und wenn Messias Karfreitag – immer der freie Freitag vor dem tonangebenden Ostersonntag – über den Jordan gegangen [siehe Episode 1] ist, dann folgt daraus eine variable Lebensspanne des Mannes, der vermutlich zwischen 7 und 4 vor seiner eigenen vermeintlichen Geburt geboren wurde – und, wenn überhaupt, dann sicherlich auch nicht in Bethlehem, sondern eher in Kafarnaum oder in Nazareth.

Um einen unmöglichen Termin zu benennen, existieren diverse Varianten aus unterschiedlichen Jahrhunderten und Regionen, die das Nimmermehr umschreiben; meist werden dabei niemals zusammenfallende (religiöse) Ereignisse, Figuren und Termine kombiniert: Martin Luther (1483-1546) soll „auf Teufels Himmelfahrtstag“ gesetzt haben, seit Mitte des 16. Jahrhunderts haben die Klugen schwere Arbeit „am Tag der Päpstin Johanna“ verrichtet und ein analoger Ausweichtermin für Unangenehmes, der „St. Jüten-Tag“, soll bereits in einem schweizerischen Volkslied aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts vorgekommen sein. Um ein „nie und nimmer“, „zu keinem Zeitpunkt“ hübsch verpackt unters fromme Volk zu bringen, wurde auch schon mal auf das „Fest der Beschneidung Mariä“ vertröstet oder „an der Juden Weihnachten“. Da mittelalterliche und neuzeitliche urkundliche oder vertragliche Terminierungen anstatt an profanen Kalendertagen nicht selten an Heiligentagen anknüpften, war es ferner geschickt, sich den imaginären Heiligen Sankt Nimmerlein zuzulegen, um nichts machen zu müssen.

Der Sankt Nimmerleinstag avancierte in der Folge zum berühmtesten erfundenen Heiligenfest und auf St. Nimmers, oder in der modernen Fassung auf den Nimmermehrstag, verschiebt Mann und Frau auch heute noch gerne in der Hoffnung, dass bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag sich ein Problem von allein gelöst hat und/oder der Blaue Planet [siehe Episode 48] sowieso untergegangen ist, was (nur deshalb) schade wäre, da man doch noch „in die Rentenkasse eingezahlt“ habe.

Zum famosen Finale passen darüber hinaus die folgenden Termine: „wenn die Erde stillsteht“, „zehn Jahre hinter dem Jüngsten Tag“, „wenn die Sonne in der Hölle scheint“ sowie „drei Tage nach der Ewigkeit“. Und dann geht’s „fünf Minuten vor der Erschaffung der Welt“ schon wieder los bzw. weiter.

Vermutlich wurzeln sämtliche dieser Niemals-Wendungen, ob sie nun auf fiktive oder (kombinierte) existente Datierungen zurückgreifen, in der Antike und können als mehr oder weniger kreative Abkömmlinge des lateinischen Ausdrucks „ad Calendas Graecas“ angesehen werden, den ein Wichtigtuer mit ganz kleinem Latinum (wie ich) selbstverständlich „ad Kalendas Graecas“ schreibt. Der römische Schriftsteller und Kaiserbiograph Gaius Suetonius Tranquillus (um 70 - um 130), besser bekannt als Sueton, berichtete über den ersten römischen Kaiser Augustus (63 v.Chr. - 14 n.Chr.), dass dieser sich angeblich des Öfteren über säumige Schuldner mit der Formulierung beklagte, diese würden wohl „ad Kalendas Graecas“ zahlen – also numquam. Denn es ist unmöglich „an den griechischen Kalenden“ zu zahlen, da die Griechen keine Kalenden kannten; lediglich im römischen Kalender waren die speziellen „Kalendae“, die jeweils ersten Tage eines Monats, ein Begriff und kamen so als (potenzielle) Zahlungstermine in Frage.

Nicht nur um rein virtuelle Zahlungstermine zu kreieren, wurden seit jeher gerne Naturwunder angeführt. Etwa Flüsse, die, jeweils lokal beim Namen genannt, zu brennen anfangen oder bergauf fließen oder sogar zurück: „Eh siehest du die Loire zurückefließen.“ lässt Friedrich Schiller (1759-1805) Johanna in „Die Jungfrau von Orleans“ (1801) sagen.

Daneben hat Schiller außergewöhnliche Flora im Angebot; in „Die Räuber“ (1782) wird eine ausweglose Situation mit noch zu züchtenden Bäumen verdeutlicht (II, 3): „Schau’ um dich, Mordbrenner! was nur dein Auge absehen kann, bist du eingeschlossen von unsern Reitern – hier ist kein Raum zum Entrinnen mehr – so gewiß Kirschen auf diesen Eichen wachsen, und diese Tannen Pfirsiche tragen, so gewiß werdet ihr unversehrt diesen Eichen und diesen Tannen den Rücken kehren.“

Und natürlich dürfen unnatürliche Tiere nicht fehlen, um ein Nie/Nicht/Niemals auszudrücken, die – prophetisch – mit Fähigkeiten ausgestattet wurden, die erst die modernen Gentechnologen den Kreaturen beibringen werden, um vor den Kameras publikumswirksam zu demonstrieren, was alles machbar ist: „Wenn die Katze kräht“, „wenn die Böcke lammen“, „wenn die Hunde mit dem Schwanz bellen“, „wenn der Ochs Kälber macht“ usw.

Die Erwähnung des Ex-Stiers provoziert einen Exkurs: Niemals – auch nicht feiertags – sollte die Weiblichkeit derart „overdressed“ herumlaufen, dass man diese mit dem männlichen Rindviech verwechselt, das zu allem Unglück noch kastriert ist und vermutlich deshalb – als Entschädigung – ein Gehänge aus Kränzen und schmückenden Blümchen und Bänderchen spendiert bekam. Ist eine Dame geschmückt wie ein Pfingstochse oder heraus-/aufgeputzt wie diese doppelt und dreifach entwürdigte Kreatur, so haben wir es mit der Artikulation von konstruktiver Modekritik zu tun: das Outfit wird als übertrieben bzw. auffallend (elegant), als geschmacklos eingeordnet.

Dieser Redewendung liegt der alte Brauch zugrunde, zu Pfingsten mit Rindvieh, das zuvor festlich mit Blumen, Bändchen und Kränzen geschmückt wurde, einen feierlichen Zug abzuhalten – den katholischen Pfingstprozessionen entsprechend. Es gibt jedoch zwei Haupttheorien, wo das Rindvieh nach dem Treiben landete: